Daemones Maledictio * aktualisiert



3

Sie starrten sich an. Schätzend sich mit bewegungslosen Mienen ab. „Und?", Caennas rechte Augenbraue schoss auffordernd in die Höhe, „Wie sieht deine Erklärung hierfür aus?" Sie machte eine weitläufige Bewegung mit dem Arm, verharrte kurz bei der halb verkohlten Leiche des Mädchens und beim Werwolf. Ihr Gesicht blieb bewegungslos, außer das Zucken ihrer Augenbrauen, die sich abwechselnd überrascht und zornig hoben und senkten. Alainn biss sich auf die Lippe. Einzelne Hautfetzen standen bereits von ihrer Angewohnheit ab und bildeten wunde Stellen. Ihr Blick streifte durch die Gasse, dann zuckte sie mit den Schultern und sah ihre Mutter fest an.

" Schlechtes Timing?"

Tiefe Zornesfalten bildeten sich auf Caennas Stirn. Ein deutliches Zeichen, dass mit ihrer Mutter jetzt nicht zu spaßen war. „Findest du das lustig, Alainn?", scharf schnitt ihre Stimme durch die Nacht. „Keine Ahnung,Mom, ist es denn lustig?", trotzig verschränkte Alainn die Arme vor der Brust und zupfte mit ihren Zähnen einen Hautfetzen von ihrer Lippe. Die Stelle fing an zu bluten. Sie sog die Lippe ein und lutschte an der Wunde. Caennas Gesicht glich einem Hurrikan, der alles mitreißen würde, was nicht niet und nagelfest war. Ihre Lippen hatten die Farbe von Kreide, so fest presste sie sie aufeinander. „Was machst du hier eigentlich, Mom?" Auffordernd sah das Mädchen ihr älteres Spiegelbild an. „Ich habe nach dir gesucht!", presste dieses heraus. Wütendes Schnauben von beiden Parteien hallte durch die Gasse. „Suchen... so nennt man heutzutage also zwanghaftes Kontrollverhalten. Sehr interessant. Stalking ist dann für dich bestimmt auch nur einfaches beobachten?"

„Es ist drei Uhr, Alainn und wir hatten eins gesagt",Alainn lachte. Sie schüttelte ungläubig den Kopf und betrachtete ihre Mutter mit versteinerter Miene:" WIR haben das gesagt? Ich erinnere mich immer nur daran, wie DU redest und ICH zuhöre!", inzwischen schrie Alainn. Wut loderte in ihrem Inneren, wütete in ihren Eingeweiden und verursachte ein unstillbares Verlangen auf etwas einzuschlagen. „Ich bin deine Mutter! Ich stelle die Regeln auf. Und das hier...", Caenna zeigte auf die Gasse, verharrte an den Leichen und starrte sie mit einem Ausdruck tiefster Wut an, dass Alainn für einen Moment, das Gefühl hatte, dass ihre Mutter ebenfalls gerne auf etwas eingeschlagen hätte. Und wenn es nur so etwas banales wie ein Kopfkissen gewesen wäre.

„... habe ich dir verboten, Alainn! Das alles hier, ich habe es dir verboten. Ich habe dir verboten zu jagen! Ich habe es dir verboten!", Caenna schrie nun auch. Immer wieder wiederholte sie ihre Worte, als ob sie etwas an dieser Szenerie ändern konnten.

„Ich bin eine Korrigan. Das ist, was wir tun. Wofür wir geboren wurden. Die Aufgabe der Korrigan ist es für Recht und Ordnung zu sorgen!" Caenna stieß ein freudloses Lachen aus und trat auf ihre Tochter zu. Sie hob die Augenbrauen und bedachte sie mit einem strengen, fragenden Blick: „Sieht das hier für dich etwa nach Recht und Ordnung aus?"

„Er hat 18..", Alainn stockte und sah Ksenia an:"19 Mädchen ermordert!"

„Verrat mir eines, Alainn: Seit wann töten Werwölfe mit Genickbrüchen?"

„Vielleicht wollte er mal etwas Neues ausprobieren? Die Abwechslung macht doch den Unterschied!"

„Hör auf mit den Witzen!"

Alainn schüttelte wütend den Kopf. Strich sich mit der Hand vereinzelte Strähnen aus dem Gesicht und ging wortlos an ihrer Mutter vorbei zur Leiche des Werwolfs.

„Was machst du?", knurrte Caenna.

