Decipi*aktualisiert

25.

Das Krachen und Schrillen von zerspringenden Geschirr und Glas weckte Alainn. Auf Zehenspitzen schlich sie die dunklen Flure entlang bis sie einen Blick auf die Küche werfen konnte. Zwei schwarze Silhouetten phallustierten sich an den Inhalten der Küchenschränke. Unter ihren Schuhen knirschte Glas und verursachte ein schrilles Klirren, wenn es über die Fliesen streifte. Sie trugen zwei Beutel bei sich. Müllsäcke, deren Plastik knisterte und sich zu einer schauderhaften Melodie in das Geklirr und Zerspringen von Porzellan mischte.

Alainn linste hinter dem Schrank hervor, beobachtete einige Sekunden wie die Gestalten zerstörten und die Plastiksäcke links liegen ließen, was Alainn nicht einordnen konnte. Sie blicke sich im Dunkeln der offenen Küche und Wohnzimmer um. Schwaches Licht drang durch die offene Terrassentür in den Raum, bildete nur eine schmale Schneise im Raum, der im Halbdunkeln lag. Eisiger Wind fuhr unter die Scharniere der Tür, ließ sie leise an den Rahmen aufdotzen, wie ein Flummi mit einer begrenzten Spannbreite. Die zwei bahnten sich gerade einen Weg von der Küche näher zur Tür hin und näher zu Alainns Versteck. Sie spannte ihre Muskulatur an, umfasste den Dolch fester, während die Klinge kalt und fest ihre Haut berührte. Atmete einmal tief ein und aus, dann sprang sie zwischen die Diebe: „ HALT!", schrie sie und griff nach einem Arm.

Die Gestalt riss sichlos, drehte sich und trat Alainn in den Magen. Sie prallte gegen einen Schrank, sah Sterne und drückte reflexartig die Hände auf die Stelle, wo der Stiefel sich in ihren Bauch eingegraben hatte. Alainn schnappte nach Luft. Ihre Brust hob und sank rasch, während sie nach vorne stolperte, um den Dieben zu folgen, die hinaus in den Wald flohen. Die Luft stach in ihre Haut, während sie rannte, riss ihre Lippen erneut auf. Der Geruch von Schnee und Harz lag in der Luft des Waldes und umgab Alainn, während sie den kaum auszumachenden, fliehenden Gestalten nachrannte. ll ihre Sinne konzentrierten sich auf die schwarzen Silhouetten, die vor ihr im Geäst und Dichte der Bäume eintauchten und im schwachen Licht der lichten Baumgerippen auftauchten. Äste und vermodernde Rinde stachen in ihre empfindlichen Fußsohlen, während sie ihnen folgte. Alainns Augen wurden schwarz und Iris-los, während die Muster. Nasses Laub klebte an ihren Füßen und verschluckten die letzten Geräusche. Es war eine finstere Nacht, kaum ein Strahl Mondlicht schaffte es bis zum Waldboden. Stoßweis trat weißer Rauch aus Alainns Mund, während sie hinter ihnen her sprintete. Ihre Muskeln brannten und ein Streik ihrer Muskulatur stand kurz bevor, als die Silhouetten an einem Feuer stoppten. Die Gestalten setzten sich um das lodernde Feuer. Funken stoben in die Luft, während die Flammen Bilder malten. Vorsichtig schlich sich das Mädchen an. 

Huschte von Stamm zu Stamm. Ihr Herz hämmerte rasant gegen ihren Brustkorb. Ob vor Aufregung oder des ihres Laufes wegen, konnte Alainn nicht sagen. Immer weiter schlicht sie an das Lager heran. Die Wärme des Feuers stach durch die Kälte wie eine Wasserfontäne in der Sahara. Alainn krabbelte auf allen vieren hinter einen Busch. Die Pflanze hatte durch den urplötzlichen Wintereinbruch hastig alle Blätter abgeworfen, sodass Alainn gut durch das Gerippe des Busches auf den Feuerplatz spähen konnte. Erst jetzt fiel Alainn die merkwürdige Konzeption der Flammen auf. Das Feuer brannte sternenförmig. Wie erstarrt sah Alainn wie kleine Flammen die Linien des Pentagrammes bildeten, die allesamt in der Mitte des Sternes mündeten, wo mächtige Stichflammen, das Hauptfeuer bildeten.

Hexen?, überlegte Alainn. Ihre Blick wanderte zu den Gestalten. Eine saß gut sichtbar auf einem Berg aus Tannenzweigen, über die sie eine Matte gelegt hatte, die Alainn an einen Indianer Teppich erinnerte. Die Gestalt saß tief gebeugt da, jegliche Körperformen wurden von einem weiten, schwarzen Umhang verdeckt.

