61 | Rückkehr
Ayaz fuhr mich nach meiner kleinen Eifersuchtsszene nach Hause. Wir standen noch eine Weile im Morgengrauen versteckt neben der Villa und sprachen darüber, dass wir vorsichtig sein mussten. Yavuz und Stella würden es nicht weiter erzählen, genauso wenig wie Cecilio und meine Mutter. Trotzdem wollten wir kein Risiko eingehen.
"Ruf mich an, wenn etwas sein sollte. Egal was."
"Was sollte denn sein?", gab ich ihm verführerisch zurück und zog ihn dabei an seinem schwarzen Pullover näher an mich heran. Lächelnd drückte ich meine Lippen auf seine und lehnte dabei mit meinem Rücken an der Mauer der Villa. Ich hatte immer noch nicht genug von ihm.
"Ich weiß nicht...", flüsterte Ayaz an meine Lippen, während ich bereits wieder das bekannte Kribbeln in meinem Magen spürte. "Aber bei dir gibt es doch gar keine Tage, ohne jegliches Drama oder Chaos."
Grinsend löste er sich von mir und sah mit seinen dunklen Augen zu mir herab. Ich bekam kaum mit, was er sagte, so beschäftigt war ich mit der Vorstellung, in seinen Armen zu liegen. Nur zu gerne hätte ich mir den Weg nach Hause gespart und wäre bei ihm geblieben. Die Stunden mit ihm gaben mir Ruhe und Kraft. Doch nicht nur das. Er machte mich glücklich, auch wenn es absurd erschien. Wie lange kannte ich ihn noch mal? Theoretisch nicht lange genug, um meine Emotionen von ihm abhängig zu machen. Praktisch erlag ich ihm jetzt schon. Ayaz bemerkte wohl, dass ich gedanklich abdriftete, während ich mit dem Kragen seines Pullovers herumspielte. Er räusperte sich und ich sah mit einem Schmunzeln zu ihm auf.
"Vielleicht versuche ich ausnahmsweise mal, mich zu benehmen. Ich will ja nicht, dass du alter Mann noch Herzprobleme wegen mir bekommst."
"Alter Mann?"
Er grinste frech und ich löste mich mit einem Zwinkern von ihm, um anschließend an der Mauer entlang zum Tor zu laufen.
"Ich werde dir noch zeigen, was ein alter Mann so drauf hat!", rief er mir hinterher. Als ich mich herumdrehte, lehnte er an seinem Motorrad und zog sich gerade seinen Helm über.
"Ich kann es kaum erwarten!"
Mit Schmetterlingen im Bauch, bog ich um die Ecke und sah unserem Pförtner entgegen. Dieser nickte freundlich und öffnete mir das Tor, sodass ich die mit hellem Kies bedeckte Einfahrt hinauflaufen konnte. An der Haustür angekommen, hielt ein Wachmann mir diese zuvorkommend auf. Ich beachtete ihn nicht weiter und suchte auch drinnen gleich mein Zimmer auf. Es war noch still im Haus und ich nutzte die Zeit, um ausgiebig zu duschen, mich frisch zu machen und meine Klamotten zu wechseln. Kurzerhand entschied ich mich vor meinem Kleiderschrank für ein weißes Sommerkleid. Mittlerweile schien die Morgensonne bereits in mein Zimmer. Sie erhellte alles, doch gedanklich brach die Finsternis wieder in mir aus. Kaum war Ayaz nicht in meiner Nähe, spürte ich die aufkommende Unruhe. Mir schwirrte Madrisa im Kopf herum. Die Probleme, die ich mit meinem Bruder hatte. Dazu auch die Tatsache, dass ich anscheinend wegen Riziero einen Filmriss hatte. Alles brach auf mich ein und nervös zupfte ich an meinem Kleid herum, bis es aber an der Tür klopfte.
"Nives?!"
Ich verdrehte meine Augen, denn ich wollte jetzt so früh keine Diskussion mit Malino führen.
"Hau ab!", rief ich zurück, doch Malino öffnete trotz meiner Ansage die Tür und trat hinter mir ein. Wenn Ayaz mir Ruhe vermittelte, so war Malino das komplette Gegenteil. "Spinnst du?! Hab ich nicht gesagt, du sollst verschwinden?!"
Nur mit einer schwarzen Shorts bekleidet betrat er mein Zimmer und ließ sich neben mir ins Bett fallen. Sein Blick richtete sich skeptisch zu mir auf.
