»ES IST KEINE ENTSCHEIDUNG! ES IST ERPRESSUNG!«

~ 27. März 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,


heute habe ich Damon und Stefan zusammengetrommelt. Wir trafen uns am frühen Abend vor ihrem Haus. Ich hatte die ganze Nacht darüber nachgedacht, was mir Walther alles erzählt hat. Vor allem der Teil über die Werwölfe ging mir nicht aus dem Kopf.

»Wie es aussieht; könnten wir tatsächlich eine tickende Zeitbombe wecken, wenn wir den Fluch brechen«, begann ich den Salvatore-Brüdern meinen Plan zu erklären. »Wir müssen es von Anfang an schaffen, sie unter Kontrolle zu halten. Ich selbst bin eine von ihnen. Ich werde versuchen, ihr Vertrauen zu gewinnen und ihren Respekt zu verdienen, ehe dies andere tun, und wir tatsächlich Probleme bekommen.«

»Und was genau, wenn ich fragen darf, sind deine Argumente, mit denen du diese Wölfe überzeugen willst?«, fragte Damon zu recht skeptisch.

»Ein paar sehr gute. Freya hat sie bereits vor einiger Zeit angefertigt«, antwortete ich und hielt einen Ring in die Höhe.

»Ist das einer dieser Mondlichtringe?«, fragte Stefan und ich erzählte ihm, dass die Mikaelsons natürlich bereits Vorkehrungen getroffen hatten, bevor sie nach Eichenstedt kamen.

»Ich denke nicht, dass diese Leute Lust darauf haben, sich an jedem Vollmond zu verwandeln. Und so wirklich nützlich sind sie uns auch nur, wenn sie Kontrolle über ihre Wolfsform haben«, erklärte ich.

»Ist das denn auch alles mit dem Alphawolf abgesprochen?«, wollte Damon wissen, während Stefan den Mondlichtring interessiert betrachtete.

»Nein. Er weiß nichts davon«, antwortete ich zur Überraschung der Salvatores. »Klaus hat sich in letzter Zeit nicht gerade fair mir gegenüber verhalten und außerdem den Werwolfsgürtel für sich vereinnahmt. So fällt es mir schwer, ihm das Vertrauen entgegenzubringen, das wir uns einst versprochen hatten. Die Ringe sind meine Absicherung, dass er nicht am Ende doch mit meinem Rudel abhaut.«

Damon und Stefan schauten mich verwundert an.

»Ja, richtig gehört. Ich gehöre der harzer Werwolflinie an, genau wie diese Menschen. Sie sind mein Rudel und wir haben eine Vereinbarung, dass ihnen die Wahl gelassen werden soll, wem von uns beiden sie sich anschließen. Ich für meinen Teil habe vor, mich daran zu halten«, sagte ich entschlossen.

»Hoffentlich hast du dir nicht zu viel vorgenommen, Maria«, sagte Stefan, als er mir den Ring wiedergab.

»Eventuell habe ich nichts zu verlieren. Also, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«

Kurze betretene Stille.

»Wissen wir denn überhaupt, wo diese Werwölfe jetzt sind?«, fragte Damon schließlich.

»Laut Freya hat Edith den Zauber, der sie willenlos macht und einsperrt, aufgehoben. Wir können davon ausgehen, dass sie alle wieder nach Hause und in ihr normales Leben zurückgekehrt sind. Aber ich schätze, dass sie nach diesem Erlebnis bereits jetzt nicht mehr die Personen sind, die sie vorher waren. Umso wichtiger ist es, dass wir sie genau jetzt auffangen und ihnen Halt geben. Sie brauchen jemanden, der ihnen hilft, mit der neuen Situation umzugehen. In dieser Sache bin ich ganz gut, denke ich. Ich hab schließlich von den Besten gelernt«, sagte ich mit einem Augenzwinkern und sprach damit die Unterstützung an, die ich von den Salvatores nach meiner Verwandlung erhalten hatte.

»Also sammeln wir jetzt einen Haufen verwirrter zukünftiger Werwölfe ein? Wenn die Harzer Wolfskönigin das wünscht, auf gehts«, sagte Damon und zusammen mit einer aktuellen Namensliste, die Martha und Linda gefunden haben, zogen wir los.

