16
Ein plötzliches »Guten Abend«, ließ mich herumfahren und mein Gesicht zu einer hysterischen Grimasse verziehen.
Lautlos schloss das Dienstmädchen die Tür des Putzraumes und lächelte mich warm an.
»Entschuldigen Sie, dass ich Sie erneut erschreckt habe, Miss«, sagte sie mit diesem südländischen Akzent.
Das dicke schwarze Haar hatte sie heute zu einem Knoten an ihrem Hinterkopf gesteckt und die kleinen roten Perlen in ihren Ohrläppchen funkelten im Licht. Sie trug wie immer diese Uniform, die ihre Schönheit weitestgehend unter schwarz-weißem Stoff verbarg. Aber allein der Kontrast ihrer dunkelblauen Augen, zu der braunen Haut, war atemberaubend schön. Durch die geringe Körpergröße und die kindlichen Gesichtszüge, erinnerte sie mich an eine jüngere Version von Disneys Pocahontas. Mit größeren Augen und kürzeren Haaren.
Mit einem Blick schienen ihr meine verfilzten Haare und die, durch den Regen zerknitterten, Klamotten aufzufallen.
»Sie haben nicht nach mir gefragt«, bemerkte sie ernst und ihre Worte an meinem ersten Abend im Haus der Blanes fielen mir wieder ein.
»Ich hatte keine Fragen«, bemerkte ich vorsichtig. Ruhig schüttelte sie den Kopf.
»Ihre Gedanken sind voll von Fragen.«
Sie kam einen Schritt näher und reflexartig wich ich zurück. Dies bemerkte sie mit einem sanften Lächeln.
»Sie brauchen keine Angst zu haben«, erklärte Rosella.
»Ich habe keine Angst.«
»Eine weitere Lüge. Weshalb vertrauen Sie den Falschen?« Ich schwieg, hielt ihrem durchdringenden Blick stand.
»Sie haben Böses in Ihrem Geist, Miss Thess.« Sie kniff die Augen leicht zusammen, als würde sie etwas in mir sehen, das sie nicht zu deuten wusste.
»Was haben Ihnen die Seelen getan? Weshalb halten Sie sie gefangen?« Rosella machte einen weiteren Schritt auf mich zu, bis ich das Geländer der Treppe in meinem Rücken spürte.
»Wovon sprechen Sie?«, fragte ich verwirrt. Diese Frau machte mir Angst.
»Sie wollen bewahren, dabei sind Sie es, die bewahrt werden muss«, sprach sie weiter in Rätseln. »Dieses Mal ist es anders. Etwas an Ihnen ist anders.« Sie musterte mich wie eine Kreatur, die in einem Labor gezüchtet wurde.
»Der Schlüssel ist bestimmt, Türen zu öffnen. Sie aber, werden Häuser in Brand setzen und in den Flammen tanzen.« Verängstigt sah ich in ihre Augen. Wie viel wusste sie von den Dingen, die sich hier abspielten?
Endlich wich sie zurück und schüttelte leicht den Kopf. Erst jetzt konnte ich wieder normal atmen.
»Ihr Blut ist verunreinigt, nicht zu ändern ist Ihr Sein. Weshalb schenkt man dem Teufel sein Leben, wenn man selbst keine Kontrolle hat?«
Sie blinzelte mehrfach, als würde sie aus einem Traum erwachen.
»Was meinen Sie damit?«
»Sie hätten mich fragen sollen, als sich die Möglichkeit dazu bot«, meinte sie fast vorwurfsvoll.
»Wer sind Sie?«, fragte ich und suchte in ihrem Blick nach Antworten. Sie lächelte leicht.
»Ich bin Rosella. Ich helfe. Den Einen mehr, den Andern weniger.« Ich nickte knapp. Sie wusste also über den Dämon Bescheid. Gehörte sie vielleicht zu Zimo?
»Es gibt Menschen, Miss Thess, denen Sie vertrauen können. Und es gibt welche, vor denen sollten Sie sich hüten.«
»Woher soll ich wissen, dass ich Ihnen vertrauen kann?«, fragte ich. Sie schmunzelte überlegen. »Ich sagte nie, dass Sie mir vertrauen sollten.« Ich schluckte. Dies klang beinahe wie eine Drohung.
»Aber vielleicht weckt es Ihr Interesse, dass ich Ihnen Mr. Blanes Tagebuch beschaffen könnte«, sagte Rosella und kam mir wieder etwas näher. Diesmal wich ich nicht zurück.
