»ES HANDELT SICH SICH DEFINITIV UM WERWOLFSBLUT

~ 16. Februar 2018 ~

LIEBES TAGEBUCH,

nach all diesen Hiobsbotschaften des vergangenen Tages, verbrachte ich den heutigen Tag eher schlecht als recht. Ich saß viel am Fenster und beobachtete das Treiben der normalen Menschen in unserem Viertel. Schulkinder, Rentner, die mit ihren Rollatoren vom Einkaufen kamen, der Linienbus, der meine Freunde und mich früher zu allerhand Abenteuer gefahren hat.

Wer weiß, wie lange ich das noch sehen kann?

Ich dachte viel nach. Über mich, über meine neueste Identität und vor allem über meine Familie. Was würde es für meine Verwandten bedeuten, wenn die Mikaelsons den Werwolffluch brechen? Wäre ich dann gezwungen, ihnen alle die Wahrheit zu sagen?

Wie ich jetzt wusste, hatte ich das Werwolfgen vom väterlichen Teil meiner Familie vererbt bekommen. Meine Oma Marianne hatte es vermutlich von ihrer Großmutter mütterlicherseits, wenn sich die Namensliste nicht täuschte. Aber sie ist bereits gestorben und damit außer Gefahr. Mein Papa und meine Schwester sind beide friedliebende Personen. Ebenso mein Onkel und meine Cousins. Wenn der Fluch bei uns auf dieselbe Art ausgelöst wird, wie es bei den amerikanischen Werwölfen der Fall ist, dann würden sie sich mit Sicherheit niemals bei Vollmond verwandeln müssen. Denn dazu muss ein Mensch durch ihr Verschulden sein Leben verlieren. Damit bliebe aber noch immer ein Restrisiko, falls es zu einem Unfall käme. Mein Papa ist viel mit dem Auto im Harz unterwegs, da kann ihm immer mal jemand auf die Fahrbahn springen. Ich wollte diesen Gedanken nicht weiterdenken und hoffte, dass zumindest meine Angehörigen für Klaus' Pläne nicht von Belang waren.

Klaus.

Auch über ihn machte ich mir Gedanken. Ich grübelte über das, was Freya mir über ihn erzählt hatte. Demnach würde Klaus es mit unserer Freundschaft ehrlich meinen, was er auf seine ganz eigene Art gezeigt hatte, wenn man seiner Schwester Glauben schenken darf.

Ich war mir da nicht so sicher. Immerhin war auch sie eine Mikaelson und am Ende des Tages darauf aus, ihrem Bruder zu helfen. Da sollte ich wohl besser skeptisch bleiben.

Dennoch ließ mich auch die Frage nicht los, wen Klaus angerufen hat, nachdem ich gegangen war. Ach, was gehts mich denn an? Ich hatte weit mehr Sorgen, als mir darüber Gedanken zu machen, ob dieser Hybridenarsch denn jetzt zu meinem Freundeskreis zählte, oder nicht. Wenn der ganze Spuk erst mal vorbei ist, dann sehe ich ihn und die anderen Uris eh nie wieder. Aus welchen Gründen auch immer ...

Aus heiterem Himmel wurde ich auf etwas aufmerksam, das mich aus irgendeinem Grund ebenfalls seit einigen Tagen verunsicherte.

Tauben.

Ich wusste, dass es hier schon immer viele Tauben auf den Bäumen gab, und diese Vögel sind weiß Gott nicht gefährlich oder sonst was. Auch die völlig überzogene Angst einiger Menschen vor irgendwelchen Krankheiten, die diese Tiere übertragen sollen, empfand ich schon immer als Schwachsinn. Vogel ist Vogel. Warum sollten Tauben mehr oder andere Krankheiten haben als Wellensittiche oder Singdrosseln? Dennoch hatte ich keine Erklärung dafür, dass ich immer wieder ein komisches Bauchgefühl bekam, wenn ich in letzter Zeit Tauben sah oder hörte. Vermutlich hatte es damit zu tun, dass Freya, die uralte Wikingerhexe, sich damals vor einer Taube erschrocken hatte, als wir unsere geheime Hexenbuchmission zu Ende gebracht hatten. Und die gestohlene Hexenbuchseite, die da auf meinem Schreibtisch lag, machte die Sache nicht gerade einfacher. Vielleicht wurde ich langsam wirklich paranoid? Aber eventuell lag es auch an diese beunruhigenden Dinge, die sich in der heutigen Nacht ereignet hatten.

