12 | Ein Vater wie Gino

"Dio Mio", hauchte ich entsetzt und erkannte dabei Blutflecken in dem Gesicht meines Vaters. Mein Herz begann kräftiger gegen meinen Brustkorb zu schlagen und ich wollte schon besorgt einen Schritt auf ihn zu, da umfasste er aber schlagartig mein Kinn.

"Wer war das?!"

Er drehte mein Gesicht zur Seite und starrte auf meine Verletzung, jedoch wollte ich zuerst wissen, was bei ihm passiert war. Dazu kam, dass ich keine Szene wollte - erst Recht nicht, nachdem ich selbst schon an diesem Abend meine Kontrolle verloren hatte.

"Antworte!", schrie mein Vater aber im nächsten Moment wütend und ich erkannte diesen abgrundtiefen Hass in seinen dunklen Augen, die mir den Atem für einen Moment verschlug.

"Ich bin gefallen", versuchte ich ruhig auf ihn einzureden und entzog mich dabei seinem Griff um mein Kinn. "Also, nichts Schlimmes! Wo ist Malino?!"

Mein Vater sah mich ohne Ausdruck an und holte anschließend sein Handy hervor. Er wählte eine Nummer und ich hoffte, er würde meinen Bruder anrufen. Es war aber nicht so.

"Ayaz! Wo war die Party, auf der Nives war?!", sprach er etwas lauter in den Hörer und drehte sich gleichzeitig um. Er lief aus der Haustür und ich bekam augenblicklich kaum noch Luft! Mein Vater durfte nicht auf diese Party! Allein der Gedanke daran, war mir unangenehm und mit schnellen Schritten folgte ich ihm in der Dunkelheit über den Kiesboden. "Du warst bei ihr und sie sieht so aus! Das wird ein Nachspiel haben!"

Er öffnete seinen BMW und wollte gerade einsteigen, da stellte ich mich jedoch genau vor ihn und schnitt ihm den Weg ab.

"Padre! Es ist-"

"Nives! Geh nach drinnen!"

"No!", widersprach ich und schüttelte heftig mit dem Kopf. "Wir beide gehen nach drinnen! Ich brauche niemanden, der mich beschützt! Außerdem ist alles schon geklärt!"

Ohne mich anzuhören, schob er mich an meiner Hüfte ohne Probleme zur Seite und öffnete die Tür des Wagens. Ich sah ihn nur entgeistert an und wollte mit allen Mitteln verhindern, dass er mich vor meiner gesamten Schule bloß stellen würde. Vermutlich hatte aber mein Onkel auch Recht... Würde mein Vater auf Riziero treffen, würde es keine Zukunft für mich mehr mit ihm geben - ganz egal, ob ich ihm verzeihen würde, oder nicht.

"Padre!", mahnte ich also erneut, doch er stellte bereits den Motor an. Ich sah keinen anderen Ausweg mehr, als die Tür hinter ihm aufzureißen und ebenfalls einzusteigen. Sofort drehte er sich mit einem strengen Blick zu mir herum.

"Du solltest doch verdammt noch mal nach drinnen!"

"Und du solltest dich nicht in meine Angelegenheiten ein-"

Ehe ich überhaupt ausreden konnte, hatte er sich bereits wieder herumgedreht und gab dabei so kräftig Gas, dass die Reifen auf dem Kies mehrere Male durchdrehten.

"Bitte! Glaub mir doch, wenn ich dir sage, dass ich gefallen bin!"

"Ai, dann kannst du mir ja gleich die verfickte Stelle zeigen, wo du gefallen bist, damit ich sie mir genauer ansehen kann", erwiderte er mir und ich bekam schlagartig den Geruch von nasser Erde und Wald in meinen Verstand gewirbelt. Irritiert darüber sah ich herab in den Fußraum, jedoch war alles stockdunkel und ich konnte nichts erkennen.

"Padre, b-"

"Ich werde dahin fahren, egal wie sehr du protestierst! Also lass es sein!", mahnte er und ich verdrehte frustriert darüber meine Augen, was er wohl im Rückspiegel beobachtet hatte. "Nives!"

"Jaja! Schon gut! Schön! Fahren wir eben!", entkam es mir patzig und ich ließ es mir trotzdem nicht nehmen, über die Mittelkonsole nach vorne zu klettern. Dort angekommen, ließ ich mich in den Sitz fallen und bemerkte plötzlich ein paar Schuhe vor mir auf dem Boden. Sie waren voller Dreck und Flecken, was mich angewidert meine Nase rümpfen ließ. "Warst du wieder jagen?"

"Ja", gab er mir zurück und ich merkte aber, dass er geistig nicht ganz da war. Seine Knöchel waren bereits blass, so fest umfasste er das Lenkrad und sein Blick fixierte sich stur geradeaus. Das war definitiv kein gutes Zeichen.

"Und Malino? Der ist wo?"

"Im Club mit Nunzio und Adamo."

"Und Elio?"

"Keine Ahnung. Ich hatte keine Zeit mich darum zu kümmern."