Bei dem Gedanken an Nathans Tagebuch, kribbelte es mir in den Fingern. All die Möglichkeiten, die sich mir damit böten. Ich könnte lesen, wie er über mich dachte, ob die Jungs Details über den Fluch vor mir verschwiegen, ob sie mir in jedem Punkt die Wahrheit gesagt hatten. Aber mein schlechtes Gewissen plagte mich schon, wenn ich einen von Ingas Schokopuddings ohne Erlaubnis aß. Nun sollte ich ein Tagebuch stehlen?
Obwohl Rosellas Anwesenheit keine guten Gefühle in mir hervorrief, war ich dennoch in der Lage, klar zu denken. Was ein Wunder war, bei all den Fragen, die sich in letzter Zeit bei mir aufgestaut hatten.
»Sie sagten, das Zimmer sei tabu«, warf ich ein. Ich wollte sie testen. Was hätte das Dienstmädchen von einem Handel mit mir? Was war mit ihrer Loyalität gegenüber der Blanes, auf die sie am ersten Abend noch so bestanden hatte?
»Ich hoffte, Sie seien klug genug, sich aus der Sache rauszuhalten«, widerlegte sie meinen Einwand nur geringfügig. »Ich nehme an, Sie haben das Tagebuch bereits gelesen?« Sofort schüttelte sie den Kopf. »Keinesfalls. Ich würde nicht wagen, die Privatsphäre von Mr. Blane zu missachten.« Ich lachte leise auf. »Und ich schon?« »Sie zeigten sofort Interesse an den Geheimnissen dieser Stadt. Die Geschichte Claywoods hat mehr mit der Ihre zu tun, als Ihnen vielleicht bewusst ist.« »Und inwiefern würde mir Nathans Tagebuch da weiterhelfen?«
Ihre Rätsel gingen mir langsam auf die Nerven. Woher wollte sie so viel über mich wissen?
»Diese Frage können Sie nur durch das Lesen des Buches beantworten«, sagte sie. »Ja klar«, meinte ich. »Wieso wollen Sie einen Handel mit mir?«, fragte ich. »Kein Handel. Sehen Sie es als eine Geste meiner Hilfe an.« »Ich werde Ihre Hilfe nicht annehmen«, stellte ich schnell klar. Etwas überrascht zog sie eine Augenbraue hoch. »Wie Sie wollen.« Sie lächelte freundlich, als sie zur Tür lief. »Sollten Sie Ihre Meinung ändern«, sagte sie, noch. »Fragen Sie einfach nach Rosella.«
Die Tür fiel ins Schloss, ohne dass ich sah, wie Rosella sie berührt hätte.
~
Meine nackten Füße schwebten über den Waldboden, während ich rannte. Das Sonnenlicht wurde von tiefgrünen Blättern reflektiert und mit jedem Schritt wirbelte ich hellbraunen Staub auf, der glitzernd in die Höhe stieg. Allein der Gesang der Vögel und das beruhigende Plätschernd eines abgelegenen Flusses durchbrachen die friedliche Stille. Ich stellte mir die Vögel vor, die sich in den dichten Baumkronen versteckten und aus ihren buntgefiederten Bächen trällerten. Ich stellte mir ein Rehkitz vor, das von dem kristallklaren Wasser des Flusses trank.
Alles hier leuchtete in solch einer Farbintensität, dass es verlockend irreal wirkte. Ich spürte mit jeder Faser meines Körpers ein entscheidendes Gefühl der Selbstsicherheit und des puren Glücks.
Ich kam nicht umhin, alles zu deuten, wie ich es immer so gerne tat.
Alles hier spiegelte meine Freude wider. Im Nachhinein abgestempelt als kindliches Vertrauen und bodenlose Naivität, doch für den Moment war es dennoch einfach wunderbar.
Es gab manchmal solche Momente. Ich erinnere mich gut daran. Wenn Mum ein paar gute Wochen, sogar Monate hatte. Wenn sie zum Aufräumen Lieder sang, uns Schulbrote machte oder Inga bei Fußballspielen anfeuerte. Einmal hatte sie sich sogar bei Mrs. Sander mit einem billigen Blumenstrauß bedankt, obwohl sie doch so einen Hass gegen Maggys Mutter hegte. Es kamen keine fremden Männer mehr zu uns, bei denen sie - rückblickend betrachtet - immer nur versucht hatte, Bestätigung und Selbstbewusstsein wiederzuerlangen, wegen der Dinge, die sie scheinbar wegen unseres Vaters hatte durchmachen müssen. Leider hatte ihre Taktik niemals funktioniert.
Es war schwer zu beschreiben, dieses Gefühl. Obwohl alles gut zu sein schien, blieb immer die Angst davor, dass sich dies wieder ändern würde. Angst vor dem Schmerz, den Inga und ich erfahren würden, wenn unsere Mutter wieder in alte Muster verfallen würde, als hätte es diese guten Tage nie gegeben. Wie wenn man barfuß durch den Wald sprintet und jeden Moment in etwas Spitzes rein treten - sich verletzen - könnte. Man geht immer ein Risiko ein, jemandem zu vertrauen.
