31
Ein wildes Schütteln brachte mich aus meinen Gedanken und der Meditation, die ich selbst auf meinem Sitzplatz im Flugzeug geübt hatte.
»Lissa!«, zischte Nathan panisch und ich schlug die Augen auf. »Was tust du da?«
Bevor ich ihm antworten konnte, schnallte er mich ab und zog mich von meinem Sitzplatz. Dann rannte er mit mir zur Flugzeugtoilette und verschloss die Tür. Mein Blick schweifte von ihm zum Spiegel herüber. Ich erschrak wegen meines eigenen Spiegelbilds.
»Was zum Teufel...«
Verwirrt fuhr ich mit meiner Hand über die plötzlich glatten Haare und den dunklen Lippenstift, den ich niemals aufgetragen hätte. Es war, als hätten sich meine Lippen verfärbt. Ich wurde diese Seite nicht los. Diese Seite von mir. Beinahe schon panisch sah ich der fremden Person in die Augen. Sie hatten ihre Farbe geändert, waren aber nicht zu Mondsicheln geworden. Nicht so wie es nach der Zeichnung bei den Jungs geschehen war. Ich sah aus, wie ein fiktives Geschöpf aus einem Halloweenfilm!
»Was passiert hier mit mir?«, fragte ich Nathan schockiert. Er weitete nur die Augen. Ich sah, wie ich keuchte, weil ich mir selbst die Luft abschnürte. Meine Hände wanderten an meine Kehle. Als würde eine unsichtbare Kraft mich erwürgen. Als würde ich mich selbst erwürge. Ich rang nach Luft und Nathan stand daneben und konnte nichts tun. Bei dem Versuch, näher an mich ranzugehen, sendete mein Körper helle Feuerstrahlen aus, die ihn verbrannten. »Sie sind golden«, flüsterte er, beinahe schon fasziniert. »Glitzernd.«
Ich schluckte. Das Gefühl zu Ersticken war verschwunden und hatte purer Erleichterung Platz gemacht. Ich brauchte einige Sekunden, um mich zu beruhigen. Ich wendete den Blick vom Spiegelbild ab und versuchte, mich zu konzentrieren.
Gold. Gold war kein Edelstein. Alle Jungs hatten Edelsteine als Pupillen. Und ich so ein beeinflussbares Material wie Gold.
»Sie glitzern nicht«, stellte ich traurig und verwirrt fest. »Sie leuchten.«
Mit diesen Worten strahlte mein Spiegelbild, wie das von Supergirl. Aus meinen Augen lösten sich goldene Funken, die zischend ins Waschbecken sprangen und Nathans Hand verbrannten. Ich konnte nichts tun. Ich war zu fasziniert davon. Es hatte funktioniert, wenn auch anders, als gedacht. Aber wann lief hier schon irgendetwas nach Plan?
Ich konzentrierte mich auf das Feuer, das in meinen Augen brannte und mich nicht verletzte. Darauf, dass ich es kontrollieren musste, um nicht das ganze Flugzeug zum Absturz zu bringen. Mir stieg das schreckliche Gefühl, mich übergeben zu müssen in die Lunge und ich sackte auf die Knie. Nathan wollte an mich ran, aber mein Rücken strahlte und sobald er mich berührte, schmirgelte seine Haut ab. Ich versuchte, mich zusammenzureißen. Was, wenn das hier eine Zeichnung war? Wenn sie sich geirrt hatten und ich weder Schlüssel, noch Spieler war?
Plötzlich hörte das Zischen auf und das Leuchten war den vorherigen Sichelmonden gewichen. Den goldenen Sichelmonden. Ich richtete mich automatisch auf und betrachtete mein Spiegelbild.
Ich konzentrierte mich auf den Spiegel. Darauf, dass ich ein abscheuliches Monster war, dass die Welt zerstören könnte. In diesem Moment fragte ich mich, ob der Dämon sich wohl auch so fühlte. Ob er sich auch fragte, weshalb er so abscheulich war. Und ob er sich vielleicht ändern wollte, aber nicht stark genug dafür war. Vielleicht war das seine einzige Schwäche. Er selbst.
Bei diesem Gedanken geschah etwas. Meine Handflächen stellten sich nach vorne, wenige Zentimeter vor den Spiegel. Und bevor ich darüber nachdenken konnte, zersprang die Fläche in tausende Scherben, die goldenes Licht durch den ganzen Raum reflektierten. Ich wurde geblendet und wendete mich von mir selbst ab. In den Scherben des Spiegels konnte ich noch meine unnatürlich gelben Augen leuchten sehen. Und ich hatte Angst vor mir selbst. Vor den Dingen, die ich vielleicht tun würde.
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