Kapitel 30
Es war ein merkwürdiges, aber auch gleichzeitig angenehmes Gefühl neben Macaulay auf der Couch zu sitzen, ohne dass einer von uns beiden irgendetwas sagte. Meine Knie, waren inzwischen angewinkelt, mein Blick auf den Film vor mir gerichtet. Es befand sich soviel Platz zwischen uns auf der Couch, dass ich locker meine Beine hätte austrecken können, aber aus irgendeinem Grund tat ich es nicht. Vielleicht war es die Tatsache gewesen, dass als wir gleichzeitig nach einer Serviette greifen wollten, Macaulay zurückgewichen war, als ob ihn statt der Berührung meiner Hand eine Flamme verbrannt hätte.
Als Macaulay mit der Gabel wiedergekommen war, hatte er ein Stück von mir entfernt Platz genommen. Jetzt saß er auf der anderen Seite des Sofas, sein Blick war ebenfalls auf den Film vor uns gerichtet. Inzwischen war es draußen stockfinster, nur das schwache Licht des Mondes und das des Fernsehers erleuchteten den Raum.
Ich wand meinen Blick wieder dem Bildschirm zu und verfolgte angespannt die Szene, die sich vor mir darbot. Brad Pitt kippte gerade ein weißliches Pulver auf die Hand von dem braunhaarigen Kerl, dessen Namen ich nicht mitbekommen hatte. Seine Schreie drangen durch den Fernseher und ich zuckte ein wenig zusammen. Das weiße Pulver ätzte sich in die Haut des anderen Protagonisten, während Tyler und der Kerl eine hitzige Diskussion hatten. Ich stellte meine Füße vor mir auf den Boden, meine Augen klebten an dem Fernseher, wie sie es normalerweise nur bei Liebesfilmen oder romantischen Komödien taten. Gerade als Brad den Kerl auf den Boden geschmissen hatte, wurden wir durch die Werbung unterbrochen.
Macaulay erhob sich neben mir, sein Shirt rutschte für einen kurzen Moment hoch und entblößte seine Bauchmuskeln. Ich wand meinen Blick so schnell wie ich konnte ab und richtete ihn wieder auf den Fernseher. Aus den Augenwinkeln konnte ich erkennen, dass Macaulay in Richtung Badezimmer verschwand. Als er das Badezimmer betreten hatte, atmete ich hörbar aus und ließ mich ein Stück zurück in das Sofa sinken. Ich verfolgte irgendeine Werbung von einem Telefonanbieter, als mir plötzlich wieder mein Schokoladeneis einfiel. Ein Anflug von Freude stieg in mir hoch, die ich immer bekam, wenn ich an Schokolade dachte.
Mit einem Lächeln auf dem Gesicht und einem Sprung im Schritt stand ich von der Couch auf und lief in Richtung Küche. Ich schnappte mir das Eis aus dem Gefrierschrank, nahm mir einen großen Löffel aus der Schublade und öffnete voller Vorfreude den Eisdeckel. Ein Grinsen zog sich über mein ganzes Gesicht, als ich ein Stück vom Eis mit meinem Löffel abkratzte und es mir in den Mund schob. Ich seufzte und schloss die Augen für einen kurzen Moment.
Als ich das Wohnzimmer betrat, hatte der Film wieder angefangen, Macaulay saß auf der gleichen Stelle des Sofas an der er, bevor er ins Badezimmer verschwunden war, zuvor auch gesessen hatte. Ich ließ mich mit meinem Eis auf der anderen Seite des Sofas sinken und wand meinen Blick erneut auf den Film. Doch dieses mal konnte ich mich beim besten Willen nicht auf den Film konzentrieren. Ich war mir einfach zu bewusst, dass Macaulay neben mir saß.
„Willst... du vielleicht auch was?" ehe ich mich ermahnen konnte, hatten die Worte bereits meinen Mund verlassen und ich hielt das Eis in seine Richtung.
Ich sah, wie er seinen Kopf kurz hob, sein Blick war wieder die steinernde Maske, die ich zuvor so oft schon gesehen hatte.
„Nein", seine Stimme kam schroff über seine Lippen und ich zuckte kurz zusammen.
„Okay..", murmelte ich und wand mich wieder dem Fernseher zu, aber nicht ohne dass sich in meine Magengegend eine kleine Nadel stach.
Ich versuchte das Gefühl zu ignorieren und mich auf Brad Pitt zu konzentrieren, während ich mein Eis weiter löffelte. Ein tiefes Seufzen drang durch das Wohnzimmer, ich hob meinen Kopf und blickte in Macaulays dunkle Augen, die nun auf mich gerichtet waren, seine Hand war mit der Handfläche nach mir ausgestreckt. Verwirrt schaute ich von seinem Gesicht zu seiner Handfläche und wieder zurück.
