Kapitel 35
Seine Worte trafen mich, bis in den klitzekleinsten Winkel meines Herzens, ließen eine Welle voller Emotionen durch mich hindurchfließen, wie eine Sturmflut, die aufs Land traf. Für einen kurzen Moment verlor ich mich in seinen dunklen Augen, ließ zu, dass der Schmerz in seinem Blick mich ebenfalls ergriff.
„Seit dem, boxte ich nicht mehr auf der Straße, sondern hier, in Wallaces Box Club. Selbst nachdem ich das Steels gegründet hatte, kam ich immer wieder hierhin zurück. Bis heute"
Seine freie Hand fuhr über die Matte unter uns, strich beinahe liebevoll über das Material. Ich traute mich fast nicht die nächste Frage zu stellen, wissend, dass die Antwort darauf mir nur noch mehr das Herz brechen würde. Aber auf eine merkwürdige Art und Weise, musste ich dennoch wissen, was geschehen war.
Vielleicht war ich zu einem bestimmten Grad auch selbstzerstörerisch veranlagt?In dem ich den Schmerz von Macaulay in mich selbst aufnahm in der Hoffnung, dass dieser nicht mehr diesen Ausdruck in seinen Augen haben würde.
„Weiß Wallace, dass wir heute hier sind?"
Meine Stimme war kaum ein Flüstern, als sie durch die Stille zwischen uns drang. Ich betete, dass die Antwort, die ich erwartete, nicht die Richtige war. Doch als Macaulays tiefe, emotionsvolle Stimme den Raum erfüllte, wusste ich, dass all das Beten nichts gebracht hatte. Dass die Welt manchmal unfair und grausam war.
„Er ist tot."
Mein Herz schien innerlich zu zerbrechen, immer wieder sah ich das Bild von dem blondhaarigen Teenager und dem alten Mann vor mir. Sah das leichte Lächeln von dem vielleicht 16-jährigen Macaulay vor mir.
„Herzinfarkt. Ich hab ihn letztes Jahr in seiner Wohnung gefunden..." , seine Stimme brach ab, Tränen stiegen in meine Augen, ich umfasste seine Hand noch ein bisschen fester und drückte sie, wollte ihm damit vermitteln, dass ich bei ihm war.
Meine Hand war so viel kleiner als seine, sah fast zerbrechlich in seiner großen starken Hand aus. Dennoch schien seine Hand in diesem Moment die Zerbrechlichere zu sein.
Stille brach zwischen uns ein, während mein Daumen über seine Handinnenfläche kreiste. Wärme strömte durch meinen Körper, setzte jedes einzelne Nervenende meines Körpers unter Strom, meine Finger fingen an zu kribbeln, während sein warmer, männlicher Geruch mir entgegendrang, meine Sinne komplett einnahm.
Plötzlich, ganz langsam, spürte ich, wie sich seine langen Finger um meine schlossen, er meine Hand ganz sanft drückte. Ein Kribbeln schoss durch meinen Körper, mein Atem stockte, als er unsere verschränkten Hände umdrehte, sodass seine Hand nun oben lag, meine komplett in sich aufnahm. Auf einmal hob er unsere verschränkten Hände und legte sie sich auf den Brustkorb. Meine Gedanken wirbelten in meinem Kopf, während ich seinen Herzschlag unter meiner Hand spürte. Ein Gedanke, der sich förmlich in mein Gehirn brannte, mein Herz dazu veranlasste, dass es einen Salto schlug.
Macaulay hatte mich freiwillig berührt.
„Tut es noch sehr weh?", seine Stimme klang sanft durch den Box Club, sein Daumen kreiste abwesend über meine Handinnenfläche, während seine Brust sich hob und senkte.
Ich war verwirrt von seinem schnellen Themenwechsel und wusste nicht wovon er sprach, bis die nächsten Worte seinen Brustkorb unter unseren Händen vibrieren ließ.
„Dass er dich verlassen hat?"
Seine Worte waren so sanft, so anders, als sie sonst waren, dass ich plötzlich spürte, wie sich die Tränen in meinen Augen sammelten. Obwohl ich wusste, dass Drew und ich nie für einander bestimmt waren, dass ich für ihn nie die Eine gewesen war, tat es an manche Tagen immer noch weh, dass wir nicht mehr zusammen waren. Dass ich ihn im Bett mit einer anderen gefunden hatte.
