Kapitel 7💫

Flashback

Kingsley sah genervt von seinen Aufgaben auf, als am nächsten Morgen ein Essenstablett gegenüber von ihm auf den Tisch fiel und sich ein grinsender, unverletzter Harlow in sein Sichtfeld setzte.

"Gut geschlafen?", fragte Harlow prompt und griff nach der Gabel, während er die Schrammen vom gestrigen Kampf noch in Kingsley's Gesicht erkennen konnte, "wenn du nett fragst, könnte ich dich heilen."

"Dein Almosen kannst du dir sonst wo hinstecken", murrte Kingsley daraufhin und wand den Blick wieder ins Buch.
Harlow ignorierte den strengen Tonfall und stocherte im Essen herum, "du kämpfst echt gut."
"Ich weiß."

"Das sollten wir regelmäßig machen. Wir können Trainingspartner sein. Ich glaube nämlich, dass du sonst keinen anderen finden wirst."

Nun hatte er endlich Kingsley's Aufmerksamkeit. Der Weißhaarige schob seine Blätter beiseite und legte den Stift weg, "du willst das wiederholen?", fragte er beinahe schon ungläubig. Harlow zuckte belanglos mit den Schultern und kaute auf dem Essen herum, "wieso nicht? Den Kampf beenden konnten wir ja nicht. Ich finde, das fordert eine Wiederholung", fragte er mit offenem Mund, weshalb Kingsley angewidert das Gesicht verzog, "ich hab dich gestern immerhin platt gemacht."

"Glückstreffer", kommentierte Kingsley ohne zu zögern, "ohne meine Knieverletzung und mit vollen Kräften würde ich dich genauso zerquetschen wie die anderen Jammerlappen."
"Bezweifle ich", erwiderte Harlow nur gelassen und grinste ihn an, "das können wir ja beim nächsten Training dann herausfinden. Wenn du mit mir auf einer Ebene sein willst, dann solltest du dich aber besser von mir heilen lassen."

"Ich brauche deine Hilfe nicht. Brauchte ich bei unserem ersten Treffen nicht und brauche ich jetzt auch nicht", stellte Kingsley sichtlich genervt klar und griff wieder nach seinem Stift. Harlow's Grinsen wurde noch breiter, "du erinnerst dich also an mich! Ich war mir gestern beim Training nicht sicher, weil du ja sonst auch nicht viel um dich herum bemerkst."

"Was?!", keifte Kingsley zurück, der es offensichtlich nicht gewohnt war, provoziert zu werden, "ich bemerke alles, was ich bemerken muss. Zum Beispiel bemerke ich, dass du mir gegen den Strich gehst, also verzieh dich."
"Ich meine ja nur", blieb Harlow gelassen, "kennst du irgendeinen unserer Mitschüler beim Namen?"

Kingsley knirschte mit den Zähnen, sein Blick glitt über die Kindermenge hinter Harlow, die sich im Essenssaal versammelt hatte. Als er wohl kein passendes Beispiel entdecken konnte, starrte er wieder runter auf seinen Zettel und ignorierte die Aussage.

"Gestern beim Training", begann Kingsley stattdessen, seine Stimme leise brummend, als würde er nachdenken, "Du wusstest, was du tust. Das sehe ich bei den anderen Idioten nur selten."
Harlow lachte leise und zuckte mit den Schultern, sein Blick glitt über die unbesorgte Menge der Schüler, "so schlimm sind die anderen jetzt auch nicht. Wir sind noch am Anfang, da braucht es viel Übung."

"Ja, aber du nicht", kommentierte Kingsley, "dir sind Sachen aufgefallen, die noch niemand sonst bemerkt hat. Und deine Fähigkeit ist äußerst... leistungsstark."
"Aber sie könnte noch besser sein", entgegnete Harlow direkt und lehnte sich weiter nach vorne, "Ich will noch besser werden. In allem. Ich will mehr und ich bin ziemlich überzeugt, dass es dir auch so geht."

"Meine Fähigkeit ist bereits unaufhaltbar", kam es von Kingsley zurück, der Harlow's Blick ohne Probleme standhielt, "wieso sollte ich dich also gebrauchen? Als meine unzerstörbare Trainingspuppe?"

"Unaufhaltbar", zitierte Harlow ihn summend, "das ist genau dein Problem, oder?", fragte er weiter und grinste, als er Kingsley stocken sah, "ich hab die ganze Nacht darüber nachgedacht! Wieso du so viel Energie für jemanden wie Severin aufopferst. Wieso dich Caden's Spruch 'zügle deine Fähigkeit' so genervt hat ... ja selbst wieso deine eigene Fähigkeit bleibende Spuren auf deinem Körper hinterlässt, wie bei unserem ersten Treffen! Du kannst gar nicht anders, oder?", Harlow konnte vor Aufregung kaum die Füße still halten, "Deine Blitze gestern waren unkoordiniert und überwältigend. Du hast keine Kontrolle über deine Fähigkeit, stimmt's? Du kannst nur einhundert Prozent geben!"

