Kapitel 2



Liebe ist alles was man im Leben braucht. Zumindest hatten mich dies meine Eltern gelehrt. Zu lieben und geliebt zu werden, das war doch der Kern des Lebens.

Oder etwa nicht?

Doch manchmal entglitt einem die Liebe, wie ein Sandkorn im Wind und ließ das eigene Leben in Scherben zurück.

Der Moment in dem mein Leben in Scherben zerbrach, war der Tag an dem ich meine Jugendliebe Drew im Bett mit einer anderen Frau erwischte. Ich wusste, dass ich hätte schreien können, dass ich in Tränen hätte ausbrechen können, doch alles was ich konnte war auf die langen Beine der Brünetten zu starren, die sich um meinen Freund schlangen. Mein 24 jähriges Leben lag in Trümmern vor mir. Ich hatte alles für ihn aufgegeben. Meine Familie, meinen Job, meine Freunde. Denn was brauchte ich meine Freunde und meine Familie, wenn er bis jetzt All dies für mich gewesen war? Mein Herz zerbrach in diesem Moment. Nicht in zwei Teile, nicht drei und auch nicht in vier Teile, sondern in eine Millionen Scherben. Ein erschrockener, gequälter Laut verließ schließlich doch meinen Mund, als ich zurück stolperte. Meine Beine gaben unter mir nach, sodass ich auf dem Boden landete. Das Geräusch ließ die beiden Auseinanderfahren. 

" Ella?" Drews Stimme klang erschrocken. 

Seine dunklen Haare standen wild von seinem Kopf ab. Die Haare, die zuvor nur mir gehört hatten. Tränen stiegen in meine Augen. 

" Oh Gott, Ella! Es ist nicht das wonach es aussieht!" Meine Lippen fingen an zu zittern, beim Klang seiner Stimme.

 Wie dumm musste ich gewesen sein? Mit meinen Händen stemmte ich mich hoch und rannte durch den Flur in Richtung Wohnungstür. Tränen verschleierten mein Gesicht, als Drews laute Stimme immer wieder nach mir rief. 

" Ella! Bleib stehen! Es ist nicht das wonach es aussieht, du musst mir glauben, ich liebe dich!" mit letzter Kraft riss ich die Haustür auf und stolperte die Treppen, die mich aus dem Treppenhaus führten, hinunter. 

Er liebte mich? Ein Schluchzer drang aus meiner Kehle. Drew. Ich konnte es nicht fassen. Mein Drew. Mein Herz zog sich zusammen, als ich an all die glücklichen Tage mit ihm zurückdachte. An den Tag, an dem ich ihn das erste Mal geküsst hatte. Ich war gerade einmal 14 Jahre alt gewesen. Seit dem waren wir ein Paar. 10 Jahre lang. Und er hatte es einfach so weggeworfen.

Ein Schluchzer drang aus meiner Kehle, als ich am Ende unserer Straße abbog. Ich hatte mein ganzes Leben für ihn aufgegeben. Hatte das Herz meiner Eltern gebrochen, als ich von Toronto nach Edinburgh mit ihm gezogen war. Wegen diesem bekloppten Rugbyverein. Der Heriots RFC. Sie hatten ihm einen Job angeboten. Und Drew hatte natürlich sofort zugesagt, denn Rugby war all das was er liebte. Neben mir natürlich. Nur leider war, dass nur ein Wunschdenken gewesen. Mein Herz krampfte sich zusammen, als ich mich mit einer Hand atemlos an einer Laterne festhielt.  Warum war ich auch früher nach Hause gekommen? Warum war ich nicht noch im Shoppingcenter geblieben? Warum? Mein ganzer Körper zitterte und ich spürte, wie mir Übel wurde. Meine Eltern durften niemals davon erfahren. Schon gar nicht mein Vater, der sich vermutlich in den ersten Flieger setzen würde um Drew grün und blau zu schlagen. Und auf garkeinen Fall durfte es mein Bruder Luke erfahren. Denn der würde ganz sicherlich ausrasten.

