04.four

f o u r

| Niall |

„Freut mich", lächelt mich Maddy breit an und streckt mir ihre zierliche, blasse Hand entgegen.
Zum ersten Mal höre ich ihre Stimme und ich hätte mir keine schönere vorstellen können.
Ihr Lächeln, ihr Gesicht, ihre Ausstrahlung - alles ist aus der Nähe noch so viel atemberaubender, dass ich sie nur mehr anstarre und regungslos dastehe. Ihr dezentes Makeup ist perfekt für ihr natürliches, außergewöhnliches Gesicht.

Mit etwas verzögerter Reaktionszeit nehme ich endlich doch hektisch ihre Hand in meine. Sie ist genauso warm wie ihr Lächeln.
„Die Freude ist ganz auf meiner Seite", erwidere ich und bin mir sicher, dass Maddy nicht ahnt, wie sehr ich mich im Moment wirklich aufrichtig freue. Ich kann mein Glück kaum fassen.

Bevor mir Simon schon wieder dazwischenfunken und mir die nächste Branchengröße vorstellen kann, hake ich weiter bei Maddy nach. Sie ist es, die mich interessiert und sie ist es, über die ich mehr erfahren will.

„Ich hab' dich schon ein paar Mal gesehen!", rede ich hektisch weiter und grinse so breit, dass ich schon wieder befürchte, etwas irre auszusehen. Louis hat mich nicht nur einmal darauf hingewiesen, dass man mich manchmal für einen Triebtäter halten könnte, wenn ich zu sehr strahle.

„Tatsächlich? Wo denn?", will Maddy wissen und erwidert mein Lächeln.
Zu meiner Erleichterung höre ich, wie Maddys Vater und Simon weiter über die anderen Menschen auf dem roten Teppich spekulieren und wir uns ohne lauschende Ohren unterhalten können.

„In London! Du warst auf ein paar unserer Pressetermine, nicht wahr? Rays of Sunshine und die letzte Pressekonferenz. Wie verrückt, dich nun hier zu sehen!"
Grinsend nickt Maddy.
„Stimmt!", gibt sie sich erstaunt und erfreut zugleich. „Mir war nicht bewusst, dass ihr euch die Pressemenschen tatsächlich so genau anseht und euch Gesichter merkt."

Wenn Maddy nur wüsste, wie oft sie inzwischen Thema in meinen Gedanken und auch bei den Jungs war - ganz zu Schweigen von all den Spitznamen, die ihr Louis bislang verpasst hat.
Aber das hier ist meine Gelegenheit. Wenn mir das Universum Maddy nun schon direkt vor die Nase geführt hat, muss ich die Karten auch auf den Tisch legen und ihr offen zeigen, dass sie mich verzaubert hat.

„Das ist auch oft schwierig, immerhin sehen wir viele Gesichter. Aber du bist mir ins Auge gestochen und auch im Gedächtnis geblieben", gestehe ich offen und versuche mich an einem charmanten Lächeln.

Ich wünschte, ich wäre in dieser Hinsicht ein kleines bisschen mehr wie Harry. Ihm wurde der Charme in die Wiege gelegt. Er muss nur einmal etwas Lächeln und schon sind ihm alle Menschen um ihn herum erlegen, ob er will oder nicht.
Vielleicht sollte ich vorsichtshalber sicherstellen, dass Maddy ihm lieber nicht über den Weg läuft.

„Oh." Überrascht schenkt sie mir ein verlegenes Lächeln und ich bemerke, wie sie sich verkrampft an ihrer silbernen Clutch festhält. „Vielen Dank."
Sie wirkt genauso unbeholfen wie ich, was sie nur noch umwerfender und mich wiederum etwas selbstsicherer macht.

„Aber offensichtlich bist du nicht immer auf der Seite der Journalisten. Wie kommt's?", vesuche ich das Gespräch am Laufen zu halten und will am Liebsten sofort alles über Maddy erfahren. Sie soll wissen, wie dringend ich sie kennenlernen will.

„Ach, das war nur ein Praktikum. Ich studiere Medienmanagement und habe überlegt, mich dem Journalismus zu widmen."
Dass es als Tochter von einem der Universal-Chefs bestimmt nicht allzu schwierig war, in der Branche Fuß zu fassen, verkneife ich mir wohl besser. Stattdessen höre ich interessiert zu und nicke anerkennend.

