31 | Verfallen
"Also mir hat die Minute vollkommen gereicht."
Zwinkernd sah ich zu Ayaz auf und tat auf tiefenentspannt, obwohl mein gesamter Körper immer noch zitterte. Natürlich bemerkte er es und strich erneut sanft mit seinem Daumen über meine Unterlippe.
"Mir nicht ansatzweise", flüsterte er in die Stille an meinen Mund und erneut fing mein Herz von seinen Berührungen eingenommen an zu rasen. "Und trotzdem warte ich geduldig."
"Auf was wartest du?..."
Fragend blickte ich ihm tief in seine Augen. Er legte ein solch schönes Lächeln auf, dass auch ich automatisch mitgezogen wurde und mir ein Schmunzeln nicht verkneifen konnte.
"Auf deinen Geburtstag, kleine Prinzessin."
"Ach, also geht es dir um einen besonderen Tag?"
Er nickte und löste sich anschließend leider komplett von mir, um sich einige Schritte zu entfernen. Es fühlte sich jetzt schon komisch an, ihm nicht mehr nah zu sein. Wo sollte das alles noch hinführen?
"2 Wochen und ich habe Geburtstag. Was hast du dann mit mir vor?", hakte ich neugierig nach, woraufhin er mich von oben bis unten betrachtete. Seine Blicke brannten sich in jeden Zentimeter meines Körpers, als würde er meine Haut alleine damit zum Brennen bringen. Es war ein fantastisches Gefühl, so voller Begierde gemustert zu werden.
"Dinge, die du dir nicht mal ansatzweise vorstellen kannst..."
Es entstand eine kurze Stille, doch ich unterbrach diese als erste wieder.
"Wenn du wüsstest, was ich mir gerade alles vorstelle...", gab ich ihm hauchend zurück und lief dabei mit langsamen Schritten durch die Dunkelheit auf ihn zu. "Du würdest nicht eine Sekunde länger warten, würde ich es dir verraten."
"Bist du dir da sicher?"
Lächelnd biss ich mir auf meine Unterlippe, während er mir einen herausfordernden Blick zu warf. Irgendwie führte jede Unterhaltung zu einem spielerischen Kampf, aus dem nur ein Gewinner herausgehen würde. Alles mit ihm war so aufregend und intensiv, dass selbst die Luft uns herum vor Spannung vibrierte. Dieses Mal, würde uns aber eine Unterbrechung den gesamten Spaß rauben...
Im nächsten Moment ging nämlich die Tür neben uns auf und Malino trat ein, der mich sofort irrtiert musterte, um anschließend Ayaz ins Visier zu nehmen. Ich blieb ganz cool, denn Malino war viel zu dämlich, um diese Situation richtig zu deuten.
"Was ist hier los?", wollte er wissen, da umgriff Ayaz schlagartig mein Handgelenk und sah mahnend zu mir herab. Ich hob amüsiert eine Augenbraue, wusste aber genau, was er vorhatte. Diese Dominanz seinerseits gefiel mir, auch wenn ich mir früh genug die Führung zurückholen würde.
"Ich soll sie nach Hause bringen! Sofort!", ertönte Ayaz dunkle Stimme und schon zog er mich an meinem Handgelenk an Malino vorbei in den Flur. Klar hätte ich mich wehren oder protestieren können, doch ich wollte sowieso nicht mehr auf dieser Party bleiben.
"Ich rufe dich an!", ließ ich Malino noch wissen und hielt beim herunter laufen der Treppen Ausschau nach Stella, doch keine Spur von ihr war zu sehen. Wir verließen gemeinsam die Villa und traten in die kühle Luft der Dunkelheit hinaus, die mir schlagartig eine Gänsehaut über die Arme jagte. Es roch so gut nach dem Meer und Freiheit, dass ich mit Ayaz Hand um meinen Arm einen Moment inne hielt.