Ich holte einmal tief Luft und schloss die Augen, bevor ich mich von der Laterne abstieß und weiterlief. Über mir dämmerte es schon und ich wusste nicht wie lange ich durch die kühle Herbstluft wanderte. Ich kannte mich in Edinburgh nicht aus. Wir waren gerade erst zwei Wochen hier. Zwei Wochen hatte es nur gedauert, bis mein ganzes Leben in Scherben unter mir zerbrach. Zwei Wochen in denen ich Drew zu langweilig geworden war. Tränen füllten erneut meine Augen, als ich an der nächsten Straßenkreuzung abbog. Plötzlich hielt ich inne, als ich ein kleines Leuchtschild vor mir entdeckte. " Joeys Pub." sprang mir in leuchtenden Buchstaben entgegen. 

Ich war nie eine große Trinkerin gewesen. Ein Glas Sekt an Silvester und dann wars das. Doch dieses Mal hatte ich das Bedürfnis, meinen Kummer wegen Drew zu ertränken. Mit beiden Händen stieß ich die schwere Holztür des Pubs auf. Warme Luft kam mir entgegen und als ich einen Fuß in den Pub setzte , hatte ich das Gefühl, dass mich gefühlt fünfzig Augenpaare anstarrten. In meinen weißen Converse und meinem geblümten, langärmeligen Kleid, das ich von zu Hause mitgebracht hatte, lief ich auf den Tresen zu und glitt auf einen der abgewetzten braunen Barhocker, neben einen Kerl, der so betrunken war, dass sein Kopf schon halb in seinem Glas lag.

 " Hi, Schatz, was kann ich dir bringen?" der rothaarige Barmann lächelte mir zu, als ich einen Finger in die Höhe hielt und ausrief. " Einen doppelten Whisky bitte!"

Mein Kopf dröhnte, als ich von meinem Glas hochblickte.

 "Und dann hat er gesagt, dass ich seine große Liebe sei und hat mir diesen Ring gegeben." meine Stimme lallte, als ich meine rechte Hand mit dem Finger in die Höhe hielt an der der Ring sich befand. 

" Ich weiß Schatz. Das hast du mir in der letzten halbe Stunde jetzt zum dritten Mal erzählt." der Barmann fuhr mit einem nassen Tuch über den Tresen und drehte die einzelnen Hocker um, so dass sie auf dem Tresen standen. 

"Schatz ich würde dir ja noch gerne weiter zuhören, aber wir schließen jetzt. Hast du jemanden, der dich abholt, oder soll ich ein Taxi für dich rufen?" 


Taxi? Mein Kopf drehte sich, als ich den letzten Schluck Whisky in meinem Glas hinunterkippte. Nein ich brauchte kein Taxi. Ich schüttelte den Kopf, gleichzeitig kicherte ich. 

" Nein du Dummi, mich holt doch mein neuer Freund ab" der Barmann zog eine Augenbraue hoch und schaute mich skeptisch über den Tresen hinweg an.

 "Dein neuer Freund?" ich zuckte zusammen. 

Warum musste er so laut reden? 

" Ja" ein Lallen verließ meinen Mund, gleichzeitig nickte ich. "Um genauer zu sein, wartet er schon draußen auf mich" ich war froh, dass ich einen sinnvollen Satz über meine Lippen gebracht hatte, obwohl das draußen sich eher wie drauschen anhörte. 

Der Barmann zuckte bei meinen Worten mit seinen Schultern. 

"Okay". Ich sprang von meinem Barhocker, torkelte für einen kurzen Moment, bevor ich nach meiner Handtasche griff.


 "Es war schön dich kennenzulernen Ian" lallte ich, bevor ich taumelnd aus der Bar stolperte. 

Die Kälte draußen drang bis durch meine Strumpfhose, als ich in meinen weißen Converse den Bürgersteig entlangstolperte. Mein Kopf drehte sich und mein Körper fühlte sich so unglaublich warm an. An der nächsten Kreuzung torkelte ich links in eine dunkle Straße ab. Bäume warfen Schatten auf den Bürgersteig, die Lichter der Laternen brannten schwach im Mondlicht. Ich wusste nicht wo ich war. Aber ich war so unglaublich müde. Und zu Drew konnte ich auch nicht wieder zurück. Drew. Ein Stich durchzog mein Herz, ein gequälter Laut kam aus meinem Mund, als ich mich an der nächsten Häuserwand heruntergleiten ließ und auf dem kalten Boden aufkam. Die Überreste des Whiskys vernebelten mir mein Gehirn, als ich mit einer Hand den Ring, den Drew mir gegeben hatte von meinem Finger zog und ihn im hohen Bogen auf die Straße vor mir warf. 

