2 | Erwischt

"Guten Abend", begrüßte uns einer der Polizisten und blendete mir dabei mit seiner Taschenlampe direkt ins Gesicht. Es reizte mich bereits jetzt, ihm meine Meinung ins Gesicht zu geigen - jedoch riss ich mich zusammen und ließ dieses grelle Licht wortlos über mich ergehen. "So spät noch unterwegs?"

"Was dagegen?", erwiderte Malino ihm provozierend und zündete sich eine Zigarette an. Zumindest versuchte er es - bevor er allerdings die Flamme des Feuerzeugs anmachen konnte, riss der zweite Polizist ihm die Kippe aus dem Mund.

"Wie alt seid ihr?"

"Alt genug, um nachts gemütlich spazieren zu gehen." Stella sah ihn mit ihrem wunderschönen Lächeln herausfordernd an, doch die Typen machten nicht den Anschein, auf ihren Charme anzuspringen. Eher noch, als würden sie gerade extreme Langeweile haben und extra jemanden suchen, den sie abfucken könnten.

Doch weiterhin hielt ich meinen Mund und beobachtete nur das Geschehen, während ich meinen Kopf an Elios Schulter schmiegte.

"Spazieren gehen?", wiederhole der Polizist mit den blonden Haaren höhnisch die Worte von Stella, um anschließend seine Taschenlampe auf Malinos Augen zu richten. Seine Pupillen wirkten wie Stecknadeln und das brachte ihm nun wirklich Ärger ein. "Euer Kollege sieht aus, als wäre er höchstens auf einer Hanfplantage spazieren gegangen. Durchsuch ihn."

"Stop!"

Ich staunte nicht schlecht, als Elio sich plötzlich einmischte und einen Schritt vor machte.

"Sie kennen sicher Signor Benedetti!", erwähnte er den Namen des Bürgermeisters und natürlich wurden da beide Polizisten hellhörig, während Elio ihnen seinen Ausweis reichte. "Meine Mutter ist schon seit Jahren seine rechte Hand. Mancini - wenn ihnen der Name etwas sagt! Sie sollten sich also ganz genau überlegen, wen sie hier ohne Grund durchsuchen!"

Schmunzelnd zwinkerte ich Stella und Malino zu und ich konnte kaum fassen, dass diese beiden Idioten Polizisten einige Schritte rückwärts machten und anfingen zu flüstern. Was mir dabei aber merkwürdig vorkam, war, dass sie nicht den Namen meiner Mutter, sondern den meines Vaters mehrere Male erwähnten. Sie sprachen zwar leise, doch mir entging trotzdem nicht, wie hektisch ihre Gestikulierungen wurden. Auch ein Anzeichen von Überforderung war, dass sie  schnell und ungleichmäßig atmeten, während sie miteinander sprachen. Hatten die etwa wirkich Angst? Vor was? Ich dachte höchstens, sie würden aufgrund der Berufung meiner Mutter netter mit uns umgehen ... doch etwas komplett verrücktes passierte.

"Wir wünschen euch noch einen schönen Abend."

Der eine reichte meinem Bruder seinen Ausweis zurück und so schnell sie gekommen waren, verschwanden sie auch wieder.

"Dio Mio!", lachte Stella als erste los und ich sah nur grinsend zu meinem Bruder auf.

"Du spielst also die Mama Karte", entkam es mir und er nickte mit seinem typischen Sunnyboy Grinsen, um anschließend sein Handy hervorzuholen.

"Und jetzt spiele ich die »ich rufe ein Taxi und alle steigen ein« Karte."

Keiner von uns widersprach ihm. Wieso sollten wir auch? Auf die Party zurück konnten wir nicht und sinnlos durch die Nacht zu wandern war auch nicht mein Plan.

Das Taxi kam schneller als gedacht bei uns an und es dauerte auch kaum weitere 10 Minuten, da parkte es auch schon am Rand der Straße und wir bekamen Ausblick auf das große Tor unserer Villa.

"Hoffentlich schlafen alle", hauchte Elio nachdenklich und wir bezahlten das Taxi, um uns anschließend um die Villa herumzuschleichen. An unserem Baum angekommen, kletterte dann zuerst Stella, dann Malino, dann ich und zuletzt Elio herüber, um hinten im Garten kurz inne zu halten.