„Gibs schon her"
Sein tiefer, schottischer Akzent drang an mein Ohr, als ich wie ein Roboter das Eis in seiner Hand platzierte. Als Macaulay mich immer noch wartend anblickte, realisierte ich erst, dass ich immer noch den Löffel in der Hand hielt. Ich platzierte diesen ebenfalls in seiner Hand und beobachtete ihn dabei, wie er mit dem Löffel im Eis herumkratzte und sich dann meinen Löffel in den Mund steckte. Als er heruntergeschluckt hatte, stellte er das Eis wieder auf den Tisch und ich sah wie sich seine Augen auf mich richteten. In seinem Blick lag ein merkwürdiger Ausdruck.
„Taylor... ich bin nicht wirklich gut mit Menschen..", seufzte er schließlich, während er sich mit einer Hand über die geschorenen Haare fuhr.
„Deshalb hab ich keine verdammte Ahnung, was du von mir erwartest... oder... wie so etwas hier abläuft.."
Für einen kurzen Moment erinnerte er mich an einen kleinen Jungen, wie er dort saß, ein verwundbarer Ausdruck zierte sein Gesicht.
„Wie.. wärs erstmal mit einer Unterhaltung", gab ich leise von mir und zuckte mit den Schultern.
„Das tun normale Leute ab und zu, hab ich gehört"
Ein kleines Lächeln erschien auf meinem Gesicht, als ich in sein Gesicht blickte. Ich hörte, wie er aufseufzte.
„Taylor ich bin nicht der Typ, mit dem du tiefgründige Gespräche anfängst und über das Leben philosophierst.."
Er erhob sich von der Couch und schaute auf mich herunter, sein Blick lag dunkel in meinem.
„Und das wird sich auch nie ändern"
Ich zuckte bei seinen schroffen Worten zusammen, als er sich von mir wegdrehte und in Richtung seines Zimmers lief.
„Hast du schon immer geboxt?", hörte ich plötzlich meine Stimme aus meinem Mund dringen.
Sie veranlasste ihn dazu stehen zu bleiben. Sein Rücken spannte sich unter seinem Shirt an und ich beobachetete, wie er sich langsam zu mir umdrehte. Der Film lief immer noch, aber er drang immer mehr in den Hintergrund je tiefer sich seine dunklen Augen in meine bohrten.
„Ay, seit meinem zwölften Lebensjahr"
Er machte jetzt einen Schritt nach vorne und kam langsam wieder zu dem Sofa zurück. Seine Schritte waren leichtfüßig, seine große Statur thronte über mir, als er ein paar Sekunden später, mir gegenüber auf dem Sofa Platz nahm.
„Seit deinem zwölften Lebensjahr?"
Überraschung drang aus meiner Stimme und ich sah, wie sich seine Lippen ein kleines bisschen nach oben zogen, dicht gefolgt von einem kurzen Kopfschütteln.
„Nicht in einem Boxring wie jetzt, aber ja..." , die Worte kamen gepresst aus seinem Mund.
„Ich war ein ziemlicher Draufgänger, als ich jünger war."
Seine Stimme klang distanziert und emotionslos.
„Das muss ziemlich schlimm gewesen sein für deine ..."
Ich hielt inne. Ich war kurz davor gewesen „ Eltern." zu sagen, hielt mich aber noch zurück, als mir klar wurde, dass er ja keine Eltern mehr hatte. Ich sah in seinem Blick, dass er genau wusste, was ich im Inbegriff zu sagen gewesen war. Sein Gesicht verzog sich jedoch keine Spur, als weitere Worte seinen Mund verließen.
„Ich war nie lange genug in einer Pflegefamilie, dass es irgendwen interessiert hätte."
Er zuckte mit den Schultern, ich schluckte bei seinen Worten und ein Stich fuhr durch meinen Körper. Er klang, als ob es etwas völlig Belangloses war. Als ob es etwas völlig Alltägliches war, dass man in verschiedenen Pflegefamilien aufwuchs, weil der eigene Vater die Mutter umgebracht hatte. Dass man kein richtiges Zuhause hatte. Ständig in einer neuen Umgebung. Niemals wirklich willkommen.