" Scheiß auf deine Liebe!" lallte ich laut durch die Nacht, das Klirren des Ringes dröhnte durch die leise Straße. 

Tränen stiegen erneut in meine Augen, als ich meinen Kopf auf meinen Händen aufkommen ließ, der Whisky pochte immer noch in meinem Kopf. Warum hatte ich meinen Kummer auch versucht in Whisky zu ertränken? Ein Stöhnen verließ meinen Mund.  Bevor du etwas tust Ella, denk immer ein zweites Mal darüber nach. schallte die Stimme meiner Mutter in meinem Kopf. Ich hätte auf sie hören sollen.

Ich wusste nicht, wie lange ich dort saß, aber mein Körper hatte inzwischen angefangen zu zittern meine Unterlippe, bebte, während ich meine eiskalten Finger in meiner Handtasche versuchte zu wärmen. Mein Kopf pochte nun, als ob sich ein Vorschlaghammer an ihm ausließ. Mein Handy, dass ich vor einer geraumen Zeit ausgestellt hatte, lag an meinen Händen, während ich betete, dass sich der Schlaf über mich senken würde, ich aufwachen würde und das sich alles nur als ein dummer Alptraum herausstellen würde. 

"Hey! Du da! Alles gut mit dir?" ,erschrocken riss ich meinen Kopf hoch und blickte auf eine große dunkle Gestalt, die sich keine fünf Meter vor mir befand. 

Eine Gestalt, die nun näher zu kommen schien. Angst schnürte mir die Kehle zusammen, meine Augen weit aufgerissen, als ich versuchte ein Stück zurück zu rutschen. Allerdings befand ich mich bereits am Ende der Wand. Im Schein der Laterne konnte ich erkennen, dass es ein Mann war. Er trug eine Sporthose und einen hellgrauen Kapuzenpullover. Sein Gesicht konnte ich nicht erkennen, da er die Kapuze seines Pullovers tief in sein Gesicht gezogen hatte. Als er näher kam, hörte ich aggressive Rapmusik aus seinen Kopfhörern dringen. 

"Ich, ich ich brauch keine Hilfe", lallte meine Stimme, durchsetzt voller Angst. 

"Gib mir dein Handy" befahl er mir mit schneidender Stimme, als er vor mir zum Stehen kam, seine Hand ausgestreckt. 

"Ich rufe deinen Freund a" bei seinen Worte trat ein Schluchzer aus meinem Mund, meine Unterlippe zitterte.

"Ich ..ich hab kei...kei..keinen Freund", meine Stimme war eine Mischung aus einem Lallen und einem Schluchzen. Ich hörte ihn genervt aufseufzen. 

"Dann eben eine deiner Freundinnen", blaffte er während er immer noch seine Hand vor mir ausgestreckt hatte. 

Vertrau niemals fremden Leuten, Ella Prinzessin, hast du mich gehört? 

Die Stimme meines Vaters drang durch meine Gedanken. Panisch rappelte ich mich auf meine Beine auf und lief mit meiner Handtasche ein Stück nach hinten. Seine Augen waren dunkel. Soviel konnte ich in der Dunkelheit sehen. Mit einem Schritt stolperte ich nach hinten, meine Tasche fiel aus meiner Hand und der ganze Inhalt breitete sich auf dem Bordstein aus. Mist! Ich torkelte zur Seite und hielt mich an der Wand fest. Ich musste meine Sachen zusammensuchen und hier schnell verschwinden. Doch bevor ich mich überhaupt bücken konnte, schnellte eine Hand nach vorne und hielt mich am Arm fest. 

