𝟏𝟐.
„Security is a deceptive pretense"
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„Ich werde so froh sein, wenn der Sommer endlich endet", seufzt Jimin am Küchentisch und legt das Besteck auf den leeren Teller.
Du siehst von der Zeitung auf, die du seit Tagen jedes Tag studierst, um sicher zu gehen, dass nichts über euch drin steht.
Auch heute kannst du erleichtert aufatmen. Die Zeitungen schreiben über alles mögliche, aber von zwei jugendlichen Straftätern, die seit Wochen auf der Flucht sind, wird kein Wort verloren.
Wie gerne würdest du das als Zeichen der Sicherheit werten, aber mittlerweile weißt du, dass selbst diese Sicherheit ein trügerischer Schein sein kann.
„Aber dann kommt der Winter und es wird Sterbens kalt", schüttelst du dich schon fast bei dem Gedanken daran.
Jungkook neben dir schweigt und ist sein Rührei zu Ende, während er in Gedanken schon dabei ist über eure Abreise nachzudenken.
Ihr seid nämlich bereits länger als geplant bei Jimin, welcher euch durch seinen Job in einer Autowerkstatt helfen konnte den Wagen etwas umzugestalten.
Am liebsten wäre es Jungkook, wenn ihr die Karre von der Fönfrisur einfach abfackeln könntet, aber da es keine Chance für einen neuen Wangen gibt, müsst ihr mit diesem weiter.
Wenigstens habt ihr die Nummerschilder austauschen können, die Reifen gewechselt und generell den Wagen einfach etwas älter aussehen lassen, als er in Wirklichkeit ist.
Wie viel Aufwand ihr für die perfekte Flucht betreibt, obwohl ihr doch nur eine Haarlänge vom Verderben entfernt seid.
Denn mit jeder Sekunde die verstreicht wird eure Zeit knapper. Ihr wisst nicht wie weit eure Festnahme noch in der Zukunft liegt, vielleicht noch Wochen, aber vielleicht auch nur wenige Tage.
Spätestens wenn der Winter anbricht werdet ihr ein Problem bekommen, falls ihr nicht vorher schon geschnappt worden seid.
Es ist ein Spiel der Ungewissheit, die Zeit euer Gegenspieler. Der unschlagbare Gegner.
„Also mir ist der Winter lieber", zuckt Jimin mit den Schultern und räumt das Geschirr vom Tisch ab, als auch Jungkook fertig mit essen ist.
„Fährst du heute noch einmal in die Stadt?", kommt zum ersten Mal heute etwas von deinem Freund, der sich von seinem Platz erhebt.
Du tust es ihm gleich und legst die Zeitung zur Seite.
Jimin nickt. „Ja ich will die Wocheneinkäufe machen, braucht ihr etwas?"
„Wir haben eine kleine Liste mit Dingen, die noch fehlen", sagt Jungkook und kramt in seiner Jeanstasche herum.
Jimin lässt das Wasser in der Spüle ein und hebt eine Augenbraue. „Noch? Also werdet ihr bald abreisen", fragt er mit dem Rücken zu euch gedreht.
„Es wird Zeit. Wir können nicht ewig hier bleiben", bestätigt Jungkook Jimins Annahme, gibt ihm den Zettel und hält gleich dazu einen Teil eures letzten Geldes in den Händen.
„Steck das Geld wieder ein. Ihr habt sowieso fast nichts mehr und ich will nicht wissen wie ihr in Zukunft an welches rankommt. Die Besorgungen gehen auf mich. Das ist das mindeste was ich tun kann", sagt Jimin und nimmt nur den kleinen zerknitterten Zettel entgegen.
Jungkook seufzt einmal hörbar aus. Natürlich ist er seinem Freund mehr als dankbar für diese Geste, aber hat gleichzeitig auch ein schlechtes Gewissen.
Er will ihm nicht auf der Tasche liegen, in keinster Weise. Ihr habt Jimin Gastfreundlichkeit sowieso schon zu lange genutzt.
Welch Ironie, ein Verbrecher mit Skrupel.
„Danke Jimin, wirklich", lächelt Jungkook ihm ehrlich zu. Der blondhaarige macht nur eine wegwerfend Handbewegung. „Kein Ding."
„Wisst ihr wenigstens schon wo ihr hingeht. Ihr könnt schlecht für immer in der Weltgeschichte herum fahren", erkundigt er sich. Ihr könnt deutlich die Besorgnis in seinem Gesichtsausdruck erkennen.
„Nein noch nicht, aber wir werden schon zurecht kommen", räuspert sich Jungkook und steckt das Geld wieder ein.
Du wirfst deinem Freund einen flüchtigen Blick zu, fragst dich wieso er lügt. Aber du sprichst ihn hier nicht darauf an, er wird seinen Grund haben.
„Auch wenn ihr noch hier seid sage ich es schon mal, bitte passt auf euch auf."
Jimin sieht zwischen euch beiden hinter her, sein Blick unterstreicht seine Aussage noch einmal.
Du beginnst zu Lächeln und hackst dich bei Jungkooks Arm ein. „Das werden wir", sagst du und klingst zuversichtlich, obwohl du es nicht bist und vielleicht auch nie wieder wirklich sein wirst.
