8 | Schwarm

Im Wohnzimmer kam Antonio auf mich zugerannt und zeigte mir total aufgeregt etwas auf seiner Switch. Ich konnte zwar mit seinen ganzen Mario Spielen nichts anfangen, jedoch nahm ich mir kurz Zeit und hörte ihm zu.

"Spielen wir später zusammen?"

Mit seinen großen Augen sah er hoffnungsvoll zu mir auf, aber ich hatte anderes vor. Zu meiner Erleichterung half mein Opa mir in diesem Moment aus dieser Situation heraus.

"Wie fändest du es, mit mir zu spielen?", kam es lächelnd von Enzo und schon rannte Antonio erfreut zum Fernseher, um seine Switch anzuschließen. Ich beobachte ihn dabei, bis mein Blick zu Enzo herüberfiel.

"Sag mal, Opa", fing ich leise an und drehte mich dabei zu ihm. "Warum war Papa damals in Amerika?"

Es kam mir vor, als würde er für einen Moment seine Fassung verlieren. Sein Blick veränderte sich und er wich mir aus. Ein Anzeichen dafür, dass er sich gerade sicher eine Lüge oder Ausrede einfallen lassen wollte. So war es dann auch.

"Ach, Nives. Das ist alles so lange her. Du weißt doch, wie vergesslich ich bin", erklärte er mit einem aufgesetzten Lächeln, dabei war er doch derjenige, der sogar noch wusste, wie das Wetter am Samstag vor drei Jahren war. Er machte täglich seine Kreuzworträtsel und war alles andere als vergesslich. Mir aber Beweis genug dafür, dass es wohl kein normaler Urlaub meines Vaters war. Dazu kam, dass meine Mutter wohl auch einen Bodyguard hatte damals. Wieso aber? In der Politik war sie doch erst nach unserer Geburt, also hatte es nichts damit zu tun...

"Kommst du?"

Antonio riss mich aus meinen Gedanken und nach einem entschuldigenden Blick, lief mein Opa zu ihm herüber zur Couch. Ich stand noch kurz da und sah raus in den Garten. Sonst war Malino zu der Zeit im Pool oder sich am sonnen. Heute wohl nicht.

"Wo sind alle?", fragte ich an Enzo gewandt, der mit dem Controller in der Hand jetzt schon überfordert wirkte.

"Adamo und Stella sind nach Hause, genau wie Jennifer und Nunzio. Dein Vater und Malino sind oben", erklärte er und ich nickte kaum merklich, um dann ebenfalls das Obergeschoss aufzusuchen.

Entschlossen vor dem Duschen noch meinen Bruder aufzusuchen, steuerte ich sein Zimmer an und öffnete ohne nachzudenken die Tür, um sofort mit weit aufgerissenen Augen zu erstarren.

"Nives!", mahnte er und schmiss den Laptop von seinem Schoß herunter, um hektisch seine Boxershorts hochzuziehen.

"Ai, du bist wirklich absolut widerlich", entkam es mir und trotzdem, lief ich eilig an ihm vorbei und schnappte mir den Laptop. "Threesome...", amüsierte ich mich und fing dabei an zu lachen, was ihn wirklich wütend machte.

"Verpiss dich aus meinem Zimmer!", zischte er und umfasste so fest mein Handgelenk, dass ich den Laptop wieder aufs Bett fallen ließ.

"Nimm deine Hände von mir! Ist ja ekelhaft!", beschwerte ich mich und entfernte dabei seine Hand von meinem Arm, um ihn mit gerümpfter Nase zu mustern. "Du kannst gleich weiter deine perversen Spielchen hier treiben. Ich wollte dir nur sagen, dass heute Abend eine Party bei Riziero stattfindet und-"

"Ich kann nicht", meinte er plötzlich und vollkommen irrtiert zog sich meine Stirn in Falten. Das mein Bruder Malino je zu einer Party nein sagen würde, hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten.

"Warum? Bist du krank?", wollte ich wissen, während er zu seinem Schrank lief und ein weißes Hemd heraus suchte.

"Nein, aber Padre will mich mit in seinen Club nehmen."

"Wieso das denn?", hakte ich nach. "Was willst du in dem Schuppen? Getränke austeilen und alten Leuten beim Tanzen zu schauen?"

