Lupus ad mortum* aktualisiert
1.
Kalter Angstschweiß bedeckte ihre Haut wie ein schmieriger Film. Ähnlich den eisigen Fingern der Kälte verschnürte Furcht ihre Kehle, vermischte sich in ihrem Magen mit der Magensäure zu einem schweren Klumpen. Explosionsartig zerbarst der Rollschutt unter dem Druck ihrer Absätze. Das Krachen prallte von den schmucklosen Betonwänden ab und schallte als Echo durch die labyrinthartigen Nebenstraßen des Industriegeländes. Sie fuhr zusammen. Entsetzt über den Geräuschpegel.
Eisige Schauer liefen über ihren Körper, während der Wind durch die Ritzen ihrer Jacke tief in ihre Knochen fuhr und das Mädchen mit seinen frostigen Klauen lähmte. Der schwache Schein der Straßenlaternen warf gespenstige Schatten auf die Betonwände. Formten Monster mit Krallen und spitzen Zähne, die ihr durch die verlassene Dunkelheit folgten.
„Alles nur Einbildung!", wiederholte Ksenia ihr Mantra, während sie die klamme Hand auf ihr pochendes Herz zur Beruhigung legte. Entfernt hörte sie noch immer den Bass der Party durch die Nacht dröhnen. Verärgert dachte Ksenia an ihr Auto, das in einer kleinen Seitenstraße am Rande des Industriegebietes parkte. Meilenweit von der Party entfernt. Hinter ihr knackte es. Ruckartig drehte sie sich um. Die braunen Haare flogen wie ein schwingender Reifrock um ihren Kopf. Angestrengt starrte sie in die Gasse. Nichts. Nur bewegte Schatten, die sie mit ihren Fratzen auslachten. Ihre Kehle zog sich zusammen und das Atmen fiel ihr schwer.
„Alles. Nur. Einbildung!", nuschelte sie, schloss die Augen und wiederholte die Worte ein weiteres Mal. Rasselnd zog sie die Luft ein. Wieder ein Knacken. Wie Schuhe, unter denen das Geröll zerplatzte. Angstvoll geweitete Augen, die in die Schwärze starrten. In der Ferne vibrierte der Bass. Unnatürlich schnelles Schlagen ihres Herzens. Rauschendes Blut in ihren Ohren. Um sie herum: Stille. Totenstille. Schatten stürzten auf sie ein.
Ksenia schrie.
Dann rannte sie. Sprintete über die Straße. Stolperte mit den High Heels über Geröll. Verlor die Balance, ruderte verzweifelt mit den Armen. Ihr keuchender Atem manifestierte sich in weiße Rauchschwaden, die durch die Luft waberten. Ihre Beine brannten. Schattenkrallen griffen nach ihr. Panisch schrie sie auf. Tap. Tap. Es verfolgte sie. Es klang wie Krallen, die auf den Boden aufschlugen. Wind kam auf. Lose Blätter raschelten. Tränen stiegen in ihr auf. Der Knoten in ihrem Hals spannte, drückte auf ihre Stimmbänder. Erst als Ksenia den alten Chevrolet am Straßenrand parken sah, verlangsamte sie ihre Schritte. Atmete tief ein. Mit zittrigen Fingern wühlte sie in ihrer Tasche herum, bis sie das kühle Metall ihrer Schlüssel erfühlte und diese herauszog. Triumphierend hob sie den Blick von den Schlüsseln. Ihr Herz setzte aus. Setzte aus wie ihr Atem. Klirrend fiel der Schlüsselbund auf den Asphalt.
Gelbe Augen starrten sie durch die Schatten an. Sie öffnete den Mund. Der beißende Gestank nach nassem Hund brannte sich in ihre Nase. Reihen voll spitzer Zähne grinsten ihr entgegen. Dann richtete sich das Monster auf. Leises Wimmern wich über die geöffneten Lippen. Die Silhouette des Mondes schälte sich aus dem Kleid der Wolken. Ksenia öffnete den Mund. Ihre Lungen füllten sich mit Luft und durchdrangen die Nacht mit einem panischen Schrei. Der Werwolf leckte sich hungrig über die tierischen Lippen. Dann legte er den Kopf in den Nacken und heulte.
