Kapitel 53
Ich starrte in das schwach, beleuchtete Wohnzimmer, meine Gedanken rastlos, die Bettdecke bis zu meinem Kinn gezogen. Nach stundenlangem, schweigenden Sitzen auf der Feuerleiter waren wir endlich rein gegangen. Wir hatten einfach so dagesessen, mein Kopf auf Macaulays Schulter. Als wir endlich reingingen, war er stehen geblieben, sein Blick war auf meinen gerichtet.
„Gute Nacht Taylor" seine dunkle Stimme hallte noch immer in meinem Kopf herum, ließ mich seit einer Stunde nicht einschlafen.
Es waren noch drei Wochen bis Macaulay wieder zurück musste. Drei Wochen. Panik durchflutete mich, ließ mich nach meinem Handy zücken. Meine Finger fuhren flink über das Display, tippten, während das schwache Licht des Handydisplays den Raum illuminierte. Ein paar Minuten später hatte ich einen Entschluss gefasst. Meine Finger drückten das letzte Mal auf die Bestätigung auf dem Display. Ich hatte einen Flug für morgen nach Toronto gebucht. Er war nicht billig gewesen. Ich würde das ganze Geld, das ich hier verdient hatte für ihn ausgeben. Aber das war es mir wert.
Ich seufzte auf und ließ das Handy neben mir fallen. Ich brauchte meine Eltern. Ich brauchte die liebevolle Art meiner Mutter, wollte das mein Vater mich in den Arm nahm. Seine Ella Prinzessin. Ich spürte, wie mir die Tränen in die Augen stiegen, der Schock vom ganzen Tag befand sich noch in meinen Knochen. Ich wischte mir mit den Fingern durchs Gesicht, versuchte meine Atmung zu kontrollieren, während mein Blick zu Macaulays Tür wanderte. Der Lichtstrahl drang wie so jede Nacht durch den Türspalt, ließ wie jedes Mal dieses herzzerreißende Gefühl in mir aufkommen.
ch wusste nicht, wie meine Mutter es aufnehmen würde, wenn ich ihr sagen würde, dass ich Weihnachten nicht nach Hause kommen würde. Weihnachten war in unsere Familie riesengroß geschrieben, doch ich konnte Macaulay auf keinen Fall hier alleine lassen. Nicht wenn ich wusste, dass er mutterseelenallein sein würde. Dass niemand, Weihnachten bei ihm sein würde. Weihnachten war das Fest der Liebe. Es war ein Fest, das man mit Personen verbrachte die einen gerne hatten, die einen liebten. Mit denen man lachen konnte, mit denen man sich Unmengen von Weihnachtsgebäck in den Mund stopfen konnte, mit denen man einfach eine schöne Zeit verbrachte.
Ich schloss die Augen, die Gedanken rasten immer noch, in einer Geschwindigkeit, die Schwindel bei mir auslöste, durch meinen Kopf. Ich wusste, dass Logan und Aiden ihn liebten, aber sie hatten ihre eigenen Familien. Sicherlich würden sie Macaulay zu sich an Weihnachten einladen, wenn er das gewollt hätte. Aber ich kannte Macaulay inzwischen viel zu gut, um zu wissen, dass er niemals jemandem eingestehen würde, wie alleine er sich doch eigentlich fühlte.
Mein Handy vibrierte, für einen kurzen Moment flackerte das Licht meines Handydisplays auf. Ich griff danach.
„Hey, bist du noch wach ?"
Aiden.
Für einen kurzen Moment überlegte ich mir, so zu tun, als ob ich schlafen würde. Entschied mich dann aber doch anders. Ich brachte es nicht übers Herz ihm nicht zu antworten. Ich wusste, dass er sich nur Sorgen machen würde.
„Ja."
Keine fünf Sekunden später leuchtete mein Handydisplay erneut auf.
„Wie geht's dir ?"
Meine Magengegend zog sich zusammen, meine Finger verharrten über dem Display. Ich schluckte, während ich mir überlegte, ob ich Aiden die Nachricht mitteilen sollte, dass ich zu meinen Eltern fliegen würde. Ich hatte Angst, dass wenn ich es ihm erzählen würde, er sofort wissen würde, dass ich Gefühle für Macaulay hatte. Aiden wusste, wie viel mir meine Eltern bedeuteten.
