»DU HATTEST DEINE CHANCE. DU HAST VERSAGT, MARIA«
~ 02. April 2018 ~
LIEBES TAGEBUCH,
nachdem der gestrige Ostersonntag unerwarteterweise die ein oder andere positive Überraschung bereit gehalten hatte, überschlugen sich die Ereignisse bereits heute erneut.
Aber von Anfang an:
Am Nachmittag habe ich mein Versprechen den Salvatore-Brüdern gegenüber eingelöst. Diese hatten sich gewünscht, dass wir zusammen Ostern feiern, wenn ich diese ganze Geschichte mit dem Fluch überlebt haben sollte. Diesen Anlass wollte ich außerdem nutzen, um meine Schwester Luisa in meinen neuen Freundeskreis einzuführen. Also nahm ich sie kurzerhand mit zum Salvatore-Haus. Immerhin gehörte sie ja jetzt zu dieser verrückten und übernatürlichen Geschichte dazu.
Um Punkt 16 Uhr standen wir vor der nach wie vor verwittert wirkenden Bruchbude am Eichenstedter Fluss. Höflich, wie ich nun einmal bin, klingelte ich selbstverständlich und wartete, bis wir hereingelassen wurden. Es war Stefan, der die Tür öffnete und mir erst mal um den Hals fiel. Dann war er erstaunt, als er die brünette Version von mir entdeckte.
»Frohe Ostern! Ich habe mir erlaubt, meine Schwester mitzubringen, damit ihr euch endlich kennenlernt. Und ein paar kleine Geschenke haben wir auch dabei«, verkündete ich grinsend.
Wir hatten zwei Osterkörbchen für Stefan und Damon vorbereitet. Das hatten sie sich mehr als verdient.
Als wir hereinkamen, sahen wir Damon, der gerade ein paar letzte Handgriffe an dem Ostergedeck tätigte. Dann stellten sich beide Brüder vor mich und eine sonderbare Stimmung erfüllte den Raum. Die beiden Vampire wurden ganz still und andächtig.
»Schön, dich zu sehen. Lebendig meine ich«, sagte Damon schließlich.
»Frohe Ostern und alles Gute zur Wieder-Wiederauferstehung«, fügte Stefan hinzu.
Beide umarmten mich so fest, dass ich beinahe keine Luft bekam.
»Leute, hört schon auf. Ich hab euch immer gesagt, ihr werdet mich nicht so schnell los. Außerdem bin ich jetzt keine Heilige deswegen. Ich bin ein Hybrid. Ein schlimmeres Monster, als ihr beide.«
Doch die Salvatores hörten gar nicht auf mich und umarmten mich jeder noch einmal einzeln. Ich fing an zu realisieren, wie eng unsere Freundschaft tatsächlich war. Trotz meiner kleinen - na ja - Geheimnisse mit den Mikaelsons damals.
Meine Schwester stand im Raum und staunte Bauklötze. Auch sie schien etwas zu realisieren. Nämlich, dass Vampire nicht nur äußerlich mit den düsteren Schreckgestalten aus den Geschichten in Wahrheit nichts zu tun hatten. Särge und so weiter suchte sie in dem Gebäude vergebens und es lagen auch nicht überall leere Blutbeutel herum. Im Prinzip sah es im Hause Salvatore so normal aus, wie die Bewohner selbst wirkten.
»Also dann, meine Damen. Willkommen zum Salvator'schen Oster-Kaffeekränzchen.« Damon lud uns ein, uns an dem köstlich aussehenden Buffet zu laben.
Ich glaube, ich hatte niemals zuvor so viele Süßigkeiten auf einem Tisch gesehen.
»Wir gehen doch mal davon aus, dass aus der Naschkatze von einst, nun ein Naschwolf geworden ist«, sagte Stefan.
»Wo'auf ihr euf verlaffen könnt. If glaube, meine Leidenfaft für Fokolade ift nun foga' nof ftärker gewo'den«, sagte ich mit einer großen Praline im Mund.
