||Kapitel 5|| Als die Wellen kamen...
Wellen schwappten in beruhigenden Klängen ans Ufer und sanfte Windböen fegten über Daniel und Elisa hinweg. Vom weiten wirkte der Strand sauber und lockte sicherlich mehrere Touristen an. Doch sobald man einen Fuß in den Sand setze, merkte man das er für die meisten Menschen als Müllkippe diente. Die beiden waren erschrocken, als der erste Sack Müll nach nur einer viertel Stunde voll war.
Wie konnten mache Menschen so achtlos mit der Umwelt umgehen? Dachten sie gar nicht daran das ihr Abfall nach einiger Zeit im Meer landen würde?
"Hier sind nochmal ein paar Bierflaschen!", seufze Daniel und zeigte ihr seinen Fund. Hastig wischte er seine verschwitzen Haare aus seinem Gesicht. Kein Wunder, die Arbeit war anstrengend obwohl sie erst seid einigen Minuten aktiv waren.
"Solche Schweine!", zischte Elisa angewidert und half ihm die Flaschen wegzuräumen. "Ey Elisa, hast du Lust auf eine Pause? Wir haben schon zwanzig Minuten gesammelt.", fragte Daniel plötzlich. "Ja gerne." Eine Pause klang verlockend, insbesondere weil sie überall schwitze. Sogar kleine Schweißperlen hatten sich auf ihrer Stirn gebildet. "Cool, ich kenne einen Kiosk gleich um die Ecke.", erzählte Daniel," Wir unterhalten uns einfach über den Sinn des Lebens."
Doch der letzte Teil seines Satzes war nur noch ein leise Stimme, verschwunden im hintersten Teil ihres Gedächtnis. Das Rauschen des Meeres übertönte seine Stimme. Ihre Gedanken fokussierten sich auf das glassklare Wasser der Nordsee. Es war hier! Wonach ihre Seele sich die ganze Zeit sehnte. Erneut griffen die unsichtbaren Hände nach ihr, nur diesmal ließ Elisa sich mitziehen. Die Neugier war zu groß, ihr Wille zu schwach. Es fühlte sich so an als würde ein fremder Geist ihren Körper übernehmen, beraubt ihres Geistes und ihres Verstandes. Dann zog sie ihre Sandalen aus und warf sie achtlos in den Sand. Wie ein Zombie wanderte Elisa zum Meer. Sie hielt erst an, als sie Knietief im Wasser stand. Vor ihren Füßen, am Meeresgrund lag ein atemberaubendes Schmuckstück. Ein Amulett mit einem ovalen silbernen Rand und einem großen rosafarbenem Juwel.
Behutsam nahm sie das Amulett an sich und entfernte jede Unreinheit. Von nassen Sand hin bis zu schleimigen Algen. Wie eine Mutter ,die ihr neugeborenes Kind zum ersten Mal im Arm hielt, drückte sie das Amulett an ihre Brust. Es füllte sich erst kalt und befremdlich an, doch wie länger sie sich daran gewöhnte umso vertraulicher wurde dieses Gefühl. Zudem ließ ihre Sehnsucht langsam nach, was bedeutete das sie ihren sehnlichsten Wunsch erhalten hatte. Aber warum war das Amulett ihr größter Herzenswunsch? Wie konnte man sich etwas wünschen, wenn man nicht mal wusste das dieser Gegenstand überhaupt existierte?
"Ich habe wirklich Hunger. Ich hoffe du hast deine Untersuchung bald fertig.", brüllte Daniel plötzlich und riss Elisa aus ihrem Gedankenwirbel. Der Rotschopf saß ungeduldig auf einer Bank und schaute im Minutentakt auf seine Armbanduhr. Zwischenzeitlich fixierten seine grünen Augen sie. "Kommst du? Ich kann auch ohne dich gehen!", drängelte Daniel weiter.
"Ich komme schon.", entgegnete Elisa und verstaute ihr kostbares Fundstück in ihrer Hosentasche. Sie trug eine hellblaue Jeans mit Franzen und ein ein beiges weites T-Shirt.
"Also ich hätte Lust auf Pommes und du?", wollte Elisa wissen, währenddessen sie ihre Sandalen einsammelte.
