»ICH WUSSTE NICHT, DASS DIESE RATTEN EIN ERKENNUNGSTATTOO HABEN«

~ 28. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

gestern war so ein schöner Tag. Keine Vampire, keine Hexen, Werwölfe oder sonst was Übernatürliches. Ich habe schon überlegt, ob ich fortan nur noch all diese normal menschlichen Dinge in dir reinschreiben sollte, aber will das überhaupt noch jemand lesen. Ich denke nicht. Und ja, es wäre auch nur eine sehr kurze Episode geworden, denn leider holte mich die magische Realität bereits heute wieder ein. In Form einer Pressemitteilung der Polizeiinspektion.

Meine Kollegen sahen diese als erste und riefen mich schnell herbei. Für einen Bruchteil einer Sekunde dachte ich, weil sie ein Foto von mir im Mail-Anhang gefunden hatten, welches bewies, dass ich an diesem Tag dort war und jetzt darüber spekulierten, ob ich den Täter gesehen haben könnte. Sie hatten natürlich keine Ahnung, dass ich Walther und sein Gesinde dahinter vermutete, den sie zum Glück nicht kannten und hoffentlich niemals kennenlernen würden. Doch meine Panik war unbegründet. Sie wollten nur ihr eigenes Interesse an diesem Fall befriedigen und stellten keine unangenehmen Fragen.

»Maria, schau mal. Hier geht es um den Brandanschlag auf das Seniorenheim«, sagte Claudia und kratzte sich nachdenklich am Kinn, als sie mit offenem Mund den Text erst leise und dann uns allen laut vorlas. »Ein nicht namentlich bekannter Zeuge will den Brandstifter bei seiner Tat beobachtet haben.«

Das fand ich schon mal spannend, hoffte aber insgeheim, dass der wahre Täter vielleicht doch nur ein Spinner der normalen Welt war und wir uns bei unserer Vermutung rund um die Untergrundvampire geirrt hatten. Aber was mir anschließend um die Ohren gehauen wurde, war noch tausendmal schlimmer.

»Demnach soll der Täter niemand geringerer sein, als dieser Klaus Mikaelson«, las Claudia weiter vor. Mir gerann das Blut in den Adern. »Du hattest vermutlich recht damit, Maria, diesen Typ nicht leiden zu können. Der hat offenbar eine kriminelle Ader. Hätte man ihm gar nicht zugetraut, so adrett wie der sich immer gibt.«

Ich glaube, meine Kollegen brauchen ein #Klaria-Update. Die gute alte Zeit, in der ich Klaus nicht ausstehen konnte, war vorbei.

Aber was viel wichtiger war als das: Warum in aller Welt wird ausgerechnet Klaus als Brandstifter beschuldigt? Und von wem? Laut den Zeugenaussagen sei Klaus kurz vor dem Brand in der Nähe des Seniorenheims herumgeschlichen. Außerdem wird ihm zur Last gelegt, dass er verdächtig schnell am Tatort aufgekreuzt sei, um zu helfen.

»Klaus Mikaelson soll demnach den Brand gelegt haben, um sich als Retter in der Not aufzuspielen, um wiederum sein Ansehen in der Stadt Eichenstedt zu erhöhen«, ging Claudia im Text weiter und meine Kollegen sahen sich mit einer Mischung aus Erstaunen und Entsetzen an. Dann kicherten sie. Klar, ein super Skandal wäre das. Der Wohltäter der Stadt entpuppt sich als zwanghafter Übeltäter und Selbstdarsteller.

Vor nicht allzu langer Zeit waren genau das die Wörter, die ich ihm ebenfalls angedacht hatte.

In der Tat war auch ich am Sonntag verblüfft, als Klaus so plötzlich dort aufgetaucht war. Ich muss mir eingestehen, dass ich seine Anwesenheit für einen Moment als sehr verdächtig empfand. Aber ich hatte mit Stefan gesprochen, der gerade aus der Kanalisation kam. Er roch furchtbar. Klaus stank jedoch ganz und gar nicht. Also kann er nicht kurz zuvor ebenfalls dort unten gewesen sein, um – warum auch immer – diesen Brand zu legen. Das können außen mir sicherlich auch jene Leute bestätigen, die er zusammen mit Damon aus dem Gebäude gerettet hatte.