"Wo warst du die ganze Nacht?"
Irrtiert zog ich eine Augenbraue hoch und wandte meinen Blick anschließend wieder zu meinem Schrankspiegel. Ich kämmte mir ordentlich durch meine Haare und versuchte meinen Bruder dabei so gut es ging auszublenden. Natürlich hörte er aber nicht auf mich zu nerven.
"Ich hab gehört, dass du heute morgen erst heim gekommen bist."
"Schön für dich. Machst du einen Lehrgang als Stalker?"
"Nives!", wurde er schlagartig lauter. Er erhob sich von meinem Bett und stellte sich genau neben mich. "Verarsch mich nicht. Ich will wissen, wo du verdammt noch mal warst."
"Also erstens-", sprach ich noch ganz ruhig und drehte mich dabei zu ihm. Würde er weitermachen, könnte ich für nichts mehr garantieren. Mir gefiel es nämlich überhaupt nicht, dass er in letzter Zeit meinte, mich kontrollieren zu müssen. "- geht es dich einen scheiß an und zweitens, bin ich volljährig. Fuck mich bloß nicht ab, denn du willst mich sicher nicht reizen, oder?"
Ich legte ein gespieltes Lächeln auf, da umgriff er aber meinen Arm, was meine Atmung vor Wut überschlagen ließ.
"Padre hat gesagt, ich soll dich nicht aus den Augen lassen!"
"Pech!", erwiderte ich zornig über seine Geste und schlug ihm voller Wucht den Griff meiner Haarbürste gegen die Schläfe. Er zischte, ließ mich aber zu meiner Erleichterung auch sofort wieder los. "Verpiss dich jetzt, oder willst du mir vielleicht noch einen Peilsender in den Arsch stecken?!"
"Miststück!", entkam es ihm, während er sich zwei Finger an seine Schläfe legte. "Das hat echt weh getan!"
"Heul doch."
Ich wandte meinen Blick wieder zum Spiegel und erschrak beinahe zu Tode, als ich ohne jegliche Vorwarnung diese hässliche Hure hinter uns erkannte. Scheiß egal, welch Diskussion mein Bruder und ich zuvor führten. Gegen sie wurden wir wieder ein Team. Er stellte sich auf ihr Erscheinen sofort nah an meine Seite, während ich mich zu ihr drehte.
"Ich gebe dir genau 3 Sekunden, um aus meinem Zimmer zu verschwinden!"
Warnend betrachtete ich Madrisa, bis mir mit großen Augen auffiel, dass sie ein Kleid meiner Mutter am Körper trug. Es war das Rote, welches mein Vater ihr vor kurzem erst gekauft hatte.
"Enzo hat mich geschickt. Er möchte mit uns allen gemeinsam frühstücken."
Ein provozierendes Lächeln entstand auf ihren Lippen, dass meine Hände zum Zittern brachte. Ich ließ die Haarbürste aus meinen Fingern zu Boden gleiten und wollte einen Schritt auf sie zu, da stellte sich Malino aber vor mich und umfasste meine Schultern.
"Scheiß auf sie. Sie will dich doch nur provozieren."
"Malino... Geh mir aus dem Weg", flüsterte ich mit bebender Stimme zu ihm auf. Ich empfand nur noch Wut und wollte diese zu gerne an dieser Nutte raus lassen. Mein Bruder schüttelte aber seinen Kopf und drehte sich flüchtig zu Madrisa.
"Verpiss dich!"
Sie lachte auf und erneut wollte ich mich an Malino vorbeidrängen, da schubste er mich aber an den Schrank hinter mir.
"Hör auf!", mahnte er mich, während Madrisa die Tür von außen schloss und uns alleine zurückließ. "Merkst du nicht, was sie macht?! Sie will doch nur, dass du ausrastest! Dann kann sie nämlich zu Elio und erzählen, welch grausame Person du doch bist!"
"Mir scheißegal!", gab ich ihm zurück und sah wütend zu ihm auf. "Ich bringe sie um, bevor sie überhaupt noch dazu kommen wird, mit jemanden zu reden!"
Mein Herz klopfte wie wild, doch desto länger ich hier stand, umso mehr beruhigte ich mich wieder. Trotzdem würde sie das alles büßen. Nicht nur, dass sie meinen Bruder mit einem angeblichen Baby an sich band. Sondern auch, dass sie ohne zu Fragen die Kleider meiner Mutter anzog. Dass alles würde ich nicht durchgehen lassen.