"Große Wellen!", stotterte er.
"Ja die wären schön zum anschauen. Aber was willst du Essen?"
"Große Wellen!", kreischte Daniel panisch.
Elisa begriff Daniels Warnung zu spät, erst als sie von einer gigantischen Menge an Wasser von den Beinen gerissen wurde und der Zog sie direkt ins Meer beförderte. Durch die Strömung wurde sie unter Wasser gedrückt. Salzwasser durchdringte ihre Atemwege, stahlen ihr die wenige Luft zum atmen. Panisch versuchte sie wieder an die Oberfläche zu gelangen, doch ehe ein Teil ihres Körpers die Oberfläche erreichte, verschlag das Wasser sie wieder. Ihre Augenlieder wurden schwer, schwer wie Blei. Doch das starke Lebenselixier raubte ihr die Kraft. Langsam glaubte Elisa zu halluzinieren. den eine Hand mit knöchrigen langen Fingern griff nach ihrem Arm, aber erwischte sie nicht.
War sie gestorben?
War das ihr Ende?
War ein Engel gekommen um ihren Geist im Empfang zu nehmen?
Nein, jedenfalls noch nicht. Elisa bemerkte das die Strömung sie weiter hinaus getrieben hatte. Das Licht der Sonne verblasste allmählich und immer mehr Dunkelheit versperrte ihre Sicht.
Salzwasser drang in ihre Lunge, beraubte ihr das letzte bisschen Sauerstoff. Noch einmal wollte sie ihre Großeltern umarmen und ihnen sagte das sie sie von ganzen Herzen liebte.
Völlig umhüllt von Dunkelheit sank sie wie ein Stein zu Boden. Das letzte was sie spürte waren zwei kräftige Hände die ihre Hüfte packten. Das war ihr unerwartetes Ende, mit ihren zarten dreizehn Jahren. Jegliche Chance auf Entwicklung und Reife wurden ihr verwehrt.
Doch plötzlich spürte Elisa einen kräftigen Ruck, sie durchbrach die Wasseroberfläche. Gierig rang sie nach Luft, hustete und spuckte das Salzwasser aus. Daniel hatte sie wie ein Sack über seine Schulter gelegt und versuchte mühevoll das Ufer zu erreichen.
"Nicht bewegen! Wir haben es gleich geschafft.", mahnte er.
Elisa war noch zu schwach um irgendeine Reaktion zu zeigen, also tat sie was ihr gesagt wurde.
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"Elisa, erklär es mir? Wie kann aus dem Nichts eine übernatürliche Megawelle entstehen die dich meilenweit ins Meer befördert und du fast ertrinkst? Was hätte ich den Leuten sagen sollen? Ich bin vierzehn und strafmündig! Ich wäre lebenslang im Knast!"
Daniel hatte Elisa in einem offenen Strandkorb gelegt und sich selber in den Sand gesetzt. Aber sie erholte sich langsam wieder. Der Schock saß tief in ihrem Gemüt.
"Ich weiß es nicht! Was hätten meine Großeltern gesagt? Ich bin selbst überfordert", gab sie ehrlich zu.
Doch dann konnte Elisa sich kein Lachen verkneifen:" Obwohl dir Gefängnis Kleidung gut stehen würde. Orange passt perfekt zu dir."
"Ja genau! Sei wenigstens dankbar das du hier im Trockenen liegst, Fräulein Tannenbeck."
"Nenn mich nicht so, Herr Nieder-", Sie musste nochmals kräftig husten. Das Salz klebte immer noch in ihrem Rachen, was sich verdammt eklig anfühlte.
"Scheiße, ich bring dich lieber nachhause." meinte Daniel und wartete darauf bis Elisa aufstand. "Ja bitte ich muss dringend das Salz ausspülen".
Heute war das Meer zu ihrem Gegner geworden. Heute wäre sie fast im blauen, glitzernden Paradise ertrunken. Nur wegen ihrer dummen Sehnsucht. Hätte sie nur nicht auf ihr Herz gehört! Jeder hatte ihr gesagt sie sollte auf ihr Herz hören, um die richtige Entscheidung zu treffen. Doch niemand sagte ihr das sie für falsche Entscheidungen hohe Preise zahlen musste.
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