Genauso fühlte sich dieses »Glück« an. Es könnte jede Sekunde verfliegen.
Dass Mum wieder angefangen hatte, uns aus der Wohnung rauszuschmeißen, sodass wir unten bei Maggy gewohnt hatten. Ich höre noch, wie sie Maggys Mutter anschrie, dass wir ihre Kinder seien, dass es ihre Entscheidung war, wie sie mit uns umging. So sehe ich Inga und mich zuhörend oben am Treppengeländer sitzen, die Fingernägel in das alte Holz gekrallt, um unsere Tränen und Wut zurückzuhalten. Aus Furcht, solche Zeiten würden erneut zurückkommen, wären wir beinahe nicht über die Sommerferien zu Nadia geflogen.
Aber nun war Mum überzeugt davon, ihre Fehler durch Überfürsorglichkeit wieder gut machen zu können und mit ihrem neuen Freund, der absolut nicht in ihr altes Schema passte, eine perfekte Familie führen zu können. Sie verbat uns plötzlich alles Erdenkliche, damit wir nicht so wurden wie sie und ihre Fehler nicht wiederholten. Und obwohl sie sich für alles unzählige Male entschuldigt hatte, konnte ich ihr wegen diesem Gefühl des angstbestimmten Glücks und der Erfahrung mit ihren Versprechungen nicht verzeihen. Dafür hatte unsere Familie wahrscheinlich zu viel durchgemacht.
Ich stolperte über eine Wurzel, die wie aus dem Nichts auftauchte. Mein Kopf prallte auf dem harten Boden auf und ich spürte, wie der trockene Boden meine Arme und Beine aufschürfte, als es für einen Moment schwarz um mich herum wurde.
Ich öffnete die Augen und blinzelte gegen Erdstaub und Nebel an. Der Himmel war plötzlich von dicken Regenwolken verhangen, das Plätschern des Flusses zu einem bedrohlichen Wellenrauschen geworden und der fröhliche Gesang der Vögel verstummt.
»Du wirst dich nach dem vergangenen Schmerz sehnen, sobald du den der Zukunft spürst!«, hörte ich Rosellas Stimme in meinem Kopf.
Dunkelheit.
Hoffnungslosigkeit.
Hilflos sah ich mit an, wie die Nacht anbrach und die Bäume um mich herum zu tanzenden Schatten in der Dunkelheit wurden. Ich wollte nur von hier verschwinden, umkehren, aber etwas hielt mich zurück. »Nathan«, flüsterte die Stimme in meinem Kopf. Sofort sprang ich auf und begann zu rennen. Als könnte ich die Welt davon abhalten, in vollster Schwärze unterzugehen. Ich sah nicht, wohin ich trat, oder ob ich mich überhaupt in die richtige Richtung begab. Ich wusste nur, dass Nathan Hilfe brauchte. Dass es ihm schlecht ging. Ich spürte es als schneidenden Schmerz in meiner Brust und gellenden Schrei in meinem Kopf.
Und so rannte ich für einen Jungen, dem ich nichts zu bedeuten schien. Für einen, der seine Gefühle nur in Worten auf Papier oder philosophischen Gedanken äußerte. Für einen, der wahrscheinlich bereute, mich je geküsst zu haben.
Aber all das war mir egal.
Regentropfen fielen vom Himmel, durchnässten mich, ließen mich frieren. Und mit jedem wuchs das vorahnende Gefühl in meiner Magengrube. Es machte es unmöglich, stehen zu bleiben und vor dem aufkommenden Gewitter Schutz zu suchen.
Ich fragte mich, ob ich diese Schmerzen spürte, weil ich sein Blut getrunken hatte, oder ob es einen anderen Grund dafür gab.
»Er hat dich schon geliebt als ihr euch nicht mal kanntet. Er war wie besessen davon, herauszufinden, wer du bist und dich vor dem Dämon zu beschützen.«
»Mr. Blane und Sie haben eine besondere Verbindung, Miss Thess.«
Unerklärliches. Weit und breit.
Ich erreichte eine bergige Lichtung und blieb abrupt stehen. Meine Füße bluteten und meine Lungen brannten, doch ich konnte nur auf den höchsten Punkt der Wiese starren. Eine Gestalt lag im dunklen Gras.
»Nathan!«, schrie ich mit absackender, entsetzter Stimme. Ich rannte wieder los, kämpfte mich durch den peitschenden Regen und den Boden, in dem ich beinahe zu versinken drohte.
