»ICH HABE DAS UNGLÜCK GEBRACHT, DAS ICH GESCHWOREN HATTE, ZU VERHINDERN«

~ 13. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,


es ist alles so furchtbar. Ich konnte die ganze Nacht an nichts anderes als an Freya denken. Was konnten wir nur tun, um sie aus Ediths Fängen zu befreien? Ein wichtiger Schritt wäre es, wenn uns Alaric endlich verraten würde, von wem er die ganzen Informationen über die Werwölfe im Harz hat. Doch er blieb auch dann noch stur, als ich ihm per SMS von Freyas Entführung berichtete.

Ich finde es auch so ungerecht. Ich meine, Edith weiß, wo ihre Schwester und Großnichte sind. Sie könnte ihren Hexenarsch einfach zur Villa Mikaelson bewegen und uns herausfordern. Stattdessen entführt sie Freya und versteckt sie wer weiß, wo? Feige ist sie. Jawohl!

Ein wenig Trost fand ich darin, dass ich dieses Mal endlich mit einer neutralen Person über das Geschehene sprechen konnte und meine Schwester Luisa hörte mir auch aufmerksam zu.

»Ohne Freya könnt ihr diesen Fluch nicht brechen, oder?«, fragte sie vorsichtig. »Und Freya ist auch die Einzige, die ein Mittel für dich finden kann, um deine Verwandlung in eine Hybridin abzuschließen, richtig?«

Ich nickte. »Lass deswegen nicht den Kopf hängen. Wir werden sie schon finden und befreien.«

Was ich Luisa jedoch nicht erzählt hatte, war der Vorfall mit Linda und Martha, als ich die Kontrolle über meine Emotionen verloren hatte. Das musste ich selbst noch verarbeiten. Nicht auszudenken, was passiert wäre, wenn Hayley nicht dazwischen gegangen wäre. Auch der Anblick meines eigenen, monströsen Gesichtes quälte mich weiterhin. So ganz hatte ich es nach wie vor nicht akzeptiert, was ich jetzt bin, obwohl ich mir sicher war, dass es mich nicht mehr so stark beschäftigte, wie am Anfang. Aber meine Fassade des guten Vampirs bröckelte mehr und mehr. Es gibt keine guten Vampire. Wir alle sind Monster. Wir können lediglich lernen, es zu kontrollieren.

Und nein, zu dieser Erkenntnis bin ich nicht durch Walthers Geschwafel gekommen. Mittlerweile habe ich es geschafft, seine penetranten Worte aus meinem Kopf zu verbannen.

Am heutigen Dienstag hatte ich frei und entschloss, eine Runde durch die Stadt zu drehen. Zum einen, um den Kopf freizubekommen und zum anderen, um mich davon zu überzeugen, dass Walther und Edith nicht schon wieder den nächsten Anschlag verübten.

Dann bekam ich eine Nachricht von Rebekah. Sie und Elijah waren in der Weiherstraße unterwegs gewesen, um zu schauen, ob sich dort jemand von unseren Feinden aufhält oder ob Freya dort ist. Wir trafen uns kurze Zeit später auf einer Bank an den Wasserspielen auf dem Eichenstedter Stadtfeld.

»Wir konnten nichts finden«, sagte Rebekah. »Alles war verlassen. Dort war mit Sicherheit ewig niemand mehr, außer irgendwelchem Getier. Wir waren auch in weiteren verlassenen Gebäuden mit gleichem Ergebnis.«

»Wo steckt die alte Hexe bloß? Es muss doch möglich sein sie zu finden«, dachte ich laut vor mich hin.

Wir beobachteten eine Weile die Menschen auf dem großen Platz inmitten der Stadt. An diesen Ort kommen bei schönem Wetter viele Leute – Familien, ältere Herrschaften, Jogger. Dann und wann finden auf dem Eichenstedter Stadtfeld Großveranstaltungen statt. Ein idealer Ort, um zuzuschlagen, dachte ich und hoffte gleichzeitig, dass es niemals dazu kommen würde.

»Das ist wirklich nicht auszuhalten. Ständig lebt man in der Angst, dass irgendwas passieren könnte. Ich schaue ständig nach Tauben in den Bäumen und vermute hinter jedem komischen Gesicht auf der Straße einen der Untergrund-Vampire«, sagte ich zu Rebekah und raufte mir die Haare.

