»FIFTY SHADES OF KLAUS«

ALS LINDA UND ich an der Kreisvolkshochschule ankamen, standen Stefan und Damon bereits artig vorm Klassenzimmer und warteten auf uns. Sie waren schon vorher in der Schule gewesen, um mit Alaric zu sprechen. Linda berichtete mir fröhlich davon, dass ihre Oma sich auf unseren morgigen Besuch sehr freue. Mir wurde bewusst, dass, wenn ich es nicht täte, die arme Großmutter stattdessen Besuch von den Mikaelsons bekommen würde. Wie ich es auch drehte und wendete, am Ende hatte Elijah vermutlich recht. Ich musste die Sache durchziehen, um Schlimmeres zu verhindern.

Im Klassenraum fiel mein Blick auf eine Kursteilnehmerin, die beim letzten Mal noch nicht dabei gewesen war. Sie saß in der ersten Reihe, gleich neben Linda und mir. Stefan erkannte sie überraschenderweise sofort.

»Das ist Freya Mikaelson«, flüsterte er mir zu.

Also sind jetzt drei Mikaelsons in der Stadt.

Aber Freya war kein Vampir. Sie war eine Hexe und ich hatte bereits einige freundliche Telefonate mit ihr geführt. Außerdem hatte ich ihr meinen Tageslichtring und die Alibifotos von der Côte d'Azur zu verdanken. Trotzdem fand ich es etwas verdächtig, dass sie gerade jetzt hier auftauchte.

Linda war natürlich wieder ganz begeistert darüber, ein junges Gesicht im Kurs zu sehen, und sprach die über tausend Jahre alte Wikingerhexe sofort an.

Als Linda fertig war, mit ihren Lobgesängen und begann ihre Unterlagen auszupacken, wendete sich Freya mir zu. »Schön, dich endlich persönlich kennenzulernen, Maria.«

»Die Freude ist ganz meinerseits, hoffe ich.« Ich ließ auch sie von Anfang an wissen, dass ich ihrer Familie nicht traute.

Aber Freya schien auch in Wirklichkeit so nett zu sein, wie am Telefon und lachte über diesen kleinen Seitenhieb auf ihre ungehobelten Brüder. Vielleicht war es nur Einbildung oder ein Wunschgedanke, aber ich hatte das Gefühl, sie umgab tatsächlich eine Art mystische Aura.

Freya erklärte, dass sie gerne selbst etwas über diese Werwolfmythen hören wolle und freiwillig hier sei. Schon die zweite aus dem Hause Mikaelson, die innerhalb der letzten dreißig Minuten beteuerte, nicht von Klaus geschickt worden zu sein.

Ich überlegte, ob es vielleicht gut wäre, sie als Expertin für Hexenbücher morgen mit zu Lindas Oma zu nehmen. Aber würde ich dadurch zu viel Kontrolle an die Mikaelsons abgeben? Allerdings wusste ich nicht, wonach ich überhaupt suchen sollte. Alaric konnte ich nicht fragen, es sollte schließlich niemand etwas von meinen geheimen Machenschaften wissen. Verdammte Zwickmühle.

Aber mir wird schon was einfallen.

Als der Kurs begann, redete Alaric über weitere Einzelheiten des Werwolffluchs und andere Werwolflegenden aus aller Welt. Er zeigte auch eine Vielzahl an Symbolen, von denen ich hoffte, einige morgen in den Büchern wiederzuerkennen. Dann rundete Ric das Thema Werwolf mit Aspekten aus Kunst, Kultur und Unterhaltung ab und zeigte beispielsweise Ausschnitte aus Filmen und Serien.

In der zweiten Hälfte des Kurses ging es dann noch mal um die Himmelsscheibe von Nebra und andere mystische Relikte und ihre Bedeutung für diese Region. Ich merkte schnell, dass er nun alles gesagt hatte, was er über die Harzer Werwölfe wusste. Oder was er darüber sagen wollte. Denn von irgendjemandem musste Ric all diese Informationen schließlich erhalten haben. Nicht einmal Klaus selbst kam bei seinen eigenen Nachforschungen zu diesem Thema derart weit.

