Kapitel 8 - Albträume
Ein lauter, hoher, gequält klingender Schrei ließ Harry aus dem Schlaf fahren. Seinen Auror-Instinkten sei Dank hatte er in Sekundenschnelle seinen Zauberstab in der Hand und war an der Tür, bevor er überhaupt richtig wach war. Vorsichtig drehte er den Knauf und trat auf den Flur hinaus. Weitere Schreie empfingen ihn dort, immer wieder unterbrochen von schrecklicher, allumfassender Stille. Eines war jedoch klar: Die furchtbaren Laute kamen eindeutig aus Malfoys Schlafzimmer.
Ein kurzer Schlenker seines Handgelenks entzündete die Spitze von Harrys Zauberstab. Er zögerte kurz, unsicher, was er jetzt tun sollte. Einfach in das Zimmer zu stürmen erschien ihm keine besonders kluge Idee zu sein.
Ein weiterer heiserer Schrei, der nach schrecklichen Schmerzen und Qualen klang, riss ihn schließlich aus seiner Starre. Wenn Malfoy wirklich in Gefahr war, dann durfte er nicht weiter zögern. Unabhängig von den Konsequenzen, die es haben würde, falls Harry sich irrte.
Sobald er Malfoys Tür erreichte, flimmerten die Schutzzauber darüber warnend auf. Wenn er mehr Zeit hätte, würde er die Flüche ganz einfach umgehen, ohne sie zu zerstören. Jetzt gerade ging es aber nicht um Finesse sondern um Schnelligkeit, weshalb Harry seinen Zauberstab in einer raschen Abfolge durch die Luft sausen ließ. Die Schutzzauber zerbröselten einer nach dem anderen unter dem Ansturm seiner Flüche, bis die Tür endlich schutzlos vor ihm lag. Harry zögerte daraufhin keine Sekunde, sondern stürmte in den Raum, den Zauberstab gezogen. Ein Blick in alle Ecken und Winkel des Zimmers offenbarte jedoch keinen Angreifer. Stattdessen sah er nur einen Körper, der sich auf dem Bett wand und drehte.
Malfoy lag dort, unter einem Laken begraben, das sich um seine blassen Arme und Beine geschlungen hatte. Seine Brust hob und senkte sich schnell, die Haare klebten an seinem Kopf und aus seinem Mund entrang sich zuerst ein Stöhnen, bevor ein weiterer gequälter Schrei erklang. Er schlief – und hatte ganz offensichtlich einen Albtraum.
Harry fühlte Erleichterung in sich aufsteigen, als er erkannte, dass der blonde Slytherin ganz offensichtlich nicht in Lebensgefahr schwebte. Gleichzeitig war ihm die ganze Sache aber ziemlich unangenehm. Er war immerhin gerade völlig grundlos in Malfoys Schlafzimmer eingedrungen. Und er wusste genau, dass der andere Mann ihn dafür hassen würde, dass er ihn in so einer vulnerablen Situation gesehen hatte. Aber was sollte er nun tun? Einfach wieder gehen? Dann müsste er Malfoy morgen früh erklären, wieso er die Schutzzauber zerstört hatte. Ihn wecken? Das würde wahrscheinlich eine sehr unschöne Erfahrung für sie beide werden. Harry seufzte. Egal, was er tat, es gab keinen guten Weg aus der Situation. Alle Optionen waren ziemlich bescheiden.
Also entschied er, Malfoy aus seinem Albtraum zu erlösen. Er schüttelte Malfoy, zunächst sanft, dann immer heftiger, da der Slytherin nicht wach zu bekommen war. Schließlich öffneten sich die silbergrauen Augen blinzelnd und unfokussiert, aber der blonde Mann schien nicht zu realisieren, was gerade vor sich ging.
„Malfoy?", sagte Harry daher vorsichtig. „Nicht erschrecken, ich bin es. Harry."
Bei diesen Worten klärte sich Malfoys Blick und seine Augen verengten sich zu Schlitzen.
„Potter? Was zur Hölle machst du in meinem Schlafzimmer?"
Die heisere, krächzende Stimme strafte die eisigen Worte Lügen.
„Äh, naja", stotterte Harry, „du hast geschrien und ich dachte, du wärst vielleicht in Gefahr. Deshalb bin ich reingekommen."
„Du bist einfach in mein Zimmer eingebrochen? Wer bitte gibt dir das Recht, hier rein zu stürmen?" "
Harry konnte die Ungläubigkeit in Malfoy Stimme fast schmecken.
„Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte die Schreie einfach ignoriert?", fragte Harry leicht verärgert.
„Ja, tatsächlich wäre mir das lieber gewesen! Und jetzt raus hier!"
Malfoy stützte sich auf seine Ellbogen und funkelte Harry wütend an. Dieser hob beschwichtigend die Hände und trat einen Schritt zurück. Er konnte sehr gut nachvollziehen, dass die ganze Situation für Malfoy sehr unangenehm war. „Tut mir leid, ich gehe ja schon. Ich wäre niemals in dein Schlafzimmer gekommen, wenn ich nicht davon ausgegangen wäre, dass du in Gefahr bist. Und außerdem..." Er zögerte. „Also, ich wollte nur sagen...Ich kenne mich mit Albträumen aus. Das ist nichts, wofür man sich schämen müsste."
Harry wusste genau, wovon er da sprach. Seine Albträume waren in den letzten Jahren glücklicherweise immer weniger geworden, aber ganz selten träumte er noch von Voldemort und ihren Begegnungen. Er erwachte dann jedes Mal schweißgebadet und mit so schlimmen Kopfschmerzen, dass er noch tagelang unter den Nachwirkungen litt.
„Du...du...ich habe gesagt, RAUS HIER", zischte Malfoy aufgebracht und beugte sich etwas weiter in Harrys Richtung. Das führte dazu, dass das Laken, das seinen Körper bedeckte, weiter nach unten rutschte. Noch mehr helle Haut kam dabei zum Vorschein. Ohne, dass er es wollte, folgte Harrys Blick dem rutschenden Laken bis zu Malfoys Schoß. Mit Grauen erkannte er, dass der Slytherin offenbar nackt schlief. Denn unter dem Laken zeichnete sich ganz deutlich der Umriss von Malfoys Gemächt ab.
Malfoy, der genau gesehen hatte, wohin Harrys Blick geschweift war, zog eine perfekt geschwungene Augenbraue nach oben.
„Verzieh dich, Potter. Es sei denn, du möchtest mir hier drin Gesellschaft leisten. Dann solltest du aber schnellstens deine Klamotten loswerden."
Er lächelte diabolisch. Harry errötete heftig und machte dann auf dem Absatz kehrt. Fluchtartig verließ er Malfoys Schlafzimmer und hastete durch den Flur, bis er die Sicherheit seines eigenen Zimmers erreicht hatte. Das Bild des halbnackten Mannes ließ ihn aber auch Stunden später nicht los.
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