Dann wendete sich Stefan an Luisa. »Du bist also die Zwillingsschwester.«
»Ähm, ja. Richtig. Ich heiße Luisa. Hi«, sagte mein Schwesterherz noch etwas zurückhaltend und gab Stefan die Hand.
»Hauptsache nicht schon wieder eine Doppelgängerin. Hi, ich bin Stefan.«
Nun kam auch Damon dazu, um sich persönlich vorzustellen. »Wir hatten ja bereits das Vergnügen. Leider kannst du dich nicht mehr daran erinnern. Damon Salvatore. Hallo.« Damon konnte sich eine Anmerkung auf seine damalige Manipulation natürlich nicht verkneifen.
Dann schaute er Luisa tief in die Augen und machte die Manipulation rückgängig.
»Du heiliger Mist! Jetzt erinnere ich mich wieder an alles! Du standst vor unserer Tür und hast uns allen eingeredet, dass Maria an der Côte d'Azur ist. So konnte sie ihre Fassade aufrechterhalten und wir haben das einfach so hingenommen. Es wäre mir dennoch lieber, wenn du das künftig unterlassen würdest«, bat meine Schwester die Salvatores.
»Trink Eisenkraut oder löse deinen Fluch aus, dann bist du auf der sicheren Seite«, antwortete Damon.
Allerdings musste ich ihm daraufhin erklären, was mit unseren Wölfen nach ihrer Verwandlung passiert ist. Anschließend wollten wir unseren gemütlichen Osternachmittag in Frieden und Geselligkeit genießen. Aber lange sollte diese Freude nicht wären.
Zunächst entschieden wir uns, einen kleinen Osterspaziergang zu machen. Dabei mussten Luisa und ich natürlich die üblichen Zwillingsfragen beantworten. Aber auch wir stellten Fragen über die Vergangenheit der beiden Vampir-Brüder und über die legendären Petrova-Doppelgängerinnen. Luisa war total fasziniert von all diesen verrückten Geschichten, sogar von Stefans Erzählungen über seine Ripper-Phasen.
Gerade als wir mit den beiden über die Geburtsstunde des Automobils reden wollten, wurde unsere Unterhaltung jäh unterbrochen. Laute Schreie und anderer Lärm drangen an unsere Ohren. Damon und Stefan flitzten sogleich in Vampirgeschwindigkeit dem Krach entgegen. Ich blieb bei meiner Schwester.
»Soll ich dich nach Hause bringen?«, fragte ich Luisa.
Sie aber schüttelte mit dem Kopf. »Ich bin jetzt Teil dieser Geschichte, einer der Werwölfe und vor allem deine Schwester. Es geht mich genauso viel an. Ich lasse dich das alles ab jetzt nicht mehr allein durchleben«, sagte sie und war fest entschlossen, mit mir zur Quelle des Tumults zu gehen.
»Es ist deine Wahl. Ich kann dir diese Entscheidung nicht abnehmen, Luisa«, sagte ich zu ihr und zusammen gingen wir dem Lärm entgegen.
Dieser kam aus der Innenstadt. Überall lagen herausgerissene Straßenschilder und umgeworfene Mülltonnen herum. Die Verursacher dieser österlichen Krawalle waren ausgerechnet meine Wölfe.
»Was ist hier los?«, fragte ich Stefan, der gerade ein paar Mülltonnen wieder an ihren Platz stellte.
»Sie scheinen wegen irgendetwas extrem mies gelaunt zu sein. Frag' du sie. Wenn du ihre Alphawölfin sein willst, musst du es ihnen beweisen.«
Stefan hatte vermutlich recht. Ich konnte diese Meute schon einmal beruhigen. Aber ich war mir nicht sicher, ob mir das ein weiteres Mal gelingen sollte. Ich wollte niemals so etwas wie ein Alphatier sein und heute fühlte ich mich komplett unvorbereitet auf so eine Aktion. Luisa nickte mir aufmunternd zu und stellte sich hinter mich.