Ksenia erstarrte.
Wurde zu einer gelähmten Eisskulptur. Wie unter Wasser nahm sie das Hecheln des Werwolfs wahr, wie er ihren Geruch einsog und sie mit seinen gelben Augen fixierte. Seine Beinmuskeln spannten sich unter dem verfilzten Fell an. Scharfe Krallen bohrten sich in ihre empfindliche Haut. Ihr Kopf krachte auf den Asphalt. Warme Flüssigkeit benetze ihre Haare, breitete sich in einer großen Pfütze unter ihr aus. Er stand über ihr. In der gelben, katzenartigen Iris spiegelte sich das Blut. Dann wurde ihr Sichtfeld schwarz.
***
Blechern tönten die elektrischen Beats durch ihren Körper. Alainn hatte das Gefühl von innen heraus zu vibrieren. Ein unangenehmes Gefühl, wie sie fand. Der Bass trommelte durch die Lagerhalle. Die Hitze von hunderten partywilligen Kids sammelte sich in dem leeren Gebäude. Schweiß lag wie schimmernde Vaseline auf den halbnackten Körpern der Jugendlichen, die sich in dem blinkenden Neonlicht zu der Musik bewegten und Körperflüssigkeiten austauschten.
„DER. HAMMER! Oder?", Sonja stieß Alainn den Ellenbogen in die Rippen. Ein lila Lichtstrahl erfasste ihr wie Brillanten glitzerndes Tigerprintkleid, indem sie sich geschmeidig zu den elektronischen Beats bewegte.
„Total!", nuschelte Alainn und fummelte an dem ausgeleierten Saum ihres weißen Tops herum.
„WAS?", schrie Sonja und beugte sich in ihren Zehnzentimeter hohen High Heels hinunter zu Alainn. Das Mädchen sah Sonja aus den Augenwinkel an und musste ein Augen verdrehen unterdrücken. Sonja wirkte wie eine Giraffe, die sich zum Trinken herunter beugt.
„Toll!", schrie Alainn, als Sonjas Atem ihre Wange berührte. Das Mädchen strahlte sie an: „Ich wusste, dass es dir gefällt!"
„Und wie!"
„WAS?", kleine Spucktropfen benetzten die blasse Haut des Mädchens und sie tarnte das Wegwischen, indem sie eine ihrer tiefroten Haarsträhnen nach hinten warf. Sie drehte beide Daumen nach oben und grinste.
„Ich wollte, dass du mich und St. Petersburg nie vergisst!". Stürmisch umarmte Sonja ihre Freundin: „Ich werde dich vermissen, wenn du weg bist!" Alainn nickte. Sonja grinste schelmisch. In ihren grauen Augen blitze es neckisch. Ehe Alainn ihre roten Augenbrauen misstrauisch zusammen ziehen konnte, schrie Sonja: „Koste den Abend aus!", wippte mit den Augenbrauen und schubste Alainn. Sie traf die Rothaarige am Bauch. Alainn stolperte in ihren Sneakers nach hinten. Mit den Armen rudernd versuchte sie, ihr Gleichgewicht zu halten und prallte gegen etwas Lebendiges. Ihre Finger griffen nach Stoff. Hände fingen sie auf. Blaue Augen sahen sie belustigt an.
„Äh..", machte Alainn und schloss den Mund. Warm lagen die Hände des Jungen an ihrer Hüfte. Sie wanderten ein Stück nach unten, zogen sie noch enger an ihn.
„'tschuldigung!", schrie sie.