Kingsley knirschte mit den Zähnen, der Griff fest um den Stift gelegt, "und wenn es so wäre?", kam es giftig zurück, offenbar hatte Harlow einen wunden Punkt getroffen. "Dann wären wir perfekte Trainingspartner!", erwiderte Harlow laut und haute begeistert auf den Tisch, "Ich hab kaum eine Fähigkeit gesehen, die meine Heilung so herausfordert, du bist perfekt dafür! Wir müssen unbedingt zusammen trainieren!"

"Caden wird das nicht zulassen", murrte Kingsley weniger überzeugt, "er versucht mich eher kleinzuhalten als alles andere. Er ist zu eingeschränkt, um zu begreifen, was ich alles bewirken könnte. Ständig soll ich auf meine Mitschüler achten und mich in Schach halten."
"Dann trainieren wir einfach nach dem Unterricht", entgegnete Harlow, "wir könnten etwas abseits auf die Wiesen gehen, damit niemand uns sieht. Oder zum Waldstück im Osten. Wir könnten dort richtige Kämpfen austragen! Nicht diese fünfzehn Meter Felder voller Erde. Wir könnten dort so üben, wie wir es wollen, ohne Regeln!"

Kingsley musterte ihn kurz ausgiebig, als würde er überprüfen wollen, ob Harlow es wirklich ernst meint. "Ein Versuch schadet nicht", gab der Weißhaarige schließlich nach, "aber wehe, du heulst dann herum, weil du nicht mit mir mithalten kannst."

Harlow lehnte sich zufrieden grinsend zurück, "wird nicht passieren", meinte er zuversichtlich und lugte schließlich kurz auf das Blatt vor Kingsley. Dabei erkannte er die mathematischen Gleichungen direkt wieder, "ah, das hab ich bereits gestern abgegeben, ein Kinderspiel. Du hast da übrigens einen Fehler."

"Da ist kein Fehler", knurrte Kingsley wütend zurück, seine Hände deckten schützend seinen Zettel ab, "von meinen Berechnungen hast du Affe keine Ahnung."
"Wenn du meinst", kommentierte Harlow und nahm einen Schluck von seiner Wasserflasche.

"Hohe Mathematik ist nicht einmal deine Stärke, du würdest selbst bei einer genauen Analyse keinen Fehler entdecken."
"Woher kennst du denn meine Stärken?"
"Und mit dem kurzen Blick eben erst recht nicht."
"Ganz bestimmt."

Kingsley umschlang seinen Bleistift so fest, dass seine Knöchel bereits weiß anliefen. Harlow's Grinsen konnte nicht breiter sein. "Ich könnte dir natürlich den Fehler sagen-", bot Harlow großzügig. Er beobachtete genüsslich, wie Kingsley's Augen wild über das Blatt huschten. "-Aber dafür möchte ich etwas."

Kingsley hielt inne, seine Augenbrauen neugierig nach oben gezogen, wendete er seinen Blick wieder nach vorne zum Größeren, "ach und was wäre das?"

"Dein Buch", antwortete Harlow, "dieses Blaue über den Nachthimmel. Ich will's mir für ein paar Tage ausleihen."

"Nein", kam es ohne Umschweife von Kingsley zurück, "du kriegst es nicht mal für einen Tag. Fass es an und du verlierst Finger."
Harlow seufzte, "wieso nicht? Ich bin auch vorsichtig. Ich hab sieben Schwestern, ich weiß, wie man mit den Sachen von anderen umgeht."
"Nein. Weiß der Himmel, wo du das Buch verlieren oder kaputt machen würdest."
"Na schön", gab Harlow nach, "wie wäre es dann, wenn ich dein Buch nach dem Unterricht bei dir im Zimmer lese? Außer natürlich, du willst deine Abgabe fehlerhaft einreichen und weniger Punkte als ich kassieren. Ich hab nämlich mit Professorin Hunning geredet und sie meinte bereits zu mir, dass meine die beste zurzeit wäre."

Er hatte nicht mit Professorin Hunning geredet. Er ging trotzdem davon aus, dass seine Abgabe momentan die beste sein würde. Kingsley so zu reizen barg definitiv ein gewisses Risiko, aber es war ein Spiel, dass Harlow gewillt war zu spielen. Und zu gewinnen.

Der Kleinere dachte zähneknirschend über den Deal nach, musterte Harlow abschätzig und lehnte sich dann seufzend zurück, "na schön, hau raus."

Harlow grinste triumphierend und stellte sich von der Bank auf, um bei Kingsley's Blatt auf die obere rechte Ecke zu zeigen, "bei deinem Namen oben in der Ecke fehlt das E", kommentierte er, sich ein Lachen unterdrückend und ließ vom Tisch ab, während Kingsley vor Wut bereits rot anlief, "wir sehen uns dann heute nach dem Unterricht, Kingsly!"

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