-12- Unter Wasser - Day 4

Tag 4

„Möchtest du Saft?" Leo hält mir eine Karaffe mit frischem O-Saft hin. „Ja gerne." Ich nehme die Karaffe und schenke mir ein Glas ein. „Ich habe vorhin mit Francesco gesprochen als du am Buffet warst. Er hat uns zu einer Schnorcheltour eingeladen und ich habe zugesagt. Du kommst doch mit, oder?" Ich beisse genüsslich in mein Brötchen. „Mhm, ja klar", nuschle ich mit vollem Mund. Schnorcheln wollte ich hier sowieso noch, denn die Unterwasserwelt soll unglaublich schön sein. Leo strahlt übers ganze Gesicht. „Oh super das freut mich. Ich hatte schon Angst, dass wir jetzt auch Streit haben." „Was meinst du mit >auch<?" „Na so wie Paddy und Joelle." „Achso nein, ich war gestern einfach genervt. Dieser Online-Shop versaut uns den Urlaub, das ist alles." Leo blickt mich erstaunt an. „Er versaut uns den Urlaub?" Ich nehme einen Schluck von meinem O-Saft und lächle. „Ja das tut er. Wann geht es los?" „Wann geht was los?" Leo sitzt da und sieht aus wie bestellt und nicht abgeholt. „Na der Schnorchelausflug", ich schüttle den Kopf. „Um halb 10 aber nochmal zum Thema Online-Shop..." „nein darüber möchte ich jetzt wirklich nicht sprechen", schneide ich ihm das Wort ab.


Eine halbe Stunde später sitzen wir in einem Motorboot. Francesco, ein Hotelmitarbeiter, bei dem wir auch den Paddeling-Kurs hatten, sitzt am Steuer und fährt uns an einen geheimen Ort. "A beautiful secret place", hatte er gesagt. Ausser uns sind noch vier weitere Personen an Bord. Diese scheinen erst gerade auf der Insel angekommen zu sein und sprechen eine andere Sprache. Es könnte russisch sein, aber ich habe keine Ahnung. Sprachen waren noch nie mein Ding. Ich spreche logischerweise Deutsch, berufsbedingt auch Englisch und ein bisschen Französisch - das wars auch schon. Leo hat sich neben Francesco gestellt und lässt sich die Umgebung erklären. Ich geniesse einfach nur den leichten Fahrtwind und die Sonne. Die Aussicht ist schon fast kitschig schön.


Nachdem Paddy und ich uns gestern Abend geküsst haben, hat er mich noch zu unserer Villa begleitet. Obwohl ich eigentlich mehr als nur einen Kuss von ihm wollte, habe ich mich zurück gehalten. Komischerweise bereue ich den Kuss überhaupt nicht - im Gegenteil, ich hätte etwas verpasst, wenn ich es nicht getan hätte. Ein Mann der so gut küssen kann, muss einfach ein fantastischer Liebhaber sein. Ich würde es ja gerne herausfinden aber er ist verheiratet und ich habe Leo. Zum Abschied hat er mich nochmals kurz geküsst und mir etwas ins Ohr gesummt, was klang wie: „You woo me so, i just wanna get closer." Vielleicht hat er auch etwas ganz anderes gesagt, ich hatte immerhin einige Cocktails intus.



In der Ferne erkenne ich eine kleine Insel, die immer näher zu kommen scheint. Vielleicht setzt uns Francesco einfach nur aus und wir müssen leben wie Tom Hanks in >Cast Away<. Ich muss schmunzeln. Als wir nahe genug an der Insel sind, lässt uns Francesco aussteigen und wir stehen bis zu den Knien im Wasser. Er gibt uns die Ausrüstung, die wir an den Strand tragen sollen. Auch ein Korb mit Proviant und Wasser hat er mitgebracht.