Als Alaric am Ende der Stunde ankündigte, dass es in der kommenden Woche um Zwerge und verborgene Schätze im Harz gehen sollte, wusste ich endgültig, dass aus diesem Seminar nichts Brauchbares mehr rauszuholen war. Jedenfalls nichts mehr, was mit Klaus zu tun hatte. Es sei denn, er war nebenbei noch auf der Suche nach dem Arkenstein oder etwas Ähnlichem.

Während ich innerlich am Verzweifeln war, schien sich mein Problem von allein zu lösen. Denn Linda und Freya verstanden sich offensichtlich so gut, dass Linda von sich aus anbot, auch Freya morgen zu ihrer Großmutter mitzunehmen.

»Ich hätte nie gedacht, einmal so viele Leute zu treffen, die sich für diese alten Bücher interessieren«, verkündete Linda hocherfreut über Freyas Interesse.

Wenn du wüsstest, dachte ich.

»Meine Oma hat schon so oft überlegt, die Dinger einfach wegzuwerfen. Zum Glück hat sie es nie getan.«

Besser wäre es gewesen. Keine Bücher, keine Hexsprüche, kein Werwolffluch, den Klaus brechen könnte.

»Ich hole euch beide Morgen um 19 Uhr hier hinten auf dem Parkplatz ab, okay?«, schlug Linda schließlich vor und räumte ihren Kram zusammen.

Nachdem sie gegangen ist, sprach ich Freya unter vier Augen an. Oder unter sechs, ich hatte ja wie immer meine Fake-Brille auf. »Ich bin eigentlich ganz froh, dass du morgen dabei bist, Freya. Ich hätte nicht gewusst, wonach genau ich schauen sollte. So muss ich nicht versuchen, Linda und ihre Oma zu manipulieren, damit ich die Bücher zur Villa schleppen kann«, sagte ich möglichst leise.

»Das verstehe ich«, schmunzelte Freya. »Allerdings sind Hexen immun gegenüber Vampir-Bewusstseinskontrollen. Das hätte ohnehin nicht funktioniert.«

Das war interessant zu wissen. Deshalb war es vermutlich so schwer für einen Vampir, an einen Tageslichtring zu kommen.

Aber ich war noch aus einem anderen Grund froh darüber, Freya mitzunehmen. Auf diese Weise konnte ich verhindern, dass Klaus noch an weitere Weisheiten der Harzer Hexen gelangte.

Wer weiß, auf welche wahnwitzigen Ideen dieser Piesepampel sonst noch kommen würde?

Freya schaute mich verständnisvoll an. »Die Bücher bleiben, wo sie sind. Klaus wird sich mit dem begnügen müssen, was ich ihm dazu berichten kann.«

Ich war erleichtert, dann wurde es allerdings noch einmal abenteuerlich. »Kommst du mit? Du willst doch noch mit meinem Bruder sprechen. Ich fahr dich zur Villa.« Freya war anscheinend besser informiert über meine Pläne für den heutigen Abend, als ich selbst.

Wir verhielten uns wie zwei Gangsterbräute. Freya ging voraus, zu ihrem Auto auf den großen Parkplatz hinter der Schule. Ich musste in der Zwischenzeit die Salvatore-Brüder abwimmeln, ohne verdächtig zu wirken. Diese hatten für heute eigentlich geplant, den Heimweg mit mir zusammen anzutreten. Jedes andere Mal wäre ich auch sehr glücklich darüber gewesen, aber irgendwie schien es zur Gewohnheit zu werden, dass nach Rics Okkultismuskurs immer ein Mikaelson auf mich wartete. Also hatte ich bedauerlicherweise noch etwas gaaanz Wichtiges zu tun und konnte leider noch nicht nach Hause gehen. Stefan und Damon verabschiedeten sich also von mir und gingen allein ihres Weges.