„Nicht mehr so sehr, wie am Anfang." , gab ich leise von mir und schloss meine Augen.
Ich schluckte.
„Drew und ich.. wir.. wir waren 10 Jahre zusammen."
Ich wusste nicht warum ich ihm das auf einmal erzählte, vielleicht war es die Tatsache, dass er mir ebenfalls ein Stück von sich preisgegeben hatte. Meine Stimme zitterte leicht, als ich weiter redete, Erinnerungen von Drew und mir drangen durch meinen Kopf, ließen ein Stück Wehmut in mir aufkommen.
„Ich hab Drew kennengelernt, da war ich 12."
Ich holte kurz zitternd Luft, ließ die Luft in meine Lunge strömen.
„Ich war gerade in meinem ersten Jahr der Junior High. Drew war in seinem Letzten."
Ein Gefühl der Wehmut durchfuhr mich, während ich mich zwang weiter zu reden.
„Ich kann mich noch genau an den Tag erinnern, an dem wir uns kennengelernt haben."
Ein trauriges Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus.
„Ich hatte mich gerade für den Fashiondesign Kurs eingeschrieben, es war die zweite Woche des Schuljahres. Mrs Cote fing gerade an mit uns Schnittmuster für einfache Shirts zu zeichnen. Ich hatte gerade den Stoff meines Shirts ausgesucht, rosa mit Blümchen."
Ich spürte, wie Macaulay leicht meine Hand drückte.
„Und dann betrat er das Klassenzimmer."
Meine Erinnerungen waren noch so lebhaft, als ob es gestern gewesen war, als ob es gerade einmal 24 Stunden her gewesen war, seit Drew das Klassenzimmer betreten hatte und meine Welt durcheinander gebracht hatte.
„Alle Mädchen hatten nur Augen für ihn, selbst Gabriel und der war hetero."
Ich lachte leise auf.
„Er stand einfach da im Türrahmen, mit seinen braunen unordentlichen Haaren und diesen blauen Augen, die mich an den Ozean erinnerten."
Ich hatte meine Augen immer noch geschlossen, meine Gedanken meilenweit, 12 Jahre zurück in der Vergangenheit.
„Er hatte eins der Schulrugbyshirts in der Hand, als er den Raum betrat. Da ich direkt an der Tür saß, drückte er mir das Shirt in die Hand und fragte mich ob ich ihm das Loch in seinem Shirt stopfen konnte."
„Ich glaub es hat ihn noch nicht einmal interessiert, wem er das Shirt in die Hand drückte, aber in diesem Moment war ich ihm unwiderruflich verfallen."
Macaulay schwieg die ganze Zeit, während ich redete, ließ mir die Zeit mich zu sammeln, bevor ich die Worte über meine Lippen kommen ließ.
„Es dauerte bis zu meinem ersten Jahr in der High-School, bis er mich zu einem ersten Date einlud. Seit dem waren wir unzertrennlich. Ich .. ich hab geglaubt, dass wir wie meine Eltern sein würden."
Schmerz drang nun in meiner Stimme durch, meine Augen füllten sich mit Tränen, während ich meine Augen weiter aufeinanderpresste.
„Dass unsere Liebe niemals enden würde. Dass das zwischen uns etwas Besonderes sein würde. So Besonders, wie es zwischen meinem Dad und meiner Mom war."
Ein lautloser Schluchzer drang aus meinem Mund, ließ meinen Körper erzittern.
„Kurz vor meinem 24 Geburtstag hat Drew ein Angebot von einem Rugbyverein in Edinburgh bekommen. Es war vollkommen klar für mich, dass ich mit ihm gehen würde. Zwei Wochen nachdem wir hier angekommen waren, fand ich ihm im Bett mit einer Anderen."
Der Schmerz drang nun durch meine Poren, schnürte meinen Atem zu. Ich versuchte mit meiner ganzen Kraft meinen Atem zu kontrollieren, versuchte mich zu beruhigen, denn ich wusste dass das was ich durchlitten hatte, nicht annähernd so schlimm war, wie das was Macaulay durchlitten hatte.
„Es tat so weh ihn mit dieser anderen Frau zu sehen. Aber auf eine gewissen Art und Weise verstehe ich es . Sie war so viel hübscher als ich. Sie hatte mega lange Beine und ihre Haare waren glatt in diesem glänzenden Braun. Dieser Karamellton, der sich in der Sonne verändert und einen an ..."