Kein Mensch war hier draußen. Man hörte nur die Musik von innen und den Kies, der unter den Absätzen meiner Schuhe knisterte.
Meine Augen schließend, nahm ich einen tiefen Atemzug und sah daraufhin neben mir auf zu Ayaz. Er beobachtete mich und der Ausdruck seiner Augen bewies mir zu gut, dass er mich genauso anziehend fand, wie ich ihn.
Ohne ein Wort zu sagen, ließ er meinen Arm los und legte seine Finger an die Knöpfe meiner dünnen Jacke. Ich sah flüchtig herunter, wie er sie geduldig zu machte und sah anschließend erneut zu ihm auf. Die Kapuze lag immer noch halb über seinem Kopf und der Wind wehte leicht durch seine dunklen Haare, die seitlich unter der Kapuze herausschauten.
"Das wird böse enden...", lenkte seine Stimme meine Aufmerksamkeit wieder auf seine Augen. Er schien für einen kurzen Moment vollkommen ernst, bis ein sanftes Lächeln auf seinen Lippen entstand. "Aber wo wären wir, wenn wir am Anfang schon vom Ende sprechen würden."
"Es muss nicht böse enden", wiedersprach ich ihm. "Wir müssen nur vorsichtig sein. Außerdem muss es ja nichts ernstes werden. Ein bisschen Spaß haben, verstehst du?"
Ich wollte mit ihm spielen und seine Reaktion testen. Doch anstatt er darüber erbost oder ähnlich reagiert hätte, lachte er plötzlich auf.
"Alles klar, Prinzessin", grinste er und nun war ich diejenige, die ihm völlig verwirrt hinterher zum Motorrad lief.
"Was ist daran so witzig?", hakte ich nach und hatte wirklich Probleme, mit meinen Highheels Schritt zu halten.
"Das du von Spaß redest, mir aber jetzt schon verfallen bist."
"Wie bitte?", lachte ich nun laut los und starrte ihn kopfschüttelnd an. "Ich glaube du verwechselst da etwas!"
"Achja?"
Er blieb am Tor stehen und drehte sich zu mir herum.
"Ja! Du bist mir verfallen! Immerhin hast du mich doch gesucht!"
"Und du hast dir keine Mühe beim Verstecken gegeben. Wer hatte es also nötiger?"
"Weil ich nicht wollte, dass du vor Verzweifelung noch anfängst zu weinen, dämliches Arschloch!"
Und da war es wieder. Meine innere Blockade. Ich konnte nie etwas einfach genießen. Ständig machte sich das Bedürfnis in mir breit, die Oberhand zu behalten. Ich wollte dieses Verhalten gegenüber Ayaz nicht zeigen, doch mein Temperament war nur schwer zu zügeln.
"Bist du fertig?", meinte er ohne ein Drama aus meinen Worten zu machen und reichte mir an seinem Motorrad angekommen den Helm. Ich zog ihn wortlos über und schämte mich ein klitzekleines bisschen. Aber wirklich nur ein bisschen. "Gut, dann sind wir uns also einig."
Irrtiert starrte ich durch das Visier zu ihm auf.
"Über was einig?"
"Dass du mir verfallen bist", grinste er und ehe ich hätte erneut protestieren können, setzte er sich auf sein Motorrad und stellte es an. Meine Augen verdrehten ich, während ich hinter ihm Platz nahm und meine Hände fest an seine Seite legte.
"Es ist andersherum!", rief ich über den lauten Klang des Motors hinweg und obwohl er mich sicher genau verstanden hatte, reagierte er nicht darauf und fuhr los.
____
Vor der Villa angekommen sah der Pförtner sofort neugierig zu uns herüber, was wirklich nervig war. Ich stieg vorsichtig ab und zog so elegant es mir möglich war dem Helm aus, um diesen Ayaz zu reichen.