"Sag mir einfach wen ich anrufen soll", seine Stimme klang jetzt wütend, mein ganzer Körper zitterte, als sich sein Arm, wie ein Schraubstock um mein Handgelenk bohrte.

 " Ich.."meine Stimme versagte, meine Lippen fingen an zu beben, als ich in seine dunklen Augen schaute. "Ich hab niemanden den ich anrufen kann "meine weinerliche Stimme war mit einem Lallen durchzogen. "Mein .. mein Freund.. er er..." 

"Okay, Okay"  unterbrach mich seine Stimme schroff. "Ich will davon nichts hören okay?" mit einer Hand fuhr er sich über seine Kapuze. " Anscheinend scheinst du keinen Freund zu haben. Dann sag mir die Nummer von deinen Freunden!" 

Ich schüttelte wieder den Kopf

 " Ich.. ich hab auch keine Freunde" 

Genervt seufzte er auf "Das ist jetzt kein Spaß, kanadisches Mädchen! Gib mir die Nummer, von einem deiner Freunde, bevor ich es mir anders überlege und abhaue!", seine Stimme bellte jetzt beinahe durch die verlassene Straße und ich zuckte zusammen.

 "Ich... ich ich hab keine Freunde, ich..." 

"Verdammt noch Mal" rief der Fremde aus, ließ meinen Arm los und bückte sich vor mir, um auf dem Boden nach meinem Handy zu greifen. 

Panik wallte in mir auf, als er nach meinem Handy griff. Doch dann fiel mir ein, dass ich es ja ausgeschaltet hatte. 

" Mach das Ding an", herrschte er mich an, während er mir das Handy in die Hand drückte. "Na los! Wirds bald?" 

Tränen stiegen in meine Augen, mein Kopf pochte immer noch, als ich mit zittrigen Fingern mein Handy anschalte. 

"Geht doch" er riss mir das Handy aus der Hand und durchsuchte mein Telefonbuch. Obwohl es da nicht viel zu durchsuchen gab. Die einzigen Nummern, die ich in meinem Handy gespeichert hatte, waren : Mom, Dad, Drew, Luke, Tante Amber und Onkel Chris.

"Mhhhm wie wäre es mit Luke? Oder doch lieber Drew", mein ganzer Körper versteifte sich, als ich seinen Namen hörte. 

"Nein" rief ich panisch aus, meine Stimme klang jetzt vollkommen nüchtern. " Bitte. Auf garkeinen Fall Drew." 

"Okay dann also Luke", er wandte sich wieder dem Telefon zu. 

Ich schüttelte panisch den Kopf. "Nein" meine Stimme klang zittrig. 

Er hob seinen Kopf und schaute mich mit wütenden Augen an. 

"Hör mir zu! Ich hab keinen Bock auf deine dummen Spielchen, sag mir jetzt wen ich anrufen soll! Sonst ruf ich die Polizei an und die können sich mit dir rumschlagen. Ich glaub nicht, dass sie es toll finden würden, wenn ein minderjähriges Mädchen so zugedröhnt wie du auf der Straße hockt!", seine Stimme klang schroff.

 "Ich .. ich bin nicht minderjährig", stammelte ich, gleichzeitig rang ich nach Luft. Ich wusste, dass ich jünger aussah, als ich eigentlich war. Die Tatsache, dass ich mich heute nicht geschminkt hatte, steuerte nur noch dazu bei, dass ich noch jünger aussah, als gewöhnlich.

"Mein... mein Freund...", ich schluckte, während meine Lippe zitterte. "Er .. er hat mich betrogen und jetzt weiß ich nicht wohin" 

"Hast du keine Freundin wo du hin kannst" bei seiner schroffen Stimme, stiegen mir die Tränen in die Augen. 

Seine dunklen Augen bohrten sich eiskalt in meine. Ein Angstschauer lief über meinen Rücken. Noch nie hatte ein Mann so mit mir geredet. Nicht mein Vater. Nicht Onkel Chris und schon gar nicht erst Drew.

"Nein. ..ich ...ich hab keine Freundinnen" 

Tränen liefen mir nun das Gesicht herunter. 

