68. Kapitel
„Ich brauch mehr Nägel!"
Piper sah auf.
Chris, Daphne, und Carson waren im ersten Stock gerade damit beschäftigt die Fenster mit Brettern zu zunageln. Im Erdgeschoss waren sie zugemauert worden.
Das Gebäude für Mathematik würde nämlich beim Angriff der Schnitter mit Sicherheit zum ersten Ziel werden. Deswegen verbarrikadierten sie die Außenseite und positionierten sich im Inneren.
Lou Ellen, Tochter der Hekate, war gerade damit beschäftigt die behelfsmäßigen Hindernisse mit Zaubersprüchen zu belegen, als sie, ohne aufzusehen, eine Schachtel Nägel herüber warf.
„Danke" Piper lief aus dem Raum, indem für gewöhnlich Mathe Unterricht gegeben wurde, und zur großen Treppe in die Oberen Geschosse. Von oben fiel Licht ins Treppenhaus und Piper wurde langsamer.
Was für ein schönes altes Gebäude das doch war.
Die gesamte Akademie war für die Tochter der Aphrodite wie ein Wunder. Wie der Schauplatz eines der Filme, in denen ihr Vater mitspielte. Nur das hier alles echt war. Keine falschen Kulissen, keine Kameras und keine Statisten.
Kein Kunstblut, keine stumpfen Waffen, keine Computeranimierten Monster...
Mit einem Seufzen setzte Piper ihren Weg fort. Dieses Haus war so alt, es schien lächerlich, dass es morgen nicht mehr hier stehen könnte.
„In welchem Raum seid Ihr?" Ein sandfarbener Kopf erschien in einer der Türen. „Hier drüben." Carson lächelte freundlich und Piper reichte ihm die Nägel.
Noch eines der vier Fenster fehlte. Die Jungs und Daphne hatten sich ordentlich rangehalten. „Wo ist Gwen?"
Die blonde Walküre Daphne sah auf, und obwohl sie seit drei Stunden Nägel in Bretter hämmerte und sie vielleicht alle bald sterben würden, sah sie umwerfend aus. Perfekt gestylt vom Haaransatz bis zu den Designer Stiefeln.
Sie würde sich bestimmt prima mit Drew verstehen.
„Sie ist kurz nach ganz oben um zu sehen wie die Lage insgesamt so aussieht. Piper nickte. „Braucht ihr hier noch Hilfe?"
Chris Rodriguez zog eine Augenbraue nach oben, was sie als nein interpretierte.
Also betrat sie abermals die Treppe und stieg weiter nach oben.
Im dritten Stock waren die Fenster weder Zugemauert noch zugenagelt und das Licht der Mittagssonne fiel herein. Ein kalter Luftzug fuhr ihr durch das Haar und führte Piper zum Zimmer, durch welches Gwen auf einen der Balkons getreten war.
Die Gypsie hatte die Arme um ihren Körper geschlungen und blickte auf die Szenerie unter ihr.
Direkt unter ihnen führte ein Graben von der Befestigungsanlage links von ihnen zu der auf der rechten Seite. Die Legion hatte innerhalb von wenigen Stunden unfassbares Geleistet und zwischen den Hauptgebäuden der Akademie einen Wall errichtet. Mit Wachtürmen, Katapulten und allem was dazugehörte. Zudem hatte die Hephaistos Hütte ihre Neusten Spielsachen aufgefahren um die Schnitter und Monster gebührend zu empfangen.
Bei diesem Gedanken richtete sich Pipers Blick auf den Horizont.
Über dem Wald, der etwa in 1500 Metern unterhalb des Hügels begann, zeichneten sich dunkle Rauchfahnen gegen dem blauen Winterhimmel ab. Die letzten Vorbereitungen ihres Gegners, der das Gelände der Akademie bereits erreicht hatte.
Gwen bemerkte sie und sah kurz zu Piper herüber.
„Das hasse ich am meisten. Das Warten vor dem ersten Ansturm."
„Ich weiß was du meinst. Auf der einen Seite möchte man, dass es endlich losgeht und dass man seinem Feind in die Augen sehen kann. Auf der anderen Seite wünscht man sich die Zeit möge stillstehen, damit man einen Weg finden kann, die grauenhaften Dinge zu verhindern, die geschehen werden. Aber sie werden geschehen. Bald."
„Immerhin stehen wir ihnen gemeinsam gegenüber. Mythos Schüler, Römer und Griechen. Wir werfen ihnen alles entgegen, was wir haben."
Sie standen noch eine Weile schweigend nebeneinander und betrachteten den Waldrand. Bald würde die Schlacht ihren Anfang nehmen.
•
Annabeth holte tief Luft und trat den ersten Schritt in den Fluss.