„Ich würde es dir nicht verübeln, wenn es dir schlecht geht, Cinderella. Für mich und Logan war es auch nicht einfach."
Mein Handy blinkte erneut auf. Ich seufzte.
„Ich muss für ein paar Tage hier raus. Ich hab einen Flug nach Toronto gebucht. Für Morgen."
Mit zitternden Händen schickte ich die Nachricht ab. Ich schloss die Augen und zählte die Sekunden in meinem Kopf. Als ich spürte, wie das Handy in meiner Hand erneut vibrierte, öffnete ich langsam die Augen und starrte auf den Display.
„☹. Wie lange?"
Ich tippte meine Antwort und wartete auf seine Antwort.
„Zwei Wochen."
Ich wusste, dass nicht nur ich meine Eltern brauchte, sondern meine Eltern mich auch vermissten. Zwei Wochen waren das Mindeste, was ich bei Ihnen verbringen konnte. Mit meiner Planung wäre ich genau Heiligabend wieder in Schottland.
„Brauchst du jemanden, der dich zum Flughafen fährt?"
Ich war Aiden dankbar, dass er nicht versuchte mich zu überzeugen, dass ich in Schottland blieb. Ich zog mir die Decke bis zum Kinn, tippte erneut auf meinem Handy, bevor ich es ausschaltete und zur Seite legte.
„Ja, das wäre nett. Mein Flieger geht um 1 Uhr.
Am nächsten Morgen wachte ich in aller Herrgottsfrühe auf. Der Blick auf mein Handy verriet mir, dass es erst sechs Uhr in der Früh war. Ich musste gerade einmal vier Stunden geschlafen haben. Aiden hatte mir zugesagt, dass er mich um zehn Uhr abholen würde.
Ich ließ mich für einen kurzen Moment auf der Couch zurückfallen, bevor ich die Decke zurückwarf und durch den schwach illuminierten Raum lief. Es war Zeit für meine Reise zu packen. Den Koffer den ich aus Toronto mitgebracht hatte- das Andere hatten wir schon alles Wochen zuvor mit dem Schiff nach Schottland senden lassen- stand in einer hinteren Ecke des Wohnzimmers. Ich rollte ihn leise über den Boden und ließ ihn vor mir nieder. Dann öffnete ich ihn und begann zu packen.
Ich befand mich mit dem Kopf, mitten in einer meiner Kisten, als ich plötzlich das Knarzen einer Tür vernahm. Inzwischen war die Sonne aufgegangen und erhellte den Raum in einem sanften, gelblichen Schein. Ich hob meinen Kopf, mein Atem blieb in meiner Kehle stehen, als ich auf Macaulay schaute, der im Türrahmen seiner Tür stand. Seine Augen nahmen die Szene vor ihm auf, wanderten von meiner Hand, in der ich ein T- Shirt hielt, bis zu meinem fast vollständig gepackten Koffer. Ein Ausdruck, den ich noch nie bei Macaulay gesehen hatte, zuckte über sein Gesicht. Er war nur flüchtig, aber ich registrierte ihn trotzdem.
„Was machst du da?", seine tiefe Stimme war emotionslos, fast schon kalt, aber seine Augen bohrten sich in meine, schienen mir etwas total Anderes zu sagen.
„Packen", gab ich leise von mir, wand mich wieder meinem Koffer zu und faltete das letzte Shirt und stapelte es ordentlich auf die anderen gefalteten Sachen.
„Wofür?", sein schottischer Akzent prallte von den Wänden ab, verursachte eine Gänsehaut auf meinen Armen.
Mein Kopf schoss nach oben, im Hintergrund nahm ich wahr, dass es bereits halb zehn war.
„Ich flieg nach Hause"
Ich schluckte, als ich sah, dass sich Macaulays Augen bei meinen Worten verdunkelten.
„Ich .. ich brauch ein bisschen Zeit für mich", ich sah, wie sich seine Mundwinkel nach unten zogen, er hob seinen Kopf und nickte leicht.
„Verständlich."
Die Worte kamen heiser aus seinem Mund, wirkten verzweifelt.
„Wann...?", sein Blick huschte vom Koffer zu mir und wieder zurück zu meinem Koffer.
Ich sah wie er schluckte, die schwarzen Linien seines Halstattoos bewegten sich.