"Drew... ." es war immer noch zu schwer seinen Namen auszusprechen. "Drew und ich sind erst vor zwei Wochen hierhin gezogen. Ich..ich kenne niemanden", flüsterte ich.

 Ein genervtes Seufzen drang aus seiner Kehle. " Wenn du mich verarschen solltest Kleine." mit seinem Zeigefinger deutete er auf mich 

"Dann wird dir das gewaltig leid tun! Hast du mich verstanden?", seine Stimme klang kalt, sein schottischer Akzent verlieh den Worten noch mehr Härte, als sie sowieso schon hatten, während er mit seiner freien Hand in den Taschen seines Kapuzenpullis rumkramte und ein Handy hervorzückte.

 Dann tippte er eine Nummer in sein Handy, zog sich in der selben Bewegung seine Kapuze vom Kopf und hielt das Telefon ans Ohr.  

" Boyd!"  blaffte er nach ein paar Sekunden ins Telefon " Fünfzehn Minuten. Im Steels" und dann legte er einfach so wieder auf. 

Ich schluckte, als ich auf das Tattoo starrte, das sich seinen kompletten Hals hinaufschlängelte. Seine kalten, dunklen Augen bohrten sich in meine. Ich wollte nicht mit ihm gehen. Angst durchdrang meinen Körper, als mir erst jetzt klar wurde, dass ich mich auf einer verlassenen Straße mit einem Typen befand, der mit seinem kurzrasierten dunkelblondem Haar aussah, als ob er frisch aus dem Gefängnis geflüchtet war. 

"Na los, beeil dich! Wir haben nicht ewig Zeit!", riss mich seine Stimme aus meinen Gedanken. Ich zuckte zusammen und starrte ihn mit offenem Mund an. 

"Okay. Du kannst natürlich auch warten, bis dein kostbarer Drew, dich irgendwann hier abholt" er zuckte mit den Schultern, als er sich zum Gehen umdrehte. 

"Warte", meine krächzende Stimme drang durch die verlassene Gasse. Ich konnte nicht glauben, was ich hier tat. Ich konnte nicht glauben, dass ich ernsthaft mit einem fremden Mann mitging. Aber was hätte ich auch anderes tun sollen?

"Ich.. ich komme mit"

 Er blieb abrupt stehen und drehte sich langsam zu mir um. 

"Aber.. ich muss erst all diesen Kram hier aufheben" ich deutete auf den Boden, ging in die Hocke und fing meine Sachen, alle nach der Reihe an aufzusammeln. 

Als ich all meine Sachen verstaut hatte, richtete ich mich auf meinen wackeligen Beinen wieder auf. Der Alkohol schien fast komplett verpufft zu sein. Anstelle dessen befand sich nun pures Adrenalin. 

"Hier" unterbrach mich plötzlich seine schroffe Stimme, als mir seine Hand meinen Personalausweis entgegenstreckte. 

"Den hast du vergessen, Taylor "meine Hände zitterten, als ich unter seinem eiskalten Blick, den Personalausweis entgegennahm.

 "Und jetzt komm!",  befahl er mir mit schneidender Stimme, als er vorauslief, seine Beine so lang, dass ich mehrere Schritte machen musste, um mit ihm mitzuhalten. 

"Und wehe du heulst mich wieder mit deinem Freund voll. Ich will nichts davon hören, kapiert?" ich schluckte die Tränen herunter, bevor ich langsam nickte.


Nach ein paar Minuten kamen wir an einem Park vorbei, der völlig im Dunkeln lag. Der Fremde schien sich aber perfekt in dem Park auszukennen. Mit Angst in der Kehle folgte ich ihm, meine Converse knacksten unter mir. Das einzige Geräusch um uns herum, die Rapmusik, die aggressiv aus seinen Kopfhörern drang. Am liebsten hätte ich ihn angeschrien, dass er die Musik ausmachen sollte, so stark dröhnte mein Kopf. Und außerdem hasste ich Rapmusik. Konnte er nicht etwas von meinem geliebten Justin spielen, damit ich mich wenigstens ein bisschen wohler fühlte? Als wir endlich das Ende des Parks erreicht hatten, lichteten sich die Bäume und ein großer Platz kam zum Vorschein. 