"So", entkam es mir dann, weil ich nicht wirklich wusste, was ich sagen sollte. Am liebsten hätte ich erneut klar gemacht, dass ich ihm ganz sicher nicht nach so wenigen Tagen verfallen war. Doch würde ich mich damit selbst belügen?
"So", meinte Ayaz dann auch und wartete wohl genau wie ich, ob jemand noch etwas hinzuzufügen hatte. Als ich dann bereits einige Schritte rückwärts machte, legte er ein amüsiertes Grinsen auf.
"Was ist so komisch?", hakte ich nach, da zog er seinen Helm an und legte seine Hände wieder an den Lenker.
"Träum schön von mir."
Mehr kam nicht mehr von ihm, ehe er in hohem Tempo los fuhr und ich die Straße runter ihm nachsah. Die Lichter seines Motorrads wurden immer kleiner - meine Sehnsucht nach seinen Lippen immer größer.
Verdammt! Das war psychologische Kriegsführung die er da betrieb. In dem er mir nämlich einredete, dass ich von ihm träumen würde, tat ich es jetzt schon hier im Dunklen stehend. Mistkerl!
"Nives?"
Die besorgte Stimme meiner Mutter ertönte hinter mir und schon drehte ich mich herum, wodurch der Pförtner mir das Tor öffnete.
"Hast du dich schon wieder raussgeschlichen?!"
"Ai, Mama", gab ich tief durchatmend von mir und lief direkt auf sie zu. "Stella durfte doch auch."
"Stellas Vater ist auch ein verantwortungsloser Idiot", meinte meine Mutter plötzlich und ich dachte bereits, eine Moralpredigt würde folgen. Sie nahm mich jedoch in ihre Arme und der wohltuende Geruch ihres Parfums ummantelte mich. "Hauptsache du bist wohlbehalten wieder hier."
Sie streichelte sanft über meinen Rücken und wir liefen anschließend nebeneinander her die Einfahrt rauf.
"Darf ich dich etwas fragen?", entkam es mir schließlich im Hausflur angekommen und während meine Mutter die Tür schloss, schaute ich kurz ins Wohnzimmer hinein. Es schliefen wohl alle schon, denn niemand außer wir war noch hier unten.
"Natürlich", erklärte meine Mutter, da legte ich mir die richtigen Worte zurecht.
"Hast du manchmal solche Angst um mich, weil dir so was Schlimmes passiert ist?"
Ich sah ihr sofort an, wie unangenehm ihr das Thema war und hätte meine Frage am liebsten zurückgenommen. Ich wollte sensibler mit ihr umgehen, so wie auch mein Vater es tat. Zuvor hatte ich nie verstanden, wieso er nur zu ihr so sanft und gutmütig war. Jetzt kannte ich die Gründe dafür.
"Keine Mutter möchte, dass das eigene Kind die schlimmsten Erfahrungen mit ihr teilen muss. Du denkst sicher, alles ist unfair... Es kann aber so schnell passieren, dass ein einziger Abend dein gesamtes Dasein in Frage stellt. Eine Stunde, in der du eine einzige falsche Entscheidung triffst... Es kann dein ganzes Leben zerstören."
Sie wirkte so verletzt, dass ich nicht weiter nachhaken wollte. Sie hatte sicher Recht, doch ich war immer noch der Überzeugung, ich könnte mich in jeder Situation selbst verteidigen.
"Es tut mir leid, dass dir das passiert ist."
"Das muss es nicht", lächelte sie gequält und lief anschließend neben mir her die Stufen nach oben. "Mach dir keine Gedanken um die Vergangenheit. Und jetzt, schlaf gut und kein Abhauen mehr."
"Heute nicht mehr, versprochen!", gab ich ihr zurück und nach einem Kuss auf ihre Wange, verschwand ich direkt in mein Zimmer.
Meine Jacke warf ich auf dem Boden und nahm zuvor noch mein Handy zur Hand, um mich auf die Kante meines Bettes zu setzen.