Ich atmete tief durch und lief Malino voraus aus meinem Zimmer. Die Vorstellung, dieser Nutte Rattengift unterzumischen, brachte ich mich zum Grinsen. Allerdings wüsste dann jeder, dass ich es war. Ich müsste also einen Weg finden, es wie einen Unfall aussehen zu lassen.
"Weißt du, wann die Treppen gewischt werden?"
Stufe für Stufe nahm ich nach unten und drehte mich dann mit einem fragenden Ausdruck zu Malino. Dieser zog nur irrtiert seine Augenbrauen zusammen, bis er wohl kapierte, worauf ich hinauswollte.
"Ein guter Gedanke", erwiderte er mir und blieb neben mir stehen. Wir sahen beide die Marmortreppe hinauf. "Aber ich glaube nicht, dass von solch einer Höhe jemand stirbt. Sie bricht sich höchstens einen Arm und wird noch bedürftiger an Elio kleben."
"Es ist frustrierend..."
Ein genervtes Seufzen kam über meine Lippen. Ich lief entmutigt weiter ins Wohnzimmer und erkannte gleich Opa Enzo, der mit einer Zeitung am Kopfende des Tisches saß. Auch Madrisa und Elio saßen am Tisch, doch keiner von den beiden hatte meine Aufmerksamkeit verdient.
"Guten Morgen", sprach ich lächelnd zu meinem Opa, der seine Zeitung sinken ließ und mein Kleid musterte.
"Guten Morgen. Ein wirklich schönes Kleid."
Er stand auf und umfasste meine Schultern, um mir auf jeden Wange einen Kuss zu hauchen. Erst dann lenkte er seine Aufmerksamkeit auf Malino, der immer noch nur eine Shorts trug.
"Geh dir doch bitte ein T-Shirt anziehen", wies er ihn an. Malino verdrehte zwar seine Augen, verschwand aber trotzdem wieder aus dem Wohnzimmer.
"Er wird es nie lernen", erwiderte ich meinem Opa, da es nicht das erste Mal war, dass Malino halbnackt am Tisch auftauchte. Im Grunde konnten wir alle dankbar sein, dass er überhaupt eine Shorts trug und nicht komplett nackt auftrat. Mein Blick fiel zu Madrisa, während mein Opa wieder Platz nahm.
Auch ich ließ mich auf dem Stuhl gegenüber von Elio nieder, der aber nur gedankenverloren in seine Tasse starrte.
"Also", fing mein Opa dann ein Gespräch mit uns an. Malino kam zurück mit einem weißen Pullover und setzte sich neben mich. "Eure Eltern sind gerade gelandet. Ich denke, in einer halben Stunde sollten sie spätestens hier sein."
"Na Gott sei Dank." Ein Lächeln entstand auf meinen Lippen, während ich mir eine Tasse Kaffe eingoss. Erneut fiel mein Blick auf Madrisa. "Mein Vater wird dann sicher erstmal den Müll raus bringen."
"Nives!"
Mein Opa ermahnte mich zwar, doch ich ließ Madrisa nicht aus den Augen, die mir plötzlich zuzwinkerte und sich nach vorne lehnte. Sie legte ihre Arme verschränkt auf den Tisch und schien amüsiert zu sein.
"Nives", sprach sie gespielt freundlich. "Ich verstehe nicht, was du gegen mich hast. Ich meine, was habe ich dir getan?"
Alleine diese aufgesetzte Miene von Freundlichkeit ihrerseits ließ meinen Magen überdrehen. Ich wollte ihr die Augen auskratzen und ihr das dämliche Grinsen auf dem Gesicht schneiden. Stattdessen blieb ich aber meinem Opa zu Liebe ruhig.
"Ach, Madrisa", erwiderte ich ihr und trank anschließend einen Schluck meines Kaffees. Als ich die Tasse wieder vor mir abgestellt hatte, legte ich ebenfalls ein gespieltes Lächeln auf. "Ich habe doch nichts gegen dich. Ich meine, wer wünscht sich für seinen Bruder keine gestörte Hure, dir nichts kann, außer fremd gehen und-"
"Nives, bitte", entkam es meinem Opa erneut, da wurde ich aber erst richtig sauer. Nicht, weil er mich unterbrach, sondern weil dieses Miststück kicherte und damit mein Geduldsfaden riss. Ruckartig sprang ich von meinem Stuhl auf. Ich war so rasend vor Wut, dass nicht mal Malino mich hätte aufhalten können.