Auf den mitgelieferten Fotos von Klaus' und Damons Rettungsaktion war ich zum Glück nicht zu sehen. Sonst käme noch jemand auf die haarsträubende Idee, dass Eichenstedt.fm den Brand gelegt hat, um auch am Sonntag etwas Spannendes zu berichten zu haben.

Je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde das Bild. Alles an dieser Geschichte klang nach Walther und seinen Plänen, das Ansehen der Familie Mikaelson zu ruinieren. Er hat diesen Brand gelegt und von Anfang an vorgehabt, ihn Klaus in die Schuhe zu schieben. Die Tatsache, dass Klaus so schnell dort war, hat ihm leider in die Hände gespielt. Vielleicht hätte Klaus diese Untergründler damals doch alle an Ort und Stelle vernichten sollen. Aber wir hatten keine Zeit, über Vergangenes nachzudenken. Ich ging nicht weiter auf die Gespräche meiner Kollegen ein, sondern verkrümelte mich in den zu dieser Zeit leeren Konferenzraum, um ein paar Infos aus erster Hand zu ergattern.

»Hallo, Liebes. Du machst dir doch nicht etwa Sorgen um mich?«, fragte Klaus, als er meinen Anruf entgegennahm.

Da er anscheinend bester Laune war, hatte er entweder seine Unschuld beweisen können, alle manipuliert ihm zu glauben oder alle umgebracht, die ihm nicht glaubten.

»Klaus, was zum Teufel sind das für verrückte Geschichten, die da über dich erzählt werden?«

»Wie es aussieht, ist Walther sehr kreativ darin, meinen guten Ruf schädigen zu wollen.«

»Offensichtlich. Wo bist du jetzt?«

»Ich komme gerade vom Polizeirevier. Die freundlichen Damen und Herren dort haben zum Glück keine Schwäche für Eisenkraut«, witzelte Klaus.

»Du hast deine Unschuld manipuliert? Oder hast du sie alle –«

»Wo denkst du denn hin? Es liegen keinerlei Beweise gegen mich oder meine Familie vor. Sie haben mir ganz ohne Vampirtricks geglaubt. Ich sollte lediglich noch einmal ein paar Personalien abgleichen. Da kam ich dann um die ein oder andere Manipulation nicht drum herum. Aber ich bin mir sicher, dass das auch in deinem Ermessen war«, unterbrach mich Klaus und erklärte die Situation.

Ich war erleichtert. »Ich sage meinen Kollegen Bescheid, dass das alles nur ein Missverständnis war und wir die Meldung nicht mit ins Programm nehmen. Wir werden Walthers Plänen nicht auch noch eine Plattform bieten«, versicherte ich meinem Erschaffer.

Dann hatte ich eine unvorhergesehene und ganz und seltsame Idee, die ich leider sofort aussprach, ohne zuvor noch einmal darüber nachzudenken.

»Ähm, Klaus? Ich ähm, hab gleich Feierabend und da du ja gerade in der Nähe bist –«

»Ich bin schon auf dem Weg, Liebes«, unterbrach mich Klaus erneut und schien gewusst zu haben, wie der Satz weiterging.

Sollte er wirklich so weitergehen? Hatte ich ihn gerade nach einem Date gefragt? Nein! Ganz sicher nicht. So ein Blödsinn, Maria. Was du wieder denkst! Ich will nur die Sache mit Walther besprechen und wie gesagt, er ist halt gerade in der Nähe und so.

Ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, weshalb ich mich gerade so euphorisch fühlte, sah ich allgemeine Hektik in der Programmdirektion ausbrechen. Der Hauptcomputer war mal wieder abgestürzt und es kam nichts als Stille aus dem Äther. Wie nichtig mir diese kleinen technischen Pannen auf einmal vorkamen.

Als ich dann endlich Feierabend machen konnte, wartete unten auf dem Parkplatz tatsächlich Klaus auf mich. Er hatte wieder seine lustige Schirmmütze auf. Kein Wunder, dass man ihm seine Unschuld sofort abgekauft hat.