Ich traute mich nicht ihm eine weitere Frage zu stellen. Ihn nach seinen Eltern zu fragen. Ich wusste, dass er mir sowieso nicht antworten würde. Aus den Augenwinkeln, sah ich dass Macaulays kompletter Körper angespannt war, er förmlich auf meinen Angriff wartete. Darauf wartete, dass ich die nächste Frage stellen würde. Neben den schwarzen Linien auf seinem Hals traten rote Äderchen hervor, die sich vor Anspannung gebildet hatten. Ich schluckte, als mein Blick sich auf seine dunklen Augen richtete, die nun völlig emotionslos auf mich gerichtet waren.
„Weißt du... ich ..ich glaub ich sollte mein Eis weiter essen. Es ist schon ziemlich geschmolzen."
Die Worte taumelten wie von selbst aus meinem Mund, als ich nach dem Eisbecher griff und den Löffel in das geschmolzene Eis tunkte. Für einen kurzen Moment sah ich, wie etwas über sein Gesicht flackerte.
Überraschung?
Dann beobachtete ich, wie er sich langsam erhob. Sein Shirt war zerknauscht, sein blaues Auge vom Kampf hatte sich inzwischen grün- gelblich gefärbt und war nur kaum im dumpfen Licht des Fernsehers zu erkennen.
„Gute Nacht, Taylor", seine tiefe Stimme vibrierte durch das Wohnzimmer und ich sah ihm dabei zu, wie er seine Tür öffnete und in sein Zimmer trat.
Bevor er die Tür jedoch schloss, drehte er sich nochmal zu mir um.
„Er ist ein Arschloch" , seine Worte klangen hart und ich schaute mit weit geöffneten Augen hinter ihm her, als er die Tür hinter sich schloss.
Er musste nicht ausgesprochen haben, wer ein Arschloch war, damit ich wusste dass Drew damit gemeint war.
Ich lag die ganze Nacht wach. Ich konnte einfach nicht schlafen. Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, wie Staubkörner durch die Luft. Das schwummrige Licht drang durch Macaulays Türspalt, als ich mich erneut zur Seite drehte.
Plötzlich hörte ich ein Geräusch von der anderen Seite der Tür. Es war leise. Fast so leise, dass ich das Gefühl hatte es mir einzubilden. Ich schloss die Augen und versuchte vergeblich einzuschlafen. Das Wimmern ertönte erneut. Ein Stich durchfuhr meinen Körper, als die Worte von Luke durch meinen Kopf drangen:
„Halt dich am Besten so gut wie möglich aus seinem Leben raus."
Ich nahm mein Kissen und platzierte es über meinen Augen. Dann fing ich in meinem Kopf leise an zu zählen. Nach ein paar Minuten war es plötzlich still, das Wimmern hatte inzwischen aufgehört. Ich hob das Kissen von meinen Augen und schaute für einen kurzen Moment zu Macaulays Tür und lauschte. Als ich sichergestellt hatte, dass ich kein Wimmern mehr aus seinem Zimmer hörte, drehte ich mich auf die andere Seite, schloss meine Augen und kuschelte mich in meine Kissen.
Ein leises Quietschen einer Tür ließ mich aufschrecken. Gedämpftes Licht fiel durch das Wohnzimmer und erhellte die Couch auf der ich schlief. Ich blinzelte und schaute auf Macaulay, der im Türrahmen stand. Sein Oberteil war zerknittert, seine Jogginghose hing tief auf seinen Hüften, aber das war es nicht, was mich meine Luft anhalten ließ. Sein ganzer Körper zitterte, sein Atem ging unregelmäßig, während ein schmerzlicher Ausdruck sich durch seine Augen senkte. Ich sah, dass sich auf seiner Stirn Schweißperlen gebildet hatten. Mein ganzes Herz zog sich bei seinem Anblick zusammen, während er einfach nur im Türrahmen seines Zimmers stand und mich mit seinen Augen anschaute. Mich anflehte.
Ein Stich senkte sich durch meinen Körper, als ich meine Bettdecke zurück schob und meine nackten Füße meinen Boden berührten. Mein Herz pochte laut in meiner Brust, als ich die wenigen Schritte zu ihm überbrückte. Ich ließ für keine Sekunde seinen Blick los, seine Augen so voller Schmerz, dass sie mich augenblicklich nach seiner Hand greifen ließen. Er zuckte kurz zusammen, aber er ließ mich nicht los. Seine Hand lag kühl in meiner, als ich ihn zurück in sein Zimmer zog. Ich schloss die Tür hinter uns und erst jetzt hörte ich die leisen Töne, die aus seiner Musikanlage dröhnten.
„The reminders pull the floor from your feet
In the kitchen, one more chair than you need oh
And you're angry, and you should be, it's not fair.."