„Michail!", antwortete der Junge, strich sich mit einer galanten Geste das dunkelblonde Haar aus dem Gesicht. Seine gebleichten Zähne glänzten in dem wechselnden Spiel des Neonlichts. Die Muskeln an seinen Armen traten heraus. Alainn zog die Augenbrauen hoch: Hatte er seine Muskeln gerade angespannt? Ernsthaft?
„Und wie heißt du?", sein Atem roch nach dem süßlichen Geruch von Gras. Seine Hände umfassten ihren Po und vernichteten jede Art von Abstand. Alainns Herz begann zu rasen und ihr Fluchtinstinkt meldete sich. Sie legte ihre Hände auf seine Brust und drückte: „Ich will lieber wieder zu meiner Freundin!" Sie drehte ihren Kopf, doch Sonja war in der Menge der Tanzenden verschwunden.
„Schon?", nuschelte er. Seine Lippen berührten ihren Hals. Alainn verzog angewidert die Lippen.
„JA!", schrie sie mit Nachdruck und drückte ihn weg. Wie ein Tentakel versuchte er mit seinen Händen, den Abstand zwischen ihnen wieder zu verringern. Das Mädchen wehrte sich.
„Komm schon. Nur ein Tanz!", seine Zunge war schwer von den Drogen und der Geruch von Alkohol schlug Alainn entgegen. Sie drückte fester. Energischer. Sie verlor langsam die Geduld. Wieder war da die Hand auf ihrem Po. Ihre Finger krallten sich in seine Schulter. Seine blauen Augen starrten in ihre grünen Augen. Tief grün. Dann lächelte sie. Michail war fasziniert von ihr. Wie schön sie war. Er spannte seine Muskeln an. Wieder lächelte sie, zeigte ihre weißen Zähne. Ihre Hände krallten sich in seine Schultern. Das Grün ihrer Iris verdunkelte sich und wurde zu einem tiefen Schwarz. Erschrocken riss er die Augen auf, nahm wahr, wie das weiß in ihren Augen vollständig von dem Schwarz eingefangen wurde bis er nur noch in zwei schwarze Löcher sah. Wieder lächelte sie. Die Rothaarige zog ihn an sich ran. Ihr Atem berührte ihn und löste in seinem Kopf eine Flut von Warnsignalen aus. Genau wie damals im Zirkus, als er sich wegen einer Mutprobe ein bisschen zu nah an einen der Tigerkäfige geschlichen hatte. Sein Herz raste und wäre da nicht der eiserne Griff um seine Schulter, wäre er durch die Menge gerannt. Sie schürzte die Lippen und das Schwarz in ihren Augen glitzerte amüsiert, so als wüsste sie wie viel Angst sie ihm in den vergangenen Sekunden gemacht hatte. Sie blinzelte. Für einen Moment schienen schwarze Muster aus der Tiefe ihrer Haut aufzutauchen wie ein Tiefseetaucher, dessen Aufstieg man von der Reling aus zusah.
Er versuchte, den Alkohol aus seinem Bewusstsein zu blinzeln. Aber es war zu spät. Ihre Fingernägel bohrten sich in seine Schulter, ein böses Grinsen verzog ihre Lippen und dann spürte er den kraftvollen Schlag in seinem Magen. Eine Sekunde später strauchelte er durch die Wucht des Schlages in die Menge. Er hielt sich den Bauch und sah sich wütend nach dem Mädchen um.
Aber das Mädchen war weg. So als hätte es sie nie gegeben.
Die kalte Oktobernachtluft ließ Alainn wieder klar denken. Erleichtert atmete sie aus, sah den weißen Wolken nach, die ihr Atem verursachte. Der Mond schälte sich aus seinem grauen Wolkenkleid. Sie streckte ihre nackten Arme aus, sah sich das schimmernde Lichtspiel des Mondes an, der ihre Porzellanfarbende Haut in reines Silber verwandelte. Sie zitterte, spürte in ihrem Inneren noch immer den Strudel, der unkontrolliert alles mitreißend wollte. Sie fuhr sich über das Gesicht, lehnte sich an eine der kalten, schmucklosen Betonwände und genoss das beißende Gefühl des Windes auf ihren nackten Oberarmen. Schmerz brachte sie zurück. Mit ihm konnte sie die Masse an Magie, die sich in ihr aufbäumte und an ihren Ketten zerrte, um freigelassen zu werden, bändigen.