Es war kurz nach Mitternacht, als ich von einem total verrückten Traum aufschreckte. Alles fühlte sich an, als würde eine Hexe in meinem Kopf herumwurschteln und mich mit Nachdruck davor warnen wollen, weiterhin gemeinsame Sache mit den Mikaelsons zu machen. Möglicherweise hatte es mich zu sehr aufgewühlt, als Freya ihren Zauber an mir ausübte. Es konnten natürlich auch meine eigenen Schuldgefühle und das schlechte Gewissen sein, die mich diese Dinge träumen ließen. Immerhin wusste ich selbst am besten, dass es nicht das Klügste war, mit den Urvampiren ins Geschäft zu kommen. Aber was hatte ich für eine Wahl? Ich wurde vermutlich wirklich langsam verrückt von dem ganzen Mist.

Doch ich hatte nicht einmal Zeit, mich von diesen nächtlichen Schreckmomenten zu erholen, da klingelte auch schon mein Handy. Stefan war dran und klang furchtbar aufgeregt.

»Hier in der Stadt passieren ganz komische Dinge.«

Im Hintergrund konnte ich laute Streitereien hören. Stefan und Damon versuchten anscheinend, das Schlimmste zu verhindern.

»Wir wissen nicht, was passiert ist. Diese Leute sind einfach aneinandergeraten und haben eine wilde Prügelei vom Zaun gebrochen. Sie reagieren auf keinerlei äußere Einflüsse. Vielleicht solltest du dir das mal selbst anschauen, Maria«, bat mich Stefan, zum Ort des Geschehens zu kommen.

Ich, als selbst ernannte Hüterin der Stadt, ließ mich nicht lange bitten und machte mich sofort auf die Strümpfe. Ich musste auch nicht lange suchen. Der Lärm zeigte mir den Weg und ich landete schließlich an der kleinen Kreuzung Bachstraße/Mozartweg. Etwas abseits der wilden Horde stand Stefan und schaute ratlos auf die Wüteriche.

»Was um alles in der Welt geht hier vor?«, fragte ich entsetzt über diese Art der sinnlosen Gewalt, die sich mir dort bot.

»Ich habe leider keine Ahnung«, gab Stefan zu.

Dann sah ich mitten in der Menschentraube auf einmal Damon auftauchen. Er versuchte offenbar, den wilden Mob zu beruhigen, was ihm allerdings nicht gelang. Gerade entschied er, die Sache auf Damonart anzupacken, und ich sah, wie er mit wütendem Gesicht einen der Prügelmänner in die Höhe wuchtete und jeden Moment durch die Luft werfen wollte.

»Damon, nein!«, schrie ich in letzter Sekunde. »Lass den Mann sofort runter!«

Zum Glück ließ Damon den Typen los, der daraufhin laut zeternd zu Boden fiel.

»Verdirb mir doch nicht den ganzen Spaß«, grummelte Damon beleidigt.

Ich hatte andere Sorgen. »Was ist denn los mit diesen Leuten? Sie benehmen sich wie Zombies. Sie scheinen uns überhaupt nicht wahrzunehmen, sind komplett auf sich und ihren Streit fixiert. Wurden sie manipuliert?«

»Das wäre denkbar«, stimmte Stefan meiner Vermutung zu.

»Oder verhext«, warf Damon eher sarkastisch in die Runde.

Verhext.

Dieses Wort ließ mich natürlich nervös werden. Mit Hexerei und Flüchen hatte ich in letzter Zeit schon mehr als genug zu schaffen.

Da ich auf normale Art keinen Zugang zu diesen Leuten finden konnte, versuchte ich etwas anderes. Ich pickte mir einen aus der Meute heraus und schnappte ihn in Vampirgeschwindigkeit, um ihn anschließend an einer Hauswand zu fixieren und zu manipulieren.

»Du beruhigst dich jetzt und erzählst mir, was der Grund für eure Schlägerei ist.«

»Ich, ich weiß es nicht«, behauptete der Kerl kleinlaut und schaute mich fragend an.

Ich versuchte alles, aber er konnte wirklich nichts über diese absurde Szene sagen, die sich hier mitten in der Nacht abspielte. Auch konnte er keinerlei Angaben darüber machen, wer die anderen Leute waren und wer diesen Streit angefangen hatte. Es war wirklich wie verhext.

»Und du? Wer bist du? Kennst du wenigstens deinen eigenen Namen?«, fragte ich ihn und er stellte sich mir als Christian Wagener vor.

Ein gewöhnlicher Name, möchte man meinen, wenn da nicht die Tatsache wäre, dass der Name Wagener auf der Liste der Werwolffamilien stand. Wagener ist im Gegensatz zu Wagner eher selten anzutreffen. Konnte das also nur ein Zufall sein oder bestand zwischen diesem Kerl und den Harzer Werwölfen wirklich ein Zusammenhang?

