Kapitel 92
Vor drei Jahren
Die Packung zitterte in meiner Hand, mein Sichtfeld schien vor mir zu verschwimmen, als ich in meinem Kopf anfing zu rechnen. Immer wieder zu rechnen. Hin und her.
Doch das Ergebnis war immer dasselbe. Die einzelne weiße Pille in der Packung schien mich förmlich anzuschreien. „Du hast mich vergessen! Du hast mich vergessen du Dummi und du weißt was das bedeutet."
Übelkeit stieg in mir hoch. Das konnte nicht sein! Das konnte nicht wahr sein! Ich würde jeden Moment neben meinem Ehemann aufwachen und realisieren, dass das hier alles ein Traum war. Dass das in diesem Moment nicht die Realität war. Ich konnte nicht schwanger sein. Ich konnte nicht.
Ich schüttelte panisch meinen Kopf. „Nein Ella, du musst dich verrechnet haben. Du kannst nicht schwanger sein. Du kannst nicht Mutter werden.", sprach ich manisch mit mir selbst.
Ich konnte nicht schwanger sein. Verdammt ich konnte einfach nicht! Die einzige Person mit der ich in den letzten zwei Monaten geschlafen hatte, war ER gewesen.
Tränen stiegen in meine Augen, als mir plötzlich klar wurde, dass ich mit Finlay nicht verhütet hatte.
FUCK!
FUCK!FUCK!FUCK!
Wie hatte mir das passieren können?!
Ich spürte, wie meine Füße unter mir nachgaben und ich langsam auf den kalten Badezimmerboden glitt. Panik wallte in mir hoch, schien mir die Kehle zuzuschnüren, während mir klar wurde, dass ich vermutlich ein Kind von dem Mann in mir trug, den ich nie wieder sehen wollte. Der mir mein Herz förmlich herausgerissen hatte. Meine Mutter hatte mir doch meine ganzen Teenagerjahre gepredigt, dass man nicht ohne Verhütung mit einem Jungen schlief. Hatte mir seit ich mit Drew zusammen gewesen war immer wieder dasselbe erzählt. „Ella, selbst wenn er dir erzählt, dass er aufpassen wird, dass er ihn vorher rausziehen wird, du solltest immer verhüten." „Ella Prinzessin deine Mama hat Recht. So sehr er dir erzählen wird, dass er aufpassen wird, kein Junge, und schon gar nicht in eurem Alter wird die Selbstkontrolle dazu haben...."
Und doch hatte ich es getan. In der Flüchtigkeit des Moments hatte ich mich hinreißen lassen. Hatte mich von meinen Gefühlen vollkommen einnehmen lassen.
Ich war so dumm gewesen. So verdammt dumm.
Meine Arme waren inzwischen um meine Knie geschlungen und ich wippte hektisch nach vorne und hinten. Vor und zurück. Mein Atem kam hastig aus meinem Mund, während ich mit weit aufgerissenen Augen auf die gegenüberliegenden Badezimmerfliesen starrte. Ich spürte, wie mein Herz laut in meiner Brust schlug. Gott ich musste mich beruhigen...
In meinem Kopf versuchte ich langsam herunter zu zählen, versuchte einen klaren Kopf zu behalten. Ich durfte nicht zu übereiligen Schlüssen kommen. Bevor ich zu irgendwelchen Schlüssen kommen konnte, brauchte ich Beweise. Vielleicht war ich ja auch gar nicht schwanger und meine Periode kam wegen dem Stress nicht. Schließlich hatte ich in letzter Zeit genug davon.
Die Tatsache, dass Finlay mich wieder verlassen hatte und vermutlich nie wieder auftauchen würde, bereitete mir selbst jetzt, dreieinhalb Wochen später, immer noch Schmerzen. Doch das war nicht das Einzige. Immer häufiger wurde ich nachts von Alpträumen geplagt. Von ihm, wie er erschossen wurde. Sein Körper irgendwo blutend auf dem Boden lag. Im Wasser. Irgendwo verlassen. Das allein war genug Stress, um meinen Körper so durcheinander zu bringen, dass er nicht mehr richtig funktionierte.
Ja, genau das musste es sein.
Ich hielt an den Gedanken fest, als ich mich vom Boden aufrappelte und die Badezimmertür öffnete. Ich lief durch unser stilles Haus, das Geräusch meiner Schritte hallte in meinen Ohren wieder, wie das Geräusch von zehn lauten Rennwagen. Nicht zum ersten Mal war ich froh darüber, dass Aiden nicht zuhause war. Ich wusste nicht, was passiert wäre, wenn er zuhause gewesen wäre. Wie in Trance lief ich durch das Haus zur Haustür, öffnete sie und begab mich auf die Straße.
***
Ich zog mir die Kapuze ein Stück tiefer ins Gesicht, als ich durch die Gänge unseres lokalen Supermarktes lief. Ich wollte nicht, dass mich irgendwer erkannte. All unsere Nachbarn liebten Aiden und wenn mich einer von ihnen dabei erwischen würde, dass ich einen Schwangerschaftstest kaufte... Gott ! Ich wollte mir nicht einmal vorstellen, was dann passieren würde... geschweige denn was passieren würde, wenn ich schwanger wäre...