Vor uns erstreckte sich eine riesige Lagerhalle mit einem großen Schriftzug drauf. "Steels" las ich, während der Fremde auf den Eingang zu steuerte. Er riss die Tür auf und ich folgte ihm auf dem Fuß. Mein Körper zitterte inzwischen vor Kälte und ich war erleichtert, als wir die warme Lagerhalle betraten. Eine Welle von Testosteron überwallte mich, als ich einen weiteren Schritt nach vorne machte, meine Augen auf das Szenario vor mir gerichtet. Es war keine einfache Lagerhalle, sondern ein Boxclub. In der Mitte der Halle befand sich ein Boxring, in dem gerade zwei große, bulkige Männer mit Fäusten aufeinander einrasselten, an der Seite standen verschieden Geräte mit Gewichten. Der Raum war voll mit Männern und ich war das einzige Mädchen darin. Ein paar gierige Augenpaare hefteten sich auf mich. Ich zuckte zusammen und fühlte mich sichtlich unwohl in meinem Kleid, obwohl ich noch eine Strumpfhose trug. 

" Macaulay! Wo hast du die Kleine, denn aufgegabelt? Ich wusste gar nicht, dass du neuerdings unter die Kinderbetreuung gegangen bist", eine laute, männliche Stimme durchdrang meine Gedanken, als ein großer, sportlicher Mann mit schwarzem Haar und grünen Augen auf uns zu kam. Er hatte ein neckisches Grinsen auf seinem Gesicht.

"Halt die Fresse, Boyd! Schick sie einfach in Zimmer 14 und sag den Jungs, dass sie sich von ihr fernhalten sollen. Ich will nicht schon wieder Stress mit der Polizei!" 

"Ay", hörte ich den Mann namens Boyd sagen, bevor sich der Fremde umdrehte, die Lagerhalle verließ und mich mit ihm zurückließ. Panik durchfuhr mich, als ich merkte, dass ich nun alleine mit diesem anderen Mann war. In einer Lagerhalle voller Männer.

 "Dich hat er also auf der Straße aufgegabelt", ertönte plötzlich eine Stimme neben mir. 

Sein Blick wanderte über mich und blieb an meinem Kleid hängen. Er zog eine seiner dunklen Augenbrauen hoch. 

"Siehst gar nicht aus, wie ein Mädchen von der Straße",  er klang verwundert, während er mit einer Hand über sein Kinn rieb. 

" Eher, wie dieses Mädchen aus diesem scheiß Film, wo sie immer singen und tanzen."

 Bei seinen schroffen Worten zuckte ich zusammen. 

"Ich bin übrigens Boyd. Aber du kannst mich Aiden nennen", er streckte mir seine große Hand entgegen, sein Gesicht verzog keine Miene.  

"Ella. Ella Taylor", stammelte ich mich zittriger Stimme, als ich ihm die Hand reichte. 

"Also gut, Ella. Ich zeig dir am besten dein Zimmer für heute Nacht. Es ist nicht groß, aber ich schätze es reicht zum Schlafen",   er zuckte mit seinen Schultern, als er nach meinem Arm griff und mich mit sich zog, in einen Gang, der zu den Umkleidekabinen und Büros führen musste. 

Am Ende des Ganges befand sich jedoch ein Zimmer auf dem die Nummer 14 stand. Aiden drückte die Klinke herunter und schaltete das Licht an. Es war ein kleiner Abstellraum, an den Seiten befanden sich kaputte Geräte, ein abgenutzter Tisch stand am Fenster, daneben ein Kühlschrank. 

"Hinter der Tür ist eine Matratze. Eine Decke ist in einem dieser Schränke" wies mich Aiden an. 

 "Kommst du klar?, " ich schluckte den Kloß in meinem Hals herunter, während ich nickte. 

Das war also mein Schlafplatz für die nächsten Tage. Für die Tage, bis ich etwas anderes gefunden hatte. 

"Ja." stieß ich mit zittriger Stimme aus. 

" Gut" hörte ich Aidens Stimme hinter mir ertönen, bevor die Tür hinter ihm ins Schloss fiel.


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