Mir war wirklich nicht klar, wieso er überhaupt mit sollte, jedoch wusste Malino wohl selbst noch nicht, was seine Aufgabe dort sein würde.

"Keine Ahnung. Er meinte, er will mich mehr einbinden, da ich ne Aufgabe brauchen würde."

"Ahaaa", gab ich nur nachdenklich von mir und da hatte meine Mutter wohl Recht. Mein Vater würde sich um Malino kümmern... Mal sehen, ob es ihm vielleicht wirklich sogar helfen würde, langsam von dem Drogen weg zu kommen. Selbst jetzt sah ich ihm an, dass er gekifft hatte. Die leicht geröteten Augen waren Beweis genug. Dazu noch dieser Geruch hier in seinem Zimmer.

"Willst du noch was?!", fragte er dann wohl gereizt darüber, dass ich immer noch in seinem Zimmer stand und nachdem ich verneinend den Kopf geschüttelt hatte, suchte ich schon wieder den Flur auf. Ich ging direkt in mein Zimmer und suchte mir frische Sachen heraus, um anschließend den Dreck aus meinen Haaren und von meinem Körper waschen zu gehen.

_

Vor dem Spiegel in dem Badezimmer stehend, dass ich mir mit Elio und Malino teilen musste, föhnte ich mir meine Haare zu Wellen und hörte über mein Handy dabei Musik.

Riziero... Der Typ aus meiner Schule, mit dem ich schon öfter rumgemacht hatte. Er sah verdammt gut aus - wenn nicht sogar perfekt. Seine Haare waren etwas länger und lockig - dazu die schönen braunen Augen, die in der Sonne immer so hell strahlten... Sein Style - Lederjacke und enge Jeans. Genau meins und genau deswegen hatte ich mir schon eine enge Lederhose und ein weißes, bauchfreies Top herausgesucht. Dazu würde ich noch die Silberkette anziehen, die er mir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt hatte.

Warum ich mir so viel Mühe gab? Weil ich immer darauf wartete, ob wir einen Schritt weiter gehen würden. Ich war nämlich noch Jungfrau, wobei das aber niemand wusste. Selbst Stella erzählte ich immer, ich hätte schon mit mehreren Typen geschlafen, da ich es irgendwie unangenehm fand, solch eine Erfahrung noch nicht gemacht zu haben. Immerhin prahlten sie und Malino ja immer wieder mit ihren Eroberungen.

Nachdem ich meine Haare gestylt, meine Klamotten angezogen und noch dezentes Make Up aufgelegt hatte, verließ ich das Badezimmer und steckte mein Handy dabei in meine Hosentasche. Ich wollte noch in die Küche etwas essen und dann Stella anrufen, bis mir auffiel, dass die Schlafzimmertür meiner Eltern ein Stück aufstand.

"Padre?", fragte ich und schob dabei die Tür auf, jedoch war keiner da und ich wollte wieder raus, da erkannte ich aber etwas schwarzes auf der dunkelroten Bettwäsche liegen. Neugierig machte ich einige Schritte nach vorne, bis aber die Badezimmertür aufging und mein Vater heraustrat.

"Ihr seid schon wieder da?", fragte er und war aber gleichzeitig von seinem Handy abgelenkt, in das er gerade etwas eintippte. Ich musterte sein schwarzes Hemd und die dunkle Jeans, ehe ich wieder zum Bett starrte und die Pistole begutachtete.

Mein Vater bemerkte wohl meinen Blick, denn er nahm die Pistole schlagartig an sich und sah mich eindringlich an.

"Nur ich bin wieder da", erklärte ich und trat dabei näher an ihn heran. "Wozu brauchst du die?"

"Zum Schutz", grinste er und steckte sie hinter sich in seine Nachttischschublade.

"Vor wem brauchst du Schutz?", ließ ich es nicht gut sein und setzte mich auf die Kante des Bettes, um fragend zu ihm aufzusehen. Mir wurde erst jetzt bewusst, wie wenig ich eigentlich mitbekam, was meine Familie anfing. Früher war ich zu jung und die letzten Jahre hatte ich immer mit der Schule zu tun und war viel unterwegs. Jetzt aber kamen immer neue Erkenntnisse, die mich stutzig machten.