"Lichter sind jedenfalls aus", bemerkte Malino mit dem Blick auf die Rückseite der Villa gerichtet und kaum machte er einen Schritt aus der Dunkelheit heraus, folgten wir anderen ihm so leise wie möglich.

"Pass doch mal auf!"

Stella drehte sich plötzlich zu mir herum, da ich ihr unabsichtlich auf die Ferse ihres Schuhs getreten war - ich lächelte jedoch nur ohne den Funken eines schlechten Gewissens.

"Würdest du schneller laufen, müsste ich gar nicht aufpassen", erklärte ich zwinkernd, was sie zischend ihre Augen verdrehen ließ.

"Miststück", entkam es ihr und ich fing daraufhin amüsiert an zu lachen, was mir von Elio, der an meiner Seite lief, nur einen mahnenden Blick einbrachte.

"Was denn? Sie hat doch angefangen!", verteidigte ich mich und blieb im nächsten Moment wie erstarrt stehen, als schlagartig das gesamte, helle Licht der Terrasse anging. Mit großen Augen erkannte ich meinen Vater, der mit einer Zigarette in der Hand an der Terrassentür lehnte und ohne Ausdruck zu uns starrte.

"Du erklärst ihm, dass du uns mitgeschleppt hast!"

"Ich erkläre einen scheiß!"

"Du bist so ein-"

"Ruhe! Alle!", unterbrach mein Vater unser Geflüster und kam dabei mit langsamen Schritten auf uns zu. Da er ein schwarzes Hemd und dunkle Jeans trug, war ich mir sicher, dass er in seinem komischen Tanzclub war und Mama ihn angerufen hatte, als sie unser Verschwinden bemerkte. Wieso bekamen wir keine Freiheit, obwohl wir bald schon 19 werden würden ... Jeder andere durfte auf Partys. Nur wir mussten uns rausschleichen und wurden ständig kontrolliert.

"Wo zum Teufel ward ihr?", wollte er ohne Ausdruck wissen, während er den Rauch der Zigarette genüsslich ausblies. Seine dunklen Augen fixierten jeden einzelnen von uns, während aber nur ich seinem strengen Blick stand hielt. Da mein Vater nichts mehr hasste, als belogen zu werden, entschied ich mich also für die Wahrheit.

"Auf einer Party! Alle zusammen", fing ich an zu erzählen und spürte dabei auch, dass die anderen zu mir herüber sahen. "Ein Russe wollte Elio schlagen, da hab ich mich eingemischt und als dann auch noch Malino mit einem Typ Stress hatte, sind wir abgehauen und wurden von der Polizei angehalten. Denen haben wir mit Mama gedroht und jetzt sind wir hier."

Ohne mich zu unterbrechen hörte er mir aufmerksam zu und nickte anschließend, um jeden von uns noch mal eindringlich zu mustern.

"Wirklich schön, euer Zusammenhalt", zwinkerte er und für den Bruchteil einer Sekunde wirkte er stolz, bis er aber wieder einen typischen Ausdruck auflegte. "Aber eure Mutter hat sich Sorgen gemacht! Macht sie sich Sorgen, mache ich mir Sorgen. Ist sie dann schlaflos, kann ich nicht arbeiten. Gehe ich nicht arbeiten, werde ich unruhig und wütend. Versteht ihr, worauf das hinausläuft?!"

"Kommt nicht wieder vor", erwiderte Malino ihm, woraufhin mein Vater aber nur einen Finger vor seinen Mund legte, um ihn zum Schweigen zu bringen.

"Entschuldigt euch morgen, wenn ihr euch Gedanken darüber gemacht habt! Eure Mutter und Antonio schlafen, also verschwindet in eure Zimmer und ich will euch vor morgen früh weder sehen noch hören! Mi sono spiegato sufficientemente!?"

"Si, padre", sprachen Malino, Elio und ich gleichzeitig, während Stella nur nickte. Ihr Vater, mein Onkel Adamo, war wesentlich gechillter. Im Grunde bekam sie nie Ärger.

"Gut, dann haut ab."

