-7- Musikerhände
„Sag mal, was ist eigentlich bei dir und Joelle los? Es scheint als hättet ihr den grössten Ehekrach aller Zeiten." Wir haben unsere Schuhe ausgezogen und laufen durch den nassen Sand. Paddy hält in einer Hand seine Schuhe, die andere hat er in der Hosentasche vergraben und schaut auf den Boden. „Wir hatten immer mal wieder solche Phasen. Das Problem ist, dass man als Musiker eben oft unterwegs ist. Joelle arbeitet ja selbst und kann mich daher nicht so oft begleiten und so bleibt die Beziehung eben manchmal auf der Strecke. Ich gebe mir ja wirklich Mühe aber seit meine ID-Tour los ging ist es noch schwieriger." Ich lasse Paddy sprechen, denn ich merke, dass er es sich wohl einfach von der Seele reden muss. „Joelle und ich kennen uns ja schon ewig und nach meiner Klosterzeit war sie die einzige Frau mit der ich Zeit verbringen wollte. Sie war also schon an meiner Seite als ich noch keinen Erfolg hatte." „Und warum streitet ihr euch dann? Eigentlich müsstet ihr doch die gemeinsame Zeit hier gerade umso mehr geniessen." „Wir sind beides Dickköpfe. Ich kann einfach nicht den ganzen Tag stillsitzen. Ich muss irgendetwas tun. Joelle hingegen würde einfach gerne den ganzen Tag mit mir am Pool liegen. Ich kann sie auch verstehen aber ich bin einfach ein Arbeitstier und das tut mir ja auch leid. Sie hatte sich so auf diesen Urlaub gefreut."
Ich hake mich bei ihm ein. „Naja so schlimm ist das doch auch wieder nicht. Ihr habt anscheinend schon so viel zusammen erlebt, das schweisst doch zusammen. Da sollte doch so ein Urlaub nicht alles kaputt machen. Ich meine wir sind ja hier schliesslich nur auf den Malediven." Ich strecke meinen Arm aus und drehe mich mit Paddy einmal im Kreis herum. Er schmunzelt. „Du hast ja recht. Ich werde nachher mit Joelle sprechen." „Du solltest dich bei ihr entschuldigen. Das was du im Restaurant zu ihr gesagt hast war nicht sehr nett." Er bleibt stehen. „Echt? So schlimm?" Ich lasse seinen Arm los. „Hättest du sowas zu mir gesagt, wäre ich sofort aufgestanden und gegangen. Vielleicht hätte ich dir sogar noch eine gescheuert. Das war echt mies. Ich denke sie leidet darunter, dass sie dich so wenig sieht. Ich an ihrer Stelle würde sehr darunter leiden." Er beginnt mit seinem Fuss Muster in den nassen Sand zu malen. „Sie sagt immer es sei für sie in Ordnung."
Das Meer schwappt über unsere Füsse und wischt Paddys Malereien immer wieder weg. Ich hebe eine Muschel auf, die mir gerade vor die Füsse gespült wurde. „Und für dich?", hake ich nach. „Ich hätte sie gerne öfter auf Tour dabei. Die Weiber interessieren mich doch alle gar nicht." „Dann solltest du ihr das genau so sagen. Mensch, ihr kennt euch doch schon so lange, das wird schon wieder." Ich boxe ihm in die Seite. Er legt seinen Arm um meine Schulter und zieht mich in Richtung Bar. „Lass uns nicht mehr darüber sprechen. Ich gehe nachher zu ihr und entschuldige mich."
„Einen Piña Colada für mich und einen...", er schaut mich fragend an. „...Sex on the Beach", ergänze ich Paddys Satz. „Interessante Wahl", sagt er und grinst verschmitzt. Ich zucke mit den Schultern. „Wenn nicht hier wo sonst." Wir nehmen unsere Cocktails und setzen uns damit zusammen in eine Hängematte die zwischen zwei Palmen aufgehängt ist.
„Wie viele Frauen würden mich killen, wenn sie wüssten, dass ich mit dir in einer Hängematte sitze?" Ich nehme einen grossen Schluck und bin erstaunt wie viel Alkohol der Barkeeper in meinen Drink gefüllt hat. „Ich denke so an die zehntausend?" „Na dann ist ja alles gut", scherze ich. „Ich hab gestern auf Facebook ein bisschen in deinen Fanpages gestöbert. Es gibt ja echt krasse Weiber. Einige davon sieht man ständig auf irgendwelchen Fotos." Paddy lacht auf. „Oh ja das sind die >Erste-Reihe-Girls<, die sind ständig auf meinen Konzerten und warten bei den Backstageeingängen um mich abzufangen. Dabei haben sie schon mindestens zehn Selfies mit mir gemacht. Ich frage mich immer, was die mit den ganzen Fotos machen. Die Wände tapezieren?" „Und du findest das schön? Also dass die sich so an dich dran hängen?" Paddy verschluckt sich beinahe an seinem Cocktail. „Nein ich finde es schrecklich aber es gehört zu meinem Job. Diese Leute kaufen meine CDs, meinen Merch und kommen zu meinen Konzert. Cha-ching, du verstehst?"
„Platzt dir da nicht auch mal der Kragen? Also wenn ich mir vorstelle dass da ständig irgendwelche Typen auf mich warten, würde ich die Krise bekommen." „Im Kloster habe ich gelernt Ruhe zu bewahren. Solange sich die Damen zivilisiert verhalten ist es für mich in Ordnung. Die Hysterie von damals möchte ich kein zweites Mal erleben." Da ich keine Ahnung habe, was damals passiert ist frage ich: „Erzählst du mir davon?"