Leise stöhnte Alainn auf. „Echt jetzt? Schon wieder schwarze Umhänge? Gehören die jetzt alle zum gleichen Verein oder waren sie nur nicht kreativ genug für verschiedene Uniformen?"

„Weder noch!", die kalte Frauenstimme ließ Alainns Blut in Eis gefrieren, während ihr Puls bei der Berührung der Schwertklinge an ihrem Hals, zu rasen begann. Die Klinge tippte leicht an ihr Kinn: „Aufstehen!", befahl die Frau.

„A-a-ah! Langsam, hast du mich verstanden kleine Korrigan?! Keine hastigen Bewegungen, sonst ...", die Schwertspitze bohrte sich noch tiefer in ihren Hals. Für einen kurzen Moment drückte sie Alainn die Luft ab. Bevor sie anfing zu würgen, lockerte sich der Griff und Alainns Luftröhre war frei. Sie ist geübt!, dachte Alainn.

Sie hatten sie hier her gelockt. Der Einbruch war nichts weiter, als eine simple Falle gewesen, in die sie getappt war. Alainn hätte am liebsten aufgestöhnt, stattdessen biss sie sich auf die Lippe und ballte die Hände zu Fäusten. Die Frau schien ihre Wut zu spüren, denn Alainn hörte ein leises Kichern. Die Wut auf sich und ihre Dummheit, wurde nur von der Wut auf die manipulative Dame vor ihr übertroffen. Alainn warf den umgefallenen Säcken zornige Blicke zu. Einer der beiden war offen und offenbarte das Diebesgut: eine schwarze Lederhose und ein gleichfarbiges Lederkorsett und dazu: einen schwarzen Umhang. Dinge, die sie noch nie in ihrem Haus gesehen hatte. Das Schwert bewegte sich keinen Millimeter von ihrer Kehle weg, der Druck blieb allerdings gleich und die Frau, die sie nun ans Feuer führte, schien darauf zu achten, sie nicht zu verletzen. Am Feuer wartete die andere Gestalt auf sie, musterte sie unter der Kapuze ohne, dass das Mädchen das Gesicht erkennen konnte. Auch die Frau hinter ihr, die Alainn nur, als solche identifiziert hatte, weil ihre Stimme zu hoch war, als das sie von einem Mann stammen konnte, behielt die Kapuze weit ins Gesicht gezogen, sodass ein Blick auf ihr Gesicht unmöglich war. Alainn fühlte sich nackt unter den unsichtbaren Blicken der Figuren. Sie stand mit nackten Füßen da, nur bekleidet mit ihrem Nachthemd und dem Dolch. Die verhüllte Gestalt hob die behandschuhten Hände an die Kapuze und zog sie zurück. Alainn stieß ein Keuchen aus. Ihr Herz raste, während sie in das Gesicht sah. In das ihr so vertraute Gesicht.

„MOM?", ihre Stimme zitterte leicht. Caenna Namara sah anders aus. Die akkurate Hochsteckfrisur, die sie normalerweise trug, war verschwunden. Die langen roten Haare steckten in einem kunstvoll geflochtenen Halbzopf, der sich als ein Flechtwerk aus hundert einzelnen Zöpfen herausstellte. Metallene Ösen und Perlen verzierten die Strähnen. Caenna Namara, die sich nie schminkte. Nicht einmal einen Hauch Make-up oder Mascara je angesehen hatte, trug ihre Augen mit schwarzen Kohlestrichen umrandet. Ihre akkurate, präzise, sterile Ärzte- Mutter wirkte wild. Sie wirkte das erste Mal in ihrem Leben wie eine Korrigan, dachte Alainn. Die Schwertklinge löste sich von ihrer Haut. Alainn drehte sich nun zu der Frau um. Erschrocken schrie sie auf, als sie dem Spiegelbild ihrer Mutter gegenüber stand. Sie taumelte nach hinten, stieß gegen einen Stamm und krallte ihre Fingernägel in die Rinde, wagte es aber nicht ihren Dolch fallen zu lassen.

„Hallo...", das Spiegelbild ihrer Mutter lächelte süffisant über die Reaktion des Mädchen, „ Hallo, Nichte!".

„MOM!", schrie Alainn ohne den Blick von ihrer Tante zu nehmen. Ceanna trat auf ihre Tochter zu: „ Das ist Freya!", erklärte sie sanft, was im Widerspruch zu ihrer wilden Aufmachung lag, „ meine Zwillingsschwester!", Alainn drehte den Kopf zu ihrer Mutter. Zornige Tränen standen in ihren Augen: „ ICH. WILL. ANTWORTEN!" Ihre Mutter lächelte, strich ihr sanft über das Haar und Wange.