»Sofort aufhören mit diesem Wahnsinn!«, rief ich der wütenden Meute zu.
Nichts tat sich. Einer der Chaoten wollte sich stattdessen an einem Parkautomaten zu schaffen machen.
»Schluss damit!«, schrie ich nochmals mit Nachdruck.
Dabei huschte ich in Vampirgeschwindigkeit zu der Parkuhr und lies in guter alter Klausmanier die goldgelben Wolfsaugen aufblitzen. Dann endlich fand ich Gehör bei diesen respektlosen Kötern (sorry not sorry).
»Kann mir einer von euch bitte mal erklären, was dieser Aufstand soll? Warum nehmt ihr die ganze Stadt auseinander?«, fragte ich zornig.
Eine Wölfin mit ausgesprochen zickigem Gesichtsausdruck kam auf mich zu. »Hast du es immer noch nicht kapiert, Vampirschlampe? Wir wollen dich nicht als Alpha«, kläffte sie mich an und verschränkte dabei ihre Arme wie ein Türsteher.
»Ah, weil du hier die Alphahündin bist, oder was?«, fragte ich sie und imitierte ihre Gesten und Ausdrucksweisen.
»Nenn mich nicht Hündin, Bitch!«, erwiderte sie und sah so aus, als ob sie mir jeden Augenblick eine verpassen würde.
»Also, Leute. Wessen Wortschatz aus mehr als nur Kraftausdrücken besteht, möge bitte vortreten und mir erklären, was dieser Krawall hier soll!«
Nach einer Weile des Gemurmels trat einer der Unruhestifter hervor. Ein dicklicher Typ von einer Größe um die 1,95 Meter.
»Ihr habt uns angelogen! Du, dein dreckiger Hybridenlover und die ganze ekelhafte Bande!«, brüllte er.
Wieder nichts als Kraftausdrücke. Ich fürchte, es steht nicht gut um mein Rudel, wenn die alle einen so niedrigen Intellekt haben. Vor allem Hybridenlover. Unverschämtheit.
»Würdest du die Güte haben deine Anschuldigungen etwas mehr zu konkretisieren? Wann und worüber haben wir gelogen? Was ist passiert?«, fragte ich.
Der Typ, der mit seiner Glatze auch einen guten Skinhead abgeben würde, stellte sich nun provokant direkt vor mich.
David gegen Goliath 2.0.
»Wir sollen eure Sklaven werden! Unsere verschollenen Freunde sind es bereits«, sagte er und seinem feisten Gesicht entwich eine unangenehme Bierfahne.
Er erzählte wirres Zeug, dass wir den Fluch nur gebrochen haben, um die Werwölfe als Marionetten für unsere kranken Pläne benutzen zu können.
»Ihr habt unsere Freunde irgendwo eingesperrt und lasst sie für euch arbeiten! Das ist die Wahrheit!«, schrie er seinen Leuten zu und erntete tosenden Applaus.
Sie alle schienen diesen Unsinn tatsächlich zu glauben.
»Wir haben es euch bereits erklärt. Edith hat eure Freunde in ihrer Gewalt. Wir wissen noch nicht, wo sie ist, aber wir tun unser Bestes um-« Ich konnte den Satz nicht vervollständigen.
Die zickige Wölfin übernahm wieder das Wort. »Lasst euch nicht von ihr blenden! Edith hat uns vor ihr und den Mikaelsons gewarnt. Immerhin waren sie es auch, die Edith und Walther gefangen gehalten haben. Sie sind unsere Feinde! Edith ist unsere Retterin!«, schrie sie und ließ sich mächtig feiern für den Stuss, den sie da sprach. »Diese Hybriden wollen uns nur benutzen, um die Macht über diese Region an sich zu reißen. Edith ist unsere Beschützerin!«
Die Wölfin erntete erneut Beifall.
»Ist das euer Ernst? Ihr glaubt Edith? Der Hexe, die euch rücksichtslos entführt hat?«, fragte ich in die Runde.