„Aufräumen!", motze Alainn und drehte trotzig den Kopf, „deine Lieblingsbeschäftigung. Gleich neben „neu anfangen"!", sie ging in die Hocke. Flammen tanzten auf ihren Fingerspitzen, leckten über ihre Finger bis sie ihre Handinnenfläche erreichte. Alainn stockte. Zwischen den rote-orangenen Tanz der Flammen schimmerte ein blutiger Baum von ihrer rechten Handfläche. Genau dort wo Allison ihre blutigen Finger hingelegt hatte und mit zittrigen Bewegungen den Weltenbaum gemalt hatte. Doch kein Traum?, fragte sich Alainn. Aber wenn es kein Traum war, was war es dann? Und was hatte Allison gemeint?

„Du musst das Feuer heißer werden lassen!", Alainn zuckte zusammen, als sich ihre Mutter neben sie kniete und ihre Hand ausstreckte. Blaue Flammen schossen aus ihrer Hand. Alainn zuckte vor der Hitze, die von ihnen aufstieg zurück, betrachtete dann aber doch interessiert, wie die Hand ihrer Mutter zum Flammenwerfer mutierte. Knisternd sprang die Hitze auf den Leichnam über. „Hätte nie gedacht meiner Tochter beim Leichen verbrennen zu helfen!"

„Ehrlich gesagt, hätte ich dich auch eher als Zoo-typ eingeschätzt!" Caenna verdrehte die Augen, „Ist das dein Ernst, Alainn?"

Das Mädchen zuckte mit den Schultern: „Das wird dann wohl nicht unser neues Mutter-Tochter Ding. Schade und dabei habe ich mich schon so darauf gefreut, den Geruch von verbrannten Fleisch wieder riechen zu dürfen!", sie schüttelte gespielt enttäuscht den Kopf. „Wir hätten als Zeitvertreib Marshmallows rösten können. Wäre das nicht eine tolle Mutter- Tochter Aktion geworden! So richtig schön zusammenschweißend!"

„ALAINN!", Caenna sah ihre Tochter mit ihrem: Darüber-macht-man-keine-Witze-Blick an. Eine Mischung aus Enttäuschung und Ernst, den Caenna immer mit ihrem: Was-habe-ich-nur-falsch-gemacht-Augenbrauen-Heben garnierte. Prasselnd verwandelte das Feuer den Werwolf in verkohlte Knochen, bis sie nach und nach in Ascheflocken zusammen fielen. „Dir steht eine tolle Nacht bevor!", spottete Caenna:" Die Magie wird dich in tiefe Abgründe deines Verstandes führen!"

„Exkursionen fand ich schon immer spannend. Und so lehrreich!", gab Alainn trocken zurück. „Verstehst du nicht, dass ich dich genau davor schützen will? Die Nachwirkung deiner Magie sind nicht zu unterschätzen, Alainn! Und das weißt du! Du kennst den Preis!" Alainn wand sich um und lehnte sich an die Wand. Wieder setzte sie ihr provokantes Gesicht auf mit der Ist-mir-scheiß-egal-Haltung. Caenna schnaubte, warf frustriert die Hände in die Luft. „Verstehe! Ich will eine normale Kindheit für meine Tochter. Und dafür werde ich jetzt bestraft!"

„Normal?", zischte Alainn," eine normale Kindheit würde an einem festen Wohnsitz stattfinden. Eine normale Kindheit gibt es in einem Nomadenleben nicht!"

„Darum geht es hier also?", ungläubig sah Caenna ihre Tochter an, „es geht dir um die paar Umzüge?"

„Um die paar Umzüge?", Alainn lachte freudlos auf, „Oh entschuldige, mein Fehler, dann scheine ich, die mit den falschen Erinnerungen zu sein!"

„Alainn...", ein warnender Unterton schwang in Caennas Stimme mit. Doch ihre Tochter ignorierte sie einfach: „Und das hier..!", sie breitete ihre Arme aus, „das hier, ist das Einzige, was beständig ist. Das Einzige, was in jeder verdammten Stadt gleich bleibt. Und weißt du was?", zischte sie und trat ganz nah an ihre Mutter heran. „Ich liebe es! Ich liebe das Jagen. Es ist nämlich der einzige Moment, in dem ich tatsächlich Kontrolle über mein Leben habe und selber entscheide. Und nicht mitgeschleift werde, wenn Frau Doktor mal wieder ein Angebot für ein ach-so-tolles Krankenhaus bekommt, obwohl, wenn du mich fragst, was du natürlich nie tun würdest, dann sind alle Krankenhäuser gleich! Auf der ganzen Welt. Sie stinken nach Tod und Desinfektionsmittel, alle tragen weiße, unförmige Klamotten und heulende Angehörige ziehen sich wässrigen Kaffe aus niemals funktionierenden Automaten rein!" Stille. Caenna sagte nichts. Stumm starrte sie auf die letzten glimmenden Funken des Feuers. Ihre Gesichtsfarbe hatte wieder die Farbe von Kalk angenommen und sie presste ihre Lippen fest aufeinander.