»Sorry, es hat etwas länger gedauert. Der Hauptrechner ist mal wieder hängen geblieben«, entschuldigte ich meine kleine Verzögerung, während ich noch überlegte, was wir beide denn jetzt überhaupt zusammen unternehmen könnten.

Doch Klaus blickte nur ernst drein und schaute sich vorsichtig um, als würde er befürchten, beobachtet zu werden.

»Walther macht seine Drohungen ernst. Wir müssen jeder Zeit mit weiteren Angriffen rechnen«, sagte er leise.

Dann meinte Klaus, dass der Schutz seiner Familie und insbesondere seiner Tochter oberste Priorität habe.

»Das wird auch nötig sein«, sagte ich und erzählte ihm, dass Edith schon in dieser Woche nach Eichenstedt kommen wolle.

»Ich denke, es ist besser, wenn wir alles Weitere fortan telefonisch abklären«, meinte Klaus auf einmal und wich meinem Blick aus.

Es sollte seiner Meinung nach bis auf Weiteres keine persönlichen Treffen mehr zwischen mir und den Mikaelsons geben, erklärte er ernst.

Ehe ich nach dem Warum fragen konnte, war er auch schon in Vampirgeschwindigkeit davon gedüst.

Ich bliebt zurück und guckte doof ins Leere.

Warum sollte ich mich nicht mehr mit den Mikaelsons treffen? Nachdem die Salvatores schon nichts mehr mit mir zu tun haben wollten, hatte ich jetzt gar keine vampirischen Freunde mehr oder was?

Freunde.

Das war es vermutlich. Walther sollte denken, dass ich nicht mehr mit den Mikaelsons befreundet war. Denn dadurch wäre ich ein erklärtes Ziel dieser Bande. Die Mikaelsons wollten mich schützen, indem sie mich auf Abstand hielten, wenn es dafür nicht längst zu spät war.

Was auch immer der Grund für diese sonderbare Neuregelung war, ich war irgendwie mächtig angepisst, auf einmal so stehen gelassen worden zu sein. Ohne weitere Erklärungen, ohne eine Verabschiedung, ohne ein Pass auf dich auf. Als Vampir nimmt man so was noch übler als sonst. Ich ging ein Stück vor, in Richtung Straße, um mich abzureagieren, als mir ein Passant gerade recht kam.

Manipulieren, Trinken, Vergessen lassen – fertig.

Zum Glück war ich noch nicht so mies gelaunt, dass ich den richtigen Zeitpunkt aufzuhören verpassen würde. Als Vampir muss man echt vorsichtig mit seinen Emotionen sein. Ruck zuck hat man irgendwelchen Mist gebaut. Der arme Mann muss nun allerdings bei sich zu Hause erklären, woher er diesen überdimensionalen Knutschfleck hatte. Aber das sollte nicht meine Sorge sein. Er konnte froh sein, dass ich nach wie vor an meinen Vorsätzen festhielt, niemals jemanden töten zu wollen. Keinen Menschen jedenfalls.

Als ich weiter Richtung Holzplatz spazierte, sah ich, dass ich offenbar nicht der einzige Vampir mit schlechter Laune in Eichenstedt war.

Eine fremde Vampirin machte sich gerade über einen älteren Herrn her und im Gegensatz zu mir, wirkte diese Dame nicht so, als würde sie beabsichtigen im richtigen Moment mit dem Saugen aufzuhören. Ich konnte hören, wie das Herz des Mannes immer schwächer schlug, und in meinem eh schon desolaten Gemütszustand sah ich nur eine Möglichkeit, um dem Knaben zu helfen.

Mit einem blitzschnellen Satz hechtete ich zu der Vampirin hin und rammte ihr meine bloße Hand von hinten in den Rücken, fischte nach ihrem gefühllosen Herzen und riss es aus ihrem untoten Körper.

Eben hatte ich noch darüber nachgedacht.

Schwupps, da war es auch schon passiert.

Ich hatte jemanden getötet.

Mit bloßen Händen.

Auf offener Straße.

Es war zwar nur eine Vampirin mit schlechten Manieren, dennoch fuhren meine Gedanken und Gefühle Achterbahn. Aber immerhin hatte ich einen hilflosen Mann gerettet. Das sollte es mir Wert gewesen sein. Und schließlich stand ich mit Walther und seinen Leuten auf Kriegsfuß. Also, ein Feind weniger.