Das konnte ich unmöglich so stehen lassen und entschied mich, eine kleine Blutprobe von ihm zu nehmen. Freya hatte mir für diesen Fall ein paar spezielle Röhrchen gegeben, die Blut länger frisch halten können. Ich wusste eigentlich nie, was ich damit anfangen sollte, nun wurden sie doch noch nützlich.

Als ich fertig mit der nächtlichen Blutabnahme war, manipulierte ich den Burschen nach Hause zu gehen und diesen Vorfall und mich zu vergessen. Während ich mich noch davon überzeugte, dass Christian Wagener auch wirklich ging, wurde es auf einmal ganz still hinter mir. Wie von Zauberhand löste sich die wild gewordene Rotte Idioten wortlos auf und ein jeder ging seines Weges, als sei nie etwas passiert.

Mitten in diese Stille ertönte jedoch das für mich unheimliche Gurren einer Taube. Das war wirklich creepy.

»Was hast du mit dem Knaben gemacht? War das der Anführer?«, unterbrach Damon meine düsteren Taubenängste.

»Ich konnte absolut nichts aus ihm herauskriegen. Nur seinen eigenen Namen wusste er. Diese Leute scheinen wirklich fremdgesteuert gewesen zu sein«, antwortete ich, während ich den Wüterichen nachsah.

Aus der Ferne sahen wir Blaulichter auf uns zukommen. Vermutlich hatten die Anwohner die Polizei über die Ruhestörung informiert.

Hat sich die Meute deshalb so plötzlich aufgelöst? Hat die Taube sie etwa vor der Polizei gewarnt? Ach, was! So ein Blödsinn, Maria. Krieg dich langsam mal wieder ein!

Wir entschieden, den Ort des Geschehens ebenfalls zu verlassen. Dumme Fragen von der Polizei konnte ich nicht auch noch gebrauchen. Ich, als angehende Radio-Redakteurin. So machten wir drei Hübschen uns auf den Weg nach Hause auf dem wir nichts Ungewöhnliches mehr angetroffen haben. Auch keine Tauben.

Am Abend dieses äußerst turbulent gestarteten Tages entschied ich, Freya über das Geschehene zu informieren und kündigte meinen neuerlichen Besuch im Hotel Transsylvanien an.

Nach langem hin- und her überlegen hielt ich es schließlich für das Richtige, Freya die gestohlene Buchseite zu zeigen. Ich sollte den Mikaelsons keine Hinweise vorenthalten. Zum einen wegen der von mir selbst so gepriesenen Ehrlichkeit, zum anderen könnte Freya vielleicht genau auf dieser Seite des Hexenbuches etwas entdecken, was meine Verwandlung in einen Hybriden erfolgreich abschließen kann. Das hoffte ich zumindest. Außerdem wuchs in mir auch die Hoffnung, dass, wenn ich mein schlechtes Gewissen beruhigte, auch die Wahnvorstellungen mit den Tauben aufhören würden.

Als ich gerade durch das Eingangstor der Villa Mikaelson spazieren wollte, kam mir Klaus entgegen. Natürlich nicht, um mich freundlich in Empfang zu nehmen. Ganz im Gegenteil. Seine finstere Stimmung hatte sich offenbar nach wie vor nicht gebessert. Ich begrüßte ihn mit meinem fast schon legendärem »Hallo, Klaus.«

Auf ein freundschaftliches Umarmen verzichtete ich jedoch freiwillig.

»Ich wollte gerade gehen«, war seine knappe Antwort, bei der er es noch nicht einmal für nötig hielt, mir eines Blickes zu würdigen.

Dieser Stiesel.

Dann verschwand Klaus Mikaelson in die Nacht wie ein einsamer Wolf.

Im Hotel Villa Mikaelson erwartete mich stattdessen Freya gewohnt freundlich und auch Elijah gesellte sich zu uns. Und man hält es nicht für möglich, aber der Anzugträger des Jahrtausends konnte sich sogar zu einer kurzen Begrüßungsumarmung herablassen. Entweder war Klaus' älterer Bruder anpassungsfähiger oder hatte tatsächlich eine höhere soziale Kompetenz als er.

Schließlich übergab ich Freya die Blutprobe des vermeintlichen Werwolfes.

»Aber ich habe noch etwas für dich«, sagte ich etwas verlegen und zog die gestohlene Buchseite hervor. »Es sind Wasserzeichen darauf, deswegen konnte ich sie nicht abfotografieren und habe sie stattdessen herausgerissen und mitgehen lassen.«

Freya war von meiner Beichte zwar nicht hellauf begeistert, aber dennoch fing sie gleich an die Seite näher zu betrachten.