„ Ella.", unterbrach er mich.
Mein Atem stockte, als ich meinen Vornamen aus seinem Mund hörte.
„Schau mich an.", befahl er mir, drückte meine Hand, seine Stimme vibrierte durch meinen Körper, ließ Wärme durch ihn hindurchdringen.
Ich öffnete meine Augen, drehte meinen Kopf zur Seite, seine Augen waren intensiv auf mich gerichtet, er ließ seinen Blick keine Sekunde von mir, als die Worte seinen Mund verließen.
„Er ist ein Arschloch."
Es waren nur vier Wörter, aber sie ließen ein warmes Gefühl durch meinen Körper, das Stück für Stück von meinem Körper Besitz ergriff und das Gefühl des Schmerzes linderten.
Ich wusste nicht, wie lange wir dort auf der Matte neben einander lagen und der Stille um uns herum lauschten. Doch irgendwann drang Macaulays Stimme durch die Stille.
„Wir sollten gehen, Taylor. Es ist schon spät."
Ich nickte nur, während Macaulay sich aufrichtete, die schwarze Kapuze immer noch in seinem Gesicht, seine Hand zog mich hoch, sodass ich ein paar Zentimeter von seinem Gesicht entfernt stehen blieb. Ich atmete seinen Geruch ein, und blickte in seine Augen. Es war, als ob die Luft um uns herum aufgeladen war. Zu meinem Bedauern ließ er meine Hand los und machte einen Schritt zurück.
Er wand seinen Blick ab und lief in Richtung der kleinen Tür, die nach draußen führte. Sein Rücken war wieder in dieser versteiften Pose, als wir durch die Tür die Treppen nach unten liefen.
Draußen hatte es aufgehört zu schneien, der Schnee lag inzwischen einige Zentimeter hoch. Macaulay lief voran, während ich ihm folgte. Die Straße abwärts zu laufen, schien um einiges leichter, als sie aufwärts zu laufen. Meine Füße versanken im Schnee, während ich hinter Macaulay lief, der sich einen halben Meter vor mir befand. Seine Füße verschwanden fast wütend im Schnee und wie so oft in letzter Zeit war Macaulay auf einmal wieder auf Distanz zurückgegangen. Ich verstand ihn einfach nicht !
Als wir wenige Minuten später unten vor seinem Haus angekommen waren, glaubte ich fast schon, dass er wieder nach oben stürmen würde, ohne mich weiterhin zu betrachten. Es tat weh, einfach von ihm so ignoriert zu werden, vor allem nachdem er sich erst vor ein paar Stunden ein wenig mir geöffnet hatte. Ich wusste jedoch, dass es ein Weg war, wie Macaulay mit seiner Vergangenheit umging, die ihn immer noch bis in die Gegenwart verfolgte. Die ihn nachts aufwachen ließ, sein Gesicht von Schweiß durchzogen, nachdem Dämonen ihn in seinem Schlaf heimsuchten.
Doch statt sofort nach oben zu gehen, blieb Macaulay plötzlich stehen, wartete darauf, bis ich ihn eingeholt hatte. Als ich neben ihm zum Stehen kam, trat er einen Schritt auf mich zu, sein Kopf kam mir immer näher, bis seine Stirn plötzlich meine berührte. Wir waren uns so nah, dass ich mich in seinen Augen verlor, so nah, dass ich mir sicher war, dass ich seine Luft die er ausatmete, wieder einatmete.
„Taylor, du musst dich von mir fern halten. Boyd... er ist ein Mann, der dir die Welt zu Füßen legen kann. Er mag dich wirklich, Taylor. Ich bin bloß ein weiterer Kerl, der dich wie dieses Arschloch verletzen wird. Ich bin nicht gut genug für dich, ich bin zu abgefuckt.", seine Stimme klang nun fast emotionslos aus seinem Mund, zog an meinem Inneren, als er seinen Kopf nun von mir löste, einen Schritt zurück trat und mich wieder mit diesem kalten Blick betitelte, der mir nur zu bekannt vor kam.
„Und am besten hältst du dich von meinem Zimmer fern." und mit diesen letzten Worten, öffnete er die Tür und verschwand hinter ihr, ließ mich in der kalten Nacht zurück. Und obwohl ich es mir nicht eingestehen wollte, hatte ich Tränen in meinen Augen.
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