Das Wasser floss nicht besonders schnell, noch war es, obwohl sie Anfang Februar hatten, besonders kalt.
Sie war sich der Blicke ihrer Freunde in ihrem Rücken bewusst, doch drehte sie sich nicht nochmal um.
Einige Schritte weiter stand ihr das Wasser bereits bis zu den Oberschenkeln.
Sie hatte darauf verzichtet ihre Jeans und ihren Pulli auszuziehen.
Lediglich den dicken Mantel und die Schuhe hatte sie am Ufer gelassen.
Wenn Annabeth eines gelernt hatte über mystische Flüsse, dann das Klamotten, die einen herunterzogen, ein harmloses Problem waren.
Inzwischen ging ihr das Wasser bereits bis zur Hüfte und nun drehte sie doch den Kopf zu Eridanus.
Der Gott stand in seinen geblümten Shorts im Wasser und betrachtete sie.
Er nickte auf ihren fragenden Blick.
Also dann, dachte sie sich und tauchte unter.
Mit einem Mal fühlte sie sich wie in einem Eisschrank und um sie herum wurde es stockfinster.
Ob sich Percys Bad im Styx auch so angefühlt hatte?
Noch immer hielt sie die Luft an und wartete, doch nichts passierte.
Sie merkte, wie ihre Lungen begannen zu protestieren.
Sie brauchte Luft!
Angst begann sich in ihr breit zu machen.
Was sollte sie tun?
Auftauchen? Vielleicht hatte sie etwas falsch gemacht?
Eridanus wusste es bestimmt, also begann sie mit den Armen zu rudern um zurück an die Oberfläche zu gelangen.
Immer weiter schwamm sie nach oben, ohne dass ihr Kopf aus dem Wasser auftauchte.
Schwamm sie überhaupt in die richtige Richtung?
Schließlich war es dunkel.
Aber sie hatte sich doch unter Wasser nicht gedreht!
Annabeth änderte ihre Richtung und schwamm nun nach rechts, wie sie glaubte.
Ihr Atem wurde immer knapper und schließlich konnte sie ihren Körper nicht mehr daran hindern nach Luft zu schnappen.
Sie machte sich bereit auf das Wasser, das gleich ihre Lungen füllen würde und den Schmerz, der unweigerlichfolgen musste. Doch wieder passierte nichts.
Das heißt sie atmete kein Wasser ein, sondern normale frische Luft, die leicht nach Kiefern duftete.
Verwirrt drehte sie sich herum.
Sie stand auf festem Boden und vor ihr schimmerte schwaches Licht, als Stände sie in einem besonders dichten Wald.
Langsam bewegte sie sich darauf zu und ihre Umgebung wurde schärfer.
Sie lief tatsächlich durch einen Kiefernwald.
Die Bäume begannen sich zu lichten und Annabeth erkannte eine Wiese und Sonnenlicht.
Camp Halfblood?
Wie konnte das sein?
Mehr aus Gewohnheit, als dass sie einen Plan hatte, lief sie in Richtung der Hütten.
Sie standen friedlich und ruhig an ihren Plätzen und Camper trödelten lachend umher. Doch irgendwas an diesem Bild störte Annabeth. Sie runzelte die Stirn, kniff dann die Augen zusammen und drehte langsam den Kopf von links nach rechts.
Die Hütten!
Zwölf identisch große Hütten in einem Halbkreis!
Alle Hütten, die seit der großen Schlacht um New York und Percys Abkommen dazugekommen waren, waren verschwunden!
Oder noch nicht gebaut? Sie änderte ihren Kurs und lief nun auf das Haupthaus zu. Die baby-blaue Fassade strahlte in neuem Glanz und Annabeth konnte schon von weitem Mr. D und Chiron auf der Veranda Karten spielen sehen.
Wie in alten Zeiten.
Gerade war sie sich sicher in einer Erinnerung festzustecken, als Katie Gardner ihr entgegenkam.
"Morgen Anie. Gleich ist eine Hüttenältesten Versammlung. Chiron möchte, dass ich allen bescheid gebe."
Verwirrt nickte Annabeth. Wenn das hier eine Erinnerung war, wieso war Katie dann nicht auch wieder jung?
Sie rieb sich über das Gesicht und atmete dreimal tief durch.
"Ist alles in Ordnung Schatz?" Percy!
Freudig fuhr Annabeth herum, doch nicht Percy hatte von hinten die Arme um sie geschlungen. Es war Luke.
"Ich hab dich beim Frühstück vermisst!" Er lächelte und seine typischen Grübchen und Lachfalten erschienen. Bevor sie regieren konnte, küsste Luke sie.
Als sie wie versteinert stehen blieb löste er sich von ihr.