»Sie hat uns nicht entführt. Sie hat uns vor euch gerettet und uns sehr gut auf unser Leben als Wölfe vorbereitet. Wir brauchen dich und diesen Hybriden nicht«, erwiderte der große Dicke.
»Sie hat eure Freunde in ihrer Gewalt, um sie als Waffe gegen uns einzusetzen. Edith hasst die Werwölfe. Sie will euren Untergang, euch vernichten!«
Die Wölfe lachten. Ich hatte das Gefühl, alles, was ich sagte, schien lustig zu sein. Dabei war es alles andere als eine Stand-up-Comedyshow, die hier lief.
»Das ist doch lächerlich! Was bitteschön haben die Mikaelsons mit uns vor? Richtig! Sie wollen uns für ihre Zwecke benutzen, um ihr komisches New Orleans zurückzuerobern. Und du willst uns als Schutztruppe gegen Vampire einsetzten. Siehst du den Unterschied? Nein? Es gibt nämlich keinen!« Lautes Gelächter folgte den Worten des Dicken.
»Ihr sollt lediglich eure großartigen neuen Fähigkeiten dafür nutzen, unsere Heimat und die Menschen, die ihr liebt zu beschützen. Ich versprach euch ein normales Leben und Mondlichtringe als Gegenzug. Das haben wir alles bereits mehrfach besprochen und ich werde nicht weiter darüber diskutieren!«, sagte ich und musste mir eingestehen, dass mir langsam die Worte ausgingen.
Wie kann man nur so stur sein?
»Du warst es doch, die uns erst in diese Lage gebracht hat. Wir alle hatten ein schönes Leben, bis du diesen Deal mit Klaus Mikaelson eingegangen bist. Dadurch wurde Edith doch erst auf den Plan gerufen und unsere Identitäten kamen ans Licht!«, schrie der Dicke, erneut gefolgt von jubelnden Zurufen. »Davon mal abgesehen, wo sind denn deine tollen Mondlichtringe jetzt?«
So blöd es klingt, aber ich musste ihm irgendwie recht geben, mit dem, was er sagt. Dennoch konnte ich jetzt nicht klein beigeben.
»Wir alle sind nicht freiwillig in diese Sache hineingeraten und eines müsst ihr mir glauben. Hätte ich nicht diesen Deal mit den Mikaelsons zugestimmt, wäre das alles hier noch schlechter für euch ausgegangen. Ihr müsst mir vertrauen. Ich will eure Freunde genauso sehr zurückhaben, wie ihr. Frei von Zwängen und irgendwelchen Zaubern.«
All meine Versuche, diese Hornochsen zu beruhigen, verliefen ins Leere. Anstatt Verständnis erntete ich nun mehr Lärm als zuvor.
»Wir regeln das ab jetzt selbst, Hybridenweib. Für dich ist nun die Zeit gekommen dieses Spielfeld zu verlassen«, der große Dicke kam auf mich zu und wagte es doch allen Ernstes seine Faust gegen mich zu erheben.
Aber da hatte er vermutlich die falsche Vorstellung darüber, was es heißt, eine Hybridin herauszufordern. Im Nullkommanichts hatte ich seinen Faustschlag abgewehrt und ihm ruckzuck den Arm ausgekugelt. Er schrie wie ein kleines Ferkel und lag nun zitternd vor mir auf dem kalten Boden.
»Jetzt ist endgültig Schluss mit dem Theater!«, schrie ich die anderen Wölfe an, die fassungslos zu ihrem Dollsten schauten, der sich wie ein Würmchen vor meinen Füßen windete.
»Ihr werdet euch umgehend nach Hause scheren und die wichtigen Angelegenheiten Leuten überlassen, die sich damit auskennen. Edith ist eine sehr mächtige und äußerst bösartige Hexe. Sie ist nicht bei Sinnen und rennt völlig manisch irgendwelchen alten Geschichten nach. Sie weiß nicht, was sie tut, und könnte euren Freunden sonst was antun. Sie hat euch alle willenlos gemacht. Ich tue so etwas nicht. Es gibt keinen Grund, mir nicht zu vertrauen. Wir stehen auf derselben Seite«, sagte ich und versuchte, wieder etwas höflicher zu klingen.