„Ich weiß, mein Liebling!", Caennas Hand nahm Alainns rechtes Handgelenk und hob ihre Hand empor. Alainn schluckte nervös, als Caenna vorsichtig den Verband löste und das Brandmal des Weltenbaumes zum Vorschein kam: „Du darfst niemals vergessen Alainn, dass ich dich liebe!", sagte ihre Mutter und strich mit der freien Hand wieder über ihre Wange, „ und vergesse niemals, dass ich, dass alles nur tat, um dich zu beschützen!"

„Beschützen vor was?"

„Vor der Welt!", wieder lächelte Caenna Alainn liebevoll an. Alainn fragte sich, wie lange es her war, dass ihre Mutter sie nicht angesehen hatte, als sei sie ihre größte Enttäuschung.

„Mach dich bereit, Mädchen!", Freya warf ihr den Sack Kleider zu.

„Bereit für was?", misstrauisch beäugte sie das Ebenbild ihrer Mutter, während sie in die Klamotten schlüpfte.

„Bereit für Antworten!", knurrte Freya und schürte das Feuer. Funken flogen in die Nacht wie Glühwürmchen. Caenna half Alainn in die Lederkleidung und sofort hörte Alainn auf zu zittern. Ein Zittern, dass irgendwann angefangen hatte und sich nun in blauen, bebenden Lippen gesteigert hatte. „Bereit für deine Verantwortung!", murmelte Freya. Ein aromatischer Duft waberte durch die Luft, als die Frau einige, Alainn unbekannte Blätter, ins Feuer warf, wo sie von den Flammen verschlungen wurden.

„Bereit für dein Schicksal!", Mistelzweige flogen ins Feuer und verbrannten knackend, „bereit..", Freya sah sie an, blickte ihr tief in die Augen, „ Bereit eine Korrigan zu sein!"

Verwirrt sah Alainn ihre Mutter an: „ Ich dachte, du willst das nicht!" Caenna umfasste Alainns Gesicht mit beiden Händen: „ Die Zeiten ändern sich. Ich wünschte, ich hätte dir dein Schicksal ersparen können, aber so kann ich dich nur so gut wie möglich darauf vorbereiten!", Caenna nahm Alainns Hand. Betrachtete den Baum.

„Mom ich verstehe ni-", Caenna küsste sie auf die Stirn, dann griff sie nach ihrer rechten Hand. Alainn schrie. Stromschläge fuhren durch das Brandmal. Das Mädchen hatte das Gefühl, als grille man sie von innen heraus. Dann wurde alles schwarz. In der Finsternis umhüllten sie sirrend blaue Blitze. Ihr Herz polterte atemlos, als liefe sie einen Marathon. Jeden Moment erwartete Alainn, dass ihr Herz aufhören würde zu schlagen. Da-dum-da-dum. Im Rhythmus der sirrenden Blitze schien sich ihr Herz anzupassen.

***

Sie stand in einem Verließ. Verdutzt sah Alainn sich um. Fackeln brannten an den Steinwänden. Warfen flackernde Schatten an die Wände der Zellen. Entsetzt bemerkte Alainn, dass die Zelle voller Wesen waren.

„Dreckiges Gelumb!", schrie ein bärtiger, dickbäuchiger Mann in einer Pfaffenrobe den Gefangenen zu. Mit einem Knüppel hieb er auf die Finger eines Mannes, der sich an die Gitterstäbe gekrallt hatte. Der Mann schrie auf, umklammerte mit der gesunden Hand, die gebrochenen Finger und fauchte. Die Zähne des Mannes wurden spitz, ebenso die Ohren. Seine Augen strahlten in einem violett den Pfarrer hasserfüllt an: „Dafür werdet ihr sterben. Die Korrigans werden euch vernichten!". Der Gottesmann hielt an und lachte: „Aber zuerst brennt ihr. Wir rotten euch aus bis nichts mehr von euch übrig ist! Und eure geliebten Korrigans verbennen wir mit euch. Bis nichts mehr von euren Retterinnen übrig ist."

