34
Ich lief geradewegs in Maja rein, als ich an unserer Hütte ankam. Ihre Augen waren matt. Gedanklich wartete ich darauf, dass sie mich ansprach, was da eben mit mir passiert war. Aber sie war manipuliert worden und konnte sich an all das nicht erinnern. Mein Herz schmerzte bei der Erkenntnis. Früher bei Travis war das etwas anderes gewesen. Er hatte lediglich Gedanken manipuliert. Aber Nathan konnte ganze Erinnerungen verändern. Er könnte Bilder in die Köpfe der Leute setzen, die sie nie gesehen hatten. Könnte sie zu anderen Menschen machen. Wie mächtig er war wurde mir erst jetzt bewusst. Und ich fragte mich, ob er nicht vielleicht der Stärkste von ihnen war. Ich hatte immer gedacht, dass es Ger sein musste. Er strahlte genau diese Dinge aus. Stärke, Kraft, Ausdauer, Macht, Können. Aber seine Kräfte waren nicht so stark. Natürlich, er war noch immer schneller und kraftvoller als die Anderen. Aber durch die Zeichnung waren sie alle übermenschlich schnell und stark geworden. Gers Kräfte waren also beinahe unwichtig geworden.
»Da bist du ja«, sagte Maja erfreut und fiel mir um den Hals. Diese Geste tat mir unglaublich gut. Beinahe verbarg sie die Angst, die ich vor der kommenden Nacht hatte. »Wir sind morgen fürs Kanufahren zusammen angemeldet«, sagte sie mit breitem Grinsen und Blick auf das wunderschöne Meer im Hintergrund. Ich lächelte gespielt. »Ich freu mich drauf«, log ich und hakte mich bei ihr unter. Ich konnte das nicht. Ich konnte sie nicht weiterhin belügen und von den Jungs manipulieren lassen. Ich war eine schreckliche Freundin. So etwas sollte man keinem antun. Ich verbarg die Tränen, die in mir aufstiegen und lief mit Maja den Strand entlang. »Weih sie ein«, geisterte eine Stimme durch meinen Kopf. Abrupt blieb ich stehen. »Ist alles ok? « Majas Blick war fragend und sie legte vorsichtig eine Hand auf meine Schulter. Ich nickte schnell und lief weiter. Ich wartete darauf, dass die Stimme erneut zu Reden anfing. Nach einer Weile kam ich mir mehr als nur dumm vor. Ich hoffte darauf, dass eine imaginäre Stimme in meinem Kopf zu reden anfing, um mir bei einer Entscheidung zu helfen. Hatte ich jetzt etwa Engel und Teufel auf meinen Schultern sitzen?
»Wenn du sie weiterhin belügst, wird sie irgendwann zerbrechen.«
Inga. Es war Inga, die dort zu mir sprach.
»Wow, das ist echt creepy«, hörte ich ein leises Kichern, das durch meine Gedanken schallte. Ich lächelte leicht. »Du sagst es.« Meine geflüsterten Worte ließen Maja aufblicken. Ihr Blick war fragend, aber ich lachte nur leise. Sie schüttelte den Kopf und hob eine Muschel aus dem Sand.
»Es ist besser, wenn sie vorbereitet ist. Du weißt nicht, wozu er in der Lage ist... « Ich nickte leicht. Meine kleine Schwester hatte recht. Ich musste Maja davon erzählen. Ich hatte keine Garantie, dass der Dämon sie in Ruhe lassen würde.
Maja stand wieder auf und stemmte die Hände in die Hüften. »Also ich bin dafür, du redest jetzt mal mit mir und erzählst, was los ist. Du bist die ganze Zeit in dich gekehrt und das letzte Mal, dass ich etwas Neues von dir erfahren habe, ist etwa drei Wochen her!« Ich seufzte geschlagen und setzte mich in den Sand. Mit knirschenden Zähnen beobachtete ich, wie die Sonne hinter dem Wasser unterging und die ersten Sterne zu leuchten anfingen.
»Du hast dich doch bestimmt gewundert, dass ich immer bei Gereon, Nathan und Jules bin«, fing ich an und Maja nickte leicht. »Also, das hatte einen bestimmten Grund.« Ich seufzte. »Nun ja, also...« »Ach hier seid ihr!« Ich zuckte zusammen, als sich das Mädchen zu uns setzte, mit dem Maja sich vor dem Vorfall unterhalten hatte. Ich kratzte mich leicht verlegen am Hinterkopf und stand auf. »Wir verschieben das«, versprach ich Maja leise. Sie nickte und ich ging.
Dann wurde mir bewusst, dass ich das Halten dieses Versprechens nicht garantieren konnte. Ich könnte diese Nacht sterben und sie würde den Grund nicht wissen. Vielleicht würde sie es nicht mal merken. Ich schüttelte mich. Das konnte ich ihr nicht antun. Aber ich drehte mich nicht um. Ich ging nicht zu ihr, sondern ins Haus um meine Tasche zu packen. Ich entschied, was das Beste für mich wäre. Und im Nachhinein könnte ich mich dafür erwürgen.