»Und was ist mit dem da?«, fragte plötzlich jemand und zeigte mit dem Finger auf etwas neben mir. Oder jemanden.
Klaus war erschienen.
»Wie lange bist du schon hier?«, fragte ich ihn, ohne dabei meinen Blick von der tobenden Menge zu abzuwenden.
»Lange genug, um zu sehen, dass dir die Situation hoffnungslos entgleitet.« Die Antwort meines Erschaffers fiel schroffer aus, als ich es erwartet hatte.
»Ich habe alles im Griff«, antwortete ich patzig.
»Das sehe ich«, schmunzelte Klaus, welcher nun theatralisch nach vorne ging und alle Blicke der Wölfe auf sich zog.
»Meine Freunde! Es gibt keinen Grund, unleidlich zu werden. Wir holen uns eure Kameraden zurück. Gleich morgen früh ziehen wir los. Meiner Schwester Freya ist es gelungen, Ediths derzeitigen Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Es ist davon auszugehen, dass eine Horde Wölfe bei ihr ist, eures Gleichen. Wir befreien diese und erledigen die alte Hexe mit einem Schlag.« Klaus grinste sein fieses Klausgrinsen und mir schenkte überhaupt niemand mehr Beachtung.
Ich war sprachlos. Klaus riss sich gerade vor meinen Augen mein Rudel unter die Nägel und hat es nicht für nötig gehalten, vorher mit mir darüber zu sprechen? Ich stand da wie der letzte Depp. Ich habe mir den Mund fusselig geredet, um diese Chaoten zu beruhigen, und dann kommt Klaus um die Ecke und schon hängen sie ihm an den Lippen wie ein Haufen Speichellecker. Ich versuchte, mir meine Enttäuschung und Verwirrung nicht anmerken zu lassen, um mein Gesicht vor dem Rudel zu wahren.
»Darf ich vielleicht erfahren, was das hier wird, wenn es fertig ist?«, flüsterte ich Klaus zu.
»Ich löse dein Werwolfproblem, Liebes«, antwortete Klaus.
Dann wandte er sich wieder den Wölfen zu. »Morgen früh um 10 Uhr geht es los. Wir treffen uns am Lindendorfer Teich. Mein Bruder Elijah wartet kurz hinter der Stadtgrenze auf uns, mit ein paar nutzlosen Vampiren, die ihr beliebig töten könnt, um euren Fluch auszulösen. Bis zum nächsten Vollmond habt ihr alle eure Mondlichtringe und eure Freunde zurück. Ihr müsst also nicht darüber nachdenken, ob ihr mir auf zwei oder vier Beinen folgt.« Klaus fühlte sich offenbar siegessicher.
Aber einer der Wölfe hatte auch ihm etwas entgegenzusetzen.
»Wir müssen dir überhaupt nicht folgen!«, schrie ein Bursche mit langem schwarzem Zopf und sprang wie ein Irrer in Stefans Richtung.
In seiner Hand hielt er ein sehr spitzes Stück Holz. Stefan hob gerade ein Straßenschild auf und konnte den Angreifer hinter ihm nicht schnell genug sehen. Ehe ich überhaupt realisieren konnte, was da geschah, sank der Angreifer bereits leblos zu Boden. Damon stieß den schockierten Stefan gerade noch zur Seite, während sich vor ihnen Klaus aufrichtete, mit dem Herzen des Angreifers in seiner Hand und dem gelben Leuchten seiner Werwolfsaugen in seinem Gesicht.
Die Wölfe wurden schlagartig still und auch ich konnte kaum glauben, was ich da sah.