Die Szenerie änderte sich. Entsetzt sah das Mädchen dabei zu, wie die Inquisition Wesen folterte, verbrannte- jagte. Alainn beobachtete, wie Männer in roten Talaren und überdurchschnittlich großen Kreuzen und Hüten Gericht sprachen. Sie sah Korrigans ganze Kirchen abschlachten und umgekehrt ganze Dörfer voll magischer Wesen von der Kirche dahinraffen und verbrennen. Egal wie oft die Szenerie wechselte, der schreckliche Geruch blieb. Der Geruch nach verbrannten Fleisch, dass immer mit einem furchtbaren Geschrei und Wimmern begleitet wurde. Alainn wurde in den Erinnerungen ihrer Mutter Zeuge der Hexenverbrennung, die eigentlich die Jagd auf magische Wesen heißen sollte. Sie sah, wie Blutströme durch die Länder der Welt flossen, die Angst der Wesen, das Sterben. Und immer haftete allem der Geruch von verbrannten Fleisch an. Er lag über ganzen Städten und brannte sich in Alainns Nase. Mehr als einmal fragte Alainn sich, was geschehen würde, wenn sie sich übergab. Heerscharen von Templern rannten gegen Jerusalem an. Staub wirbelte an. Die Wesen im Inneren der Stadt zitterten und beteten zu ihren göttlichen Erschaffern. Alainn sah ihre Mutter und Freya in schwarzes Leder gekleidet gegen die christlichen Kreuzfahrer in den Kampf ziehen. Sie sah ihre Mutter unter der Sonne Arabiens kämpfen, in den Schneewehen Skandinaviens, im Flutregen Englands, auf den grünen Hügeln Irlands und in den dichten Wälder Deutschlands. 

Dann stoppte der dauerhafte Wechsel der Szenen und Alainn stand auf einem Platz. Noch immer war sie im Jahrhundert der Hexenverbrennung gefangen. Sie sah es an den langen Kleidern mit trompetenförmigen Ärmeln. Männern in Wamsen standen neben den Damen und lachten, während sie alle immer wieder auf die schlichte Holztribüne spähten, als erwarteten sie irgendwas. Stroh bedeckte den schlecht gepflasterten Boden und gackernde Hühner liefen über den Platz und pickten nach einigen Körner. Fachwerkhäuser standen dichtgedrängt aneinander. Die schwarzen Streben stachen deutlichen zwischen den Weiß verputzen Zwischenräumen heraus. Die Kombination zwischen Fäkalien und Schweiß zog Alainn in die Nase und sie hustete angeekelt. Eine Frau, deren tief rotes Haar in einem prachtvollen Netz festgehalten wurde, lief eilig, die Röcke raffend, an ihr vorbei."Mom?" Alainn drehte sich überrascht zu ihrer Mutter um. Sie trug ein grünes Gewand, mit einem gespaltenen Oberrock, samtigen Fellen an den Kragen des Brokatgewandes und heller grüner Seide, das durch den Schlitz des Oberrocks zum Vorschein kam. Feine goldene Fäden sponnen ein wunderschönes Muster in dem Stoff und ließen die Augen ihrer Mutter glühen. Sie warf ihren Kopf zurück, wie ein bockiges Pferd, als sie an den Menschen vorbei lief. Das Gesicht zeigte eine wilde Entschlossenheit. Ein Ausdruck, den Alainn schon oft an ihrer Mutter gesehen hatte. Zusammengepresste Lippen, die eine scharfe Linie bildeten, die Augenbrauen zusammengezogenen und ein wildes Funkeln in den Augen. Mit eiligen Schritten steuerte ihre Mutter direkt auf eine große Frau zu. Sie stand auf einer Erhebung aus Holz, die mit dicken, herrschaftlichen Teppichen ausgelegt war. Ein riesiger Holzstuhl mit vielen Verzierungen an den hölzernen Lehnen, stand hinter der aufrechten Frau. Auf ihrem dunklen Haar, dass die Farbe von Ebereschenholz hatte, thronte ein feingliedriges, goldenes Diadem. Das rote Kleid hatte die Farbe von tiefrotem Samt und ihre gesamte Haltung erinnerte das Mädchen an eine Königin. Gerader Rücken, erhobenes Kinn, der Blick schweifte weitläufig über die Menge, aber nicht ohne diese gewisse Überlegenheit. Caenna Namara versank in ihren Röcken, als sie sich auf den bordeauxroten Teppichen verneigte.

„Eure Majestät!" Ein sanftes Lächeln umspielte die Mundwinkel der dunkelhaarigen Schönheit, als sie ohne ihren Kopf zu bewegen, Caenna aus gesenkten Lidern musterte. Sie machte ein paar Schritte zurück und winkte Caenna heran. Erst jetzt erkannte Alainn eine zweite Frau neben der Königin. Freya. Das rote Haar steckte in einem geflochten schneckenförmigen Dutt an ihrem Hinterkopf. Eine weiße Hermelinweste bildete einen scharfen Kontrast zu ihrem kobaltblauen Kleid.

„Eure königliche Majestät, wir müssen doch irgendetwas tun!", Caenna gestikulierte wild mit ihren Händen Richtung Podestes. Es war noch immer leer und ragte hinter ihnen und über der Menge auf, wie ein dunkles Omen.

„Ich fürchte, wir können nichts für Alisar tun.", die Königin setzte sich in ihren Thron. Alainn hatte noch nie eine solche Anmut gesehen und musste selber überrascht feststellen, wie selbst die Gestik des einfachen hinsetzten der Königin sie beeindruckte.

