13

"Und dir geht es wirklich gut?" Rief Owen mir hinterher und ich drehte mich um.

"Jaja!" 

"Vielleicht sieht man sich ja mal wieder, süßestes Mädchen der Welt!" Fügte der blonde Beanie-Junge noch hinzu, bevor Robbie mich aus dem Lokal gezogen hatte.

"Was sollte das denn?"
Robbie sah mich fragend an.

"Na..." ich machte eine unangenehme Kopfbewegung zum McDonalds Lokal zurück.

"Achso, ich weiß nicht was du hast, kleiner Engel."
Ich entwickelte langsam einen Hass auf Spitznamen.

"Vorsicht," Robbie zog mich gerade noch von einem Fahrradfahrer weg, der mich sonst zusammen gefahren hätte.

"Dich kann man keine Sekunde aus den Augen lassen," er legte mir einen Arm um die Schulter.

Mein schönster Finger wanderte in sein Gesichtsfeld und er schlug ihn lachend weg.

"Nicht so unfreundlich zu deinem edlen Retter."
Ich schnaubte.

"Schau mal edler Retter," ich nickte zu zwei Mädchen am gegenüberliegenden Straßenrand.

"Die brünette, ist die nicht genau dein Typ?" 
Das Mädchen hatte gute Rundungen und war nicht allzu dünn.
Sie hatte schulterlange braune Haare und unauffälligere dunklere Strähnen darin.

Robbie nahm den Arm sofort von mir.
Er hatte nur noch Augen für die beiden Mädchen.

"Kleine? Tut mir leid, du kommst doch bestimmt alleine nach Hause oder?"
So viel zu nicht aus den Augen lassen. 

Ich lachte. "Klar edler Retter." 

"Lauf nicht vor ein Auto!" Rief er mir zu, war aber schon auf dem Weg zu den Mädchen.
Ich doch nicht.
Schmunzelnd lief ich den Weg weiter.
Ich holte meine Kopfhörer raus und schaltete die Musik ein.
Kennt ihr das, wenn ihr nicht aufhören könnt mitzusingen und anfängt zu tanzt?

Ich fing an den Weg entlang zu tanzen und störte mich auch nicht an den zwei älteren Frauen, die mich schräg ansahen.
Solange es keine heißen gut aussehenden Jungs waren...
Nach ein paar Minuten gelangte ich in meine Straße. Die gute Laune war sofort verschwunden.

Sobald ich die ekelhaften kahl weißen Wände sah und die teuren fetten Wägen wurde mir schlecht.
Wie Mum überhaupt noch genug Geld auftreiben konnte, um das Haus zu finanzieren...

Sie arbeitete immer. Trotzdem war es einfach nur verdammt teuer.
Die Gärten bestanden alle aus kurzem gleichmäßigen Gras. Weder Blumen, noch Bäume. Die Grenzen wurden von beschnittenen kleinen Büschen gebildet, die kaum noch Blätter trugen.
Die Gebäude waren alle mindestens dreistöckig mit riesigem Keller. Wenn mich nicht alles täuschte, hatten mindestens die hälfte der Häuser eigene Pools.
Hier wurde über jeden gelästert, der nicht genug Geld hatte um drei Autos zu besitzen. Wir waren schon beim Einzug verhasst. Und nach dem ewigen Gestreite und Dads Auszug, bekamen wir nur  noch abschätzende Blicke zugeworfen, wenn wir nicht gerade ignoriert wurden.
Sogar die Kinder hier waren kleine verzogene Biester.

Endlich kam ich bei unserem Haus an. Es war eines von den wenigen, bei dem eine große Mauer den Vorgarten vor Blicken schützte.
Bei einem Blick auf die Uhr bekam ich Panik.
14:55

Eilig öffnete ich die Tür und rannte in mein Zimmer. Ich zog mir einen Bikini an und kurz darauf wieder meine Kleidung von eben.
Ein Handtuch, mein Portemonnaie und eine dünne Jacke wanderten in meinen Rucksack.

Da wieder niemand zu Hause war, schrieb ich Malik eine Nachricht, damit er wusste, wo ich war.

Draußen öffnete ich die Garage und sah dort schon mein Board liegen.
In dem Moment machte ein edler matt schwarzer Audi eine Vollbremsung auf unserem Grundstück. Auf dem Dach war ein Surfbrett fest geklemmt. 
Ich musste grinsen. Das sah unglaublich komisch aus.

Die Tür flog auf und Cillian schob sich heraus. Er schlenderte gelassen auf mich zu und musterte dabei das Haus.

"Nette Bude, aber Alis ist größer."

Ich hob meine Augenbrauen. "Und deine?" 

Er grinste. "Am größten."

War ja klar. Die Autos der beiden sprachen für sich.
Beide fuhren wirklich teure Wägen.

