-11- Ocean Vibes
Während ich den Strand entlang schlendere werden meine Zweifel immer grösser. Ist Leo wirklich der richtige Mann für mich? Habe ich mir mein Leben so vorgestellt? Verpasse ich etwa? Gibt es für mich noch mehr, als das was ich habe? Im Grossen und Ganzen bin ich mit meinem Leben zufrieden. Ich habe eine schöne Wohnung, eine Familie die immer für mich da ist, mein Studium und einen Job den ich gerne mache. Nur bei Leo habe ich momentan ein grosses Fragezeichen. Wir sind seit 8 Jahren ein Paar und ich habe manchmal das Gefühl, dass es vielleicht irgendwo einen Mann gibt, der noch besser zu mir passt. Da ich aber natürlich nicht „auf der Suche" bin, könnte dieser Mann an mir vorbeiziehen und ich würde es nicht einmal merken. Ich bräuchte irgendein Zeichen, das mir sagt, dass Leo der richtige Mann an meiner Seite ist - oder eben nicht.
Während ich in meine Gedanken versunken war, habe ich nicht gemerkt, dass ich mich einem Lagerfeuer nähere. Um das Feuer tanzen Hotelgäste und auch ein paar Hotelmitarbeiter. Es hat ein bisschen etwas von der Walpurgisnacht, wo die Hexen auf dem Blocksberg um das Hexenfeuer tanzen. Je näher ich komme, desto lauter wird auch die Musik. „Isa, hey komm doch zu uns", höre ich Claudia rufen. Ich blicke mich um und sehe sie neben Mark und zwei anderen Leuten stehen. „Hallo zusammen. Was ist denn hier los?", frage ich in die Runde und nehme den Drink, den Mark mir vor die Nase hält. „Strandparty", antwortet die fremde Frau neben mir. Sie ist einen Kopf grösser als ich, hat lange blonde Haare und trägt ein luftiges Hippiekleidchen. In ihren Haaren hängen Bänder mit Federn. „Is nich wahr", gebe ich sarkastisch zurück. Ich mag diese Frau schon jetzt nicht. Da Claudia und Mark sich weiter mit der Blondine und ihrem Freund unterhalten, gehe ich näher zum Lagerfeuer.
Feuer hat mich schon immer sehr fasziniert. Ich liebe es in die Flammen zu schauen und dabei das Flackern zu beobachten. Es beruhigt mich auf eine spezielle Art und Weise. Ich setze mich mit meinem Drink in den Sand und blicke in die Flammen. Der Drink schmeckt zwar scheusslich aber ich trinke ihn trotzdem. „Hier", sagt eine Männerstimme hinter mir. Mein Mundwinkel ziehen sich nach oben, denn ich weiss genau wem diese Stimme gehört. Ich drehe meinen Kopf und blicke auf ein Cocktailglas - Sex on the Beach. Definitiv besser als das Gesöff von Mark. „Danke, setz dich doch zu mir." Paddy setzt sich neben mich und trinkt einen Schluck aus seiner Bierflasche. Er sitzt einfach nur da und blickt gedankenversunken in die Flammen.
„Woran denkst du?", frage ich nach einer Weile. Meinen Cocktail habe ich bereits leer getrunken. „An nichts bestimmtes. Aber mich würde interessieren was heute Abend zwischen dir und Leo passiert ist." Er dreht seinen Kopf zu mir und blickt mir direkt in die Augen. Da ist er wieder - dieser Paddyblick. Ich merke, dass das Bauchkribbeln wieder anfängt. „Naja Leo muss heute wieder arbeiten und das hat mich wütend gemacht." „Und deshalb stürmst du wie eine Furie aus dem Restaurant?" Ich zucke mit den Schultern. „Ach irgendwie nervt mich Leo momentan gerade wieder mehr als sonst." „Das heisst?" Ich nehme den Strohhalm aus meinem leeren Glas und beginne Kreise in den Sand zu malen. „Ich frage mich, ob er der richtige Mann für mich ist." Paddy legt sich auf den Rücken und verschränkt seine Arme hinter dem Kopf.
„Siehst du die Sterne da oben?" Dieser Themenwechsel irritiert mich etwas, kommt mir aber sehr gelegen. Ich blicke in den schwarzen Nachthimmel hinauf. Nebst den Sternen sehe ich auch den Mond, der mit seinem Schein den Ozean funkeln lässt. „Ja, die kann ich sehen, meine Augen funktionieren zum Glück noch. Warum meinst du?" „Wenn ich in den Sternenhimmel schaue wird mir immer bewusst, dass ich eigentlich nur ein ganz winzig kleiner Punkt im Universum bin und dass meine Probleme und Sorgen vom Mond aus betrachtet winzig klein sind." „Über sowas denkst du nach?" „Klar du doch auch. Was ich sagen will, dein Problem mit Leo ist gar nicht so gross wie du denkst. Du musst einfach versuchen den richtigen Weg für dich zu finden. Nicht den richtigen Weg für Leo, sondern den richtigen Weg für dich. Verstehst du?" Ich schaue in die Flammen und versuche Paddys Worte irgendwie zu verstehen. „Ich bin mir nicht ganz sicher", antworte ich. Paddy setzt sich wieder auf. „Hör auf dein Herz. Ist auf deinem Weg Platz für Leo oder nicht. Willst du Leo an deiner Seite haben oder nicht. Wenn die Antwort ja ist, dann ist das Problem genau so winzig klein, wie es vom Mond aus betrachtet aussieht. Winzig klein und somit unwichtig. Je grösser das Problem ist, desto eher wird deine Antwort nein sein." Ich reibe mir die Augen und versuche seine Worte auf mich wirken zu lassen. Recht hat er ja, das muss ich zugeben, aber im Moment kann ich weder ja noch nein sagen. „Ich brauche ein bisschen Zeit. Im Moment kenne ich die Antwort nicht." „Ok", sagt Paddy und steht auf. Ich blicke ihm nach. Als er zurück kommt, hält er mir einen neuen Cocktail hin und grinst mich an. Ich schnappe mir den Drink und stehe auf. „Lass uns tanzen Dr. Kelly, wir sind hier schliesslich im Urlaub und nicht in einer psychologischen Therapiesitzung." Ich schnappe Paddys Hand und ziehe ihn näher zu den Musikboxen.