„Aber Königin Morgraine, Alisar ist eine unserer besten Kriegerinnen. Wir brauchen sie!"

„Alisar hat den Großinquisitor getötet, dafür will die Inqusition ihren Kopf. Ein kleiner Preis, wenn es dadurch einen Friedensvertrag gibt, der tausende Leben rettet, nicht wahr?" Ihre tiefblauen Augen wanderten zwischen Caenna und Freya warnend hin und her.

„Euer Majestät..", setzte das Spiegelbild von Caenna an, „Meine Schwester und ich können natürlich nachempfinden, dass es oberste Priorität hat, das Überleben unserer Art zu sichern. Dennoch ist Alisar ein Teil unserer Rasse. Sie gehört zur magischen Rasse, ist sie dann nicht ebenso schützenswert?!", sie betonte die letzten Worte und versuchte die Königin mit ihren Blicken zu hypnotisieren. „Freya", die Königin richtete nun ihren Blick auf sie, „Wir befinden uns jetzt schon seit Jahrhunderten im Krieg mit der Inquisition. Endlich haben wir eine Möglichkeit gefunden den Frieden zu sichern. Und das Einzige was sie verlangen, war Alisars Leben."

„Alisar hat nicht unrechtmäßig gehandelt. Sie hat nur unserer Aufgabe gedient. Einer Aufgabe, die ihr befehligt habt. Sie hat hunderte Wesen gerettet, seit die Inquisition die Jagd auf sie eröffnet hat!", leidenschaftlich glitzerten die Augen ihrer Mutter. Alainn betrachtete sie und fragte sich, was wohl aus der leidenschaftlichen jungen Frau geworden war. Nie hatte sie diesen glühenden Ausdruck in den Augen ihrer Mutter gesehen- außer vielleicht, wenn sie ihr mal wieder etwas verbot.

„ Mit ihrem Tod wird Alisar Tausende retten."

„Sie hat doch nur euren Befehlen gehorcht!", schrie Caenna unkontrolliert auf. Freya warf der Königin einen entsetzten Blick zu, doch Caenna war nicht mehr zu halten, „ Ihr lasst einfach zu, dass diese Bauerntölpel der Kirche eine unserer besten Kriegerinnen hinrichten lassen?", erboste sich Alainns Mutter weiter.

„Sie ist eine Heldin! Wie viele Wesen haben dieser Frau ihr Leben zu verdanken!"

„Ihr vergesst euch, Caenna Namara!", zischte die Königin. Feurige Wut flammte in den Augen von Morgraine auf: „Ich kann eure Trauer verstehen. Alisar Sorokin gehört zu einer der angesehenen Familien unserer Gemeinschaft und eure Freundschaft mit ihr ist mir bekannt. Aber Ihr vergesst dennoch, wo Ihr hingehört!" Der Ton der Königin war scharf, kalt und stählern. Alainn bewunderte ihre Mutter, die nur einmal trotzig schluckte, und dann ihren Zorn zu bändigen versuchte, um sich in einen demütigen Knicks fallen zu lassen. Anders als ihre Schwester, die ihre Lider niederschlug und viel länger und ergebener knickste. Den Blick den Freya Caenna zuwarf, war tadelnd.

„Ich bin die Königin aller Korrigans und aller Wesen und nicht einer Einzelnen. Und auch ich muss an meine Aufgabe denken. Und ich opfere Alisar gerne, wenn ich, damit die Jagd auf die Fabelwesen verhindern kann, die die Templer inzwischen perfektioniert haben- woran ich euch nur zu gerne erinnere! Und ich muss auch nicht aussprechen, was die Inquisition mit meinen Untertanen in ihren Verließen macht?!"

Freya und Caenna wechselten bedeutungsvolle Blicke. Freya schien Alainns Mutter beruhigen zu wollen, während Caenna wütend die Fäuste ballte.

„Das kann unmöglich eurer Ernst sein", rief sie und fügte kleinlaut hinzu, „Eure Majestät!" Und versank wieder in einem tiefen Knicks.

„Wir sind Korrigans, Caenna. Trotz euren jungen Alters habt Ihr ein markantes Talent, dennoch scheint Ihr hier nicht den Ernst der Lage zu verstehen. Der Preis für den Frieden beträgt Alisar Sorokins Kopf und die Schließung der Weltentore. Das ist ein geringer Preis. Vergesst nicht die Opferzahl in den Reihen unserer Rasse und jeder anderen Art der Wesen. Erinnert euch nur an das letzte Jahrhundert. Der Hexenverbrennung sind mehr Wesen zum Opfer gefallen und das alles rechtfertigt die Inquisition mit ihrer Religion. Sie hetzten die Menschen gegen uns auf. Es ist nun Zeit sich aus der Welt der Menschen zurück zu ziehen!"