Wir liefen von Adresse zu Adresse und kamen uns vor wie Staubsaugervertreter, Steuereintreiber oder Sektenmitglieder. Aber am Ende konnten wir einen nicht unerheblichen Teil der Wölfe überzeugen, sich meinen Vorschlag anzuhören. Viele von ihnen waren, wie befürchtet, noch traumatisiert nach der Entführung durch Edith. Das war allerdings für mich ein guter Ansatzpunkt, um sie von mir zu überzeugen.

Wir versammelten uns an der Hexenwarte. Da hatten wir so spät in der Nacht unsere Ruhe und genug Platz. Es müssen etwa fünf Dutzend Leute gewesen sein, die uns dorthin folgten. Mit so vielen hatte ich wirklich nicht gerechnet. Unser Glück war es, dass sich während der Gefangenschaft bereits enge Freundschaften gebildet hatten und wir nicht jeden Einzelnen persönlich vor der Haustür einsammeln mussten. Vor uns stand ein gut vernetztes Werwolfrudel. Alles in allem sehr gute Voraussetzungen, hoffte ich.

Dann war meine große Stunde gekommen. Zum allerersten Mal hielt ich eine Ansprache vor einem Haufen Werwölfe. Ich durfte das auf keinen Fall vermasseln. Meine Anspannung war enorm. Ich musste freundlich, verständnisvoll, einfühlsam aber auch streng und konsequent sein, um als Rudelführerin akzeptiert zu werden. Und ich musste diesen Leuten klar machen, dass ihnen nur dann wirklich geholfen werden kann.

»Ich weiß, dass ihr die letzten Wochen Furchtbares durchgemacht habt, und ich kann es sehr gut nachvollziehen, wie sehr euch das verwirrt, verängstigt oder vielleicht sogar gefällt. Euer Leben wird nie wieder dasselbe sein und ihr konntet es euch nicht einmal aussuchen. Mir ging es damals genauso. All das hätte ich niemals für mich gewollt. Aber was man nicht ändern kann, muss man akzeptieren oder man geht daran kaputt. Wir müssen zusammenstehen und uns gegenseitig unterstützen. Ich biete euch meine Hilfe an. Doch wird heute von niemandem von euch eine Entscheidung erwartet. Hört euch an, was ich zu sagen habe, und dann geht nach Hause und denkt in Ruhe darüber nach. Ich werde keinen zu etwas zwingen. Niemand soll seinen freien Willen erneut hergeben müssen. Ich bin nicht Edith. Ich toleriere ihre Taten in keiner Weise«, begann ich meine Rede.

Damon und Stefan, ihres Zeichens Vampire, hielten sich einige Meter hinter mir auf. Das war eine Sache unter Werwölfen.

»Ihr könnt ein relativ normales Leben weiterführen. Dennoch habt ihr eine Gabe. Wenn der Fluch am Wochenende gebrochen wird, der die übernatürliche Seite eurer Persönlichkeit unterdrückt, dann habt ihr die Möglichkeiten unsere - eure Heimat vor eindringenden und Unheil stiftenden Vampiren zu schützen. Ihr könnt alles schützen, was euch lieb und teuer ist. Ich finde, das ist ein Geschenk.«

Einer der Wölfe trat aus der Masse hervor und unterbrach mich.

»Ein Geschenk? Sich zu jedem Vollmond unter größten Schmerzen in ein Untier zu verwandeln nennst du ein Geschenk?« Er sprach das Thema Verwandlung an und gab mir damit eine gute Steilvorlage, um mit den Verhandlungen zu beginnen.

»Ein absolut berechtigter Einwand, mein Freund. Man hat euch vermutlich versucht einzureden, dass die Mikaelsons eure Feinde sind«, fuhr ich fort und erkannte einige zustimmende Gesten. »Doch dem ist nicht so. Freya Mikaelson ist eine über Tausend Jahre alte Hexe mit sehr viel Macht. Ihr ist es gelungen, sogenannte Mondlichtringe zu fertigen. Diese schlichten Schmuckstücke mit dem hübschen Cyanid-Stein bewahren euch vor der Bindung an den Mond. Jeder, der einen solchen Ring trägt, hat die volle Kontrolle über seine Gestalt. Ihr könnt euch verwandeln, wann immer ihr wollt. Aber ihr müsst euch nicht verwandeln, wenn ihr das nicht möchtet. Somit könnt ihr alle eure Macht und eure Fähigkeiten optimal an eure Bedürfnisse anpassen.«

Ich fühlte mich wie in einem Verkaufskanal oder einer Kaffeefahrt. Aber einige Wölfe schauten bereits interessiert. Es gab aber auch skeptische Stimmen aus dem Publikum.