Übelkeit schwappte in mir hoch. Ich hielt mir die Hand auf den Bauch und versuchte ruhig ein und aus zu atmen. Mein Herz fing laut an in meiner Brust zu schlagen. Ich versuchte meinen Kopf zu heben, doch so sehr ich es wollte, ich konnte mich der Realität nicht stellen. Ella, reiß dich zusammen es ist nur ein Schwangerschaftstest. Es ist ein Mittel zum Zweck. Du willst Gewissheit haben.
Zitternd hob ich meinen Kopf und blickte nun auf das Regal vor mir.
Schwangerschaftsfrühtest. Vorzeitiger Schwangerschaftstest. Schwangerschaftsschnelltest. Schwangerschaftstest mit Wochenbestimmung. Ovulationstest. Schwangerschaftstest mit Ergebnissen 6 Tage früher.
Schwanger. Schwanger. Schwanger.
Mein Sichtfeld schien vor mir zu verschwimmen und ich spürte, wie eine erneute Panikwelle in mir aufstieg.
„Ella?", eine plötzlich Stimme drang dumpf an mein Ohr. „Ella Süße, alles in Ordnung mit dir?", die Stimme klang nun sanfter und plötzlich spürte ich eine zierliche Hand an meinem Arm.
Ich drehte meinen Kopf zur Seite und blickte in Cailin's besorgtes Gesicht.
Ich schüttelte meinen Kopf, meine Kehle war komplett zugeschnürt. Ein kurzer Blick auf das Regal vor mir, genügte Cailin bereits um die Situation einzuschätzen. Ich spürte wie die Hand an meinem Arm runterfiel. Keine Sekunde später sah ich dabei zu wie Cailin einen Test aus dem Regal nahm und schließlich nach meiner Hand griff.
„Komm. Logan wartet im Wagen draußen. Er fährt uns."
***
„Wie ... wie ...", meine Stimme brach ab. Ich schluckte und versuchte meinen Worte erneut zu sammeln. „Wie lange noch?", meine Stimme klang meilenweit weg, während ich zusammengekauert auf dem zugeklappten Toilettendeckel saß.
Logans blaue Augen blickten vom anderen Ende des Badezimmers in meine, als er seinen Kopf vom Handy, mit dem er die Zeit stoppte, hob.
„Eine Minute noch.", seine Stimme klangt sanft.
„Alles wird gut Ella.", hörte ich Cailin sanft auf mich einreden.
Sie saß neben mir und hielt meine Hand. Der Schwangerschaftstest lag neben Logan auf der Waschmaschine wie eine hochexplosive Bombe, die jeden Moment in die Luft gehen könnte.Obwohl es nur eine Minute war, kam mir das Warten vor wie eine Stunde. Erschrocken zuckte ich zusammen, als der Alarm von Logans Handy schließlich ertönte. Der Ton hörte sich schrill an, fast wie die Sirene eines Krankenwagens. Mein Körper fing an wie verrückt zu zittern. Logans Augen wanderte zu meinen und ich spürte, wie Cailin meine Hand noch fester hielt. Wie in Zeitlupe sah ich dabei zu, wie Logan den Schwangerschaftstest von der Waschmaschine nahm. Seine Stirn war in Falten gelegt, als er auf das Ergebnis blickte. Es war nur eine minimale Bewegung, aber ich sah sie trotzdem. Eine minimale Vergrößerung seiner Augen.
Ein Rauschen schoss durch meine Ohren und obwohl ich saß, hatte ich das Gefühl jemand hätte mir den Boden unter den Füßen weggerissen.
„Ella.", er sprach meinen Namen vorsichtig aus und stieß sich nun von der Wand ab.
Ich spürte wie meine Lungen sich zuschnürten, ich plötzlich nicht mehr atmen konnte. Meine Augen waren weit aufgerissen, mein Körper schien sich komplett selbstständig zu machen, glitt den Klodeckel herunter und plötzlich lag ich auf den kalten Fliesen.
Das konnte nicht sein! Nein. Gott. Nein. Ich konnte kein Kind bekommen. Ein Baby... Ich ...ich war noch nicht bereit Mutter zu werden. Ich war doch noch so jung und.. Fin..Finlay... er war...er war weg.
Ich zitterte nun so stark, dass mein Körper sich auf dem Boden hin und her bewegte, das Rauschen in meinen Ohren wurde immer lauter. Plötzlich griffen zwei Arme unter meinen Körper und ehe ich mich versehen konnte, lag mein Kopf weinend an Logans Brust, während er mir beruhigend über den Rücken strich. Seine Arme hielten mich fest, während ich in laute Schluchzer ausbrach.
„Schh, alles wird gut Ella. Versprochen. Alles wird gut"
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Hi peeps :)
Hier ein neues Kapitel für euch <3
Sorry, dass ich so lange gebraucht habe... Aber ich hab einen triftigen Grund und er nennt sich : Mathe ...
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