"Vor Einbrechern zum Beispiel", gab mein Vater mir zurück und lehnte sich dabei herunter, um meine Kette zwischen seine Finger zu nehmen. Er sah sie sich einen Moment an, bis er mir ohne Ausdruck in meine Augen starrte. "Billig und nicht gerade außergewöhnlich. Also nicht von mir - von wem hast du die?"

"Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass sie von einem Jungen aus meiner Schule ist?"

"Dann würde ich die Pistole wohl endlich einsetzen können", grinste er und ließ sich anschließend neben mir auf der Bettkante nieder. Mir war klar, dass er niemals jemanden erschießen würde - jedoch hatte er schon mal einen Typen aus dem Haus gejagt, weil er dachte, er wäre über Nacht bei mir gewesen. Es war allerdings ein Freund von Malino. Trotzdem wollte ich nichts riskieren und verheimlichte ihm, von wem die Kette wirklich war.

"Ach, padre", schmunzelte ich und lehnte meinen Kopf an seine Schulter, wonach er mir seinen Arm um den Rücken legte. "Ich hab sie mir selbst gekauft."

"Und das soll ich dir glauben?", erwiderte er mir und legte plötzlich einen wirklich düsteren Gesichtsausdruck auf. "Ich will nur, dass du weißt, dass kein Junge deiner Schule dir je das Wasser reichen könnte. Das sind alles Idioten, die ich überfahren werde, sobald sie dir zu nah kommen."

"Und wie soll ich jemanden kennen lernen, wenn du alle überfährst?", scherzte ich, da er ja trotz seines Ausdrucks auch Spaß zu machen schien.

"Ich suche dir einen Mann."

"Ja, genau", gab ich ihm kichernd zurück, wobei mir aber auffiel, dass er total ernst wirkte. "Padre? Sag mir bitte, dass das ein Scherz sein soll!"

Ich stand auf und er tat es mir gleich.

"Warum nicht? Mein Vater war von deiner Mutter begeistert. Manchmal weiß man selbst nicht, was das Beste für einen ist. Außerdem bist du noch viel zu jung, mein süßes Küken", erklärte er und nahm dabei mein Gesicht in seine Hände. "Wir reden in ein paar Jahren noch mal darüber."

"Oder besser nie wieder", gab ich ihm zurück und setzte trotz allem ein sanftes Lächeln auf, als er mir einen liebevollen Kuss auf meine Stirn gab. Er war wirklich versöhnlich drauf, also war jetzt auch die perfekte Gelegenheit, ihn wegen heute Abend zu fragen. "Ach, ich wollte bei Stella schlafen. Ist das in Ordnung?"

"Natürlich. Aber keine Party."

Er ließ mein Gesicht los und sah mich mahnend an, jedoch schlich sich auch ein Grinsen auf seine Lippen.

"Ihr geht auf eine Party, oder?"

"Ja, aber nur von der Schule. Da sind-"

"Ihr seid um 23:00 Uhr wieder bei Adamo in der Wohnung und du rufst mich von dort aus an. Kein Alkohol und keine weiteren Probleme, verstanden?"

"Danke, Padre", freute ich mich über meine gewonnene Freiheit und umarmte ihn glücklich, woraufhin er mir mehrere Male über den Rücken streichelte. Unterbrochen wurden wir von meiner Mutter, die mit einem Strauß Rosen ins Schlafzimmer kam.

"Von wem sind die?"

Ich spürte förmlich, wie mein Vater sich anspannte und nahm etwas Abstand.

"Ach, Gino! Von einem Mann, der mein Vater sein könnte, so alt ist er", antwortete meine Mutter und sah anschließend zu mir. "Wofür so schick?"

"Ich schlafe bei Stella und-"

"Was interessiert es mich, ob der Idiota dein Vater sein könnte? Bring diese hässlichen Blumen in den Müll oder sonst wohin und-"

Da mein Vater immer sehr eifersüchtig werden konnte und diese Diskussionen auch meist länger dauerten, verließ ich schnellen Schrittes das Schlafzimmer und suchte mein eigenes Zimmer auf. Ich packte noch Schlafsachen in meinen Rucksack und zog meine Highheels an, um dann auch schon Stellas Nummer zu wählen.

"Das mit später geht klar."

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