„Alainn, ich weiß, das es schwer für dich ist, dass wir wieder umziehen. Und das so plötzlich. Aber das Jobangebot in Wolfsbach ist wirklich eine riesen Chance für mich!"

„Ist es das nicht immer? Eine riesen Chance für DICH?", Alainn schnaubte, „Jobangebot", sie lachte spöttisch, „Welches Jobangebot wird mitten in der Nacht unterbreitet? Sehr verdächtig, wenn du mich fragst!"

„Du hast gelauscht?", in Caennas Augen funkelte es. Zuerst dachte Alainn, es wäre Wut. Aber dann, glaubte sie, Besorgnis zu sehen. Sie wollte einen Schritt auf ihre Mutter zu gehen und ihr Gesicht näher betrachten, doch da versteinerte die Mimik ihrer Mutter bereits. Der Moment der Durchlässigkeit war vorbei. Ja, zeig niemals Gefühle. Das kommt Schwäche gleich, dachte Alainn bitter, so machen wir Namaras das. Stell die Mauer auf, niemand darf uns zu nahe kommen. Nicht einmal unser eigen Fleisch und Blut!

„Ich habe nicht gelauscht. Ich war wach und habe dich gehört. Das Nachteulensyndrom ist wohl ein Geschenk deiner DNA!", Hohn tropfte aus ihren Worten. Sie sah, wie ein Augenlid ihrer Mutter zuckte, und grinste triumphierend. Schwelend ging das Feuer aus. Rauschschwaden stiegen als grauer Nebel in die Nacht, hoben sich von dem tiefen Schwarz der Finsternis, wie nicht zusammen passende Klamotten ab. Caenna schnippte mit den Finger und der Wind zerstob die Ascheflocken, trug sie in kreisenden Bewegungen mit sich mit. Auch das tote Mädchen verschwand als rußige Flocken im Wind. „Alainn, ich will, das du ein normales Leben führen kannst. Ich weiß, dass es nicht immer einfach ist" , hilflos rang Caenna ihre Hände. Wieder kam ein spöttisches Schnauben aus Alainns Richtung:" Vielleicht hast du es nicht ganz begriffen: Aber wir sind nicht normal. Wir sind Korrigans und wir haben eine Auf-"

„ES REICHT!", schrie Caenna. Abrupt schnitt sie ihrer Tochter mit einer scharfen Handbewegung das Wort ab. Erschrocken schloss Alainn den Mund. „Es reicht!", wiederholte Caenna. Sie wirkte außer Atem. Ihre Brust hob und sank sich viel zu schnell und aus ihrer akkuraten Frisur lösten sich einige Strähnen, die wirr um ihr Gesicht standen. „Keine nächtlichen Touren mehr, keine Magie und vor allen Dingen: keine Jagd. Es reicht Alainn. Es reicht mir allemal. In Wolfsbach wirst du dich zusammenreißen. Wir fangen von vorne an. Es wird ein Neustart. Unser Neustart. Und ich werde nicht mehr mit dir darüber diskutieren!"

„Wie oft willst du in deinem Leben denn noch neu anfangen, Mom?"

„So oft es nötig ist, um dich zu beschützen!", flüsterte Caenna, so leise, dass es nur der Wind hörte. 



Daemones Maledictio: Dämonenfluch

-----------------------------------------------------------------------------------------

Ich hoffe, euch gefällt die neuere Version dieser Geschichte. Gerade für die, die die alte kenne, würde mich brennend interessieren, wie ihr zu den Kapiteln und den Inhalten steht . 

Ansonsten wie immer: Bitte fühlt euch frei, eure Meinung, eure Gedanken und Feedback hier oder als privat Nachricht mir mitzuteilen. Mich interessieren alle eure Gedanken, Fragen und Meinungen! 

Alles Liebe 

Lea

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top