„Die Inquisitoren und die Templer werden nie aufhören uns zu hassen.."

„Natürlich nicht!", erboste sich nun die Königin und erhob sich. Ihr Blick war streng und beide Frauen senkten ihre Köpfe gen Boden.

„Aber es ist ein Unterschied, ob sie nur jene töten, die unser Gesetz brechen und uns damit sogar indirekt unterstützen oder ob sie gezielt Jagd auf jedes Nicht-menschliche Geschöpf machen! Und wenn wir ehrlich sind", ihr scharfer Blick richtete sich an beide Schwester, „ werden wir sie ebenfalls nie aufhören zu hassen, oder jeden Einzelnen dieser dummen Menschen!", sie richtete ihren Blick nun über den Platz, auf den sich nun immer mehr Menschen einfanden.

„Diese widerlichen Geschöpfe. Wie sehr sie diese Spektakel lieben, aber uns nenne sie Monster!" Das Gesicht der Königin verzerrte sich zu einer angewiderten Fratze. Und selbst ihre Mutter und Freya schienen, ihren Gesichtern nach, der Königin in diesem Punkt wenigstens Recht zu geben. Alainn war darüber erstaunt. Nie hatte sie ihre Mutter schlecht über die Menschen reden hören. Was war wohl mit ihr passiert? Sie sah sich um. Was hatte Caenna Namara wohl zum Umdenken bewogen? Was musste in den Jahren geschehen sein, dass sie ihre Tochter von dieser Welt ferngehalten hatte? Jener Welt an der sie anscheinend aktiv teilgenommen hatte? Die sie leidenschaftlich verteidigt hatte? Und eine Frage, die sie ihrer Mutter so oft gestellt hatte und deren Beantworten ihr immer einer Lüge gleich gekommen war, drängte sich nun in ihren Kopf. Was war wohl schlimmes passiert, weswegen Caenna Namara diese Gemeinschaft verlassen hatten?

„Ich verstehe das, aber es muss einen anderen Weg geben!" Der Blick ihrer Mutter hatte etwas flehendes und Alainn empfand tiefes Mitgefühl mit ihr.

„Caenna,", sanft sah die dunkelhaarige Frau auf sie hinunter. Leicht hob Caenna den Kopf. Trotzig, wie ein Kind. Aber auch traurig. In ihren grünen Augen schimmerten Tränen: „Wie ist unser Leitspruch, Caenna?"

„ Dienen. Beschützen. Richten"

„Alisars Tod dient ihrer Aufgabe. Sie weiß das. Und eines Tages wirst du verstehen, dass dieses Konkordat lebenswichtig für alle Wesen auf der Welt war."

Alainn sah, wie ihre Mutter ansetzte, um noch etwas zu sagen, aber da erschien ein Mann. Ein goldenes Kreuz baumelt von seinem dicklichen Hals, dass über einem schwarzen Umhang lag. Die gleichen Umhänge, die Alainn schon gesehen hatte. Der Mann schob seine Kapuze zurück, er nickte höflich: „Eure Majestät, wir wären dann soweit!" Die Königin nickte. Alle Augen wandten sich nun dem Podest zu. Freya und Caenna standen dicht bei aneinandergedrängt, als wollten sie sich wärmen. Aber es war nicht die Kälte, die die jungen Frauen aneinanderdrängte, wie Tiere im Winter. Gefieder an Gefieder, Fell an Fell. Herz an Herz. Nichts, was Alainn gesehen hatte, entsetzte sie mehr, als diese Geste der Schwesternliebe. Die vertrauten Blicke, die sie sich zu warfen. Das leichte Drücken ihrer Hände. Wieso hatte sie niemals von Freya gehört? Was war mit ihr geschehen? Erst als die Menge jubelte drehte Alainn den Kopf und sah, wie eine Frau mit dunklen, lockigen Haaren auf die Tribüne geschleift wurde. Sie trug ein schwarzes Mieder und dazu eine schwarze Lederhose. Über alldem zog sich ein Art Umhang, der ab der Taille an den Beinen über Schlitze verfügte. Perfekte Beinfreiheit im Kampf, schoss es dem Mädchen durch den Kopf. Die goldenen Kreuze wippten schwer um die Hälse der Männer. Das schöne Gesicht der Frau war entstellt von einer blutigen Lippe, einigen Schürfwunden. Das Blut klebte an ihrem Gesicht wie ein Dogma. Alainn war entsetz über Alisars Aussehen. Der Pöbel rief üble Bemerkungen der Frau zu. Er war in Hochstimmung.