Vier Cocktails später stehen Paddy und ich bis zu den Hüften im Meer und bespritzen uns gegenseitig mit Wasser. Ich fühle mich wie ein kleines Kind und lache laut. Es tut richtig gut so unbeschwert zu sein. Ich strecke meine Arme aus und lasse mich nach hinten ins Wasser fallen. Das kühle Nass ist sehr erfrischend und fühlt sich fast ein bisschen reinigend an. Ich lasse mich treiben und spüre plötzlich Paddys Hände an meinem Kopf. „Hey was machst du da." Ich stelle mich wieder auf meine Füsse, wische mir das Wasser aus dem Gesicht und streiche mir die nassen Haare nach hinten. Paddy legt von hinten seine Arme um meinen Bauch und flüstert: „Weisst du dass ich dich echt toll finde Isa?" Ich fange an zu kichern und drehe mich zu ihm um. Ohne zu überlegen schlinge ich meine Arme um seinen Nacken und presse meine Lippen auf seine. Ohne zu zögern erwidert er meinen Kuss.
Paddy verliert den Halt und wir fallen nach hinten ins Wasser. Als wir auftauchen fangen wir beide an zu lachen und kriegen uns nicht mehr ein. So gelacht habe ich schon lange nicht mehr. „Komm wir gehen zurück zum Strand", sage ich und mache mich auf den Weg. Paddy folgt mir. Die meisten Hotelgäste haben die Strandparty verlassen und diejenigen die noch da sind, scheinen alle betrunken zu sein. Paddy und ich stellen uns ans Feuer um uns zu wärmen. Paddys Haare kleben ihm im Gesicht, was mich wieder zum Lachen bringt. „Was denn?", fragt er und stupst mich in die Seite. „Deine Haare sehen echt scheisse aus." Er stemmt seine Hände in die Hüften und macht ein gespielt empörtes Gesicht - was mich noch mehr zum Lachen bringt. „Was fällt dir eigentlich ein? Meine Haare sind total stylisch." Ich halte mir den Bauch, der mir vom Lachen schon weh tut. „Hör auf, ich bekomme schon keine Luft mehr." „Erst wenn du sagst, dass meine Haare toll aussehen." „Uh okay lass mich überlegen." Ich stelle mich vor ihn und blicke ihm in die Augen. Er hält meinem Blick stand. „Deine Haare sehen echt scheisse aus", versuche ich möglichst ruhig zu sagen. Diesmal ist es Paddy der als erstes in Gelächter ausbricht und wir lassen uns erschöpft in den Sand fallen.
„Darf ich dich etwas persönliches fragen Paddy?" „Klar alles." „Schläfst du mit deinen Fans?" Er dreht sich zu mir um und ich blicke in sein schockiertes Gesicht. Die ausgelassene Stimmung ist dahin. „Was?" „Joelle meinte heute Nachmittag, dass du mit deinen Fans schläfst und sie es dir sogar erlaubt." Paddy steht der Mund offen und er sagt keinen Ton. „Es tut mir leid, ich wollte dir nicht zu nahe treten. Ich fand das Gespräch mit Joelle eigenartig und habe mich gefragt, ob du weisst, dass sie sowas über dich erzählt." Paddy reibt sich mit seinen Händen über das Gesicht und ich befürchte schon, dass er weint. Als er die Hände wieder weg nimmt, bin ich erleichtert. Er weint nicht. „Ich habe noch nie mit einem Fan geschlafen und das würde ich auch niemals tun", sagt er trocken und völlig emotionslos. „Gut", ist das einzige was ich sage. Paddy steht auf und hält mir seine Hand hin. „Lass uns spazieren gehen."
Hand in Hand laufen wir den Strand entlang. „Joelle erzählt manchmal Dinge, die nicht stimmen und das nervt mich. Es ist nicht das erste Mal, dass sie so eine Geschichte über mich erfindet. Dass sie so weit geht, hätte ich jedoch nicht gedacht. Mit Fans schlafen, das ist doch echt bescheuert." Ich höre ihm einfach nur zu. „Dachtest du es stimmt?", fragt er unsicher. „Nein, aber ich wollte einfach auch deine Version hören. Warum erzählt sie denn sowas?" Paddy bleibt stehen und zieht mich zu sich. „Das tut sie, wenn sie eifersüchtig ist und ich denke, dass sie gerade eifersüchtig auf dich ist." „Auf mich?" „Und sie hat allen Grund dazu." Er legt eine Hand an meine Wange und küsst mich. Ich erwidere den Kuss. „Wir sollten das nicht tun", hauche ich in den Kuss hinein, ohne dabei aufzuhören Paddy zu küssen. Meine Hände wandern über seine nassen Rücken und ich spüre dieses Verlangen - dieses Verlangen nach mehr als nur einem Kuss.
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