Oder war sie gar kein Feind?

Hinter mir tauchte auf einmal Damon auf und schaute sehr erschrocken, angesichts dieser bizarren Szene, die sich ihm bot.

»Damon? Was machst du denn auf einmal hier?«

»Dasselbe könnte ich dich fragen, Maria. Kann ich dir irgendwie bei der Beseitigung dieser Schweinerei behilflich sein?«

»Ich hoffe, das war keine Bekannte von dir. Ich, sie hat ... sie hat diesen alten Mann angefallen, sie hätte ihn fast getötet. Ich dachte, sie gehörte zu Walther und –«

Damon schüttelte glücklicherweise den Kopf. »Sie ist eine von Walthers Schergen. Siehst du diese Tätowierung?« Damon zeigte auf ein Tattoo an ihrem Handgelenk. »Ich denke nicht, dass es Zufall ist, dass Stefan am Sonntag das gleiche verschnörkelte Symbol in der Kanalisation unterm Seniorenheim gesehen hat«, erklärte er.

»Ich wusste nicht, dass diese Ratten ein Erkennungstattoo haben«, sagte ich verwundert.

»Vielleicht nur bestimmte Mitglieder von deren Verein«, spekulierte Damon. »Falls es ein Strickmuster darstellen soll, war diese Vampirlady hier bestimmt für die Pullis ihrer Kameraden verantwortlich.«

Damon wieder mit seinen Flausen.

»Ich habe diese Schnörkel auch schon einmal gesehen«, überlegte ich und beugte mich tiefer zu der Vampirin herunter. »Ja, an Lindas Halskette und in den alten Hexenbüchern! Und eventuell an Walthers Hinterkopf. Ein weiterer Beweis dafür, dass diese Leute mit Edith und Walther in Verbindung stehen«, stellte ich fest, nachdem ich das Zeichen genauer betrachtet hatte.

Damon stimmte mir zu und machte ein Handyfoto von dem Tattoo und hievte die tote Vampirin anschließend über seine Schulter.

»Kümmere dich erst mal um den Herrn, dann entsorgen wir Madame Dracula fachgerecht auf Damonart«, sagte er und grinste geheimnisvoll.

Ich gab dem Mann mein Blut, damit er sich von dem Angriff erholen konnte. Anschließend manipulierte ich ihn, alles zu vergessen, was er Furchtbares durchleiden und mitansehen musste. Als er langsamen Schrittes wieder seines Weges ging, folgte ich Damon zu einigen größeren Müllcontainern.

»Du willst sie doch nicht einfach verbrennen?«, fragte ich erschrocken.

»Die einfachste Art sich unliebsamen Restmüll vom Hals zu schaffen.« Damon grinste sein schiefes Grinsen und zündete die Tonne samt Vampirleiche an.

Diese ging sofort in Flammen auf. »Bis das jemand bemerkt hat, ist von der Schlampe nur noch Asche übrig«, ergänzte er und klopfte sich angewidert die Schultern sauber, um irgendwelche Partikel der Fremden loszuwerden.

»Und in der Polizeimeldung steht morgen wieder was von einem Containerbrand.«

»Und? Besser als die Meldung über einen Vampirangriff auf offener Straße.«

Ich nickte. »Danke, Damon.«

»Dafür? Ach, ich will nur nicht, dass mein neues Zuhause im Müll versinkt.«

Dann verschwand Damon so schnell, wie er aufgetaucht war.

In mir keimte ein wenig Hoffnung auf, dass unsere Freundschaft doch noch zu retten war. Auch, dass er von seiner neuen Heimat sprach, ließ mich aufhorchen. Zumindest schienen die Brüder nicht vorzuhaben, Eichenstedt so schnell wieder zu verlassen.

Vielleicht war es ganz gut, die Mikaelsons eine Weile die Mikaelsons sein zu lassen und mich wieder den Salvatores zu widmen. Ich hatte einiges gutzumachen bei ihnen. Außerdem wäre es äußerst unklug, derlei Streitigkeiten auszutragen, während unser Feind seine Netze immer enger um uns spannte. Dem konnten wir nur vereint entgegentreten.

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