Paddy beginnt mir seine Geschichte zu erzählen. Er berichtet von der Zeit, als die Kelly Family auf dem Höhepunkt ihrer Karriere war. Er erzählt, wie schlecht es ihm damals ging und dass er sich sogar umbringen wollte, dass er anschliessend entschieden hat, die Band zu verlassen und den Sinn des Lebens - seines Lebens zu suchen.
„Naja und dann bin ich für sechs Jahre ins Kloster. That's it." Seine Geschichte hat mich sehr berührt und ich wische mir eine Träne weg. „Krasse Geschichte. Hast du nicht Angst dass es wieder so kommen könnte?" Er stellt sein leeres Glas neben der Hängematte in den Sand und legt seinen Arm um meine Schulter. „Nein, heute weiss ich, wann ich die Notbremse ziehen muss. Ich weiss wie ich die Weiber in Schach halte und ich weiss wie ich reagieren muss, wenn ich mal keinen Bock auf Fans habe."
Ich spüre wie der Alkohol langsam Wirkung zeigt, denn ich werde anhänglich und lege meinen Kopf an Paddys Schulter. „Und Joelle? Ich an ihrer Stelle wäre tierisch eifersüchtig. Weisst du eigentlich dass dich diese Weiber in den Facebook Gruppen total heiss finden und fast ausflippen, wenn man auf Bildern deinen Bauch sieht?" Paddy prustet los. „Ich versuche immer möglichst wenig von diesen Gruppen mitzubekommen aber anscheinend würde es sich lohnen mal wieder ein bisschen zu stöbern. Was hast du denn sonst noch so gelesen?" Ich nehme den letzten Schluck von meinem Cocktail, stelle das Glas neben das von Paddy in den Sand und kuschel mich wieder in seinen Arm. Während er mit seinen Fingerspitzen über meinen Handrücken fährt fange ich an zu erzählen. „Also, einige finden es doof, dass du immer die gleichen Klamotten trägst, andere wiederum finden das gerade gut, weil du dann immer diese engen schwarzen Hosen an hast. Oh und deine Frisur ist auch immer ein Thema. Je nach Foto finden sie deine Haare mega geil oder völlig daneben." „Scheint mir alles sehr oberflächlich zu sein." In seiner Stimme hört man, dass es ihm irgendwie unangenehm ist.
„Sie schreiben aber auch ganz viel über deine Songs. Sie analysieren Songtexte und interpretieren irgendwelche Geschichten hinein. Es werden Fotos von Konzerten ausgetauscht und es wird über irgendwelche Fanaktionen gestritten. Bist du da eigentlich pro oder contra?" „Fanaktionen? Mag ich überhaupt nicht." Ich muss lachen. „Dann kennen dich einige der Mädels da aber wirklich gut." „Wie meinst du das?" Er streichelt weiter meinen Handrücken. „Naja die schreiben, dass du das hasst und versuchen immer die Fanaktionen zu verhindern." „Achso ja, es gibt auch ein paar normale Fans - Gottseidank."
Paddy scheint wirklich keine Ahnung zu haben was auf seinen Fanseiten so ab geht. Als könne er meine Gedanken lesen sagt er: „Ich sitze lieber in meinem Studio und mache Musik als dass ich mich auf Facebook rumzutreibe. Instagram hingegen finde ich um einiges interessanter." „Du hast Instagram? Muss ich mir nachher gleich mal anschauen." „Klar und ich hatte in den letzten Tagen genug Zeit um mich da mal ein bisschen umzuschauen. Ich wusste gar nicht, wer alles so eine Instagram-Seite hat und ich habe auch schon ein paar echt coole Musikvideos gefunden."
„Du hast echt weiche Hände", höre ich mich plötzlich selbst sagen. Habe ich das gerade wirklich laut gesagt? Da war definitiv zu viel Alkohol in meinem Cocktail. „Musikerhände", meint er lachend. „Wir sollten jetzt langsam zurück, denn du willst dich ja noch bei deiner Frau entschuldigen. Ich hoffe sie schläft noch nicht." Ich stehe als erste auf und halte Paddy meine Hand hin, um ihn aus der Hängematte zu ziehen. „Danke fürs helfen, mit Hängematten habe ich nicht so gute Erfahrungen gemacht." „Gibts davon ein Video?", frage ich grinsend. „In der Tat und wehe du suchst es." Ich hake mich bei ihm unter und wir torkeln gemeinsam zurück zu meiner Villa.
„Danke für den schönen Abend", versuche ich möglichst normal zu sagen ohne dabei zu lallen. Ich spüre wie der Alkohol durch meinen Körper fliesst. Hoffentlich schläft Leo schon und ich kann mich einfach nur ins Bett plumpsen lassen. „Danke für dein offenes Ohr und deine Ratschläge." Er gibt mir einen Kuss auf die Wange und ich mache mich auf den Weg zum Hauseingang. Während ich über den Steg torkle bete ich, dass ich nicht ins Wasser falle.
Leo liegt tatsächlich schon im Bett und schläft. Ohne mich umzuziehen oder abzuschminken lege ich mich neben ihn und bin in der nächsten Sekunde auch schon eingeschlafen. Morgen werde ich bestimmt Kopfschmerzen haben. Halleluja.
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