„Köpft die Hexe!", rief ein Mann mit einem furchtbaren Schnauzbart. Ekel sickerte in jede von Alainns Pore.

„Tod der Brut!"

„Schmor in der Hölle, du Teufelsweib!", rief eine dicke Frau und der Hass in Caennas Augen wurde beinah greifbar. „Wir wollen sie brennen sehen! Wieso hackt man ihr den Kopf ab? Solch eine Ehre hat die Hure nicht verdient!", schrie ein dicker, rot gewichtiger Mann. Alisar lächelte den Mann eisig an. Der zuckte zusammen, um dann nur noch lauter nach einem qualvolleren Tod der Hexe zu schreien. Aber Alainn wusste, sie würden Alisar nicht verbrennen. Tief erschüttert musste Alainn dabei zusehen, wie die Frau sich hinkniete. Es beschämte sie, ein Wesen mit dieser Macht kniend zu sehen. Als sie die Gesichter der Inquisitoren sah, wusste sie, dass es genauso geplant war. Sie ließen die Fabelwesen vor ihrem Gott knien. Erhoben ihre Stellung und erniedrigten alle Wesen. Ein Trommelwirbel begann. Die Menge jubelte, jauchzte. Angewidert beäugte das Mädchen sie. Was war nur los mit den Menschen? Alisar kniete aufrecht. Ihr Blick ging über die Menge zur Königin. Es war kein Respekt in Alisars Blick. Es war Zorn und ein Schmerz, den wohl jeder kannte, der einmal von seinen Liebsten verraten wurde. Respektvoll nickte die Königin ihr zu. Da war kein Mitleid, keine Trauer in den Kobaltblauen Augen der Königin. Da war nur Kälte. Kälte und Berechnung. Und das überraschte Alainn. Machte sie misstrauisch. Grob wurde der Kopf der Frau auf den Stamm gepresst! Man fasste ihr dabei in die Haare und drückte sie dann mit herber Wut auf das Holz. Wieder ging eine Welle des Jubels durch die Menschenmenge.

Der Trommelwirbel wurde schneller. Ein Mann kam mit donnernden Schritte auf das Podest. Das Holz knarrte. Die Axt war riesig! Einer der Männer in der schwarzen Kutten las das Vater unser. Noch einmal wurde Alisars Kopf nach hinten gerissen, während man sie zwang dem Priester zu zuhören. „Schwörst du deinen heidnischen Göttern ab?"

„Euer Gott ist heidnisch!", kreischte die Frau.

„Frau, schwöre deinen ketzerischen Lehren ab und du wirst Erlösung finden."

„Erlösung?", Alisar stieß ein irres Lachen aus, „Ihr Menschen seid eine Pest. Euer Gott ist nur eure Entschuldigung, um euch euren dunklen Trieben zu ergeben. Ihr seid genauso verdorben wie ich! Ihr seid nur die besseren Lügner!", sie spuckte aus.

„ Im Namen eures Gottes führt ihr Kriege und Qualen aus! Ihr seid Feiglinge, die sich nicht trauen, ihre wahre Natur an zu erkennen. Ihr seid genauso schlecht wie wir. Nur wir stehen dazu! Ihr seid HEUCHLER!" Der Mann nickte und Alisar wurde an den Haaren wieder auf den Stamm gezogen.

„Habt ihr gehört?", schrie sie kaum verständlich durch die Hand in ihrem Gesicht. Der Trommelwirbel ging von neuem los. Die Klinge blitze in dem Licht.

„Euer Gott ist eine Lüge! Eine Ausrede. Ihr seid schlecht, genau wie alle anderen!" Es donnerte und grauen Wolken zogen sich bedrohlich am Himmel. Es blitze.

„Bitte nicht!", flüsterte Alainn und schüttelte den Kopf, aber dann riss sie sich zusammen. Was war nur mit ihr los? „Nieder mit dem Teufelsweib!" Wieder donnerte es.

„Ich habe gesehen, was ihr getan habt! Ich war bei den Kreuzzügen in Jerusalem!" Dann sauste die Axt nieder. Als die Schneide den Hals der Frau traf, schrie Alainn entsetzt auf. Das Mädchen schrie noch immer, als die Szene sich erneut änderte. Wann hört es endlich auf?, fragte sie sich.