»Für heute Abend steht erst mal das Blut dieses Mannes im Fokus. Um die Buchseite kümmere ich mich später«, sagte die jung gebliebene Hexe kurz darauf und verschwand in ihr Labor.

Während sie anfing, irgendwelchen Hokuspokus zu veranstalten, fragte mich Elijah, warum ich nicht aus dem Geschäft mit den Mikaelsons ausgestiegen bin, nachdem ich die Wahrheit über meine Werwolfs-Identität erfahren habe.

»Ob ich nun wegen dieses Fluches sterbe oder weil dein Bruder mir einen Pfahl durchs Herz jagt. Was spielt das für eine Rolle? Ich kann Klaus soundso nicht an seinem Vorhaben hindern, also spiele ich lieber weiterhin in seiner Mannschaft und überrasche ihn damit, dass seine Befürchtungen nicht der Wahrheit entsprechen. Das hat ihn sicher ganz schön verwirrt, was mich wiederum sehr amüsiert«, antwortete ich schmunzelnd.

Elijah musste ebenfalls grinsen. »In der Tat erwartet Niklaus in seiner paranoiden Art immer das Schlechteste und hat mit Sicherheit damit gerechnet, dass du ihn auffordern würdest, von seinem Vorhaben Abstand zu nehmen.«

»Er hätte mich in diesem Fall nur zu töten brauchen und das Problem wäre erledigt«, sagte ich verwundert.

»Ich vermute, dass seine gestrige Reaktion daraus resultierte, dass es in diesem Fall eben doch nicht so einfach ist.«

Elijahs Worte erinnerten mich an das, was Freya zu mir sagte. Die Geschwister zogen augenscheinlich an einem Strang, wenn es darum ging, mich davon zu überzeugen, eine von ihnen zu sein. Was würden nur die Salvatores zu alledem sagen?

»Treibe es dennoch nicht zu sehr auf die Spitze mit meinem Bruder, Maria«, unterbrach Elijah meine Gedanken. »Nur allzu schnell vergisst er seine guten Manieren, wenn er seine gesetzten Ziele und Pläne gefährdet sieht.«

»Ist er gegangen, weil ich meinen Besuch angekündigt habe?«, wollte ich dann wissen. Irgendwie nagte das an mir.

»Ich fürchte, so ist es«, antwortete Elijah und lächelte gnädig.

»Diese Feighose«, murmelte ich vor mich hin, woraufhin Elijah noch ein wenig mehr schmunzelte.

Eine Weile später kam Freya auf uns zu und sah etwas verängstigt aus. »Es handelt sich definitiv um Werwolfsblut«, sagte sie. »Aber ich befürchte, uns ist jemand zuvorgekommen.«

»Wie meinst du das, Freya?«, fragte Elijah besorgt und stützte sich auf eine alte Kommode ab.

»Ich denke, es wäre ein zu großer Zufall, wenn nur er ein Träger des Wolfsgens wäre. Es ist anzunehmen, dass alle, die heute Nacht in diese Prügelei verwickelt waren, Wölfe sind«, antwortete Freya und hielt kurz die Luft an, bevor sie weiter sprach.

Mir gefror das Blut in den Adern.

»Ich konnte einen Zauber analysieren, der diesen Mann willenlos werden ließ«, erklärte Freya dann.

»Aber das waren sie alle! Wir konnten keinen von ihnen ansprechen. Sie waren allesamt wie ferngesteuert«, berichtete ich sorgenvoll.

»Was bedeuten würde, dass derjenige, der sie verhext hat, weiß, dass es Werwölfe sind. Anscheinend gibt es noch jemanden, der in diesem Fall ermittelt«, überlegte Elijah.

Freya stimmte ihrem Bruder zu. »Und wir sollten schnell herausfinden, wer es ist.«

»Ich kümmere mich darum!«, rief ich mal wieder komplett unüberlegt dazwischen und fühlte mich ein wenig wie Frodo Beutlin, als er während Elronds Rat in Bruchtal den Einen Ring an sich nahm.

»Freya, vielleicht könntest du durch einen Lokalisierungszauber herausfinden, wo dieser – wie sagtest du, Maria? Dieser Christian Wagener wohnt, falls wir ihn nicht im Telefonbuch finden«, sprach Elijah weiter.

»Das habe ich bereits getan, Bruderherz«, antwortete Freya stolz und gab mir die Adresse von diesem Typ.

Ich versprach, mich einmal dort umzusehen und vielleicht doch noch mehr über ihn, die anderen Wölfe und vor allem über die Hexe, die ihn manipuliert hat, herauszufinden. Dann ließ ich noch einen provokant-freundlichen Gruß an Klaus da und ging wieder nach Hause.

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