»Das verstehe ich. Wir mögen die stärksten Kreaturen auf dem Planeten sein. Aber auch meine Geschwister und ich haben schon in Jahren der Angst und der Verfolgung gelebt. Ich verspreche dir, wir werden auch das hier schaffen«, erzählte Rebekah.

»Ihr vielleicht«, antwortete ich desillusioniert. »Ihr seid tausend Jahre alt. Ich bin nur ein dummes kleines Kind, das seine Gefühle nicht kontrollieren kann. Nur wegen meiner Naivität ist Freya jetzt in Gefangenschaft.«

»Mach dir keine Gedanken, Maria. Freya hat genauso an diesen Plan geglaubt wie du. So etwas passiert und mit Edith haben wir einen ebenbürtigen Gegner. Wir dürfen uns davon nicht unterkriegen lassen« Rebekah versuchte, mich zu trösten.

Ich steckte aber nach wie vor in Selbstzweifel fest.

»Ich habe genau das Unglück über die Stadt gebracht, das ich geschworen hatte, zu verhindern. Ich habe auf ganzer Linie versagt. Alles, was ich damals wollte, war Klaus so schnell wie möglich aus der Stadt zu jagen. Jetzt nenne ich ihn und seine ganze Familie meine Freunde. Das ist doch verrückt.« Ich lachte mich fast schon selbst aus.

Aber Rebekah lächelte ebenfalls und legte ihre Hand auf meine Schulter.

»Und das ist auch gut so. Niemand von uns macht dir Vorwürfe. Wir sind deine Freunde. Ich kann nicht sagen, wann mich schon einmal jemand so empfangen hat, wie du, wenn er von meiner Identität wusste. Matt Donovan, vielleicht«, kicherte Rebekah. »Ich gebe zu, wir hatten nie wirklich viele Freunde und vor ein paar Jahren wäre es niemals dazu gekommen, dass du uns mögen würdest. Wir waren abscheulich, damals in Mystic Falls. Vor allem Nik. Aber jeder von uns hat ausgerechnet dort seine Menschlichkeit wiedergefunden – und in New Orleans, durch Hope.«

Als Rebekah die Kleine erwähnte, musste ich doch wieder an das denken, was Walther mir erzählt hat.

»Gib dir keine Mühe, Bekah. In Wahrheit bin ich doch nur ein lästiges Anhängsel und ein Spielzeug für euch alle«, erwiderte ich missmutig und bereute es, dass Walthers Worte derart viel Einfluss auf mich hatten.

Rebekah schüttelte jedoch den Kopf. »Nein, das bist du nicht, Maria. Sicher haben wir nicht mit jemanden wie dir gerechnet, in einer Stadt, die als vampirfrei galt. Aber keiner von uns betrachtet dich als eine Last. Schon gar nicht Nik. Auch, wenn er das manchmal nicht so zeigen kann. Mit deiner Freundlichkeit und Unvoreingenommenheit bist du wie ein Lichtblick in der Dunkelheit.«

Verfluchte Scheiße! Hatte das nicht Walther gesagt? Ich musste tief ein und ausatmen, um nicht ein weiteres Mal die Nerven zu verlieren.

»Aber ich bin auch ein Monster«, entgegnete ich ihr. »Hast du nicht gesehen, was gestern passiert ist? Ich war gar nicht ich selbst. Ich kann euren Anforderungen an mich nicht gerecht werden. Ich bin kein Engel, Rebekah.«

Rebekah schüttelte abermals den Kopf. »Das war doch ganz normal und du hattest dich besser unter Kontrolle, als die meisten Vampire. Aber du hast recht. Wir alle sind Monster. Jeder von uns und niemand wird sich jemals völlig daran gewöhnen. Selbst ich habe nach tausend Jahren noch immer den Wunsch, einfach wieder ein Mensch zu sein. Wir kämpfen alle mit unseren Dämonen.«

»Gut gesprochen, Schwester.«

Auf einmal tauchte Elijah neben uns auf.

»Heiliger Bimbam! Elijah! Wie oft willst du mir noch einen Herzschlag verpassen?«, fauchte ich ihn sofort an, nachdem ich mich zum vierten Mal vor ihn erschrocken hatte.