Mein Herz zog sich bei den Worten des Songs zusammen. Die Worte, die Macaulay selbst nicht aussprechen konnte. Ich hob meinen Kopf und schaute in sein Gesicht, dessen Augen nun ein Pool voller Schmerz waren.
„If they say
Who cares if one more light goes out?
In a sky of a million stars
It flicker, flickers"
Während die Worte durch das Zimmer drangen, zog seine Hand ganz leicht an meiner. Unsere Augen ließen nicht voneinander ab, bis Macaulay mich neben ihm auf das Bett gezogen hatte. Inzwischen war der Song fast zu Ende, seine Hand hielt immer noch meine, während sein Körper zitterte. Für ein paar Minuten lag ich einfach nur neben ihm und versuchte ihn mit meiner Anwesenheit zu beruhigen. Als dies jedoch nicht zu funktionieren schien, fing ich an zu sprechen.
„Als ich zehn Jahre alt war hat mein Dad mich zu meinem aller ersten Eishockeyspiel ins Air Canada Centre mitgenommen", meine Worte drangen leise durch das Zimmer, dennoch waren sie laut genug um sie von der Musik zu unterscheiden.
" , Ella Prinzessin wenn du später einmal einen Kanadier heiraten willst, dann musst du dich mit Eishockey auskennen.'.", äffte ich die Stimme meines Vaters nach und schmunzelte als ich an seine Worte dachte und wie merkwürdig sie für mein zehnjähriges Ich geklungen hatten.
„Also hat er mich zu diesem Spiel mitgenommen und ich weiß noch genau, dass ich mir in den ersten 20 Minuten fast komplett die Augen zugehalten hab, so brutal war das Spiel."
Ich schüttelte den Kopf, als ich daran dachte, was ich in diesem Moment für eine Angst hatte und wie ich mich an den Arm meines Dads geklammert hatte.
„Nach dem Anfang der zweiten Hälfte, hat mein Dad meine Hand genommen und mit mir das Stadion verlassen. Stattdessen ist er mit mir ins Kino gefahren und wir haben uns Shrek angeguckt."
Inzwischen hatte Macaulays Körper neben mir aufgehört zu zittern, sein Kopf war zu mir gedreht, während er mir zuhörte.
"Wir haben uns einen riesigen Becher karamelisiertes Popcorn gekauft und eine dieser riesigen Softdrinks von denen man glaubt man hätte einen Zuckerschock, wenn man sie ausgetrunken hat."
Ich lachte auf bei der Einnerung.
„Als wir nach Hause kamen und meine Mom uns fragte, wie es gewesen war, hat mein Dad nur den Arm um meine Schulter gelegt und gesagt: , Total anders als erwartet.'"
Ein Lächeln umspielte meine Lippen, als ich daran zurückdachte, wie mein Bruder Luke total eifersüchtig war, dass er nicht bei dem Spiel gewesen war.
„Das war der Tag, an dem mein Dad den Vater-Tochter Tag eingeführt hat... oder auch wie er ihn genannt hat: , Den Prinzessin Ella Tag."
Ich lachte nun laut auf.
„Jeden zweiten Sonntag im Monat durfte ich mir irgendetwas aussuchen, was ich mit meinem Dad unternehmen wollte. Mir waren da fast keine Grenzen gesetzt."
Mein Blick wanderte nun zu Macaulay dessen dunkle Augen nun auf mich gerichtet waren. Der Schmerz stand noch immer in Ihnen, aber ich hatte das Gefühl, dass etwas Anderes sich nun in seinen Augen festlegte.
„Ich glaub selbst, wenn ich heute noch ankommen würde, würde mein Dad etwas mit mir am zweiten Sonntag des Monats unternehmen."
Ich lachte und schüttelte den Kopf.
„Natürlich wären es andere Aktivitäten, als Hüpfburgspringen oder Ponyreiten..." ich lachte erneut auf, verstummte aber, als ich Macaulay sah, der mich mit einem merkwürdigen Blick anschaute.
„Klingt wie ein toller Dad. Du kannst froh sein ihn zu haben", seine tiefe Stimme vibrierte durch das Schlafzimmer, als er leicht meine Hand drückte. Gleichzeitig biss ich mir auf die Lippe und verfluchte mich dafür, dass ich etwas von meine Vater erzählt hatte.
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Hiya :)
Erst einmal hoffe ich, dass ihr alle einen schönen ersten Advent hattet:) Meiner war sehr entspannend und bestand aus einer Endlosschleife von "Jingle Bell Rock" ( Ja die Mean Girls haben mich da sehr geprägt :P)
Ich hoffe das Kapitel gefällt euch!:) Ich würde mich sehr über Feedback freuen :)
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