„Achso, und? Wohin wird die Reise in Zukunft hingehen?", hake ich weiter nach, muss auf meine Antwort aber einen Augenblick warten.
Ich bemerke, wie Maddy unsicher einen seitlichen Blick auf ihren Vater wagt. Dieser ist jedoch so sehr damit beschäftigt Hände zu schütteln, dass er nichts davon mitbekommt.

„Ehrlich gesagt weiß ich das noch nicht. Lange Geschichte", winkt sie ab und ahnt nicht, wie gerne ich all ihre langen Geschichten hören will.

Trotzdem forsche ich nicht weiter nach, denn Maddy scheint meinem Blick auszuweichen. Stattdessen schweifen ihre Augen über den roten Teppich und bleiben hinter meinem Rücken hängen.
„Ich glaube, du wirst erwartet", grinst sie und nickt hinter mich.

Als ich mich umdrehe, sehe ich Liam, Louis, Zayn und Harry, wie sie aufgereiht am Rande des roten Teppichs stehen und sich noch nicht einmal darum bemühen zu verstecken, dass sie uns beobachten.
Selbst als ich meinen Blick auf die Vier lenke, glotzen sie weiter interessiert in unsere Richtung. Harry nickt uns sogar höflich zu und Liam winkt grinsend zu uns herüber. Wie sehr ich diesen chaotischen Verein manchmal verfluche.

„Die können warten", raune ich augenrollend und will mich wieder vollkommen auf Maddy konzentrieren. Diese wirft jedoch wieder einen Blick zur Seite, wo eben noch ihr Vater gestanden hat.

„Die vielleicht schon, mein Dad leider nicht", lächelt sie mich entschuldigend an.
Asher Keating und Simon scheinen gerade um die Wette zu schleimen und laufen gemeinsam auf die nächste Traube an Menschen zu, denen sie bereits überfreundlich zuwinken.
„Wenn ich den heute aus den Augen verlieren, bin ich verloren."

Am Liebsten hätte ich Asher sofort wieder zurückgeholt, um ihr Gehen zu verhindern, aber Maddy scheint es ernst zu sein. Ohnehin ist es recht dreist, wie wenig dieser Kerl auf seine Tochter achtet.
„Hat mich gefreut, Niall, aber ich muss weiter."

Gerade will sie ihrem Vater hinterhereilen, als ich sie noch einmal aufhalte. So einfach kommt sie mir nicht wieder davon.
„Warte!"
Abrupt bleibt Maddy stehen. Ihre roten Locken fallen über ihre Schulter, als sie sich mir noch einmal zuwendet.

„Gehst du zur Aftershowparty?", frage ich.
Sie will es nicht zeigen, aber ich glaube trotzdem ein Leuchten in Maddys blauen Augen und ein leichtes Zucken ihrer Mundwinkel zu erkennen. Unsicher zuckt sie mit den Schultern.
„Ich glaube nicht."

Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Asher Keating die Aftershowparty auslassen wird, nachdem er bestimmt genauso dringend seine Kontakte und Netzwerke pflegen will, wie es Simon jedes Mal tut. Aber nachdem er schon jetzt kaum auf seine Tochter achtet, wäre ich auch nicht überrascht, wenn er Maddy schlichtweg nicht mitnehmen will.

„Magst du denn hingehen?", frage ich weiter und lächle sie hoffnungsvoll an.
Sie macht nicht den Eindruck, als würde sie mich vollkommen abstoßend finden.
Die Aftershowparty wäre die Gelegenheit, sie endlich wirklich kennenzulernen und mich auch von ihrem Inneren zu überzeugen.

„Ist das eine Einladung?", stellt Maddy dieses Mal überraschend selbstbewusst die Gegenfrage.
Ebenso selbstbewusst nicke ich, auch wenn mich ihr Lächeln fast aus der Bahn wirft.
„Ganz genau. Du kannst gerne meine +1 sein."

Wir alle werden grundsätzlich mit Begleitperson für solche Veranstaltungen angemeldet und für gewöhnlich verfluche ich unser Management dafür.
Louis bringt Eleanor mit sooft er kann, Liam Sophia und Zayn Perrie. Harrys Begleitung wechselt ganz gerne, oder er lernt sie sogar auf der Veranstaltung selbst erst kennen.
In meinem Fall hingegen ist die angemeldete +1 jedes Mal bloß wieder eine Steilvorlage für Scherze der Jungs, denn bislang hatte ich kaum Gebrauch davon gemacht. Heute aber ist es so weit.