»Du würdest da nicht so stehen, wenn es nicht irgendeinen Haken an der Sache gäbe«, sagte eine der Wölfinnen und schaute etwas säuerlich. »Geschenke von den Mikaelsons bekommt man doch nicht einfach so, nach allem, was ich gehört habe!«

Ihrem Einwand folgte ein allgemeines Gemurmel.

»Ich bin keine Mikaelson, so viel vorweg. Aber ihr habt recht. Umsonst gibt es nichts im Leben. Diese Mondlichtringe sind nur für jene von euch bestimmt, die geloben, ihre Fähigkeiten zum Schutze der Stadt einzusetzen. Eine andere Möglichkeit besteht darin, ein völlig neues Leben in New Orleans zu beginnen. Dazu müsstet ihr euch allerdings Niklaus Mikaelson, dem Urhybriden anschließen. Ihr werden ihm dabei helfen, diese Stadt wieder sicher für seine Familie zu machen. Anschließend könnt ihr euch den Werwölfen im Bayou anschließen oder irgendwo sonst auf der Welt ein neues, übernatürlich gutes Leben starten.

Das sind meine drei Vorschläge. Haltet euch von uns fern und verwandelt euch jeden Monat qualvoll in einen Wolf. Oder ihr schließt euch entweder mich oder den Mikaelsons an und beschützt entweder eure Heimat oder New Orleans und erhaltet dafür die Mondlichtringe. Es ist eure Entscheidung.«

»Es ist keine Entscheidung! Es ist Erpressung!«, rief erneut die Wölfin von eben dazwischen. »Die Mondlichtringe dafür, dass wir nach den Pfeifen von einem von euch beiden tanzen?«, es mischte sich merklich Unmut unter die Wölfe.

»Das kann man so oder so sehen. Entweder bist du Sklave des Mondes oder du behältst die Kontrolle über dich und deine Gestalt sowie deinen freien Willen. Weder Klaus noch ich haben vor, einen von euch zu versklaven. Wir bringen euch bei, mit euren neuen Identitäten umzugehen und eure Fähigkeiten zu nutzen. Seht es als eine Art Ausbildung. Denkt gut darüber nach.«

»Wir stimmen zu!«, rief plötzlich der Typ von vorhin dazwischen, nachdem er sich mit einigen der anderen Wölfe unterhalten hatte.

Es schienen etwas mehr als zwei Dutzend zu sein, die sich daraufhin hinter ihn stellten und zustimmend nickten.

»Wir werden diese Stadt vor angreifenden Vampiren und anderem Übel beschützen, wenn dies nötig werden sollte«, sagte er und schaute entschlossen zu mir. »So etwas, das uns zugestoßen ist, sollte niemand erleben müssen. Wenn ich helfen kann, das zu verhindern, werde ich das tun.«

Die anderen schienen noch ihre Bedenken und Zweifel zu haben. Aber das konnte ich gut verstehen.

»Wer möchte, kann am Donnerstag bereits den Ernstfall proben. In der Villa Mikaelson findet dann die Eröffnungsfeier des künftigen Hotelbetriebs statt. Wir können nie wissen, ob nicht ein paar zwielichtige Vampire aus Walthers Truppe dies zum Anlass nehmen, um dort für Chaos unter den Besuchern zu sorgen. Wer möchte, kann an diesem Tag als Personenschutz agieren. Bewaffnet euch dafür mit Holzpflöcken und Eisenkraut.

Ihr anderen habt noch ein wenig Zeit meine Angebote zu überdenken. Für heute könnt ihr nach Hause gehen. Vielen Dank für eure Aufmerksamkeit.« Beinahe wäre mir ein Möge die Macht mit euch sein herausgerutscht, aber ich wollte meine Seriosität natürlich nicht aufs Spiel setzen.