»Eure Alternative sieht so aus!«, rief Klaus den Wölfen entgegen. »Entweder ihr kriecht dieser Hexe Edith weiter in den Hintern und sterbt oder ihr schließt euch mich an und befreit eure Freunde von ihrem Bann und ihr alle erlangt eure Freiheit!« Klaus warf das herausgerissene Herz des aufmüpfigen Wolfes vor den Füßen der anderen.
Nach einem kurzen Gemurmel begannen die widerspenstigen Wölfe ihre Knie vor Klaus zu beugen. Wie konnte er mich nur so vorführen?
»Schön! Dann freue ich mich, euch alle Morgen früh zu sehen. Seid auf eine lange Reise vorbereitet.« Klaus drehte sich um und ging die Bachstraße hinunter, ohne mir eines weiteren Blickes zu würdigen.
Der große Dicke zu meinen Füßen stand ebenfalls langsam auf und achtete nicht mehr auf mich. Er beschloss, mit ein paar Wölfen in der Stadt zu bleiben und aufzupassen, falls Edith mit den anderen zurückkommen sollte.
»Wir passen auf, dass diese Vampirbrut hier nichts Dummes anstellt«, sagte er und grinste mich und die Salvatores voller Verachtung an.
Ich stand nun unter der Kontrolle meines Rudels. Die Wölfe, die mich als ihre Alpha akzeptieren sollten, folgten jetzt Klaus. Nur Klaus. Er hatte das, was er wollte. Ein Werwolfrudel, welches ihm ergeben ist. Erst rettet er die anderen Wölfe und dann zieht er mit ihnen nach Louisiana, um New Orleans zurückzuerobern.
Klaus hatte mich verraten.
Der große Dicke rempelte mich beim Vorbeigehen noch an und fauchte grimmig. Die harzer Werwolfskönigin wurde vom Thron gestoßen. Doch das wollte ich nicht so auf mich sitzen lassen.
»Damon, kümmere dich bitte um den Toten und pass auf meine Schwester auf. Ich habe mit jemanden ein Hühnchen zu rupfen«, sagte ich zu den ebenfalls völlig perplexen Salvatores und lief Klaus hinterher.
»Was war das da gerade für eine Aktion? Warum wusste ich nichts davon, dass ihr eine Spur habt und Edith einholen wollte?«, schrie ich ihn an, als ich Klaus eingeholt hatte. »Wie konntest du mir vor allen anderen nur so in den Rücken fallen?«
»Der Kerl wäre sonst Stefan in den Rücken gefallen, mit einem spitzen Holzstück«, antwortete Klaus in seiner typisch arroganten Art.
»Es hätte gereicht ihn einfach wegzustoßen. Du hast einen Menschen getötet, Klaus. Einen, dem ich versprochen hatte, dass ihm nichts passiert«, entgegnete ich meinem einstigen Freund.
»Es war kein unschuldiger Mensch. Er hat sich gegen dich gewandt und wollte einen deiner Freunde töten. Du solltest mir dankbar sein.«
»Dankbar? Wofür? Er gehörte zu meinem Rudel. Diese Leute werden niemals wieder Respekt vor mir haben, nachdem du sie, entgegen meinen Versprechungen, unterjocht hast. Du hast genau das getan, was ich ihnen versprochen habe, das nie geschehen wird.«
Klaus blieb stehen und schaute mich ernst an. »Mit deinem Kuschelkurs und irgendwelchen Versprechungen kommt man eben nicht weiter. Diese Leute brauchen jemanden, den sie fürchten und ihnen Respekt einflößt.«
»Mord. Es war Mord und kein Respekt. Sie haben Angst vor dir. Nur deshalb folgen sie dir. Du hast sie dazu gebracht, ein Übel gegen das andere einzutauschen. Ich dachte, du hattest aus den Fehlern deines bisherigen Lebens gelernt? Kein guter Herrscher wird von seinen Untertanen gefürchtet«, sagte ich mit Tränen der Enttäuschung in den Augen.
