11 | Nur ein Job

"Sagst du mir jetzt wenigstens, was genau da oben passiert ist?"

Wir kamen gerade an Ayaz Motorrad an, doch ich schüttelte meinen Kopf verneinend und wollte wirklich nicht darüber reden. Erst Recht nicht mit ihm hier in der Dunkelheit der Einfahrt.

"Anscheinend hat mein dämlicher Bodyguard nicht gut genug auf mich aufgepasst."

Frustriert über alles atmete ich tief durch und nahm dabei seinen Helm entgegen, um ihn mir hektisch über den Kopf zu ziehen.

"Ich dachte, du brauchst keinen Bodyguard?", erwiderte er mir ironisch und legte seine Hand ohne Erlaubnis an mein Visier, um es mit einem gekonnten Griff zu öffnen. Meine Augen trafen genau auf seine und alleine seine Aufdringlichkeit machte mich schon wieder wütend auf alles und jeden um mich herum. Wieso konnte mich in solchen Situationen nie jemand in Ruhe lassen!

"Brauche ich auch nicht! Außerdem geht es dich auch verfickt noch mal rein gar nichts an, was da passiert ist! Du bist nur ein scheiß Schatten, den ich nicht los werde! Entzieh mir doch Alkohol und Drogen! Es juckt mich nicht im Geringsten! Aber misch dich ja nicht in mein Leben ein, denn es hat dich nicht zu interessieren!", wurde ich immer lauter und zorniger, bis er aber einen Schritt auf mich zu machte und mich von oben herab musterte. Was bildete er sich eigentlich ein?!

"Du denkst, ich interessiere mich für dich?", wiederholte er meine Worte mit dunkler Stimme und setzte ein solch arrogantes Lächeln auf, dass ich es ihm am liebsten aus dem Gesicht gekratzt hätte. "Wenn du denkst, dass ich Mitleid habe, muss ich dich enttäuschen. Mich interessiert weder dieser Bastard- noch du! Du bist ein Job und mein Job ist es, dafür zu sorgen, dass dir nichts passiert!"

Ich spürte einen kurzen, aber sehr intensiven Schmerz, von dem ich keine Ahnung hatte, was ihn auslöste. Meine Atmung stoppte und ich sah weiterhin nur zu ihm auf, während auch er seine Augen nicht eine Sekunde von meinen nahm.

"Ein Job", sprach ich ihm nach und obwohl es mir nichts ausmachen sollte, merkte ich erst jetzt, dass es mich störte, so von ihm genannt zu werden. Natürlich sagte ich es ihm aber nicht und riss mich ohne Ausdruck von seinem Anblick los. "Sehr gut. Dann wäre das ja geklärt. Wäre nur schön, wenn du dann nächstes Mal auch deinen Job richtig machen würdest!"

"Manche Jobs sind einfach, andere machen es einem unnötig schwer", gab er mir zurück und hoffte wohl, ich würde auf seine Provokation noch mal eingehen, jedoch tat ich es nicht.

Ohne noch ein weiteres Wort zu wechseln, stieg er auf seine Maschine und startete diese auch sofort. Ich stieg mit den Gedanken an Riziero auf und sah noch ein letztes Mal zur Villa herüber. Mir kam flüchtig ded Gedanke, noch einmal reinzugehen, doch ich verwarf ihn schnell wieder.

"Willst du wirklich nicht reden?"

Ayaz drehte sich kaum merklich zu mir nach hinten, während ich die Sanftheit seiner Stimme selbst über den Motor hinweg hörte. Hatte der jetzt etwa ein schlechtes Gewissen? Brauchte er nicht! Er hatte vollkommen Recht mit seinen Worten.

"Fahr einfach", erwiderte ich ihm und schloss mein Visier, um gleich darauf meine Hände an seine Seite zu legen. Er fuhr ohne weitere Zeit zu verschwenden los und obwohl ich es nie vor ihm zugeben würde, beruhigte es mich, mit ihm Motorrad zu fahren... Wobei - eher nur das Motorrad fahren. Er war mir gleichgültig!

Die dunklen Häuser zogen immer schneller an mir vorbei und ich beobachtete an Ayaz Schulter vorbei die warmen Lichter der Laternen, bis mich aufgrund meiner Freizügigkeit plötzlich Kälte einnahm. Es war warm hier in Palermo, jedoch wehte der Fahrwind mir so stark entgegen, dass sich eine Gänsehaut auf meinem gesamten Körper ausbreitete.

"Was hast du vor?", fragte Ayaz, als er an einer Ampel hielt und ich meine kalten Hände seitlich unter seinen Pullover schob.

