Das Handy meines Freundes
ONC Beitrag von EndeLegende
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Dany und ihr Freund streiten sich täglich um belanglose Dinge. Eines Tages wird die Studentin zu ihrem großen Schrecken in das Handy ihres Freundes gezogen; wortwörtlich. Sie kämpft sich durch die verschiedenen APPs und muss lernen, sich in dieser Welt zurechtzufinden.
Bald merkt sie, dass sie nicht die Einzige ist, die im Handy steckt. Ein geheimnisvoller Unbekannter steckt ebenso fest. Zusammen versuchen sie, aus dem Handy zu entkommen, bevor dieses auf Werkseinstellungen zurückgesetzt wird. Ein Wettlauf gegen die Zeit, bei welchem für Dany so einiges klar wird - auch Dinge, die sie lieber wieder aus ihrem Kopf löschen würde.
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Die Idee ist witzig. Sie ist zudem gut eingebettet. Die Personen werden glaubhaft vorgestellt, fast bin ich geneigt "echt langweilig" zu schreiben, doch das ziemt sich für eine Rezension nicht. Alle, die mich nun an einen Baum knüpfen wollen - wartet noch einen kurzen Moment, denn ich erkläre euch die beiden Worte. Die Figuren in dieser Geschichte wirken echt. Sie werden so toll beschrieben, gezeichnet, dass man die Langeweile in ihrem Leben spüren kann. Zwei junge Menschen führen nebeneinander ein Leben, jeder hängt an seinem Handy. Wenn sie zufälligerweise aufeinandertreffen, streiten sie sich. Das ist echtes Leben - das ist die echte Langeweile, von der ich gesprochen habe. Die Autorin bringt das auf geniale Art rüber - und nun könnt ihr das Seil bitte wieder weglegen.
Weil die beiden jungen Menschen nicht die Kraft aufbringen, in ihrem Leben etwas zu verändern, kommt die Magie ins Spiel. Dany wird ins Handy gezogen - aber nicht in ihr eigenes, sondern in das ihres Freundes Ole. Wie soll das gehen, fragt man sich. Die Autorin zeigt es uns auf fantasievolle Weise. Menschen in meinem Alter erinnern sich an den billig gemachten Spielfilm "Die Reise ins Ich" oder an ähnliche Filme mit geschrumpften Menschen (Honey, I shrunk the kids). Die Autorin bewegt sich hier jedoch auf einem anderen Level. Dany ist einfach nur noch Dany, ohne ihren physischen Körper. Hier steht sehr viel zwischen den Zeilen; ein großes Bravo an die Autorin - das ist sehr geschickt gelöst.
Was in der Folge geschieht, ist pure Unterhaltung. Für so alte Menschen wie mich ist sogar noch eine Prise Weiterbildung mit dabei - ich habe das Buch denn auch auf meine Spesenabrechnung gesetzt; fehlt bloß das Zertifikat. Es macht unglaublich Spaß, mit Dany durch die Apps zu floaten, im Plasma zu schwimmen und die guten wie auch die schrecklichen Eigenschaften verschiedener Apps kennenzulernen. Die Autorin zeigt uns auf unterhaltsame Weise, wie gut sie sich damit auskennt *Augenzwinker*. Immer wieder nimmt sie direkt mit mir Kontakt auf; in den Kapiteln zwischen den Kapiteln werde ich zum Nachdenken angeregt. Ein direkter Dialog mit den Lesenden ist gewagt, hier aber gekonnt umgesetzt. Chapeau, das können nicht alle glaubhaft rüberbringen.
Sprache & Fluss
Wenn auf einem Buchdeckel "Ria Endelegende" steht, dann lege ich schon vor Beginn der Lektüre einen Vorrat an Taschentüchern an, denn die werde ich brauchen. Nicht, weil das Buch so traurig ist, sondern weil ich Tränen lachen werde. Diese Sprache kippt mich weg. Dabei sind es nicht nur die komischen Situationen, von denen es selbstverständlich jede Menge hat, es sind die Formulierungen, die Wortkreationen und die versteckten, intelligenten Flachwitze, die in fein verteilten Prisen meine Lachmuskeln kitzeln wie Chillipulver die Schleimhäute.
Die wenigen Fehler, die mich kurz stolpern lassen, sind allesamt entweder durch Autokorrektur oder durch zu schnelles Tippen entstanden. Ria schreibt locker flockig und sehr stilsicher, da gibt es nichts zu bemängeln. Als Lektorin hätte ich wenig zu tun. Nur an sehr wenigen Stellen müssste ich mich mit Ria zusammensetzen und über den Fluss der Geschichte diskutieren - und ich könnte mir nichts Unterhaltsameres vorstellen, als solche Diskussionen.
Fazit
Wir haben hier einmal mehr - ihr ahnt es bestimmt schon - eine Fünfsternegeschichte. Für mich kommt die Novelle sicher auf die Longlist (schon geschehen - gratuliere!). Wie weit sie danach kommt, ist schwer zu beurteilen. Wenn die Jury auch zwischen den Zeilen liest, dann ist Shortlist möglich. Wenn sie jedoch den Text als puren Text, als literarische Novelle, bewerten und verstehen, dann befürchte ich, die Konkurrenz wird zu groß werden. Ich hoffe, sie erreicht die Shortlist - verdient hätte sie es. Ria - vielen Dank für die tolle Unterhaltung. Du solltest nebst schreiben noch Poetry Slam machen, denn du denkst schneller, als wir lesen können.
⭐️⭐️⭐️⭐️⭐️
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