Kapitel 27

Vor 23 Jahren

Seine Mutter lachte, als sie ihm mit der Hand durch die dunkelblonden Haare wuschelte. Sie lachte viel zu wenig. Alles was sie in letzter Zeit tat, war zu weinen. Sie glaubte er würde es nicht hören, aber nachts, wenn er eigentlich schlafen sollte, hörte er ihre lauten Schluchzer, die durch die Wohnung drangen. Manchmal wünschte er sich, er würde stärker und größer sein. Dann könnte er Mommy nie wieder weh tun. Dann könnte er ihm nie wieder weh tun. 

Ihr ausgemergeltes Gesicht schaute ihn liebevoll an. Ihr Auge war geschwollen, aber für ihn war sie die schönste Mommy auf der ganzen, weiten Welt. 

„ Mommy, sehen meine Haare aus, wie die von einem Mädchen?" seine Stimme klang leise durch das sparsam möbilierte Wohnzimmer.

 Seine Unterlippe zitterte ein wenig. 

„Nein Finny, wer sagt das denn?" 

Seine Mutter beugte sich zu ihm herunter und umfasste liebevoll sein Gesicht. 

„Die Jungs im Kindergarten sagen, ich sehe aus wie ein Mädchen." 

Eine kleine Träne floss sein Gesicht herunter, während er seinen kleinen Stoffhasen, dessen Kopf seine Mommy wieder geflickt hatte, an seinen Körper presste. Es war ein paar Tage hergewesen, als er den Kopf seines Stoffhasens abgerissen hatte. Es war eine besonders schlimme Nacht gewesen, der Geruch des Alkohols und seine wütende Stimme verfolgten ihn immer noch nachts in seinen Träumen. Mommy hatte ihm gesagt, dass er keine Angst haben brauchte, solange sie bei ihm war. 

„Wenn ich vielleicht mehr ein Junge wäre Mommy, dann könnte ich dich vor ihm beschützen.." 

Seine Stimme zitterte nun. 

„Finny." 

Ein Schluchzer drang aus dem Mund seiner Mommy. Sie griff mit einer Hand unter sein Kinn und hob es an. 

„Du darfst so etwas nie wieder sagen mein Schatz, hörst du?"

Er biss sich auf die Lippe und nickte. 

„Wir müssen beide stark sein. Irgendwann wird Mommy genug Geld gespart haben und dann werden wir ihn nie wieder sehen." 

Sie drückte ihm einen Kuss auf die Stirn und lächelte ihn kraftlos an. 

Ein lustiges, warmes Gefühl drang durch seinen Körper, während er auf seine Mommy blickte. Er mochte ihr blondes, dunkles Haar, das fast genauso aussah wie seins. Sie war der einzige Mensch, der immer für ihn da war und mit ihm spielte.

Ein lautes Krachen ließ seine Mommy und ihn auseinanderfahren. Ein ängstlicher Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht. Überstürzt griff sie nach seiner kleinen Hand und rannte mit ihm in die kleine, sparsame Küche. Er konnte seine lauten, großen Schritte hören, die immer näher kamen. Sein Herz pochte ängstlich in seiner Brust, als seine Mommy, die kleine Tür unter der Spüle öffnete. 

„Finny, kletter bitte für Mommy da rein. Und geb keinen Mucks von dir, hast du verstanden?"

Er wollte seine Mommy nicht alleine lassen! Er wusste, dass er ihr wehtun würde! So wie er es immer tat. 

„Caoimhe ?!" 

Seine laute, lallende Stimme drang durch die Wohnung. 

„Los, Finny!", zischte seine Mommy und drängte ihn mit einer Hand in die kleine Nische unter der Spüle.

Er war es gewöhnt sich in Schränken zu verstecken. 

Die Tür schloss sich hinter ihm, während kleine Tränen sein Gesicht herunterkullerten. Seine kleinen Beine zitterten. Er hatte Angst. Seine Mommy war alles was er hatte und er wollte nicht, dass er ihr weh tat. 

„Wo ist das kleine Rotzgör?!"

Seine tiefe Stimme donnerte nun durch die Küche. 

„Ich weiß es nicht." 

Die Stimme seiner Mommy drang ängstlich durch den Raum.

„Lüg mich nicht an! Ich weiß genau, was du vorhast!" 

Seine Stimme lallte, dicht gefolgt von einem klatschenden Geräusch. Ein Schluchzer drang durch die Küche und er wusste, dass seine Mommy weinte. 

„Glaub ja nicht, dass du kleine Schlampe mir davon kommst! Du kannst so viel Geld sparen, wie du willst! Du und Finlay, ihr entkommt mir nicht!" 

Ein tiefes Lachen durchdrang die Küche, bei dem sich die kleinen Häärchen auf seinem Arm aufstellten. Etwas Nasses lief seine Hose herunter und er wusste, dass er sich in die Hose gemacht hatte. Beschämt kauerte er sich in dem kleinen Raum zusammen. Er war ein großer Junge und große Jungen machten sich nicht mehr in die Hose. 

Er presste sich den kleinen Plüschhasen an die Brust und schloss die Augen, während er dem Geschrei seiner Eltern zuhörte. 

„Du hast kein Recht uns so zu behandeln!", hörte er plötzlich die ängstliche Stimme seiner Mutter durch die Küche dringen. 

„Was hast du gesagt?", die Stimme seiner Alpräume schrie nun so laut durch die Küche, dass er das Gefühl hatte, dass ihm 1000 Trompeten ins Ohr pusteten. 

„Er ist mein Sohn. Du warst nie ein Vater für ihn. Und wenn ich will, dann setze ich das alleinige Sorgerecht für ihn durch!"