Ich hob mein Surfboard an und übergab es Cillian, der es irgendwie auf seinem befestigte.

"Valentins Pickup wäre da besser geeignet...," murmelte ich.
Cillian drehte sich um.

"Dafür hätten wir in Valentins Karre ewig gebraucht," er bedeutete mir einzusteigen, was ich auch tat.
Ich antwortete nicht darauf und war froh, dass ich jetzt von unserem Haus weg kam. Ich hielt es dort nie lange aus.

"Warum so schlecht drauf?" Fragte Cillian mich nach kurze Zeit des Schweigens.

"Wegen all dem hier," antwortete ich nach kurzem Zögern und deutete Wage nach draußen.
Cillian sah mich wissend an.

"Es kotzt an nicht war?" 
Er richtete seinen Blick wieder auf die Straße.

"All das Geld, all die Villen und der ganze scheiß."
Ich schwieg.

"Die Menschen, die dich schräg ansehen, weil du für sie zu viel und für andere zu wenig Geld besitzt. Die Familien die einen auf reiche tolle Familie machen..."

"Und eigentlich komplett kaputt sind," beendete ich flüsternd den Satz.

"Und immer die gleichen schicken weißen Häuser mit Pool. Und immer die gleichen Autos. Und immer die gleichen hässlichen Gärten."

"Und immer die gleiche Stille." Ich verschränkte meine Hände in einander.
Cillian hielt auf dem Seitenstreifen der Straße und stieg aus.
Nach kurzen Zögern tat ich es ihm gleich.
Wir setzten uns auf die Motorhaube.
Man konnte das leise Wellenrauschen des Strandes ganz in der Nähe hören. Und das Rascheln der Sträucher am Wegesrand.
Das leise Flüstern des Windes, weil da nichts anderes war.
Kein anderer Ton.
Kein anderes Geräusch.
Es war still.
Cillian zündete sich eine Zigarette an.

"Einen scheiß machen sich die Menschen daraus, wie es für Kinder ist, in dieser Gesellschaft aufzuwachsen. Es juckt sie nicht, wenn man nicht so sein möchte wie sie. Es interessiert sie nicht, ob es ihnen gut geht oder schlecht."

Ich richtete meinen Blick auf Cillian. Musterte seine feinen Gesichtzüge, die sich mit jedem Wort weiter anspannten. 

Er muss eine harte Kindheit gehabt haben. Es musste ihn Überwindung gekostet haben, das hier mir, einer fast Fremden zu erzählen.

"Sie suchen dir Ziele, sie sagen dir, was du dir wünschen darfst, sie erzählen dir nicht die Wahrheit und verschließen sich vor deinen Fragen."

Cillian blickte irgendwohin, wo ich ihm nicht folgen konnte. Ich würde wahrscheinlich nie verstehen können, was er durchlebt hatte. Denn im Vergleich zu mir, war es bei ihm dreifach so schlimm.

"Und wenn du nicht gehorchst..." er stockte und nahm einen tiefen Zug von seiner Zigarette. 
Dann richtete er seine Gänsehaut erregenden dunkeln Augen auf mich. 

"Bestrafen Sie dich." 

Ich hielt die Luft an. Mein Herz fing an ein wenig schneller zu schlagen.
Ich blendete die Umwelt aus. In diesem Moment zählte nur Cillian. In seinen Augen flammte ein Schmerz auf, den ich noch nie in den Augen eines anderen Menschen gesehen hatte.
Er strich sich unbewusst über sein Tattoo am Hals. Über den schönen Vogel, der mich so begeistert hatte.
Ein Versuch Narben zu überdecken, die ich erst jetzt erkannte. Aus meinen dummen blinden Augen.

Niemand hatte solche Schmerzen jemals fühlen müssen wie Cillian. Ich war mir mehr als 100 Prozent sicher.

Ich ließ die Luft langsam, leise aus meinen Lungen nach außen entweichen.

Ich ließ den Jungen neben mir nicht aus den Augen. 

Er nahm abermals einen tiefen Zug und atmete den giftigen Rauch der Zigarette ein, als wäre es der Duft von guter Schokolade.

"Ich würde jetzt sagen, das es mir unendlich leid tut..." meine Stimme war kaum mehr als ein zarter Hauch, der im Wind einsam verklang.

"Aber ich weiß... dass Mitleid nicht hilft." Ich suchte nach passenden Worten. Worte, die ihm helfen konnten. Aber mir war klar, dass da keine waren. Das es keine gab.

Nicht auf dieser Welt.

Cillian versuchte sich an einem Lächeln, aber er scheiterte. Kläglich.

"Und du?" 
Er sprach nicht weiter, aber ich wusste auch so, was er meinte.

Was er hören wollte.

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