»Ich bin kein guter Herrscher. Ich bin ein mächtiger Herrscher. Macht ist alles, was zählt. Ich habe viel zu viel Zeit mit dir und deiner Friedensbewegung verbracht. Ich hätte viel eher hart durchgreifen müssen. Dann wäre die ganze Sache niemals so aus dem Ruder gelaufen!« Klaus schrie mich an, wie er es noch nie getan hatte. »Edith wird jetzt all unsere Macht und Kraft zu spüren bekommen. Sie soll endlich merken, mit wem sie sich da angelegt hat.« Klaus drehte sich um und setzte seinen Weg fort.
»Mit wir meinst du dich und deine Familie! Ich gehöre nicht mehr zu euch. Du hast dir mein Rudel unter den Nagel gerissen und deine Pläne durchgesetzt, ohne mir vorher auch nur ein Sterbenswörtchen zu sagen. Du hast mich dastehen lassen, wie der letzte Idiot. Habe ich das wirklich verdient, nach all dem, was ich für euch getan habe?«, rief ich ihm hinterher und versuchte, mehr wütend als traurig zu klingen.
Diese Blöße wollte ich mir nicht auch noch geben.
»Du hattest deine Chance. Du hast versagt, Maria. Ich habe getan, was getan werden musste. Hätten wir sie noch länger hingehalten, dann wären sie alle Ediths Ruf gefolgt und wir hätten sie alle gegen uns«, antwortete Klaus harsch. »Während du Kaffeekränzchen mit den Salvatores abgehalten hast, hat dein sogenanntes Rudel die ganze Stadt verwüstet. Die Stadt, die du so dringend beschützen wolltest. Hättest du es wenigstens für nötig gehalten, auf dein Handy zu schauen, dann hätten wir dich über unsere Pläne und Ediths Aufenthaltsort informieren können. Stattdessen hast du dich mit deinen sinnlosen Ansprachen selbst zur Lachnummer gemacht. Was sagt das über deine Fähigkeiten als Alpha aus?«
Autsch. Das war wirklich fies.
»Das ist nicht fair. Du kannst mir so etwas nicht zum Vorwurf machen. Das ist doch kindisch!«
Klaus drehte sich um und fuchtelte mal wieder mit seinem Zeigefinger vor meinem Gesicht herum. »Du bist kindisch! Du bist dieser ganzen Sache einfach nicht gewachsen. Als Alpha feiert man nicht friedlich Ostern, während das Rudel frustriert in der Gegend herumrandaliert. Du bist raus. Du hast nichts mehr mit uns und dieser Sache zu tun.«
Klaus ging zu dem kleinen Parkplatz gegenüber vom Musikinstrumentenladen und stieg in sein Auto.
»Du warst es doch, der gesagt hat, wir sollen warten, bis Edith den nächsten Schritt macht. Klaus!«, rief ich ihm noch nach, aber er achtete nicht mehr auf mich und fuhr los.
Ich blieb zurück mit einem schmerzhaften Mix aus Enttäuschung, Trauer, Wut, Scham und Verzweiflung.
Noch gestern schien es so, als wären wir tatsächlich Freunde geworden. Heute nun schien ich zu erkennen, dass ich die ganze Zeit nur auf dieses falsche Spiel hereingefallen bin. Damon und Stefan hatten von Anfang an recht. Den Mikaelsons konnte man nicht trauen. Ich hatte einen Pakt mit dem Teufel geschlossen und zahlte nun den Preis dafür.
Den Rest des Abends wandelte ich allein durch kalte Finsternis und kahlen Bäumen. Niemals zuvor hatte ich mich so ausgenutzt und hintergangen gefühlt. Ich wusste nicht, wie es weitergehen sollte. Sollte ich mich rächen, mich einfach aus der Angelegenheit zurückziehen? Ich wusste mir keinen Rat. Erst spät in der Nacht kam ich zurück. Ich war froh, dass mit Luisa mir wenigstens ein Wolf geblieben war, den noch zu mir hielt.
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