 Er hatte die Stimme seiner Mutter noch nie so laut gehört. Es war immer er, der schrie.

„EINEN SCHEIßDRECK TUST DU!", bellte die Stimme so laut, dass er erneut anfing zu weinen.

Er wusste, dass wenn er einen Laut von sich geben würde, der Teufel ihn finde würde. 

Ein Teufel, das war er. So hatten Mommy und er, ihn getauft.

Er presste seine kleinen, fünfjährigen Finger auf seinen Mund und erstickte seine Schluchzer. 

"DOCH DAS WERDE ICH!" 

Erschrocken riss er seinen kleinen Mund auf, als die Stimme seiner Mommy laut durch die Küche schrie. 

„UND DANN WIRST DU IHN NIE WIEDER SEHEN, DU BASTARD!" 

Es dauerte nicht lange, bis ein lautes Krachen durch den Raum dröhnte. Ein qualvoller Schrei drang durch die Küche, gefolgt von einem dumpfen Pochen. Er schloss seine Augen und konzentrierte sich auf das Pochen, versuchte die Schreie seiner Mutter auszublenden. Eins, Zwei, Drei.... Er wusste, dass es bald vorbei sein würde. Dass der Teufel irgendwann genug davon hatte. Zehn, Elf .. Ein ersticktes, gurgelndes Geräusch drang durch die Küche, gefolgt von einem lauten Aufprall. Das Pochen hallte immer noch durch die Küche. Er war inzwischen bei einer Zahl angekommen, die er nicht mehr kannte. Seine Mommy hatte ihm nur beigebracht bis dreißig zu zählen. Er presste seine kleinen Hände an seine Ohren und wiegte seinen Körper sacht vor und zurück. Ein letztes pochendes Geräusch drang durch die Küche. Und dann Stille. 

Er lauschte auf die Schritte des Teufels, die sich langsam von der Küche entfernten. Er wusste, dass er noch ein wenig warten musste, bis er unter der Spüle hervorkommen konnte. Wenn Mommy Glück hatte, würde er nur vier mal blaue Kreise zählen. Letzte Woche hatte er ganze acht blaue Kreise bei Mommy gezählt und fünf Kreise bei ihm. 

Sein kleiner Körper zitterte, während er wartete. Nachdem er sich sicher war, dass der Teufel eingeschlafen war, wie er es immer tat, öffnete er mit seinen kleinen Händen die Tür der Spüle. Seine Füße kamen in einer komischen dunkelroten Pfütze auf. Sein kleines Herz, pochte ängstlich in seinen Ohren, als er einen zittrigen Schritt nach vorne machte. Er rief leise nach seiner Mommy. Doch es kam keine Antwort. 

Sein kleines Herz pochte laut in seiner Brust, als er ein paar weitere Schritte über den dunkelroten Boden lief. Und dann sah er sie. Sie lag auf dem Boden und sah aus als ob sie schlief. Mommy hatte ihm jedoch erklärt das Menschen nur nachts, wenn es dunkel war schlafen würden. Und Mommy hatte die Augen auf. Das taten Menschen auch nicht, wenn sie schliefen. Er war sich sicher, dass sie ein Spiel mit ihm spielen wollte, um ihn aufzuheitern, weil er ihr wehgetan hatte. Mit einem Lachen auf dem Gesicht rannte er zu seiner Mutter. Er wollte das neue Spiel auf alle Fälle ausprobieren. Spielen machte mit Mommy immer Spaß. Seine kleine Hand wanderte zu ihrer, die lustig an ihrem Körper hing. 

„Mommy, du frierst ja." ,gab er von sich, weil ihre Hand ganz kalt war. 

Er trat einen Schritt zurück und schaute auf den Körper seiner Mommy, der ebenfalls mit der dunkelroten Farbe beschmiert war. 

„Mommy, warum hast du dich, denn mit dieser roten, lustigen Farbe angemalt?"

Und dann blieben plötzlich seine Augen an etwas hängen. Etwas Silbernes, Scharfes. Ein lauter, schriller Schrei drang aus seinem Mund, als er auf den blassen Brustkorb seiner Mommy starrte, in dem sich die spitze Klinge eines Messers befand. Er fing an zu weinen, als er sich auf seine Mommy stürzte. Seine kleinen Finger griffen nach dem Messer. Seine Mutter hatte ihm verboten mit Messern zu spielen. Sie waren gefährlich, hatte sie gesagt. 

Warum hatte seine Mutter, nur mit etwas Gefährlichem wie einem Messer gespielt? 

Mit seiner ganzen Kraft versuchte er das Messer wieder herauszuziehen, doch er war leider zu klein und zu schwach. Die Tränen kullerten nun unentwegt sein Gesicht herunter, laute Schluchzer drangen aus seinem Mund. Auf dem Weg musste er seinen Plüschhasen verloren haben. Er wusste, dass seine Mommy nicht mehr atmete. Ein ekeliges Gefühl breitete sich in seinem Mund aus und er fühlte sich, als ob er brechen müsste. 

„ So, so , so . Da ist der kleine Bastard ja!" 

Eine schneidene Stimme ließ die Angst in ihm hochkriechen. Er spürte, wie ein Schwall Nässe erneut durch seine Hose drang, als er sich umdrehte und in die eiskalten, dunklen Augen, seines Vaters blickte.

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Dieses Kapitel war alles Andere als einfach zu schreiben. Es hat mir wirklich das Herz zerrissen und selbst, wenn ich es jetzt noch lese, könnte ich weinen. 

Es ist jedoch Teil der Geschichte. 

Ich hoffe es gefällt euch!:) 

Es würde mich freuen, wenn ihr eure Meinungen mit mir teilt :D 


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