Kontrolle war alles.
Noch einmal wischte sich Alainn den Schweiß von der Stirn, fuhr sich über die Augen, stöhnte, weil sie die Mascara verwischt hatte und atmete tief ein und aus. Der Schrei schnitt wie eine scharfe Klinge durch die Nacht. Zerschnitt sie wie Butter und hallte durch die schmucklosen Betonwände der Gassen. Alainns Herz fing an zu pochen. Schnell und aufgeregt. Freudig erregt. Sie presste die Lippen aufeinander, um den Freudenschrei in ihrer Kehle aufzuhalten, der dort steckte.
„Jetzt hab ich dich!", lachte sie und verdrängte die aufkommenden Gedanken an ihre fast verlorene Kontrolle. Sie drehte noch einmal den Kopf auf den schmucklosen viereckigen Eingang der Lagerhalle, besah sich das farbenfrohe Lichtspiel auf dem Asphalt, dann verschwand sie in der Schwärze der Nacht.
***
„Ich störe wirklich nur ungern..", der Kopf des Werwolfs ruckte hoch. Langsam drehte er den Wolfsschädel. Starrte sie mit seinen gelben Katzenaugen an. Schnüffelte.
„Ich habe dich gar nicht gerochen!", er klang überrascht. Die Rothaarige lachte. Sie war schön. Tiefes, dunkelrotes Haar, porzellanfarbene Haut, geschwungene, große grüne Augen. Sie lehnte an der Wand. Lässig. Spielte mit einem Dolch. Die Klinge reflektierte das Silber des Mondes. Ihre rosenfarbenen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln: „Der Wind hat sich gedreht..", sagte sie mit bedeutungsschwerer Stimme und fuhr mit einer Hand durch den Wind, der sich ihren Bewegungen anpasste und folgte. Einige Blätter wirbelte um ihre Hand und ihren Arm, bis sie diese sinken ließ. Sie wirkte unschuldig.
„Wie gesagt, ich störe nur ungern, aber du wirst beschuldigt 18 Mädchen ermordet zu haben!", sie stieß sich von der kühlen Betonwand ab. Trat auf ihn zu. Fixierte ihn.
„Hast du 18 Mädchen getötet?" Er lächelte sein Werwolfsgrinsen, leckte sich über die spitzen Zähne: „Wenn ich mit euch beiden fertig bin", seine Augen streiften die Braunhaarige unter ihm und fixierten dann die Rothaarige neben ihm, „...werden es 20 Mädchen sein!"
Das Mädchen unter ihm wimmerte. Ein kläglicher Laut, der Alainn an ein jammerndes Hundebaby erinnerte. Der Werwolf hielt seine Nase in den Wind und schnüffelte an dem Mädchen unter ihm. Seine Nasenlöcher zuckten, als er ihren Duft einsog. Der süßliche Duft der Angst vermischt mit der Herbe des Schweißes.
„Ich liebe diesen Geruch!", erklärte er der Rothaarigen. Sie ging in die Hocke, lächelte ihn mit schiefgelegten Kopf an.
„ Auf deine Tat- oder sollte ich lieber Taten sagen?", sie biss sich nachdenklich auf die Lippe, lächelte triumphierend, als sie die Gier in seinen Augen sah, „ ... steht lebenslänglich Gefägnis. Da ich aber leider kein Gefängnis für Werwölfe habe, werde ich dich einfach töten!", sie nickte zur Unterstreichung ihrer Aussage. Klopfte sich auf die Oberschenkel und richtete sich wieder auf. Er lachte. Legte den Kopf in den Nacken und stieß ein vibrierendes kehliges Lachen aus.