„Na, wenn das so ist", grinst Maddy mich an. „Sehr gerne."
Ein riesiger Stein fällt mir vom Herzen.
„Perfekt, dann triff mich später am Ausgang bei der Fotowand. Falls wir gewinnen, müssen wir noch Bilder machen, aber danach holen uns Shuttels ab", erkläre ich ihr, obwohl sie dank ihres Vaters sicherlich Erfahrung hat, was diese Dinge angeht.

„Okay. Dann viel Erfolg gleich. Ich hoffe ihr gewinnt, damit du nachher auch einen Grund zu feiern hast", nickt mir Maddy zu, während ihr immer noch dieses atemberaubende Lächeln im Gesicht steht.

„Danke. Aber den hab ich jetzt schon", erwidere ich und schaffe es glatt, dass Maddy ein zweites Mal an diesem Abend verlegen grinst, bevor sie dann eilig ihrem Vater folgt.

Ich habe gar keine Zeit meine Gedanken lange zu ordnen oder dem Universum ausreichend zu danken, dass es mir gegenüber scheinbar so wohlgestimmt ist und es so gut mit mir meint.
Kaum war Maddy wieder verschwunden, stehen die Jungs sofort auf der Matte.

„Du alter Charmeur!"
Amüsiert stößt mich Liam an, während ich noch Maddy hinterhersehe. Louis lautes Lachen lässt mich dann aber doch den Blick von ihr losreißen und ich widme mich stattdessen wieder meinen Bandkollegen.

„Wieso geht sie? Sollte sie nicht hierbleiben?", fragt Harry verwirrt und ich berichte ihnen die Schlagzeilen der letzten Minuten.

Die Jungs sind in der Regel um keinen Kommentar verlegen und nur selten sprachlos, doch diese ganze Sache um Maddy lässt selbst sie beeindruckt dreingucken.

Dass mir in London bereits ausgerechnet sie ins Auge gestochen ist, sie uns dort sogar zwei Mal begegnet war und mir Simon nun in Los Angeles tatsächlich Maddy vorstellt, ist für niemanden zu begreifen.

Man sagt oft, die Welt wäre ein Dorf oder man sähe sich immer zweimal im Leben, aber die Zufälle um Maddy und mich erscheinen uns allen doch unfassbar.
Andererseits leben und bewegen wir uns auch seit Jahren in dieser Blase, die sich Medien- und Musikbranche nennt. Vielleicht war es daher auch gar nicht so unwahrscheinlich, dass ich Maddy hier wiedersehe und kennenlerne.
Wie dem auch sei - es fühlt sich jedenfalls besonders an.

Selten war ich so unkonzentriert bei einer Veranstaltung gewesen, wie bei den diesjährigen AMAs. Dass Verleihungen wie diese oft langwierig sein können, wissen wir alle, aber heute bin ich von Anfang an nicht bei der Sache und gedanklich längst bei der Aftershowparty.
Ich hoffe inständig, dass ich Maddy später in den Menschenmassen finden würde und sie ihre Zusage auch wirklich ehrlich gemeint hat. Hier im Saal sehe ich sie jedenfalls nicht, genauso wenig wie ihren Vater.

Bei unserer Performance von Night Changes kratze ich gerade noch meine letzten Reserven an Konzentration zusammen, um diesen Auftritt meinen Erwartungen an mich selbst entsprechend abliefern zu können. Außerdem singe ich hier unter anderem vor Maddy – und schon ist meine Konzentration wieder dahin.
Der Auftritt verläuft aber dennoch reibungslos, genauso wie der gesamte Abend bisher. Drei Mal werden wir auf die Bühne gebeten, um unsere Preise entgegenzunehmen und wieder einmal wird mir an diesem Tag bewusst, was wir als Band erreicht haben.

Umso beeindruckender ist es, dass all die Momente, in denen wir diese Auszeichnungen – selbst die als Artist of the Year – überreicht bekommen, nicht an den Moment heranreichen, in dem ich heute Maddy gesehen habe.