„Wann kommst du wieder zurück?", ich wusste, dass es das Letzte war, was er wollte und er versuchte es auch so gut wie er konnte zu verstecken, aber ich sah wie ein kleiner Anflug von Panik über sein Gesicht wallte.
Und plötzlich, sah ich es glasklar vor meinen Augen.
Macaulay hatte Angst, dass ich ihn komplett zurücklassen würde. Dass ich für immer abhauen würde, so wie er glaubte, dass er es verdient hätte. Mein Blick fiel auf seine dunklen Augen, die sich nun intensiv in meine bohrten. Ich erhob mich vom Boden und lief auf Socken zu ihm. Sein Blick ließ mich für keine Sekunde los, ich sah, wie sein Mund sich kurz öffnete, bevor ich ihn erreicht hatte.
„Ich weiß..." krächzte er nun und schluckte.
„ Ich weiß, dass ich.. dass ich...", weiter kam er nicht, denn plötzlich hatte ich meine Arme um ihn geschlungen und drückte ihn an mich.
Ich spürte wie er kurz stocksteif wurde. Und dann ganz plötzlich schlangen sich seine Arme auch um meine. Er drückte mich an sich, fest. Mit so einer Stärke, dass ich das Gefühl hatte, dass mir niemals etwas passieren könnte. Es fühlte sich an, als ob ich in einen Kokon gewickelt wurde. Warm und sicher.
Ein lautes Klingeln ließ uns auseinanderfahren. Mein Blick fiel auf die Uhr. Es war erst viertel vor Zehn. Aiden war zu früh. Macaulays Blick lag auf meinem, als ich die Tür öffnete und darauf wartete, dass Aiden seinen Weg nach oben machte.
Es war ein komisches Gefühl, Schottland zurück zulassen. Was anfangs ein Ort der Fremde für mich war, ließ mich nun mit Wehmut nach Toronto fliegen. Aiden hatte mich am Flughafen auf die Stirn geküsst und mir gesagt, dass er mich vermissen würde. Ich hatte nur genickt, mir eingeredet, dass ich ihn genauso sehr vermissen würde, wie er mich. Ich wusste, dass das was ich für Aiden fühlte über eine Freundschaft hinaus ging. Er schenkte mir Geborgenheit, war aufmerksam und schien mich auf Händen zu tragen und wenn mich seine dunkelgrünen Augen anschauten, dann fühlte ich mich sofort wohl. Es war einfach sich mit ihm zu unterhalten, er brachte mich zum Lachen und ich fand ihn süß. Ich war mir sicher, dass ich Aiden auf eine gewisse Art und Weise auch lieben musste, denn das was ich für ihn fühlte, waren nicht einfach nur Gefühle der Freundschaft. Doch das, was ich für Macaulay fühlte, war so viel mehr als nur einfache Liebe. Es schien mir fast die Luft zum Atmen zu nehmen, mein ganzer Körper sehnte sich nach ihm. Noch nie in meinem Leben hatte ich so etwas gefühlt. Noch nie.
Meine Gefühle, tobten wie ein wildes Durcheinander in mir. Wirbelten mich auf, ließen mich voller Verwirrung zurück. Als ich nach acht Stunden endlich am Flughafen von Toronto angekommen war, hatte ich das Gefühl als ob mir gleichzeitig eine schwere Last von der Schulter fiel, aber auch dass sich ein merkwürdiges Gefühl der Leere in mir ausbreitete. Ich rief mir ein Taxi, das genau 40 Minuten später vor dem mir so vertrauten Haus hielt. Ich hatte ganz vergessen, wie kalt es in Toronto um diese Jahreszeit war. Unser Haus stach, wie so oft aus den anderen Häusern in der Umgebung heraus. Dad hatte das Haus, als ich zehn war komplett blau gestrichen. Er sagte, dass die Farbe ihn an die Augen meiner Mutter erinnerte. Ich stieg aus dem Taxi, reichte dem Taxifahrer sein Geld und lief mit meinem Koffer in der Hand, die Auffahrt hinauf. Meine Füße hinterließen Fußspuren im frischen Schnee, der uralte Jeep meines Vaters stand in der Auffahrt. Er musste ihn bereits schon fast 30 Jahre besitzen. Luke und ich versuchten ihn immer wieder davon zu überzeugen, sich ein neues Auto anzuschaffen, aber Dad meinte, es hingen zu viele Erinnerungen an dem Wagen, dass er ihn verkaufen konnte. Es war sein Baby, das wussten wir inzwischen.