„Du bist bist echt amüsant!"
„Ach ja?", etwas in ihrer Stimme, vielleicht der drohende Unterton, ließ sein Kopf zu ihr herum schnellen. Aber sie war verschwunden. Er drehte den Kopf. Doch die Gasse war leer.
„Ich verspreche..", ihre helle, kalte Stimme kam von links. Seine Augen suchten die Dunkelheit ab. Nichts.
„... ich mache es kurz und schmerzlos, außer...",er sprang auf und starrte in die Finsternis hinter sich. Sein Herz fing an zu wummern. Wer war dieses Mädchen?
„... außer,", wieder sprang er herum. Er hörte ihr Lachen in der Stimme. Es machte ihr Spaß.
„...außer du ärgerst mich, dann...", sein Blick raste durch die Gasse. Immer schneller schlug sein Herz. Er leckte sich über die Lippen. Sein Maul war trocken.
„WO. BISt. DU?", schrie er wütend. Rasend. Sie lachte. Ein helles, glockartiges Geräusch, dass ihn an ein kleines Kind mit goldenen Locken erinnerte, aber nicht an eine junge Frau mit roten Haaren. Verflucht, wo war sie?
Dann roch er sie. Lieblich süß nach Lindenblüte mit einer metallischen Note. Ihr Atem berührte das Fell in seinem Nacken. Sofort stellte es sich kerzengerade auf.
„.. Wenn du mich ärgerst...", er sprang nach hinten. Biss nach ihr. Doch sie wich aus. Die Augen zu Schlitzen verengt. Seine Krallen schnitten durch die Luft. Sie duckte sich unter ihnen hindurch. Er brüllte auf, als die Klinge in sein Fleisch fuhr, über seinen Rippenbogen kratzte und schmatzend heraus gezogen wurde. Er schnaubte. Die Lefzen gefletscht, drehte er sich zu ihr um. Wie klein sie war. Er brüllte sie an. Doch ihre einzige Reaktion darauf, bestand darin, sich die Speicheltropfen vom Gesicht zu wischen.
„Du solltest mich doch nicht ärgern!", ihre Lippen verzogen sich schon wieder zu einem süffisanten Grinsen. „Ich werde es genießen dich zu töten!", seine Stimme war rau und kratzte im Abgang wie eine alte Schallplatte. Die Rothaarige nahm die Drohung unberührt auf. Er hätte ihr auch genauso gut die Wettervorhersage von Morgen vorlesen können. Ihre Reaktion wäre die Gleiche gewesen. Sie betrachtete das Blut auf der Klinge ihres Dolches. Seine Krallen holten aus. Sie drehte sich wie eine Ballerina. Geschmeidig, elegant und dennoch kraftvoll. Sein Maul schnappte nach ihr. Die Klinge schnitt in sein Arm.
Er brüllte. Sie trat zu. Traf sein Rückgrat. Er taumelte vorwärts. Stolperte beinah über das, noch immer erstarrte, andere Mädchen. Sie war schnell. Zu schnell für einen Menschen.
„Was bist du?", keuchte er.
„Dein Gericht", ihre Stimme war kalt, unerbittlich. Erinnerte ihn an das leuchtende blaue Eis in Sibirien. Wieder griff er an. Funken sprühten, als seine Zähe auf das Metall trafen. Scharf schnitt sie in sein Zahnfleisch. Doch er ließ sie nicht los. Ihre weiße Hand riss am Griff. Sie schrie, als seine Krallen tief in ihre Haut schnitten. Sie taumelte zurück. Sackte leicht zusammen. Drückte die Hände auf die tiefen Schnitte. Blut quoll zwischen den Fingern hervor, wie aus einer Ketschupprobe bei McDonalds auf die man zu fest gedrückt hatte. Er lachte, dann hob sie den Kopf. Sein Lachen blieb ihm im Hals stecken, als er sie sah.