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Ihr seid in dem kleinen Gästezimmer, während Jimin in der Stadt einkaufen ist.
Jungkook sitzt auf dem schmalen Bett, welches ihr euch die letzten Nächte geteilt habt und lässt sich rücklings mit ausgestrecktem Armen in die Matratze fallen.
„Wieso hast du eigentlich Jimin nicht erzählt, dass wir längst einen Plan haben?", stellst du ihm die Frage, die dir seit vorhin in der Küche auf der Zunge brennt.
Einen Moment lang schweigt dein Freund bis er spürt wie die Matratze leicht einsingt, weil du dich neben ihn gesetzt hast.
„Je weniger er weiß desto besser. Wir sind sowieso schon zu lange hier und haben ihn einem hohen Risiko ausgesetzt", erklärt dir Jungkook seine Entscheidung und du nickst verstehend.
Wenn man euch hier fasst oder Jimin mit euch in Verbindung bringen würde, dann käme er genauso vors Gericht, wenn nicht sogar hinter Gitter.
Schließlich hat er geholfen Verbrecher, einen Mörder zu verstecken.
Du seufzt auf, bist müde von der Schwere deiner Gedanken, den ständigen Sorgen.
Am liebsten würdest du die Zeit zurückdrehen zu dem Zeitpunkt, an dem es besonders brenzlig daheim geworden ist.
Du hättest damals abhauen sollen, ohne Abschluss, ohne Geld, einfach weg von dem Irren, welcher letztendlich nur noch Erzeuger und kein Vater mehr gewesen ist.
Dann wärt ihr jetzt nicht in dieser Situation, dann würdet ihr jetzt niemand anderen in Gefahr bringen und dann würde an Jungkooks Händen jetzt kein Blut kleben.
Du gibst dir nach wie vor die Schuld an der Lage, auch wenn Jungkook immer wieder beteuert, dass dich keine Schuld trifft.
„Denkst du wir werden jemals ein normales Leben führen können?", fragst du. Dein Blick ist auf das kleine Fenster gerichtet, durch welches der Raum erhellt wird.
Du kannst die Staubpartikel in der Luft tanzen sehen, wie sie in der friedvollen Ruhe schweben.
Du würdest gerne mit ihnen tauschen.
Jungkook richtet sich auf und stützt sich mit den Armen auf dem Bett ab.
Sein Herz zieht sich schmerzvoll zusammen, als er deine glasigen Augen, die Traurigkeit in deinem Blick sieht.
Während du ins Licht starrst malst du dir gedanklich ein Leben aus, das ohne Verbrechen, ohne Angst und ohne Sorgen gezeichnet ist.
Du denkst darüber nach wie es wäre sorgenfrei in die Öffentlichkeit treten zu können, mit Jungkook normal auf Dates gehen zu können.
Ihr würdet in eine kleines Restaurant fahren, du würdest dich extra schön machen, nur für ihn.
Und danach steigt ihr auf ein Hausdach, das einzige Verbotene in diesem unerreichbareren Wunschleben.
Du würdest die Sterne bewundern und Jungkook dich. Ja vielleicht hättet ihr das Glück und seht wieder eine Sternschnuppe und könntet euch etwas wünschen.
Euer persönliches für immer.
Und ganz vielleicht würde es auch in Erfüllung gehen. Zusammen bleiben, irgendwann gemeinsam über die eigene Hausschwelle treten, heiraten, Kinder bekommen, ihnen beim Erwachsen werden zu sehen und eure Weisheiten mitgeben, die ihr euer ganzes Leben lang gesammelt habt.
Und am Ende würdet ihr dann gemeinsam auf eurer Veranda sitzen, den Sonnenuntergang bewundern; während ihr euch gegenseitig wegen eurer Falten aufzieht und dem Anderen seine Hand haltet.
Doch dieser Traum zerplatzt wie eine Seifenblase, als Jungkook mit dem Daumen über deine Wangen streicht und du deinen Namen hörst.
„Y/N", hörst du ihn klar und deutlich, so laut als würde er schreien, dabei spricht er ihn so sanft aus.
Du wendest dem Blick vom Licht ab, siehst zu ihm und zerbrichst als du seinen geschockten Gesichtsausdruck siehst.
Denn Tränen benetzen deine Wangen, strömen ungehindert deine heiße Haut hinab. Sie rinnen über Jungkooks Hände bis sie auf die staubige Matratze fallen und in einem auf den anderen Moment zerspringen. Sowie dein Traum es getan hat.
„Warum weinst du?", fragt Jungkook geschockt und legt beide Hände auf deine Wangen, will den Wasserfall deiner Tränen stoppen.
Wie hypnotisiert starrst du ihn an. Dein Mund ist trocken, kein Laut verlässt deine Kehle, nicht einmal ein Schluchzen.
Schweigend zieht Jungkook dich an seine Brust, streicht dir liebevoll über die Haare und hinterlässt einen schützenden Kuss auf deinem Scheitel.
Die Tränen laufen dir weiter die Wangen hinab. Du schluckst schwer, willst ihm seine Frage beantworten, während er mit seinem Finger sanfte Kreise auf deinen Rücken malt.
„Weil ich an das gedacht habe, was wir niemals haben können."
to be continued
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