Ich huschte schnell zum Parkplatz und hoffte, dass sie mir nicht heimlich folgen würden. Dann sprang ich zu Freya ins Auto und erneut lautete mein Ziel: Villa Mikaelson.

Auf der Fahrt dorthin haben Freya und ich kaum ein Wort gewechselt. Was seltsam war, denn am Telefon hatten wir uns eigentlich ganz gut unterhalten. Na ja, die Umstände waren heute auch etwas anders. Offiziell war ich schließlich ein Feind der Familie. Erst als wir ausstiegen, wünschte sie mir viel Glück bei den bevorstehenden Verhandlungen mit ihren Brüdern.

Ich werde wohl mehr als Glück brauchen.

Als wir die Eingangshalle betraten, erwartete mich bereits Elijah und bat mich, ihm zu folgen. Er scheint wirklich immer einen Anzug zu tragen. »Es freut mich, dass du es dir noch einmal überlegt hast, Maria.«

Als ob ich eine andere Wahl gehabt hätte, als es mir zu überlegen. Ich hatte diese Suppe versalzen, nun musste ich sie auch auslöffeln.

Ich folgte der wandelnden Bundfalte die Treppe hinauf. Wir erreichten unser Ziel, als wir einen kleinen Raum betraten. Dieser war sehr hochwertig ausgestattet, oval geschnitten und mit großen Fenstern. Die Wände waren halbhoch mit Holz vertäfelt und von Gemälden geschmückt. Ich fragte mich, ob diese vom Hausherrn persönlich gepinselt wurden. Ein prunkvoller Kronleuchter hing über einem kleinen Tisch und die acht Stühle, die ihn umgaben, waren mit goldfarbenen Tüchern umhüllt. Das seltenste Exponat in diesem Zimmer saß auf dem Stuhl genau vor dem Fenster, sodass ich ihn im Gegenlicht erst gar nicht richtig sehen konnte. Aber dafür hörte ich ihn sofort.

»Ah, schau an! Da ist ja unser widerspenstiges Rotkäppchen.«

»Und der große böse Wolf liegt schon auf der Lauer, wie ich sehen«, gab ich etwas schnippisch zur Antwort.

Klaus grinste nur weiter sein Klausgrinsen. »Darf ich dir etwas anbieten, Maria? Einen Bourbon oder einen edlen Rotwein?«, fragte er betont höflich.

Der ewige Vollhorst in mir meldete sich in diesem Augenblick zu Wort und ich bestellte einen Kräuterlikör. Dabei wäre es vermutlich besser, nüchtern zu bleiben. Aber ein Schlückchen wird schon keinen Schaden anrichten. Zudem wollte ich die Verhandlungen nicht gleich mit einer Ablehnung beginnen. Klaus ließ seinen manipulierten Kellner, der passenderweise Alfred hieß, sofort ein Gläschen servieren.

Dann begann Klaus über seine genauen Pläne zu reden. Elijah hielt sich währenddessen vornehm zurück und überließ seinem Bruder die Bühne.

»Schön, dass wir hier noch einmal zusammengekommen sind. Es besteht kein Grund für angesäuerte Blicke, Liebes. Weißt du nicht mehr? Wir wollten doch Freunde werden«, begann Klaus seine Ansprache und bezog mich armen Tor gleich mit ein.

Doch ich hatte schon eine Idee, wie ich kontern konnte. »Freundschaft, Klaus, basiert auf gegenseitiges Vertrauen. Und ich bin mir nicht sicher, ob ich dir vertrauen kann.«

Klaus' Miene verfinsterte sich. »Weil ich dir bitte was getan habe, wodurch du zu diesem Schluss gekommen bist?«, wollte er wissen.

»Nichts«, antwortete ich.

Bislang hat er mir nichts getan, das ist richtig.