Die zwei schwarzen Löcher, dort wo ihre Augen gewesen waren, fixierten ihn. Mit ihren blutigen Händen zeigte sie auf ihn: „Ich habe dich doch gewarnt! Du solltest mich nicht wütend machen!", im ersten Moment starrte er sie nur an. Sah dabei zu wie ihre blauen Adern sich schwarz verfärbten und dunkle Muster aus der Tiefe ihrer Haut aufstiegen. Eine Sekunde später stand sie vor ihm.
Die Hände auf seine Brust gelegt. Das Weiß ihrer Haut verdeckt durch das Blut, das lange Bahnen mit fließende Blutstropfen auf ihre Haut gemalt hatte. Seine Augen betrachteten ihre Hände. Dann brachen sie durch seine Haut. Blut spritze. Verschmierte sein Fell, verklebte die Haare und überzog ihre Hände mit der Farbe ihrer Haare. Dabei hielt sie Blickkontakt. Seine Augen waren aufgerissen. Sein Maul zu einem tonlosen Brüllen geöffnet. Dann zog sie sich zurück. Er fiel auf die Knie, wie eine Marionette, der man die Fäden gekappt hatte. Schmerz brandete durch seinen Körper. Nebelartig verschleierte sein Gehirn. Es wurde schwierig, einen klaren Gedanken zu fassen.
Alainn ging auf das Mädchen zu. Die Lider des Mädchens flatterten, ihr Blick wirkte verschwommen, als sie aus der Ohnmacht erwachte. Alainn lächelte sie an, hielt ihr die blutverschmierte Hand hin, die sie mit geweiteten Augen betrachtete: „Hey, alles ist gut!", wieder bildete sich ein sanftes Lächeln. Mit Tränen verschmierten Gesicht musterte Ksenia sie, ließ sich dann von ihr aufhelfen.
„Was hast du da?", Alainn strich vorsichtig über die Bissspuren des Werwolfs am Hals des Mädchens. Sie zuckte zusammen. Berührt zittrig die blutigen Male auf ihrer Haut: „Ist nicht tief!", Alainn nickte traurig.
„Tief genug!", sie trat zur Seite. Ksenia ging an ihr vorbei zu ihrem Auto. Es knackte. Ksenia fiel auf den Asphalt. Die braunen Augen leblos zum Himmel gerichtet. Ein raues, schmerzerfülltes Lachen hallte durch die Gasse. Wütend sah Alainn ihn an: „Was gibst da zu lachen?", zischte sie, „du hast einen weiteren Menschen auf dem Gewissen. Das..!", sie zeigte auf das tote Mädchen, „... ist dein Werk!" Das Tier lachte. Blut quoll aus seinem Mund hervor und er verstummte hustend: „ Du hast sie getötet!"
„Ich habe sie gerettet!", verbesserte das Mädchen den Werwolf. Sie strich über die Augen des Mädchens, um sie zu schließen.
„Sie wäre wahrscheinlich eh an dem Biss gestorben!"
„Dann habe ich ihr die Qualen ersparrt!"
Er grunzte schmerzerfüllt: „Es ist immer gut, wenn man für jede Grausamkeit eine Rechtfertigung hat, kleine Korrigan!", Alainn schnaubte trotzig: „Rechtfertigung? Wie rechtfertigst du deine Taten? Ich habe nur das Gesetz befolgt. Geheimhaltung ist alles und Menschen in einen Werwolf zu verwandeln- dafür hättest du es verdient noch einmal zu sterben!", wieder grunzte der Werwolf.