"Mir ist scheiße kalt! Ich will mich nur wärmen - also bilde dir bloß nichts drauf ein!", rief ich ihm zurück und verdrehte meine Augen, als ich durch das leichte Vibrieren seines Körpers ganz genau wahrnahm, dass er auflachte. Ich igrnorierte es aber und schob meine Hände bis vor zu seinem Bauch, der so angenehm warm war, dass ich sogar unter meinem Helm aufseufzte. Diese Wärme tat verdammt gut und ich rutschte sogar mit meinem Po noch etwas weiter vor, um mich enger an seinen Rücken zu schmiegen.

Meine Augen schließend, spürte ich seine Haut unter meinen Fingern, während er weiterhin die Maschine durch die Nacht fuhr. Zu meiner Erleichterung dauerte es dann auch nicht lange und wir kamen an der Villa an, so aber nur noch einige Wachmänner und der Pförtner draußen in der Einfahrt standen.

Ayaz parkte das Motorrad direkt vor der Tür und ich riss sofort wieder meine Hände zurück, um auch gleich abzusteigen und den Helm auszuziehen. Natürlich tat es gut, nicht zu frieren - also Ayaz jedoch sein Visier öffnete und nur amüsiert eine Augenbraue anhob, bereute ich es gleich wieder und wäre sogar lieber erfroren. Der Typ dachte doch bestimmt, ich wäre eine Irre mit meinen Stimmungsschwankungen.

"Nächstes Mal kannst du mir bescheid sagen und ich gebe dir meinen Pullover."

"Kannst du behalten!", gab ich ihm schnippisch zurück und reichte ihm noch vollkommen desinteressiert seinen Helm, bis sich unsere Finger dabei aber berührten und ich vor Schreck den Helm aus meiner Hand gleiten ließ. Verwundert über mich selbst sah ich herab und dachte, ich müsste mir dieses Kribbeln eingebildet haben, dass gerade durch meinen Körper gerauscht war. So etwas empfand ich noch nie und es passte mir ganz und gar nicht! Erst Recht nicht, als ich wieder auf zu Ayaz sah, der so viel älter aussah als die Typen auf meiner Schule.

"Kannst den selbst aufheben. Ciao."

Das war das letzte, was ich noch über meine Lippen brachte, ehe ich mich herumdrehte und einer der Wachmänner mir zuvorkommend die Tür öffnete.

Alles hier drinnen war dunkel und nachdem ich hörte, wie Ayaz los fuhr, lief ich schnellen Schrittes immer weiter durch die Villa, bis ich an der Terrassentür ankam und draußen das Poolhaus ansteuerte.

"Cecilio!", sprach ich laut und klopfte an die Tür, bis er sie mir auch gleich öffnete und ich an ihm vorbei ins Zimmer stürmte.

"Was ist passiert?!", fragte er mit einem Blick in mein Gesicht und schloss die Tür hinter sich, um entsetzt auf mich zuzukommen. Ich ließ mich kraftlos auf die Couch sinken und begann schließlich damit, ihm jedes kleine Detail meines Abends zu erzählen. Bei ihm wusste ich, er würde kein Mitleid haben - genau das war das letzte, das ich haben wollte.
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"Dass du deine Wut an ihr ausgelassen hast, sagt schon einiges über dich aus", meinte Cecilio nach meiner Erzählung. Von oben herab musterte er meine Wunde an der Wange und verschwand daraufhin nach hinten ins Badezimmer. Es dauerte nicht lange, da kam er mit einer kleinen Verpackung zurück.

"Und was sagt es über mich aus? Dass ich verrückt bin? Dass ich keine Kontrolle mehr habe?", wollte ich tief durchatmend wissen, da öffnete er mit dem Blick auf mich gerichtet die Verpackung und holte eine Tube hervor.

"Nein, verrückt bist du sicher nicht und hättest du die Kontrolle verloren, wäre diesem Mädchen mehr wiederfahren, als nur ein neuer Kurzhaarschnitt", erklärte er ganz ruhig und ging vor mir in die Hocke, um etwas der Creme auf seine Finger zu machen. Ganz vorsichtig schob er meine Haare beiseite und verteilte mit zwei Fingern die Salbe auf meiner Wange. Es kühlte und tat unglaublich gut, auch wenn der Schmerz in mir drin immer noch unbändig wirkte. "Dass du auf sie los bist, zeigt nur, dass dieser Kerl dir etwas bedeutet und das sollte er nicht, Küken. Du hättest die Schere nehmen sollen und ihm direkt ins Herz stechen."