»Alles Böse, was du über mich zu wissen glaubst, haben dir die Salvatores eingeredet und ja, ich gebe zu, nicht unbedingt zu den guten Jungs im Vampiruniversum zu gehören. Aber denkst du nicht, dass du dennoch etwas zu voreingenommen bist, Maria?«, fragte Klaus und gestikulierte dabei wild mit seinen Händen herum.

»Das wäre ich nur, wenn ich den Salvatores, im Gegensatz zu dir, zu hundert Prozent trauen würde. Aber vielleicht beruhigt es dich zu wissen, dass ich das nicht tue?« Die Mikaelson-Brüder wurden hellhörig. »Ihr alle seid Vampire. Blutsauger. Ihr ernährt euch vom Blut unschuldiger Menschen. Ihr alle habt bereits Menschen getötet, verletzt, manipuliert, terrorisiert. Stefan wurde einst als Ripper von Monterey bekannt und Damon war niemals ein Kind von Traurigkeit. Denkst du also wirklich, ich würde diese beiden für etwas Besseres halten? Dennoch waren Stefan und Damon vom ersten Tag meiner Verwandlung an für mich da. Sie haben mich unterstützt und mir geholfen, Wege Blut zu trinken zu finden, bei denen keine Menschen verletzt werden müssen. Sie selbst versuchen es mit aller Kraft und gutem Wille zu vermeiden, frisches Blut zu trinken. Stefan hat seine Ernährung sogar teilweise auf Tierblut umgestellt und auch Damon nutzt Blutkonserven. Sie verstehen mich und, dass mein Weg nicht der Einfachste ist für einen Vampir. Und ja, sie haben mich vor dir gewarnt. Aus gutem Grund, wie du und dein Bruder sicher selbst am besten wisst. Weil sie nicht wollen, dass mir jemand Schaden zufügt. Aus diesen Gründen fällt es mir leicht, den Salvatores zu vertrauen. Sie waren von Anfang an ehrlich zu mir. Du hingegen, Klaus, hast mir eine sehr wichtige Information vorenthalten, als ich mich entschlossen hatte, dir bei deiner Suche nach den Werwölfen zu helfen. Und den Grund dafür verstehe ich sogar. Du hattest befürchtet, dass ich dir dann nicht mehr helfen würde und mich endgültig gegen dich stelle. Du hast mir nicht vertraut. Verstehst du? Wir vertrauen uns gegenseitig nicht und deshalb können wir keine Freunde werden.«

Eine kurze beklemmende Stille zog in das Verhandlungszimmer.

»Du planst, das Leben einiger bislang normal und friedlich lebender Menschen komplett auf den Kopf zu stellen und sie in Gefahren zu bringen, von denen sie nicht einmal wissen, dass es sie gibt«, fuhr ich schließlich mit meiner tollkühnen Rede fort. »Hab bitte Verständnis dafür, dass ich bei dieser Aussicht keine Luftsprünge mache.«

Ich musste gestehen, dass ich in diesem Moment selbst von meiner Souveränität überrascht war.

»Wieso nur vermuten alle stets schlechte Absichten hinter all meinen Taten?«, fragte Klaus nach einer weiteren kurzen Stille leicht gereizt. »Es ist immer wieder das Gleiche.«

Ich ging, nachdem ich meinen Standpunkt deutlich gemacht hatte, nun endlich in den Verhandlungsmodus über.