"Anie was ist los?" Besorgt musterte er sie von oben bis unten und sie sagte das erst beste, dass ihr einfiel.
"Hütten Versammlung bei Chiron. Jetzt."
Luke stöhnte. "Nicht schon wieder. Was kann denn so wichtig sein? Ich dachte vielleicht könnte ich endlich etwas Zeit mit meiner umwerfend schönen Freundin verbringen, aber das kann Chiron wohl nicht zulassen."
"Wann anders." murmelte Annabeth schwach und versuchte zu lächeln. Wie zur Hölle kam sie hier wieder raus?
Luke legte ihr jetzt einen Arm um die Schultern und sie versuchte nicht zu verkrampfen. Viele Jahre wäre das hier die Erfüllung ihrer künsten Träume gewesen.
"Lassen wir Chiron besser nicht warten."
Nach und nach füllte sich der Raum und Annabeth spürte, wie sie sich entspannte. Kakao wurde gereicht, die Stoll Brüder stritten sich mit Katie und alles war wie es sein sollte.
Mit ein paar Ausnahmen. Anstelle von Will Solace kam Micheal Yew als Hüttenältester von Appollo durch die Tür.
Annabeth starrte ihn eine geschlagene Minute an und nach ihm alle ihre Freunde, die sie während der letzten Jahre verloren hatte. Tränen schossen ihr in die Augen, als Beckendorf und Silena Arm in Arm den Raum betraten.
"Flennst du etwa Chase?" Das kam von Clarisse, die ganz in Ares Manier die Füße auf den Tisch gelegt hatte.
Schnell wischte sie sich über die Augen, als sie plötzlich jemanden aus dem Augenwinkel sah.
Der letzte Hüttenälteste war eingetroffen, Annabeth sprang auf.
"Percy!" Es war so lange her, dass sie ihr Algenhirn gesehen hatte,nicht nur Bilder betrachten musste. Seine Haare waren länger als gewöhnlich und er trug ein schmudeliges T-Shirt zu zerschlissenen Jeans.
"Chase" Er warf ihr einen Blick, unter hochgezogenen Augenbrauen zu und ließ sich dann auf einen Stuhl fallen. Schnell setzte sie sich wieder und war froh, als Chrion jetzt den Raum betrat.
Er begann über einige Streiche in der letzten Zeit zu sprechen und Annabeth Gedanken schweiften ab.
Wenn Michael noch am Leben war und Silena und Beckendorf, dann musste etwas grundlegend anders sein, als in der Realität,die sie kannte.
Ihr Blick richtete sich auf Luke, der neben ihr sahs. Er lachte über Chirons Ausführungen und seine blauen Augen leuchteten. Er war so entspannt und wirkte tatsächlich glücklich.
Er bemerkte, dass sie ihn anstarrte und erwiederte ihren Blick, dann griff er nach ihrer Hand.
Da wurde es Annabeth klar. Etwas war tatsächlich grundlegend anders in dieser Welt. Sie war mit Luke zusammen und er hatte sich nicht gegen die Götter gewand.
Der Krieg mit Kronos hatte so nie stattgefunden! Deswegen waren auch alle noch am Leben!
Jetzt konnte Annabeth die Tränen tatsächlich nicht mehr zurückhalten, denn sie wusste, was sie zu tun hatte.
Und alles würde geschehen wie gehabt. Luke würde sich von ihr abwenden, Beckendorf die Andromeda nicht mehr verlassen und Michael von der Brücke stürtzen.
Sie sah dem Sohn des Hermes noch einmal in die Augen, dann entzog sie sich seiner Hand stand auf und umrundete den Tisch.
"Annabeth? Was tust du?" verwirrte Blicke folgten ihr, als sie vor Percy stehen blieb.
"Was?" Er wirkte genervt und runzelte die Stirn. Ohne den Krieg waren sie und Percy, wie ihr nun bewusst wurde, nie Freunde geworden, hatten sich nie verliebt. Dieser Percy vor ihr, wusste nicht um das, was sie erlebt hatten.
"Solange wir zusammen sind!"
"Bitte? Drehst du jetzt völlig durch?" Percys meergrüne Augen waren zusammengekniffen.
Der Wunsch ihr Algenhirn endlich wieder in die Arme zu schließen wurde stärker den je und den Raum um sie herum ignorierend, beugte sie sich nach vorn, schloss die Augen und küsste ihn.
Im einen Moment spürte sie noch seine Lippen auf den ihren, im nächsten bekamm sie keine Luft mehr. Dann brach ihr Kopf durch die Wasseroberfläche und sie konnte wieder normal atmen.
Eridanus stand noch immer bis zu den Knien im Wasser und nickte ihr lächelnd zu.
Sie hatte es geschafft.
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