Alainn stand in einem Wald. Gräben durchzogen den Boden und sie konnte entfernt das Knattern von Maschinengewehren hören. Schreie auf Französisch wurden laut. Wo zur Hölle war sie? Panzer bollerten durch die Nacht und Alainn duckte sich automatisch. Dann hörte sie Frauen schreien. Sie lief auf die Stimmen zu. Alainn stoppte auf einer Lichtung. Drei Frauen verhandelten, redeten auf einen französischen Soldaten auf lateinisch ein. Drei Frauen mit roten Haaren, grünen Augen und weißer Haut. Drei Frauen, von denen keine Freya oder Caenna waren. Dann eröffneten die Soldaten das Feuer. Stichflammen verschlangen ihre Haare, ihre Kleider. Es roch nach verbrannten Haaren und Fleisch, dass von ihren Gesichtern perlte wie Wachs. Alainn hörte sie schreien. Sie wollte fliehen. Wollte nicht dabei zu sehen, wie die Frauen brannte. Wollte ihre Schreie nicht hören.

„Mama!", flüsterte neben ihr ihre Mutter. Sie hatte die Hand vor ihren Mund gepresst und weinte. Dann stürmte Caenna auf die Lichtung. Sie wütete wie ein wildes Tier. Das Schwert in ihrer Hand spaltete den Kopf des Flammenwerfers in zwei Teile. Eine Frau stürzte aus den Flammen, wälzte sich auf dem Boden. Der andere Soldat drückte die Hände auf seine Kehle, die Caenna ihn mit tränenverschmierten Gesicht durchgeschnitten hatte. Dann löschte sie das Feuer. Sie kniete sich vor die verkohlten Überreste einer der Frauen. „Mama?", Caenna drückte die Tote an sich. Die dritte Frau kam auf sie zu, fiel auf die Knie und stieß einen herzzereißenden schrie aus.

„MES ENTFANTS! MES ENFANTS!", schrie sie wie eine Wilde. „MEINE KINDER! IHR WERDET ALLE STERBEN!"

„Großmutter!", Caenna sah in das Tränen überströmte Gesicht der rothaarigen Frauen. Teile ihrer Haut fehlten, Blasen zierten ihre Haut. Aber ihre Augen waren das abscheulichste. Das grün ihrer Augen wandelte sich in rot. „Sie werden alle sterben! Ich vernichte eure abscheuliche Rasse.", schrie sie. Ihre Stimme, die einer Irren

„Sie haben meine Kinder umgebracht! Die Menscheit wird dafür büßen!", Alainn rannte. Sie hatte das Gefühl, dass das Rot in den Augen sie verfolgte. Sie sprang über Gräben. Rannte durch den Kugelhagel.

Sie rannte bis sie in einer ihr unbekannten Stadt stand. Sandsteinfarbene Häuser säumten den Platz. Eine riesige Statur stand in der Mitte des Platzes, auf deren Sockel die Frau mit den roten Augen stand. Um sie herum hatte sie eine Menge gebildet. Wesen in all ihrer Vielfalt stand um sie herum ohne ihre menschliche gestalt. Alainn sah sich genauer um. Alte Gebäude, aus aller Herren Jahrhunderte, Religionen und Länder. Eine pulsierende Stadt, ein Schmelztiegel, ein Auffangbecken für die magische Welt. Sie stand in Palladium. Die Stadt, der Korrigans, erbaut für alle Wesen dieser Welt.

„ Die Menschen..", schrie die Frau und löste Alainn aus ihrem Erstaunen:" sind Monster! Sie sind schwach und Glauben doch die Krone der Schöpfung zu sein. Sie töten und jagen uns seit Jahrhundeten und was tun wir? Wir schauen dabei zu wie sie unsere Kinder foltern und verbrennen. Sie nennen uns Monster, doch töten sie in ihrer kurzen Lebensspanne mehr von uns. Wie viele sind von uns noch übrig? Nach all ihren Jagden und Kriegen? Die Menschen kannten schon imm nur ein Ziel, die Ausrottun aller Wesen. Wollt ihr weiterhin dabei zu sehen, wie mehr von uns sterben und sie die Herrschaft der Welt inne halten? Ich sage: Wir drehen den Spieß um! Tot den Menschen!", die Menge jubelte. Soldaten teilte die Masse, griffen die geifernde Frau und schleppten sie davon.

Alainn stand in der Kapelle. Diesmal musste es eine Erinnerung von Freya sein. Die Königin trat ein. Heftig wurde die Holztür an die Sandsteinwand geworfen. Sie starrte auf eine leere Fassung unter einem großen Buntglasfenster. „Wo ist es?", sie wand sich an Freya, die mit angsterfüllten Augen auf die Einlassung starrten.

„WO IST ES?". Scharfe Fingernägel hinterließen fünf rote Striemen auf Freyas Wange. „Tötet die Rebellen!", murmelte die Königin. Dann fasste sie sich und schrie die Soldaten hinter ihnen an: „Tötet sie. TÖTET SIE ALLE!", kreischte sie los: „UND bringt mir Caenna Namara. BRINGT MIR DIE VERRÄTERIN! BRINGT SIE MIR!"

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top