6. Kapitel
Die Zeit des Fluges vergeht schnell, aber in Anbetracht der Tatsache, dass ich mich weiterhin viel mit Lottie unterhalte, ist es wohl weniger erstaunlich, dass wir überrascht auf Anschnallzeichen blicken, die über uns gerade mit einem Piep-Ton nun wieder erleuchtet sind. Kurz darauf ertönt auch schon die Ansage, dass der Pilot zum Landeanflug angesetzt hat. Ich versuche einen Blick durch das kleine Fenster zu erhaschen, aber ich sehe nichts. Nur das Weiß der Wolken, durch die wir gerade fliegen.
„Kaugummi?" fragt Lottie und hält mir die offene Packung hin. Dankend nehme ich eins heraus und stecke es mir in den Mund. Es ist Pfefferminz. Ich mag diesen Geschmack eigentlich nicht sonderlich, aber gerade ist es mir egal; er wird sowieso gleich weg sein.
Außerdem konzentriere ich mich gerade auf meine Atmung. Ich hasse die Landungen. Ich hasse es, diesen Druck auf den Ohren zu bekommen und ich hasse es, dass der Pilot dann meistens noch eine Kurve fliegt. Ich finde es absolut scheiße, um es klar auszudrücken.
Deswegen versuche ich meine Gedanken auf etwas anderes zu lenken.
„Alles okay?" fragt Lottie nach kaum fünf Minuten, in denen ich einfach geschwiegen habe.
Ich nicke nur und erkläre etwas gezwungen. „Ich hasse es, wenn man landet."
„Ich auch, aber denk' nicht daran." antwortet sie aufmunternd. „Denke lieber daran, wohin wir fliegen und wo wir gleich sein werden. Ich meine es ist doch toll, endlich wieder am Meer zu sein!" sagt sie und ich nicke, stimme ihr leise zu.
Ja, sie hat recht. Ich denke zwar, es dauert etwas, bis ich das scheinbar unendliche Blau wieder sehe, aber ich freue mich darauf, endlich bald wieder die Meeresluft einzuatmen. Ich weiß nicht, ich finde die Luft am Meer hat einfach einen bestimmten Geruch. Es mag jetzt verrückt klingen, aber bevor ich das Meer sehe, rieche ich es und ich höre die Wellen. Erst dann weiß ich, ich bin wirklich im Urlaub angekommen.
Ich liebe das Meer einfach. Natürlich weiß ich, dass es unberechenbar ist, aber ich denke, d'genau daher sollte man ihm einfach Respekt zollen. Mir ist bewusst, dass es möglicher Weise etwas dumm klingt, aber ich denke nun einmal so. Genau daher verstehe ich nicht, wie Menschen einfach ihren Müll dort hinein werfen können. Man sollte sie alle einfach wegsperren. Klingt jetzt vielleicht ziemlich extrem, aber warum nicht. Ich meine, es schützt unseren Planeten. Das Meer ist mit das wunderschönste, was wir auf der Welt haben und gleichzeitig machen wir es einfach kaputt. Außerdem beschweren wir uns dann, wenn genau durch das mehr Katastrophen geschehen. Selbst verständlich ist es schlimm, wenn dabei jemand zu Schaden kommt, aber ansonsten denke ich, dass sich das Meer einfach nur das zurück holt, was ihm zusteht.
Aber ich werde aus meinen Gedanken gerissen, als Lottie mich antippt. „Harry, schau! Wir sind da!" sagt sie und ich sehe aus dem Fenster. Wirklich viel kann ich nicht sehen, da ich nun einmal am Gang sitze, aber ich sehe genug, um sagen zu können, dass die Rollbahn nicht mehr weit unter uns ist.
Da setzen wir auch schon auf und ich merke, wie der Pilot das Flugzeug abbremst.
„Welche Kabine hat deine Familie und du?" will Lottie wissen, aber ich muss ihr ehrlich antworten „Weiß ich nicht genau. Aber ich bin sicher, wir finden uns auf dem Schiff schon wieder."
„Gut." sagt sie optimistisch und packt ihren Kram zusammen. Ich tue es ihr gleich und das Flugzeug kommt zum stehen.
Wir warten etwas, bis wir das Flugzeug verlassen können. Lottie und ich verlieren uns aus den Augen, als sie zu ihrer und ich wieder zu meiner Familie gehe.
Glücklicher Weise hat Gemma davon nichts mitbekommen, denn ich bin mir sicher, dass ihre Gedanken schon irgendetwas verrücktes ausgeklügelt hätten.
Etwa eine halbe Stunde später sind wir durch alle Kontrollen und stehen am Kofferband. Natürlich dauert es wieder eine gefühlte Ewigkeit, bis es sich beginnt zu bewegen, Noch dazu ist es ziemlich frisch hier drin. Ich denke, dies ist der Klimaanlage zu verdanken und sobald wir das Gebäude verlassen erwartet uns erst-einmal ein ziemlicher Schock. Aber was soll's.
Gemma hat sich derweilen auf den Boden gesetzt und hört gelangweilt Musik. Aber da rollen die ersten Koffer über das Band und ich ziehe sie etwas unvorsichtig wieder auf ihre Beine. Sie sieht mich erst erschrocken, dann mahnend an, aber ich verdrehe nur die Augen.
Die packt in aller Ruhe ihr Handy und ihrer Kopfhörer wieder weg und merkt anscheinend nicht, dass ihr Koffer gerade auf uns zu rollt.
Also nehme ich ihn kurzerhand vom Band und lasse ihn vor ihren Füßen fallen. Erst ist sie etwas überrascht, aber dann grinst sie und sagt ganz freundlich „Danke, Harry." Dann geht sie etwas aus der Menschenmasse heraus und setzt sich auf ihren Koffer. Es dauert nicht lange, bis auch Mum's Koffer da ist und diese sich zu meiner Schwester gesellt.
„Sorry, ich müsste da mal dran!" sagt plötzlich jemand hinter mir und ich gehe etwas erschrocken einen Schritt zur Seite. Schnell nimmt der Unbekannte einen gerade vorbei rollenden Koffer vom Band und lässt ihn neben mir fallen.
Erst da sehe ich ihn kurz an. Seine Haare waren wohl mal gestylt, aber jetzt liegen sie wild auf seinem Kopf herum. Ich mustere ihn schnell und sehe, dass er ebenso, wie ich, eine Jogginghose trägt. Doch ihm scheint das viel besser zu stehen. Er lächelt etwas und ist scheinbar im gleichen Augenblick wieder verschwunden. Doch alles was mir gerade dazu einfällt, ist dass sein Lächeln unglaublich schön ist.
Ich schüttle meinen Kopf und auch dann ist mein Koffer da. Schnell greife ich ihn mir und gehe zu Gemma und Mum. Es ist unwichtig. Dass kann immer mal passieren, also warum mache ich mir darüber so viele Gedanken.
Ich versuche genau diese aus meinem Kopf zu drängen. Erst will es nicht ganz klappen, aber als mir die brütende Hitze entgegen schlägt, sind meine Gedanken doch davon ab gewichen, denn nun müssen wir unseren Transfer finden. Jedenfalls nachdem wir etwas getrunken haben, doch da reicht Gemma mir schon eine Flasche Wasser, welche zu meinem Erstaunen sogar kalt ist.
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