Er ging einen Schritt zur Seite, sodass wir an ihm vorbei konnten. Jedoch hielt er mich noch zurück, während die anderen bereits nach innen liefen.

"Was hat dein Bruder genommen?", wollte er mit dem Blick in meine Augen gerichtet wissen, da zuckte ich aber nur unwissend mit den Schultern.

"Keine Ahnung. Er war schon so drauf, als wir da abgehauen sind."

Nachdenklich nickte er, ehe er mich an sich zog und mir einen Kuss auf die Stirn hauchte.

"Schlaf gut, Küken."

"Du sollst mich nicht so nennen. Das ist peinlich!", beschwerte ich mich und tat äußerlich so, als würde ich seine Nähe nicht zulassen wollen. Innerlich erfreute ich mich aber seiner Aufmerksamkeit. Er war so selten zu Hause und wenn, dann kümmerte er sich fast nur um Mama und Antonio.

"Ai, das weiß ich- und genau deswegen werde ich es immer tun", gab er mir zurück und schon lief auch ich durch die Terrassentür in den großen Wohnbereich, wo ich mir noch eine Flasche Wasser aus dem Kühlschrank nahm.

Kaum in meinem Zimmer angkommen, zog ich mir noch meine Schuhe aus, um mich anschließend ins Bett fallen zu lassen.

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Der nächste Morgen traf mich mit voller Wucht. Die Kopfschmerzen waren beinahe unerträglich und ich blinzelte einige Male, um mir meine Wasserflasche vom Nachttisch zu greifen.

"Verdammt!", stöhnte ich, als mir total schwummrig wurde und wie immer musste ich Elio Recht geben. Die paar Gläser Whisky waren es definitiv nicht wert, dass man sich am nächsten Tag so überrollt fühlte.

Nachdem ich fast die halbe Flasche abgepumpt hatte, wollte ich mich eigentlich erschöpft wieder ins Kissen fallen lassen, da hörte ich aber meinen Bruder im Flur.

Neugierig erhob ich mich und schleppte mich über meinen weißen Teppich zur Tür, um diese zu öffnen.

"Wie siehst du denn aus?", meinte Malino und sah mich dabei irritiert an. "Hast du mit Klamotten geschlafen?"

"Was juckt es dich?", gab ich ihm zurück und hielt mir den Kopf. Anschließend sah ich zu meiner Seite, wo ich Stella erkannte, die sich gerade noch ihr dünnes, rotes Jäckchen überzog.

"Mein Vater kommt gleich. Die wollen irgendwas mit uns besprechen", erklärte sie und streckte sich, um ausgiebig zu gähnen.

"Ernsthaft?", erwiderte ich ihr skeptisch und es passte mir überhaupt nicht, jetzt mit diesen Kopfschmerzen eine Diskussion zu führen. "Meint ihr, wegen gestern?"

"Keine Ahnung, aber ich habe gleich gesagt, wir sollten Zuhause bleiben." Elio kam auf uns zu und richtete sein weißes Hemd. Seine Haare waren bereits gestylt und er sah völlig ausgeschlafen aus.

"Nives?", sprach er mich an, als ich ihn noch musterte und legte dabei ein fassungsloses Gesicht auf. "Wieso bist du noch nicht umgezogen?"

"Wozu?", wollte ich wissen und da fiel es mir unter dröhnenden Kopfschmerzen wieder ein. Heute sollten wir Mama für wohltätige Zwecke dabei helfen, einige Blumen im Park zu pflanzen. "Kannst du ihr bitte sagen, dass es mir nicht gut geht?"

"Wer nachts abhauen kann, der kann auch Blumen pflanzen", kam es von Malino grinsend, der gut reden hatte. Mama hatte ihn von ihren Pflichten vollkommen ausgeschlossen. Malino war im Grunde immer mehr mit Papa zusammen und dieser wartete auch nur noch darauf, dass Malino bald 18 werden würde, damit er ihn mit in seinen langweiligen Club nehmen könnte. Mich und Elio hatte Mama dafür rund um die Uhr unter Kontrolle, genau wie Antonio, der aber mit seinen 6 Jahren sicher nicht mitkommen müsste.

"Was steht ihr da rum ihr kleinen Nervensägen? Eure Mutter wartet!"

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