Irrtiert über seine so harten Worte musterte ich ihn neugierig, doch er ließ mich keinerlei Emotion erkennen. Stur starrte er auf meine Wange und verteilte den letzten Rest der Salbe, um anschließend seelenruhig wieder aufzustehen.

"Du meinst also, ich hätte dem Mädchen nicht weh tun sollen, sondern ihm?"

"Ich meine gar nichts", erklärte er und lief dabei herüber zu seinem Nachttisch, auf welchem er die Packung ablegte. "Aber es ist natürlich, dass du auf sie los gegangen bist. Es ist Eifersucht, die uns in der Liebe immer wieder an Grenzen treibt."

"Aber hätte ich meine Wut an ihm ausgelassen, dann-", wollte ich anfangen etwas zu erklären, da unterbrach mich mein Onkel aber sofort wieder und setzte einen wirklich düsteren Ausdruck auf.

"Dann gäbe es keine Chance mehr auf Versöhnung... Das wolltest du sagen, oder?"

Er ließ sich mir gegenüber auf der Bettkante nieder und starrte mich abwartend an, während ich nicht mehr wusste, wie ich meine Gefühle und Gedanken erklären sollte. Es war so naiv - allein der Glaube daran, dass es noch eine Zukunft für Riziero und mich geben würde. Diese Naivität passte nicht zu mir und brachte mir in diesem Moment nur Selbsthass und Zweifel an meinem Urteilsvermögen.

Immerhin war ich doch die, die sich nie etwas gefallen ließ und schneller mit dem meisten Dingen abschloss, als andere Personen. Ich war die, die meinem Bruder vorwarf, ein Idiota zu sein und jetzt bewies mir mein Innerstes, dass ich genau wie er war.

Schwach und naiv...

"Ich will mich nicht mehr mit ihm versöhnen, aber ich kann einfach nicht begreifen, wieso er das getan hat..."

"Nives", lenkte mein Onkel meine Aufmerksamkeit wieder auf sich. "Es hat nichts mit dir zu tun und es ist keine Liebe, was du empfindest. Der Schmerz ist gezeichnet davon, dass er dich gekränkt hat. Dass er deinen Stolz damit verletzt hat, eine andere Frau dir vorzuziehen."

"Also ist es normal, so zu empfinden? Sich so hilflos zu fühlen?"

"Morgen wirst du aufstehen und glaube mir, es wird dir besser gehen und dann- dann schmieden wir zusammen einen Plan, wie wir es diesem Typen heimzahlen. Abgemacht?"

Er grinste dämlich und auch ich musste auf seine Worte hin schmunzeln und erhob mich von der Couch, um einfach nur dankbar auf ihn zuzulaufen.

"Du bist wirklich schräg, aber auch in den meisten Fällen hilfreich."

"Ab ins Bett jetzt mit dir, kleine Nervensäge", gab er mir mit einem Grinsen wieder und nickte zur Tür, doch ich beugte mich trotzdem zu ihm herunter und umarmte ihn etwas länger. "Gute Nacht, Küken."

"Gute Nacht, Onkel Cei."

Mit einem guten Gefühl löste ich mich wieder von ihm und hoffte dabei, er würde Recht haben und dieser Schmerz würde kein Teil von mir werden. Vermutlich war es aber nun mal wirklich so, dass selbst die, die es nicht zugeben wollten, verletzbar waren - dass musste ich in dieser Nacht lernen.

"Und Nives...", hörte ich Cecilio noch einmal hinter mir, als ich bereits die kalte Klinke in der Hand hielt. "Gefühle machen einen nicht schwach, solange dein Verstand immer klar bleibt."

Ich schenkte ihm ein letztes Lächeln, ehe ich die Tür öffnete und gleich hinter mir wieder schloss. Mit meinen Highheels lief ich über den Rasen und trat durch die Terrassentür nach innen in den großen Wohnbereich. Da keiner mehr wach und das gesamte Haus still war, breitete sich ein unangenehmes Gefühl in mir aus. Ich hatte keine Ahnung, was mit mir los war. So einsam hatte ich mich noch nie in meinem Leben gefühlt und ich wollte nur noch, dass es aufhört. Cecilio meinte, morgen würde es besser sein und an diese Hoffnung klammerte ich mich.

Entschlossen dazu, schnellstmöglich schlafen zu gehen, suchte ich den Hausflur auf und wollte gerade die Treppen nach oben nehmen, da ging aber plötzlich neben mir die Haustür auf.

"Padre?", entkam es mir mit großen Augen und mit einem Blick in sein Gesicht, wurde mir schlagartig eiskalt.

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