Nachdem wir unsere Kleidung aus und die Schwimmwesten angezogen haben, gibt uns Francesco ein paar wichtige Instruktionen. Wir dürfen keine Fische anfassen, nicht zu weit weg schwimmen und müssen immer mit unserem Partner zusammen bleiben. Nur für den Fall, dass etwas passiert. „Hast du alles verstanden mein Schatz?" Leo legt seinen Arm um mich und gibt mir einen Kuss auf die Wange. „Klar, das war jetzt auch nicht gerade schwierig", gebe ich zurück. Ich hasse es, wenn er mich sowas fragt. Ich bin doch nicht blöd und ausserdem hätte ich ja nochmals fragen können, wenn ich etwas nicht verstanden hätte. Ich schnappe mir meine Taucherbrille und meinen Schnorchel. Leo hat seine Brille bereits aufgesetzt und ich muss lachen. „Mit solchen Brillen sieht man einfach total bescheuert aus."



Während wir gemütlich schnorcheln, frage ich mich was Paddy und Joelle wohl gerade tun. Ob Paddy auch gerne schnorcheln würde? Um mich herum schwimmen kleine und grosse Fische. Ich würde ja zu gerne einen anfassen, aber das gehört sich nicht. Ich erinnere mich noch an die Situation in dem Unterwasserrestaurant, wo ich einen Fisch gegessen und mich die anderen Fische im Wasser dabei beobachtet haben. Wenn ich die Tierchen hier so friedlich herumschwirren sehe, kann ich mir nicht vorstellen, jemals wieder einen Fisch zu essen.



Nach einer Weile ruft uns Francesco zurück zur Insel wo er uns ein paar Sandwiches bereit gelegt hat. Als ich den ersten Bissen nehme, merke ich erst, wie hungrig mich das Schnorcheln gemacht hat. Plötzlich fängt eine der „Russinnen", die sich in den Schatten einer Palme verzogen hat, an zu schreien. Wir blicken alle erschrocken zu ihr. Es scheint irgendetwas im Sand zu sein, denn sie fängt an zu buddeln. Wir legen unsere Sandwiches weg und laufen zu ihr, um ihr bei - was auch immer - zu helfen. Als ich näher komme, sehe ich was sie meint. Mein Herz beginnt wild zu klopfen, den so etwas Schönes habe ich noch nie gesehen.

Schildkrötenbabys buddeln sich aus dem Sand und machen sich auf den Weg zum Meer. Francesco beginnt an einem Ort zu buddeln und wir tun es ihm gleich. Immer dort wo eine Schildkröte heraus krabbelt, schieben wir den Sand zur Seite. Einige Schildkrötenbabys hängen noch an ihre Schale fest. Ich nehme sie vorsichtig heraus und bringe sie zum Meer. Das tun wir so lange, bis alle Nester leer sind. „That was a great experience", sagt Francesco und gibt jedem ein High-five. Ich bin noch immer ganz fasziniert und schaue den kleinen Schildkröten beim wegschwimmen zu. Das waren bestimmt über hundert Stück. Müde und glücklich machen wir uns alle auf den Weg zurück zum Boot und fahren wieder zum Ressort. Solch ein Erlebnis zeigt einem wie wundervoll die Natur ist und wie einen so etwas Kleines so glücklich machen kann.



„Wollen wir jetzt noch an den Pool?", frage ich Leo. Wir haben Francesco noch rasch geholfen die Ausrüstungen zu versorgen - die >Russen< sind gegangen ohne zu helfen. „Klar, ich hole unsere Sachen aus den Villa und du organisierst ein paar Cocktails, ok?" Ich nicke, verabschiede mich von Francesco und gehe zur Bar.


„Oh hey Joelle, wie geht es dir?" Sie sitzt alleine an der Bar und trinkt einen Martini. „Gut und dir? Du siehst ziemlich fertig aus." Ich muss lachen. „Danke, wir waren schnorcheln und haben Babyschildkröten gerettet." „Na das erklärt deine nette Frisur." Während ich zwei Cocktails bestelle, fahre ich mit meinen Fingern durch die Haare und versuche sie ein bisschen zu bändigen. „Wo hast du denn Paddy gelassen?", frage ich neugierig. „Der sitzt auf unserer Terrasse und spielt Gitarre. Da hat ihn wohl die Muse geküsst." Sie blickt mich herausfordernd an. Ob Paddy ihr etwas von unseren Küssen erzählt hat? „Immerhin war es kein Fan", ich schnappe mir meine Drinks und mache mich auf den Weg zum Pool. Ein bisschen tut mir Joelle ja leid, aber sie könnte trotzdem ein klein wenig netter sein.

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