"Gute Nacht."
Ich überlegte die Nachricht an Ayaz zu schicken, doch das kam mir dann absolut falsch vor. Der würde noch denken, ich wäre bedürftig. Schnell löschte ich die Worte und zog mich um zum Schlafen, um auch schnell wegzudösen.
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Leute Stimmen weckten mich aus dem Schlaf. Es war bereits 12 Uhr und ich fragte mich, wieso mich keiner geweckt hatte. Gähnend erhob ich mich und zog einen dünnen, roten Pullover über, um mit Leggins und diesem das Wohnzimmer unten aufzusuchen.
Zu meiner Verwunderung saßen am Tisch nicht nur mein Vater, Cecilio und Nunzio - sondern auch Yavuz und Ayaz. Ansonsten war niemand hier.
"Du!", riss mein Vater mich aus meiner Starre und zeigte auf den Stuhl am Kopfende ihm gegenüber. "Setzen! Sofort!"
"Dio mio..", flüsterte ich überfordert und nahm kurz Ayaz ins Visier. Der hatte aber nur Augen für die Tasse Kaffe unter sich. Mein Blick schweifte auch über die anderen, die allesamt schwarz angezogen waren. "Ist jemand gestorben?!"
"Noch nicht!", mahnte mein Vater und ich sah vollkommen verblüfft dabei zu, wie er plötzlich das Messer aus Cecilios Händen nahm und es mitten in die Tischplatte rammte. "Aber bald! Dieses miese Arschloch! Kein Mann legt auch nur einen Finger an dich!"
Ich riss ungläubig meine Augen auf und spürte mein Herz mir bis zum Hals schlagen, während das Messer im Tisch steckend immer noch bebte.
Nur zögerlich lief ich auf den Stuhl zu und nahm mir dabei vor, nicht eine Sekunde zu Ayaz zu schauen. Mein Vater hatte mich ihm Blick und gerade, als ich überfordert Platz nahm, kam Malino ins Wohnzimmer.
"Ich hab's ihnen gesagt", meinte er und ich dachte immer noch, er würde über Ayaz sprechen, da ertönte aber erneut die dunkle Stimme meines Vaters.
"Wenn dieser Riziero sich es noch einmal wagt, dich anzusprechen! Nives! Ich erschieße seine gesamte Familie! Verstehst du, was ich dir sagen will!"
"Padre!", wurde ich lauter und legte ein entschuldigendes Lächeln auf. "Er ist nur ein Schuljunge! Du musst dir keine Gedanken machen!"
"Mache ich aber! Du bist meine einzige Tochter!", gab er mir aufgelöst zurück und nahm schlagartig Malino ins Visier. "Fahr jetzt zu diesem Bastard und mach ihm klar, dass er sie in Ruhe zu lassen hat!"
"Si", nickte Malino und wandte sich wieder zum gehen, woraufhin mein Vater Ayaz ins Visier nahm. Ich hielt bereits die Luft vor Spannung an.
"Und du hälst jeden verfickten Mann von ihr fern! Höre ich auch nur, dass sie einer anrührt, dann schneide ich nicht nur seine Hände ab!"
Ein lautes Lachen ertönte und sofort starrten wir alle zu Cecilio, der so amüsiert war, dass er bereits Tränen in den Augen hatte
"Entschuldige, aber das ist einfach zu köstlich", grinste er überheblich und sah dabei kurz zu mir. Ich hatte jedoch überhaupt nichts mehr zu lachen in dieser Situation. Mein Vater verlor anscheinend langsam seinen Verstand.
"Und wie soll ich jemanden kennen lernen, wenn mich nicht mal jemand anfassen darf?", warf ich also ein.
"Du bist erst 18! Du bist noch mein kleines Mädchen! Wenn es soweit ist, suche ich dir einen Mann aus, der-"
"Auf gar keinen Fall!"
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