Man konnte sagen, dass es wohl die beste Stufenfahrt werden könnte, die ich jemals hatte. Lagerfeuer am Strand, Schwimmen im Meer, in kleinen Gruppen den wilden Dschungel erforschen oder Spezialitäten der Insel auf kleinen Kokostellern probieren.
Für mich wurden allerdings noch gefährliches Klippensteigen, Kampf mit einem Dämon und Brechen des Fluchs ergänzt.
Wir befanden uns am Kernpunkt unseres Plans. Dem Teil, in dem wir aufbrechen sollten um unser aller Leben zu retten. Und trotzdem taten wir so, als würde da draußen kein gefährlicher Sturm lauern, der uns alle umbringen wollte. Ich packte stumm meinen Rucksack und versteckte ihn unter dem Hochbett, das ich mir mit Maja teilte. Somit hatte ich es leichter, mich diese Nacht raus zu schleichen. Und ehe ich mich versah, zeigte meine Armbanduhr 2:00. Ich versuchte, niemanden aufzuwecken, als ich die Hütte verließ.
Ich schauderte bei dem Gedanken daran, irgendwo hin zu laufen, wo ich vielleicht sterben würde. Man sollte meinen, es wäre an diesem Ort schön warm und sommerlich, aber ich musste meine Jacke zuziehen, als ich durch den klammen Sand zum Haus der Jungs stapfte. Während bei uns Mädchen bereits alle Lichter gelöscht waren, schienen einige der männlichen Personen noch zu feiern. Ein leiser Schrei entfuhr meiner Kehle, als ich von hinten gepackt und über die Schulter geworfen wurde. Sofort setzte Nathan mich wieder ab und wurde von meiner Faust in den muskulösen Bauch geboxt. Er tat so, als würde diese Bewegung unglaubliche Schmerzen verursachen und rollte sich über den Sand. Wie konnten sie nur so motiviert und gut gelaunt sein? Unser Leben würde vielleicht noch heute zu Ende gehen und sie hatten mehr Spaß denn je. Jules trat aus der Holzhütte.
Sein Rucksack war beinahe so groß, wie er selbst und seine Schuhe für das Wandern bestimmt. Er sah sich unsicher um. Ich wusste, dass ihm die Dunkelheit nicht sehr willkommen war. Er hatte es irgendwann einmal erwähnt. Als er bemerkte, dass ich ihn ansah, setzte er jedoch ein gespielt lässiges Lächeln auf und kam langsam auf mich zu. Ger hüpfte an ihm vorbei zu Nathan schmiss sich auf Nathan drauf, sodass sie sich nun zu zweit im Sand suhlten. Ich wechselte einen Blick mit Jules. »Was ist los mit denen?« fragte ich und sah dabei zu, wie sie sich gegenseitig Sand in die Haare rieben. »Ger hat irgendwo Alkohol herbekommen und sie fanden es eine gute Idee, sich etwas Mut anzutrinken.« Ich nickte. War ja klar. Aber, dass Nathan mitgetrunken hatte, überraschte mich etwas. Er war doch sonst immer der vernünftigste von ihnen. »Und wieso du nicht?« Jules lächelte schief. »Du brauchst doch jemanden, auf den du dich verlassen kannst.« Ich lachte leise und lief los. Ununterbrochen verfolgte mich die Angst und lähmte meine Hoffnung.
Ich hatte unbeschreiblich große Angst vor den bevorstehenden Ereignissen. Davor, was passieren könnte, wenn ich mich auch nur eine Sekunde lang beeinflussen ließe oder unkonzentriert wäre. Dinge, die in letzter Zeit leider recht häufig vorgekommen waren. Am meisten fürchtete ich mich jedoch nicht vor dem Dämon oder den Dingen, die er mir antun könnte. Ich fürchtete mich davor, dass er mir vielleicht auch noch Nathan nehmen würde. Dass er alle Menschen, die mir etwas bedeuteten quälen würde. Und leider war diese Befürchtung nicht zu abwegig, wie sie vielleicht schien. Ich hatte Zimos Bücher mindestens drei Mal gelesen. Auch eine detailierte Beschreibung der Ereignisse, die das Brechen des Fluchs losgetreten hatte. Die Familien der ehemals Gezeichneten waren für die Verbrechen der Spieler bestraft worden. Die Jungs wussten das und hofften, dass sie etwas ändern können. Wir alle hofften, etwas zu ändern. Für alle, die so dumm waren um das Spiel mit dem Dämon einzugehen. Wir wollten, dass es das letzte Mal war, dass eine einzige Person so viel Macht über andere hatte.
_______________________
Doch schon früher als geplant, jedoch nicht wirklich gut, da ich zu dieser Uhrzeit wenig produktiv bin. Ich hoffe, ihr verzeiht mir. Es wird bestimmt überarbeitet. Irgendwann :D
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top