»Du hast recht, Klaus. Nach tausend Jahren des Unruhestiftens wird es wohl niemanden geben, der ehrenwerte Absichten hinter deinen Taten vermutet.« Ich spreche fast so gehoben wie Elijah. »Aber ich scheiße auf alles, was die Salvatores über dich erzählt haben.« Okay, da ist der noble Elijah-Modus dann auch schon wieder vorbei und die Urbrüder machen große Augen. »Lass uns heute noch einmal ganz von vorn anfangen, ohne Vorurteile auf beiden Seiten. Damit wir allerdings unser gegenseitiges Vertrauen aufbauen können, müssen wir zu Kompromissen bereit sein und uns an gewisse Regeln halten. Wenn ich dir helfen soll, Klaus, dann musst du mir garantieren, dass ich künftig stets über all deine Pläne informiert werde und, dass niemandem Schaden zugefügt wird. Ich für meinen Teil werde morgen, wie vereinbart, zu Lindas Großmutter gehen und gemeinsam mit Freya die Hexenbücher durchsehen und alles für dich abfotografieren, was ich als deinen Plänen dienlich erachte. Zudem stehe ich als Einheimische natürlich auch mit meiner Orts- und Leutekenntnis zur Verfügung, um weitere Informationen zu beschaffen und deine Werwölfe zu finden. Des Weiteren garantiere ich, den Salvatores nichts über deine Wolfssuche zu erzählen. Wir wissen beide, dass sie sich nur einmischen und es damit nicht leichter machen würden.«

Klaus nickte die ganze Zeit stumm vor sich hin, während er meinen Worten mit strengem Gesichtsausdruck lauschte.

»Und sobald ich die Wölfe habe, verlasse ich deine Stadt wieder und kehre in meine zurück«, sagte er schließlich.

»Dann verlässt du Eichenstedt, ohne eine Spur der Verwüstung hinterlassen zu haben«, stimmte ich zu. »Und ihr helft dabei, die fremden Vampire aufzuspüren«, schob schnell hinterher.

Klaus schaute zu Elijah und sie tauschten stumm Blicke aus.

»Einverstanden. Ich werde keinen der Wölfe aufzwingen, sich mir anzuschließen«, versprach Klaus. »Ich werde ihnen ihre wahre Identität zurückgeben und ihnen zeigen, was es heißt, ein Wolf zu sein. Wer schließlich dazu bereit ist, mit mir zusammen New Orleans zurückzuerobern, wird mir folgen. Die anderen Wölfe bleiben hier, um dir zu helfen, Eichenstedt vor eindringenden Vampiren freizuhalten. Hört sich das für dich nach einem akzeptablen Kompromiss an, Maria?«, fragte Klaus breit grinsend.

Das tut es tatsächlich.

Ich hatte das Versprechen, eine eigene Werwolfarmee zu bekommen, die die Bürger dieser Stadt vor Angriffen fremder Vampire schützen soll. Das war in der Tat ein überaus verlockendes Angebot. Klaus hatte mir zugehört und verstanden, was mir wichtig war.

»Ich denke, wir kommen ins Geschäft«, antwortete ich und die Urvampire lächelten nun beide.

»Das freut mich zu hören, Liebes«, sagte Klaus.

Jetzt mache ich also offiziell gemeinsame Sache mit den Mikaelsons.

Als Nächstes sprachen wir darüber, dass Freya und ich morgen möglichst nett zu Lindas Großmutter sein sollen, um sie eventuell weiterhin als Quelle zu den Harzer Hexen nutzen zu können. Das klang in meinen Ohren zwar wieder nach einer Gemeinheit, aber einer, die niemandem wehtat.

»Unsere Hoffnungen beruhen darauf, dass wir bei den Hexen auf eine Namensliste oder Ähnliches stoßen, welche uns zu den Nachfahren der Werwolfrudel führt«, sagte Elijah. »Freya könnte dann versuchen, diese Leute mit einem Lokalisierungszauber ausfindig zu machen. Wenn wir sie gefunden haben, kannst du als Bürgerin dieser Stadt und bekannte Radiostimme ihr Vertrauen gewinnen.«

Na, toll. Da komme ich also als Köder ins Spiel. Ich fühlte mich wie eine abgefahrene Version des Rattenfängers von Hameln.

Die Wolfsfängerin von Eichenstedt.

Mit gefangen, mit gehangen, heißt es ja so treffend. Da musste ich jetzt auch noch durch und hatte so tatsächlich etwas die Kontrolle über Klaus' nächsten Schritte. Ich hoffte, ich konnte dadurch Schäden verhindern und nickte zustimmend.