Ich hatte eigentlich die Hoffnung, ihn mit diesen ganzen Fragen beruhigen zu können. Er fuhr jedoch immer schneller durch die Straßen und parkte schließlich genau vor der Villa auf der Straße, in der mir gerade eben noch das Herz gebrochen wurde. Mein Blick fiel zum Fenster heraus und ich erkannte auf der Einfahrt einige betrunkene Jungendliche. Erst, als mein Vater sich neben mir räusperte, nahm ich meine Augen von der Einfahrt und drehte mich zu ihm herum.

"Zwei Möglichkeiten", erklärte er mit dunkler Stimme. "Entweder du sagst mir jetzt sofort, wer dir das angetan hat - oder ich gehe in diese verfickte Villa und finde es mit Gewalt selbst heraus!"

"Ai, Padre. Das sind alles Jugendliche! Du kannst da nicht rein und einen Aufstand machen!"

"Achja? Ich kann das nicht?", gab er mir ohne Ausdruck zurück und lehnte sich vor, um das Handschuhfach zu öffnen. Mit großen Augen starrte ich eine Pistole an, die er sich zur Hand nahm und umgriff aber im selben Moment seinen Arm.

"Was soll das?! Bist du-"

"Kein Wort mehr, Nives! Ich will kein Wort mehr hören, außer du willst mir jetzt freiwillig den Namen sagen!"

Überfordert biss ich mir auf meine Lippe und hatte keine Ahnung mehr, was überhaupt los war. Natürlich war mir vorher noch bewusst, dass mein Vater ausrasten würde! Aber nicht so und ganz sicher nicht mit einer Waffe! Ich wusste nicht mal, wieso er überhaupt eine in seinem Auto liegen hatte und entriss mich erst wieder diesen Gedanken, als die Autotür meines Vaters geöffnet wurde und schlagartig Ayaz auftauchte.

"Ich kann ihn dir zeigen", meinte er zu meinem Vater und wo ich zuvor noch dachte, ihn nicht noch mehr hassen zu können, beweiste er mir damit das Gegenteil.

"Idiota!", fluchte ich wütend und stieg hektisch aus dem Wagen, was mein Vater mir gleich tat.  "Was machst du hier!? Du hast hier nichts zu suchen!"

Die beiden liefen einfach an mir vorbei in die Einfahrt und ich stand für einen Moment vollkommen sprachlos da. Mir kam das alles übertrieben vor, jedoch setzte ich dann schnell einen Fuß vor den anderen und folgte ihnen.

"Padre! Lass uns nach Hause! Bitte!", versuchte ich weiterhin auf ihn einzureden, doch vergebens. Er trat durch die breite Haustür hinein und wartete darauf, dass Ayaz ihm diesen Typen zeigen würde. "Ayaz!", probierte ich weiter verzweifelt die Aufmerksamkeit der beiden auf mich zu fixieren, doch das brachte rein gar nichts mehr...

"Baby!", hörte ich nämlich im nächsten Augenblick Riziero zwischen der Musik und den Leuten und schloss kurz meine Augen, um tief durchzuatmen. Wie dumm konnte er nur sein, gerade jetzt zu mir zu kommen, wo zwei solch wütend aussehende Männer vor mir standen. "Es tut mir so leid!", redete er auf mich ein und sofort drehte ich mich zu ihm und versuchte ihm allein mit meinen Blicken zu vermitteln, seine dämliche Fresse zu halten.
"Ich wollte das nicht! Sie hat mich verführt, ich schwöre es dir!"

"Pass auf meine Tochter auf."

Ohne dass ich etwas sagen oder tun konnte, umfasste mein Vater schlagartig seinen Nacken und zog ihn gewaltvoll mit sich nach draußen in die Einfahrt.

"Warte!", wollte ich hinterher, doch es war Ayaz, der die Haustür vor meinen Augen zu machte und sich mir in den Weg stellte. Fassungslos sah ich zu ihm auf. "Geh mir aus dem Weg! Sofort!"

"Ich kann nicht", meinte er ohne Emotion in seiner Stimme. "Und du solltest froh sein, dass du so einen Vater hast, kleine Prinzessin."

"Du blödes Arschloch!", zischte ich und ging einen Schritt auf ihn zu, um seinen Pullover zu umfassen und so zu versuchen, ihn von der Tür weg zu ziehen. "Verpiss dich oder-"

"Oder was?", unterbrach er mich. "Denkst du, ich hab Angst vor dir? Anscheinend ist es ja so, dass man dich verletzen kann und du versuchst einen sogar noch zu schützen."

"Er war das nicht! Ich bin unglücklich gefallen!"

"Hat er nicht eben noch zugegeben, das eine andere ihn verführt hat?", gab Ayaz mir zurück und durchbohrte mich dabei mit seinem Blick. Mir fiel auf, dass er wütend wirkte, jedoch galt dieser Hass nicht mir, was mich einfach nur durcheinander machte. "Also hat er dich verletzt und du- du schützt ihn. Wieso tust du sowas?"

"Geht es dich was an?", fragte ich kopfschüttelnd, da hörte ich jedoch plötzlich draußen Schüsse und auch die Leute um mich herum verstummten allesamt.

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