in Klammern gesetzt

Es sind keine sonnengeküssten Erinnerungen, die wir an diesem Tag sammeln. Es ist ein bewölkter Julitag und kaltes Nordseewasser. Deine Lippen sind blau, meine Hände am zittern.

»Ich habe Angst, mich zu verirren«, gestehe ich dir.

»Ich treffe dich dort, wo du stehst«, versprichst du mir.

Als die nächste Welle kommt, halten wir uns kreischend aneinander fest.

Als sich die kleinen, spitzen Steine in unsere weichen Fußsohlen bohren springen wir fluchend umher.

Als wir auf den Handtüchern liegen, der Sand auf unserer feuchten Haut klebt und wir mit Eistee anstoßen, fallen keine großen Worte mehr.

Aber würde dieses Leben im nächsten Atemzug erneut beginnen, würde ich jede Entscheidung nochmal treffen, um diesen Moment mit dir nicht zu verpassen.

Um unseren letzen Sommer zu erleben. (er war noch nicht das Ende)

Erstaunlicherweise weine ich nicht, als du ins Auto steigst. Unsere Freundschaft ist wunderschön und ich beschließe, froh darüber zu sein, jemanden zu haben, den ich vermissen kann und der mich vermissen wird.

Trotzdem – es vergehen Monate, bis wir beide wieder in der Heimat sind. Und als es endlich soweit ist, kann ich nicht anders, als nervös zu sein. Du (deine Stimme, deine Texte, deine Fotos) warst zwar keinen einzigen Tag vollkommen weg, aber nun mal auch nicht richtig, echt und greifbar da.

Vielleicht haben wir uns schon an die Abwesenheit des anderen gewöhnt?

Doch da stehst du und ich finde dich sofort in der Menge – natürlich, immer – und wir laufen aufeinander zu und umarmen uns und ich muss lachen, wie konnte ich nur eine Sekunde lang denken, ich könnte vergessen, wie du dich anfühlst?

Alles fällt von selber auf seinen Platz, so vertraut, so bekannt. Der Kopf voller Erleichterung, als ich denke: wenn wir uns verlieren, finden wir uns einfach wieder.

Und du erzählst, wie du so lebst, was du gerade so machst, wer dabei neben dir steht. (nicht ich)

Und ich erzähle, wie ich so lebe, was ich gerade so mache, wer dabei neben mir steht. (nicht du)

Und wir erzählen. (aber von keinem wir mehr)

Die Tage verschwimmen erneut ineinander, die Abstände zwischen uns werden größer. Wir sind beide beschäftigt. Aber ich weiß, wenn ich dich brauche, bist du da, und das reicht.

Ich fühle mich schuldig, als ich dich nicht brauche.

Plötzlich sind da andere, viel näher als du, können es besser verstehen.

Ich erzähle dir trotzdem davon, später, im Nachhinein. Aus Ratschlag brauchen wird der verzweifelte Versuch mich mit dir über etwas unterhalten zu können.

Ich halte mich an unseren Gemeinsamkeiten fest. (und ignorier, dass es immer leichter wird loszulassen)

Als ich dir zu deinem Geburtstag gratuliere, fällt mir auf, dass wir seit meinem eigenen vor einem halben Jahr nicht mehr geschrieben haben.

Ich blicke hinab auf das Instagrambild und auf dein Lächeln. Kann nicht anders, als mir einzugestehen, dass ich es immer noch so, so sehr liebe. Wie du dabei die Augen zusammenkneifst – ohne Gründe dein Glück zu verstecken.

Dein Lächeln, welches all die Fremde offenbart, die sich erst langsam und dann unaufhaltsam zwischen uns geschlichen hat. Denn ich kenne noch nicht mal den Namen des Menschen, der neben dir stehen und mitgrinst. Kenne seinen Namen nicht, obwohl deiner jahrelang ganz oben bei den eingegangen Nachrichten, vergangenen Telefonaten, Favoritenkontakten stand.

Mein Finger verharrt über dem kleinen Symbol, welches mich dazu einlädt, dir einen kleinen Kommentar zu schreiben.

Die neue Brille steht dir echt gut

(natürlich ist es mir sofort aufgefallen)

Oder

Du siehst glücklich aus

(wie wir es früher gemeinsam taten)

Oder

Denkst du manchmal noch an mich?

(ich viel zu selten an dich)

Aber als wir uns das letzte Mal getroffen hatten, war unser Gespräch gestellt und komisch. Hat sich falsch angefühlt.

Jeder von uns ist seinen eigenen Weg gegangen und das ist okay, natürlich ist es das. Wir haben auf unsere Sehnsucht gehört und sie hat uns zu unterschiedlichen Horizonten geführt.

Jetzt hast du dein Leben und ich freue mich für dich, das tue ich wirklich, aber ich bin kein Teil mehr davon und das tut weh, das tut es wirklich.

Weil unsere Fäden mal so sehr ineinander verwickelt waren, dass man sie hätte zerschneiden müssen, um sie von einander zu trennen.

Weil du mal meines warst (nur meines) und ich deines (nur deines), vielleicht nicht für immer, aber in unserer eigenen Ewigkeit.

Du hast mir die Geheimnisse erzählt, die nun jemand anderes hört.

Ich hab dir die Ängste anvertraut, durch dir mir nun jemand anderes hilft.

Du weißt, dass ich ein Muttermal über meiner linken Brustwarze habe, aber nicht, dass ich seit vorgestern eine Katze besitze.

Ich weiß, dass du dir in der achten Klasse im Sportunterricht den Arm gebrochen hast, aber nicht, ob du dein Studium schon beendet hast.

Weil du noch du bist, aber nicht mehr die Person, die ich damals geliebt habe.

Weil ich noch ich bin, aber nicht mehr die Person, die du damals geliebt hast.

(Wie sollen wir uns wiederfinden, wenn es uns nicht mehr gibt?)

Kurz fühle ich mich betrogen, aber ich habe nicht das Recht dazu, habe nicht das Recht auf dich.

Es war keine Auseinandersetzung, keine wütenden Worte, keine kalte Ignoranz – es waren Nachrichten, die immer seltener wurden, Antworten, die nicht mehr kamen, dann haben wir es vergessen, die Priorität ist gesunken. Das Lied wurde nicht inmitten einer Note gebrochen, es ist langsam verklungen. Haben gedankenverloren erst in den verspäteten Sekunden gemerkt, dass es vorbei war.

Ich blicke nochmal den Menschen neben dir an und der Neid verzerrt sein Lächeln, bis es nur noch hämisch aussieht. Tippe das Bild zweimal an, scrolle dann weiter. Hinterlasse nur ein Herz, welches nicht mehr dir gehört. (dabei war es ein Geschenk)

Es ist kein ich entfolge und blockiere dich, kein Löschen unserer gemeinsamen Fotos und Chats, kein Verbrennen unserer Erlebnisse. Der Kummer hat keinen Schokoladeneisgeschmack und liegt nicht eine Woche lang im Bett.

Aber manchmal wünsche ich mir, wir wären eine Liebesgeschichte gewesen.

Vielleicht hätten wir dann wenigstens die Chance bekommen uns voneinander zu verabschieden.

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