Langsam zog sich das Fell zurück und aus ihm wurde nur ein Mann in mittleren Jahren mit schmutzigen braunen Haaren und kränklich blasser Haut: „Ich bin vielleicht ein Mörder. Aber du", er starrte ihr direkt in die grünen Augen, „ Du und deine Rasse seid Monster. Grausame Monster. Blutdurstig und gefährlich. Ich habe deine Augen gesehen und ich weiß, dass es dir Spaß gemacht hat. Und wenn du mir den Todesstoß versetzt, dann wirst du das Gefühl lieben, wenn das Leben aus mir herausströmt. Ihr Korrigans seid nicht besser als wir. Auch wenn ihr euch für die Hüter und Beschützer von Frieden und den Wesen halten mögt.", er spuckte aus. Blut schwamm in einer Pfütze auf dem Asphalt. Angewidert verzog Alainn das Gesicht. Feuer tanzte auf ihren Fingerspitzen, als sie sich zu Kenia hinunter beugte. Knackend leckte das Feuer an den braunen Haaren.
Der Werwolf lachte wieder: „Ja genau! Immer schon aufräumen, ihr Verfechter der Gerechtigkeit!", Hohn und Ekel tropfte aus jeder Silbe seiner Worte, wie Wasser aus einem Leck. Alainn biss sich auf die Lippe. Ihre Fingernägel kratzten über die blasse Haut. Sie hob ihre rechte Hand in die Höhe und betrachtete die Innenseite, von der ein merkwürdiger Juckreiz ausging. Ihre langen Nägel malten rote Striemen auf die Haut, die einfach nicht aufhören wollte sie in den Wahnsinn zu treiben.
Auf den plötzlichen Juckreiz folgte Übelkeit. Sie presste ihre juckende Handfläche auf ihren krampfenden Magen. Alainn verstärkte den Druck auf ihren Magen und verfluchte die Nachwirkungen, die nach Anwendung ihrer Magie über ihr zusammenschlugen wie Wellen. Je länger sie sich ihrer magischen Seite hingab, umso schlimmer knabberte ihre menschliche an den Auswirkungen.
Feuer knisterte und warf tanzende Schatten an die Wände. Sie schmeckte Galle und wankte leicht. Die brennende Leiche brannte sich in ihre Iris ein. Wieder ein triumphierendes Lachen: „Ihr seid genauso Opfer eurer Instinkte wie wir alle auch. Und du:... ", Alainn drehte sich zu dem geifernden Mann um, „Du zahlst den Preis deiner Magie. Ich hoffe, du siehst die Augen aller Toten in deinen Träumen, du Monster!", bevor sie wusste, was geschah, saß Alainn auch schon auf dem Bauch des Mannes, die Hand tief in seiner Brust.
„Ich jage Monster. Ich bin keines!", schrie sie ihn an. Schmatzend zog sie ihre Hand zurück. Das Herz des Werwolfes pochte noch ein paar mal in ihrer Hand, dann legte sich Stille über die Gasse. Tränen tropften in das blutige Loch des Werwolfs. Salzige Tränenflüssigkeit vermischte sich mit Gewebe und Blut. Sammelte sich in der leeren Grube seiner Brust. Alainn sprang von ihm runter. Erschrocken von ihrer Tat.
Lautstark übergab sie sich an der nächsten Ecke. Ihre Knie gaben unter ihr nach. In ihren Ohren rauschte das Blut. Sie spürte, wie sich ihre Magie zurückzog und nur ein junges Mädchen zurückließ. In ihren Kopf drehte es.
Sie sah das Blut.
Hörte in ihrem Kopf das Knacken des Genickes, als sie der Braunhaarigen den Kopf herumgedreht hatte.
Ihr Bewusstsein war bereits weit entfernt, als ihr Kopf auf den Asphalt aufschlug.
Lupus ad mortum: Wolf des Todes
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Dies ist ein Aktualisiertes Kapitel, der neuen Version von Officium! Ich wünsch euch viel Spaß damit. Ich freue mich immer über Nachrichten, Feedback oder Gedanken, die ihr mit mir teilen wollt, also fühlt euch frei mir privat oder unten in den Kommentaren zu schreiben.
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