Dieser ist heute nicht mehr zu übertreffen, vielleicht weil er so unerwartet war.

„So, du hast es hinter dir", grinst mich Liam breit an und klingt, als wären wir soeben nicht für unseren Erfolg entlohnt worden, sondern hätten Qualvolles durchleben müssen.
Die Verleihung ist an ihrem Ende angelangt und der Saal leert sich langsam. Einige Hände werden uns entgegengestreckt, Schultern geklopft und so mancher fordert eine Umarmung ein, um uns zu beglückwünschen.

„Oh, du bist ja noch da", stellt Harry irgendwann überrascht fest, als er mich neben sich entdeckt. „Ich dachte, du wärst längst im Sprint unterwegs zum Ausgang und mit einem Bein im Shuttle."
„Ha-Ha", verdrehe ich humorlos die Augen, gucke anschließend aber sofort ungeduldig in die Runde. Natürlich will ich auf schnellstem Wege zu Maddy. „Wenn ihr aber mal etwas hinne machen könntet, wäre ich euch dankbar. Wir machen jetzt diese Fotos und dann bin ich weg."

„Wow, ich werde ja noch arbeitslos, wenn du so weitermachst", pfeift Beccy beeindruckt und winkt dann die Jungs hinter sich her. „Aber ihr habt ihn gehört. Die Fotografen warten."

Die Preisträger werden noch einmal mit ihren Preisen auf dem roten Teppich vor die Fotowand gebeten und müssen sich einem erneuten Blitzlichtgewitter stellen. Nachdem wir die Abräumer des Abends sind, lässt man uns wenigstens schnell den Vortritt und wir strahlen stolz mit den pyramidenförmigen Trophäen um die Wette.

„Und... Go!", gibt Louis lachend mit seiner imaginären Fingerpistole den Startschuss und grinst mich erwartungsvoll an, als wir von Jenny und Martin wieder vom Teppich geführt werden.
Wir haben offiziell Feierabend.

Schnell übergeben wir Martin die Preise, damit er sich um deren Transport kümmern kann und verabschieden uns von Jenny. Sie wird zwar ebenfalls auf der Aftershowparty sein, allerdings muss sie zuvor ins Hotel und sich umziehen.
„Vielleicht sehen wir uns ja noch dort. Ansonsten viel Spaß und keine Skandale", grinst sie noch und zwinkert uns zu, bevor sie davoneilt.

Auch Zayn verabschiedet sich an dieser Stelle. Nach eigener Aussage ist er zu müde, um heute noch zu feiern, auch wenn wir allen Grund dazu haben. Ich bin mir sicher, dass er bloß wieder Stress mit Perrie hat und sie ihm vermutlich untersagt hat, ohne sie auf diese Party zu gehen – und ich kann ihr ihr Misstrauen noch nicht einmal verübeln.

Ich hingegen suche längst hektisch nach Maddy, die hier irgendwo in der Menge stehen und auf mich warten muss. Ich halte selbst Ausschau nach ihrem Vater. Vielleicht will er seine Tochter ja doch im Auge behalten und sie nicht einfach mit mir mitfahren lassen.
Glücklicherweise sticht Maddy mit ihren Haaren und ihrem zauberhaften Wesen selbst in dieser Menge, in der so viele wunderschöne Frauen zu sehen sind, heraus.

Erleichtert atme ich auf, als ich sie entdecke, wie sie ihren Blick ebenso suchend durch die Menschen schweifen lässt. Sie scheint auf mich zu warten und von ihrem Vater fehlt tatsächlich jede Spur.

„Los", hetzt plötzlich Louis und gibt mir einen leichten Schubs in Maddys Richtung. „Wir treffen Eleanor und Sophia dort, also komm schon. Wir wollen sie nicht warten lassen."

Auch ohne Louis' Antrieb wäre ich sofort auf Maddy zugelaufen. Noch bevor ich bei ihr bin, entdeckt sie mich und kommt strahlend auf mich zu.
„Hey", muss ich mindestens genauso breit lächeln. „Bist du bereit?"
Zögerlich, sogar etwas schüchtern, nickt Maddy. „Natürlich."

Ich wurde heute schon einige Male als Gewinner des Abends betitelt, aber in diesem Moment fühle ich mich tatsächlich wie einer – und das dank Maddy.

Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top