4.

Wo bleibt mein Mut?
Wo bleibt meine Schlagfertigkeit?
Wo bleibt all der gute Teil von mir?

Wer bin ich überhaupt noch? Was ist von mir übergeblieben? All das was mich ausmacht hat, ist gestern verloren gegangen, ist gestern mit meinem Dad gestorben.

Mein Herz schlägt schneller und droht aus meiner Brust zu platzen. Mein Mund wird trocken und mir erneut schlecht, wieder beuge ich mich vor und übergebe mich. Dieses mal genau vor ihm. Als ich mich erneut erhebe, ruhen seine Augen noch immer ganz ruhig auf mir.
Auf einmal strahlt er eine gewisse Ruhe aus, die mir zuvor nicht aufgefallen ist.
Es bleibt weiterhin bei den 3 Schritten zwischen uns.
Es hat sich nichts geändert.

Als ich die Waffe in seinem Hosenbund erkenne, bleibt mir fast die Luft im Hals stecken. Plötzliches Adrenalin sprudelt in mir hoch und sorgt dafür, dass ich auf den Typen zu laufe. Meine Füße laufen schon los, als ich bemerke, was vor sich geht. Genau vor ihm stoppe ich. Mein Atem geht schnell und die Luft dampft wütend aus meiner Nase. Ich hebe meine beiden Arme und schubse ihn. Er hat genauso wenig damit gerechnet, wie ich selbst.

Wir beiden ziehen scharf die Luft ein.

Dem Adrenalin geschuldet, ziehe ich seine Waffe aus seinem Hosenbund und bin direkt überrascht wie kalt und schwer dieses Teil ist.

Auch dem Adrenalin geschuldet, halte ich mit beiden Händen fest um die Waffe gelegt, den Lauf der Waffe auf ihm drauf.

Als ich endlich meine Stimme wieder finde, ,,Du bist ein Mörder" zische ich, trete an ihn ran und drücke die Waffe direkt auf seine Brust.

 Er wirkt noch immer ziemlich gelassen. Er weiß sicherlich ganz genau das ich dieses Ding gar nicht bedienen kann.

,,Du Monster hast mein Vater erschossen" brülle ich, als er mir seine Hand auf den Mund drückt und sich an mein Körper presst. Ich schlucke und sehe ihn mit großen Augen an. Mein Herz droht zu explodieren.

Meine Hände werden schwach und die Pistole droht mir aus der Hand zu fallen.

Seine freie Hand schlingt sich um meine beiden Hände, die sich um die Waffe klammern.

,,Lass los" haucht er und lässt mich dabei nicht aus den Augen.

Unfähig zu sprechen, bleibe ich mir treu und lasse die Waffe nicht los.

Sein Griff um meine ineinandergeschlungenen Hände wird stärker. Meine Brauen ziehen sich schmerzerfüllt zusammen, während ich mich nicht bewegen kann.

Der Körper des fremden ist dem meinen so beängstigend nah. Seine Hände, die sich in Handschuhen verstecken, ruhen auf meinen Lippen und meinen Händen.

Mein Griff um die Pistole wird schwächer. In dem Bann seiner Augen gezogen, nehme ich meine Hände weg.

Mit einem weiteren und vor allem plötzlichen Schub des Adrenalins, schaffe ich ihn von mir weg zu stoßen, doch ich gehe wieder an ihn ran und hebe meine Hand. 

Wenn ich es schon nicht mit seiner Waffe schaffe ihn zu schaden und ihn zu verletzen, so sollen ihm wenigstens meine Hände schmerz zufügen.

Ich will ihn wirklich schlagen, doch er merkt es viel zu schnell und packt meine Hand, als ich zuschlagen will.

Mein Blick wandert von seinem Gesicht zu unseren Händen. Die schon wieder ineianderverschlungen sind.