»Also, keine miesen Tricks und nichts ohne mein Wissen?«, fragte ich noch einmal nach.

»Ich halte stets mein Wort«, antwortete Klaus und grinste dabei so unschuldig, als wenn er noch nie im Leben etwas Böses getan hätte. »Vielleicht kann ich dein Vertrauen endgültig gewinnen, Maria«, sagte der Urhybrid anschließend und stand auf. »Komm mit. Ich zeige dir etwas, das dich überzeugen wird.« Klaus hechtete zur Tür hinaus.

»Wie, was? Wohin denn?«, fragte ich ganz verdutzt.

»In den Keller!«, hörte ich Klaus von draußen noch rufen.

Elijah gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich seinem Bruder folgen sollte. Also trank ich den letzten Schluck Kräuterlikör und rannte meinem Erschaffer nach.

»Was wollen wir denn jetzt im Keller, bitteschön?«, fragte ich erneut, voller Verwirrung, während ich Klaus hinterher hetzte. »Hast du da irgendeine Waffenkammer oder ein perverses Spielzimmer versteckt?«

Er lachte nur. »Tut mir, leid. Fifty Shades of Klaus kann ich dir heute nicht bieten«, antwortete er sichtlich amüsiert.

Verdammt. Wieder so ein vollhorstiger Kommentar von mir. Aber was ist es denn dann, was mich angeblich von seinen guten Absichten überzeugen soll?

Im Keller angekommen, öffnete Klaus eine große quietschende Tür und dahinter erkannte ich einen leblosen Körper liegen. Natürlich erschrak ich zunächst bei diesem unappetitlichen Anblick, mit dem ich nicht gerechnet hatte.

»Wer zum Henker ist das?«

»Du kennst ihn vielleicht nicht, aber du bist ihm einmal begegnet ...«, antwortete Klaus trocken und ging zu dem Toten hin. »Am Abend des 17. Januar.«

Nun begriff ich, vor wessen Leichnam ich gerade stand. »Das ist der Typ, der mich angegriffen hat?«, fragte ich dennoch verwirrt über die Tatsache, ihn jetzt hier in Klaus' Keller zu sehen. »Du sagtest, er habe sich selbst erdolcht.«

»Das ist richtig.« Klaus zeigte mir den Zweig, der noch immer von dessen Hand umklammert in der Brust des toten Vampirs steckte. »Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht selbst mit einem toten Feind etwas anzufangen wüsste«, ergänzte Klaus triumphierend. »Ich werde Freya bitten einen Lokalisierungszauber, basierend auf seinem Blut oder seiner Kleidung zu versuchen. Eventuell können wir auf diese Weise Verbündete von ihm ausfindig machen. Dann wissen wir, ob er ein Einzeltäter war oder ob eine ganze Bande dahintersteht. Das macht es für uns einfacher, gegen diese Bedrohung vorzugehen.«

Ich war mehr als positiv überrascht von dem, was ich sah und hörte. Klaus hatte sich nach dem Angriff tatsächlich Gedanken gemacht. Gespannt sah er mich nun an und wartete offenbar auf eine endgültige Entscheidung meinerseits.

»Fürs Erste hast du mein Vertrauen, Klaus Mikaelson. Der Deal gilt. Versau es nicht«, sagte ich endlich und zog dabei eine Augenbraue hoch.

Wir besiegelten unsere Vereinbarung mit einem Handschlag und verließen den Keller dann wieder. Auf dem Weg nach oben konnte ich es mal wieder nicht lassen, irgendwelche dummen Fragen zu stellen.