Vor der Tür blieb ich stehen, überlegte für einen kurzen Moment, den Ersatzschlüssel aus seinem Geheimversteck herauszuholen, entschied mich dann aber doch zu klopfen. Ich hörte Schritte am anderen Ende der Tür, bevor sie mit einem großen Schwung geöffnet wurde und eine Frau zum Vorschein kam, die eine ältere, schlankere Version von mir war.
„Ella?", hörte ich die überraschte Stimme meiner Mutter.
„Mom", brachte ich erstickt hervor, ein wohliges Gefühl breitete sich in mir aus, und plötzlich war ich fast den Tränen nah.
„Wir dachten du kommst nicht vor Weihnachten?"
Die Überraschung war meiner Mutter immer noch anzusehen. Ich schüttelte den Kopf, biss mir auf die Lippen.
„Ich hab euch vermisst", gab ich von mir.
„Oh, Ella Baby", gab meine Mutter von sich und zog mich in ihre Arme.
Ich vergrub meinen Kopf in ihren Locken und für einen kurzen Moment war ich wieder ein kleines Kind. Nach einer Weile lösten wir uns voneinander, ein Lächeln lag auf dem Gesicht meiner Mutter. Obwohl meine Mutter bereits über 50 war, war sie immer noch die schönste Frau, die ich je gesehen hatte. Sie hatte die außergewöhnlichsten blonden Locken und ihre Augen, waren so blau, wie das azurblaue Wasser der Malediven. Ich war zwar noch nie dort gewesen, aber ich hatte Bilder auf Instagram gesehen.
Meine Mutter und ich liefen nebeneinander in Richtung Wohnzimmer. Mein Kopf war zu meiner Mutter gedreht, sie nahm mir gerade meinen Koffer aus der Hand, als ich plötzlich eine tiefe Stimme durch das Wohnzimmer dröhnen hörte.
„Ella, Prinzessin!", mein Kopf drehte sich ruckartig in die Richtung aus der die Stimme gekommen war.
Tätowierte, ein Meter neunundachtzig, kamen auf mich zu, hoben mich mit einem Ruck vom Boden und drückten mich an eine breite Brust, von der ich mir sicher war, das sie noch genauso trainiert war, wie sie es mit 25 war. Seine blauen Augen leuchteten vor Freude, sein Gesicht hatte sich zu einem Grinsen verzogen, dass ihn nicht wie 54 erschienen ließ, sondern eher 20 Jahre jünger. Ich lachte.
„Daddy, nur du kannst bei minus 5 Grad Celsius noch mit einem Tanktop herumlaufen."
Ich schaute zu ihm hoch , während er mich immer noch mit seinen tätowierten Oberarmen an seiner Brust fest hielt, meine Beine baumelten in der Luft.
„Das ist nicht irgendein Tanktop", gab er von sich.
„Das ist ein original Aerosmith Konzertshirt von 1978. Deine Mom hat es mir zum Hochzeitstag geschenkt", er zwinkerte mir zu und ich sah, wie er kurz einen Blick zu meiner Mom warf.
Ich lachte und schüttelte mit dem Kopf.
„Dad, du bist ein Idiot", gab ich von mir.
Mein Dad lachte, bevor er sich zu mir herunterbeugte und mir in die Augen blickte. Seine Mundwinkel zogen sich hoch, bevor er mir mit dem Finger über die Nase stupste.
„Ich hab dich vermisst, Ella Prinzessin."
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Dieses Kapitel bedeutet mir sehr viel, da es mich immer glücklich macht von West Taylor zu schreiben.
Er ist einfach meine erste große Schreibliebe und bis heute noch mein absoluter Traummann. (Nicht, dass ich Finlay nicht auch lieben würde, aber mir persönlich hat er ein bisschen zu viel baggage- und wenn wir mal ganz ehrlich sind, passt er auch viel besser zu Ella als zu mir ;) )
Ich hoffe das Kapitel gefällt euch! Und noch mal ein riesen Dank an alle die das hier lesen !<3
Bald haben wir sogar schon 1000 Leser hier :o. Was einfach total verrückt ist :o.
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