Selbst durch diese dicken Lederhandschuhe spüre ich die Hitze zwischen unseren Händen, als sich plötzlich seine Lippen bewegen und meine Aufmerksamkeit zurück zu seinem Gesicht kommt.

,,Ich bedauere deinen Verlust" sagt er ruhig, aber mit einem zornigen Unterton. ,,Ich war es selbst aber nicht" zischt er und lässt brutal meine Hand los.

Schnell weiche ich ein Schritt zurück und reibe über die Stelle, die er so fest gehalten hat. ,,Glaubst du, ich bin blind?" frage ich wütend und sehe ihm direkt in die Augen, ,,Hälts du mich für so dumm?" füge ich noch hinzu.

Sein Blick ruht noch immer auf mir, ,,Zügel deine Stimme" rauht er mit einem italienischen Akzent und es ist so unfassbar einschüchternd, dass ich beinah vergesse zu atmen.

,,Ich halte dich für gar nichts" sagt er danach wieder ruhig und gelassen. ,,Es war mein Bruder" meint er danach und stellt sich wieder grade hin. Er klopft seinen Mantel aus, zieht ihn glatt und macht seine Handschuhe wieder fester zu.

Zum ende hin streicht er sich sein Haar zurecht und hebt seine Augenbrauen, als er sieht, dass ich jedem seiner Schritte folge.

,,Ich hab dich doch gesehen" sage ich kleinlaut und versuche seinem Blick stand zu halten. Seine Augen in dem selben Braun wie seine Haare.

So einzigartig. So vollkommen anders, als die Menschen hier leben. Er kommt nicht von hier, da bin ich mir sicher.
Es kann nicht so sein.

,,Er und ich sind Zwillinge" beruht er und entzieht seinen Händen nun doch seine Handschuhe. Ich zucke zusammen und weiche weiter zurück.

,,Wirst du mich jetzt auch töten? Ist es das? Ist das der Grund, wieso du mich verfolgst?" frage ich mit trockenem Mund. Mein Herz ist kaum noch in der Lage normal zu schlagen.

Er hält mir seine Hände offen hin. ,,Ich habe nicht vor dich umzubringen" sagt er ruhig und ich denke ein ,,Noch nicht" ganz leise gehört zu haben. Erst jetzt merke ich wie sehr mein Körper zittert, wie er vor Angst zittert.

,,Es war ein Unfall" sagt er schließlich. Plötzlich wird mein Körper ganz starr. ,,Ein Unfall?" frage ich und spüre die Wut, wie sie zurück in mein Körper schwabbt. Ein lautes jämmerliches  Lachen stoße ich aus meiner Kehle. ,,Es war sinnlos" höre ich ihn zu sich selbst sagen.

Ich trete fest auf den Boden und sehe ihn feindselig an. ,,Ich verabscheue dich" zische ich, ,,Und deinen verdammten Bruder auch" meine ich noch.

,,Du kannst mich nicht verabscheuen. Du kennst mich nicht" kommt es so leicht von seinen Lippen. So als hätte er es ernst gemeint.

,,Wieso?"  sprudelt es aus mir raus, ,,Wie kann es ein Unfall sein, wenn er ihm mitten auf die Stirn geschossen hat?" frage ich  und merke wie meine Stimme immer lauter wird. ,,Verstehst du das, er hat ihm mitten auf die Stirn geschossen. Vor meinen verdammten Augen" brülle ich ihm ins Gesicht und zeige auf meine Stirn.

,,Komm runter, Mariell" brüllt er zurück und seine ganze Ruhe ist verschwunden.

Wieso kennt er meinen Namen? Es trifft mich wie ein Blitz. Er hat meinen Namen ausgesprochen, als wäre er ein Schimpfwort. Mein Name hört sich so fremd aus seinem Mund an.

,,Oh, fantastico" höre ich aus seinem Mund.

Dieser liebliche Akzent. Italienisch. Natürlich ist er Italiener. Ich meine, sein Aussehen.

Es ist typisch.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top