»Du, Klaus? Elijah hat erzählt, dass du malst.«

»Ja, das stimmt«, antwortete Klaus stolz und auch etwas überrascht, dass ich ihn darauf ansprach. »Beim Malen kommen mir immer die besten Ideen. Ich habe als Kind oft tagelang gemalt oder kleine Figuren geschnitzt.«

Der ernste Verhandlungsmodus konnte als beendet bezeichnet werden und was folgte, war ein durchaus amüsanter Smalltalk. Klaus grinste wie ein kleiner Junge, als er mir von seiner Kindheit erzählte. Kaum zu glauben, aber auch der weithin gefürchtete Urhybrid war einmal ein kleiner, unschuldiger Knabe gewesen.

»Ich habe als Kind auch immer ganz viel gemalt«, verkündete ich dann ebenfalls voller Stolz. »Ich habe mir immer eigene kleine Geschichten ausgedacht und wollte diese dann natürlich sofort aufs Bild bringen. Comics, Bildergeschichten. Alles so was. Weniger solche hochwertigen Ölgemälde, wie du sie malst.«

»Dann haben das Rotkäppchen und der große böse Wolf also tatsächlich einiges gemeinsam«, stellte Klaus grinsend fest.

Ich ließ mich zu weiteren Anekdoten meiner Kindheitstage hinreißen und berichtete von meiner bislang schlimmsten Straftat.

»Als ich noch im Kinderwagen saß, da habe ich aus einem Geschäft einfach ein Bilderbuch mitgehen lassen und rate mal, welche Geschichte es war!«

»Wenn du schon so fragst, dann vermutlich Rotkäppchen und der Wolf«, tippte Klaus und musste sich ein herzhaftes Lachen verkneifen.

»Ja, genau! Zum Glück hatte es niemand bemerkt. Aber meine Mama hat es gleich zurückgebracht und nachträglich bezahlt, als sie es entdeckt hat. Und ich war als Kind auch schon einmal als Rotkäppchen verkleidet, weißt du. Damals hat mein Papa den Wolf gespielt«, erzählte ich weiter.

Nun mussten wir beide lachen.

Irgendwie schien sich das Rotkäppchen wie ein roter Faden durch mein kriminelles Leben zu ziehen. Vielleicht war mein Schicksal damals schon besiegelt?

Irgendwann standen Klaus und ich vor einem seiner Gemälde im Flur der Villa Mikaelson. Ich musste zugeben – eine passable Leistung. Das hätte ich meinem tausend Jahre alten Erschaffer gar nicht zugetraut. Als wir weiter vor uns hinplapperten, kamen wir auch irgendwann auf das Thema Dinosaurier zu sprechen.

»Weißt du, ich denke, alles, was mir passiert ist, war von Anfang an vorherbestimmt. Ich habe damals schon immer Dinos mit blutverschmierten Schnauzen gemalt. Wie hätte aus mir jemals etwas anderes werden können, als ein Vampir?«, sagte ich nachdenklich.

»Du mochtest also die bösen Dinos, hm?«, stellte Klaus richtigerweise fest und zog dabei schmunzelnd die Augenbrauen hoch.

»Die Raptoren mochte ich immer am liebsten. Klein und dennoch hochgefährlich. Und einige jagten in Rudeln. Wie Wölfe. Die hätten dir auch gefallen«, antwortete ich und warf Klaus ebenfalls ein keckes Schmunzeln zu.

Unsere heitere Unterhaltung wurde jäh von Elijah unterbrochen.

»Euren angeregten Gesprächen über Kunst und prähistorische Raubtiere entnehme ich, dass unser Deal steht.« Dank Elijah kippte die gute Stimmung gleich wieder in den ernsten Verhandlungsmodus, was ich erschreckenderweise ziemlich schade fand.

»Wir sind uns einig«, sagte ich und Klaus nickte grinsend neben mir.

»Fein. Dann, willkommen im Team, Maria Simoni.« Elijah schüttelte mir die Hand und ich nutzte die Gelegenheit, mich fürs Erste aus dem Staub zu machen.

Ganz wohl war mir zwar nach wie vor nicht bei dieser Sache, aber ich hatte endlich wieder das Gefühl, mich richtig entschieden zu haben.

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