"Was ist so lustig?!", wollte ich von Madrisa wissen, da stand aber Elio auf und stellte sich schützend vor sie. "Geh mir aus dem Weg! Ich schwöre, ich tue dir sonst weg!"
"Es reicht, findest du nicht auch?!"
"No!", wurde ich lauter und schubste Elio zur Seite. Er fing sich jedoch schnell wieder und ich hatte keine Möglichkeit, an ihm vorbei zu kommen. Dieser ganze Hass in mir verstärkte sich sogar noch, als ich auf in seine Augen sah und ihn nicht wiedererkannte. Sie hatte ihn mir genommen! Sie hatte ihn zerstört! Ein resistenter Virus, der kaum loszuwerden war. "Lass mich vorbei!"
Es entstand eine zerreißende Stille, bis wir alle im nächsten Moment die Haustür hörten und unsere Blicke in den Flur wandten.
"Ciaaaaoooo", hörte ich meine Mutter, die ich anschließend mit einem Koffer in den Flur eintreten sah. Mein Herz klopfte wild und viel zu schnell. Ich konnte mich selbst durch die Rückkehr meiner Eltern kaum beruhigen und nahm erneut Elio ins Visier. Auch er wandte seine Augen wieder zu mir herab.
"Sie wird sterben", flüsterte ich leise. "nicht, weil ich sie hasse - sondern weil ich dich liebe. Ich kenne dich und mir ist klar, dass sie etwas gegen dich in der Hand hat. Ansonsten würdest du dich nicht so auf sie einlassen. Du würdest mich niemals im Stich lassen."
Ich erkannte im Augenwinkel, dass Enzo und Malino vom Tisch aufstanden und in den Flur liefen.
"Du kennst mich nicht", gab Elio mir leise zurück. "würdest du mich kennen, wüsstest du, wie sehr ich dich im Moment brauche. Du würdest dich auf mich und mein Wohlergehen konzentrieren und nicht darauf, sie zu zerstören."
"Ich werde beides tun. Vertrau mir. Eines Tages wirst du mir danken."
Wir fixierten uns und gerade, als er seine Lippen öffnete und etwas sagen wollte, hörte ich die Stimme meines Vaters.
"Wo ist mein Küken?!"
Neugierig wandte ich meinen Blick zum Flur. Er stand mit mehreren Taschen in der Hand an der Haustür und legte ein strahlendes Lächeln auf, als ich anschließend auf ihn zulief. Elio ließ ich stehen. Nicht, wegen meinem Vater - sondern weil es sowieso nichts mehr zu sagen gab.
"Padre!", freute ich mich. Ich blendete für einen Moment den Hass auf alles aus und warf mich glücklich in seine Arme. Endlich war ich nicht mehr alleine. Endlich war jemand hier Zuhause, der meine Meinung teilte und hinter mir stehen würde. Ich hatte ihn so vermisst, was ich aber erst jetzt bemerkte, wo ich ihn fest in meine Arme zog.
"Ai, meine Prinzessin", hauchte er und löste sich aus unserer Umarmung, um seine Hände auf meine Wangen zu legen. Seine dunklen Augen durchbohrten mich. "Du bist die letzten Tage ja noch viel schöner geworden", grinste er und nickte kaum merklich zur Seite. "Und ich hab einiges gekauft, dass deine Schönheit noch mehr zur Geltung bringen wird."
Ich sah herab zu unserer Seite und erkannte die vielen Einkaufstaschen von Prada und Gucci.
"Ai, dio Mio", strahlte ich und wollte mich bereits über die Sachen hermachen, da zog mein Vater mich aber noch mal zu sich.
"Bitte sag deiner Mama auch erstmal Hallo."
"Natürlich", gab ich ihm zurück und drehte mich zur Seite, da entdeckte ich aber Madrisa, die gerade von meiner Mutter mit einer Umarmung begrüßt wurde. Mir gefror bei diesem Anblick das Blut in meinen Adern. Dieser Moment wurde dann nur noch davon überschattet, dass im nächsten Moment Ayaz und Yavuz ebenfalls mit einigen Koffern den Eingangsbereich betraten.
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