»Bis du es gelernt hast, mich vorher wahrzunehmen, Maria.« Manchmal war selbst der vornehme Elijah nicht zu ertragen. »Ich störe eure tiefgründige Unterhaltung nur ungern«, sagte der überzeugte Anzugträger und setzte sich zu uns auf die Bank. »Aber wir haben eventuell einen weiteren Hinweis, wo wir nach Edith suchen könnten.«

Elijah kramte etwas aus seinem Jackett hervor.

»Ein Grundstücksplan? Ist das hier in Eichenstedt?«, fragte ich.

»Niklaus hat seinen Status als Ehren-Stadtratsmitglied spielen lassen und hat Folgendes herausgefunden. Dieses Gebäude befindet sich direkt hinter dem Haus der Salvatores.«

»Ja, das kenne ich! Dort bin ich früher mal zum Friseur gegangen. Die Frisur sah aber scheiße aus«, sagte ich und reichte Rebekah die Karte weiter.

»Ediths Vorfahren haben einmal darin gewohnt. Über mehrere Generationen hinweg. Nun ist das Gebäude unbewohnt und Niklaus will diesen Umstand nutzen, um dort in Ruhe Nachforschungen anzustellen. Unter dem Haus sollen sich Tunnel befinden. Und Tunnel in Hexenhäusern bedeuten nicht selten weitere kleinere oder größere Geheimnisse. Falls nötig, wird mein Bruder die alten Gemäuer abreißen lassen. Hat sich Mr. Saltzman eigentlich bei dir gemeldet, Maria?«, fragte Elijah abschließend.

»Er weigert sich, uns Informationen über seine Quelle zu geben. Ich hatte ihn nochmals auf die Dringlichkeit hingewiesen, aber Ric blockt jeden Kontaktversuch meinerseits ab«, antwortete ich.

»Gib mir seine Nummer. Ich werde es selbst noch einmal versuchen«, bat mich Elijah.

Ich hatte jedoch meine Zweifel, dass er ausgerechnet einem Urvampir helfen wird und mit der Wahrheit herausrückt.

Nach einer Weile des Einwählens und Tutens meldete sich Alaric am anderen Ende der Leitung.

»Mr. Saltzman, sehr erfreut Sie zu hören. Elijah Mikaelson am Apparat. Bitte legen Sie nicht gleich wieder auf.«

»Ich werde auch mit einem Urvampir nicht über diese Sache sprechen.« Ric verhielt sich, wie erwartet, auch Elijah gegenüber abweisend. »Verlassen Sie diese Stadt. Sie und ihre ganze Familie und halten Sie sich aus dieser Sache raus. Ich meine es ernst.«

»Nun, Mr. Saltzman, wir meinen es auch ernst und diese Hexe Edith leider ebenfalls«, ließ sich Elijah nicht abwimmeln. »Sie hat, wie Sie sicher wissen, unsere Schwester Freya gefangen genommen. Edith hat uns bereits den Krieg erklärt. Den müssen wir gar nicht mehr selbst anfangen. Diese Hexe hat hier in der Stadt den Tod eines Menschen zu verschulden und einen Brandanschlag auf das Seniorenheim veranlasst. Eine ganze Armada an Vampiren hört auf Ediths Befehl. Des Weiteren befinden sich derzeit mehrere Dutzend Werwolfanwärter in ihren Fängen. Sie sollten bedenken, dass Sie sich mitschuldig an all dem Leid, was unschuldige Menschen durch diese Hexe erdulden müssen, machen, sofern Sie sich weiterhin weigern, uns einen wichtigen Hinweis zu geben, der uns im Kampf gegen Edith weiter bringen könnte.«

Ich war positiv überrascht über Elijahs höfliches aber dennoch forderndes Auftreten.

Nach einer kurzen Weile der Stille erklang endlich das erlösende Wort am anderen Ende der Leitung.

»Einverstanden. Ich schicke Ihnen alles zu, was Sie wissen müssen.« Alaric hat eingeknickt, wenn auch widerwillig.

»Vielen Dank, Mr. Saltzman.« Elijah steckte stolz grinsend sein Handy ein. »War doch gar nicht so schwer.«

»Vielleicht bist du ihm auch nur so sehr auf die Nerven gegangen, dass er keine andere Lösung gesehen hat, um dich endlich loszuwerden«, witzelte Rebekah.

Ich war einfach nur dankbar, dass wir jetzt vielleicht endlich weiterkamen, bei unserer Suche nach diesem verflixten Werwolfsgürtel.

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