Die Wölfe verteilten sich langsam in alle Richtungen und ich konnte sie angeregt diskutieren hören. Meine Anspannung war nach wie vor auf dem Höchstlevel.

»Damon, ein Blutbeutel, bitte«, sagte ich, als ich zu den Salvatores ging und griff mit zitternder Hand nach dem roten Saft.

»Gut gesprochen, Maria. Wirklich. Meinen höchsten Respekt«, sagte Stefan. »Aber alle konntest du noch nicht überzeugen. Ich hörte gerade einige darüber diskutieren, was ihnen New Orleans anginge. Im Zweifel hat Klaus schlechtere Karten bei der Wolf-Verteilung und dann ... wer weiß?«

»Das wird schon noch. Es ist noch alles neu und beängstigend für sie. Aber ich schätzte, sie haben keine andere Wahl, als uns zu folgen, wenn sie diese Ringe haben wollen. Zurzeit beherrscht allein Freya einen effektiven Zauber zu dessen Herstellung. Hauptsache ist, dass sie erst mal wissen, dass sie nicht allein sind und, dass Edith ihnen nichts mehr tun kann. Und ich kann mir gut vorstellen, dass die meisten nachher New Orleans googeln und hey, das ist doch eine ziemlich geile Stadt. Wer würde diese Chance nicht nutzen, um mal raus aus Eichenstedt zu kommen?«, antwortete ich auf Stefans Bedenken und merkte bereits beim Sprechen, dass ich mir dieser Sache selbst nicht so sicher war, wie ich vorgab.

»Und wer unterstützt sie, wenn Freya keine Lösung für dich findet?«, mischte sich nun Damon ein.

»Wenn Walther recht hat, dann steht die Lösung des Problems in Ediths Hexenbuch. Ich vertraue Freya, dass sie mir helfen wird. Ich werde am Wochenende nicht sterben. Das verspreche ich euch.«

Die Salvatores schienen sich wirklich Sorgen zu machen und schauten auf einmal ganz traurig aus.

»Vielleicht sollten wir trotzdem vorher noch einen Ausflug in den Harz zusammen machen. So ganz normal, ohne flackernde Luft und Portale«, schlug Damon auf einmal vor und ich denke, das war eines der niedlichsten und rührseligsten Dinge, die ich je von ihm gehört hatte.

»Eine Abschiedstour, hm?«, fragte ich ihn.

»Ähm, ja. Ich meine ... Entweder verabschieden wir uns von dir als schwächelnde Vampirin, um dich nächste Woche als unbesiegbare Hybridin begrüßen zu können, oder, na ja«, stotterte er weiter.

Verdammt. Mir stiegen die Tränen in die Augen.

»Wer kann euren Dackelblicken denn schon widerstehen? Natürlich machen wir das. Dann manipuliere ich mir morgen eben noch einen freien Tag«, nahm ich Damons Vorschlag an.

Die Salvatores grinsten breit, aber ihre Augen sprachen eine andere Sprache.

»Stefan hat seinen Dackelblick von den vielen Dackeln, die er schon älteren Damen gestohlen und ausgesaugt hat. Nicht wahr, Brüderchen?«, witzelte Damon und Stefan konnte nur die Augen verdrehen.

Ach, die beiden kann ich doch nicht allein lassen. Was auch immer am Samstag passieren mag. Ich durfte einfach nicht aus dieser Geschichte geschrieben werden. Schon allein wegen meiner Schwester. Sie wird mich brauchen, nachdem der Fluch gebrochen ist. Denn wir wissen bislang nicht mit Sicherheit, welches Ereignis die erste Verwandlung auslöst. Die amerikanischen Werwölfe müssen dazu einen Menschen töten. Aber wie war es bei der Linie der harzer Werwölfe? Hatte ich meinen Fluch bereits ausgelöst, als ich die Vampirin tötete oder hatte Walther recht und ich habe bei dem Kampf im Forst einen Menschen umgebracht. Eines wusste ich – nach beiden Ereignissen fühlte ich mich zu gleichen Teilen stärker und schwächer als zuvor.

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