Während ich mit dem Unwetter rang, konnte ich nur daran denken, wie Nathan zu mir war, seit ich als Schlüssel zugesagt hatte. Er hasste es, dass ich mich eingemischt hatte, mich somit in Gefahr begab. Sofern man Travis glauben durfte, wollte er mich nur beschützen. Aber wieso konnte er meine Entscheidung nicht einfach akzeptieren? Er behandelte mich wie ein kleines Kind, tat so, als hätte ich vollkommen unüberlegt gehandelt. Und vielleicht war meine Entscheidung vorschnell gewesen. Aber mir war bewusst, auf was ich mich da eingelassen hatte, dass es mich vielleicht umbringen würde. Ich war nicht dumm oder hilflos, es hatte einen Grund, warum ich ihnen half. Ich hatte mitgemacht, weil ich es nicht hätte verantworten können, wenn sie verrückt geworden, oder gestorben wären. Wenn ich genau gewusst hätte, ich hätte es verhindern können, aber trotzdem nicht half, weil es nicht leicht war, sie da rauszuholen. Ich hatte mich verpflichtet gefühlt, zu helfen. Und das hatte nichts damit zu tun, dass ich irgendwem meinen Mut beweisen oder dazugehören wollte. Nur, weil es hier um Leben und Tod ging, stellte ich Dinge wie Dämonen und Flüche nur eingeschränkt infrage.
Erneut brachen meine eiskalten Beine in sich zusammen und ich prallte auf dem durchweichten Boden auf. Ich schrie und keuchte, während ich mich den Hügel hinaufzog. Meine Tränen vermischten sich mit dem Wasser, das vom Himmel fiel, der Matsch ruinierte mein weißes Sommerkleid.
Ich hasste Kleider. Und dies spiegelte meine Verletzlichkeit wider. Es war der Teil von mir, den niemand kennen sollte. Weil es Menschen gab, die mich nur durch Worte zerstören könnten. Weil ich Menschen vertrauen musste, um weiter zu kommen und dies immer bedeutete, einen Teil von sich selbst auf Messers Schneide zu legen.
Nach einer Ewigkeit kam ich oben an, zog mich neben Nathan, drehte sein regloses Gesicht zu mir. Ich schrie verzweifelt nach Hilfe, bis meine Stimme versagte. Die Tränen in meinen Augen ließen mich den langen Dolch in Nathans Brust nur unscharf wahrnehmen. Ich legte meine zitternde Hand an die Wange des Jungen, für den ich nach so kurzer Zeit schon so viel empfand und verzerrte das Gesicht, als er sich nicht rührte und ich spürte, wie kalt er war.
Ich war die Hoffnung.
Schnell riss ich sein blutgetränktes Hemd entzwei und umschloss den Griff des Messers mit meinen Händen.
»Was hast du ihm angetan?«, sprach ich unter Tränen zum Himmel. Ein Gewitter entstand und mit ihm das Bedürfnis, jemandem die Schuld an Nathans Tod geben zu müssen. Wobei die Schuldfrage in dieser Situation unglaublich kompliziert zu lösen war. Trug nicht jeder der Jungs selbst die Schuld, weil sie um ihre Kräfte gebeten und die Bedingungen akzeptiert hatten? Geschah all das nicht aus ihrem freien Willen?
»Was hast du ihm angetan?«, knallte eine Antwort in Form von Donnergrölen auf mich nieder und ließ die Erde zittern. Ein gleißender Blitz schlug neben mir ein. Ich hätte mit ihm Feuer fangen sollen. Ich hätte auch sterben sollen. Aber ich kniete hier und verzweifelte daran, Nathan zu retten. Ich hatte mir zu viel zugetraut.
Die Regentropfen kreischten, wenn sie vom Himmel fielen und jeder einzelne schien Löcher in meine Haut zu brennen. Ein schmerzverzerrter Schrei entfuhr meiner ausgetrockneten Kehle, während ich verzweifelt an dem Dolch zerrte. Er bewegte sich kein Stück. Als würde er bis zum Erdkern im Boden stecken. Viel zu tief. Und ich hatte eigentlich keine Ahnung, was ich hier tat und versuchte. In den Filmen, zogen sie die Messer aus den Verletzten raus und auf wundersame Weise erwachten sie erneut zum Leben. Aber das hier war kein Film und ich war weder Ärztin, noch eine Soldatin in einem Krieg. Obwohl wir uns im Krieg gegen den Dämon befanden, auch wenn man dies nur unterschwellig wahrnahm. Wir kämpften gegen die Zeit, die uns noch blieb, um alles wieder gerade biegen zu können. Oder der Dämon sollte unser aller Tod werden. Nicht nur Jules' Tod, Travis' Tod, Gereons Tod und Nathans Tod.
Auch mein Tod.
Aber das würde ich nicht zulassen. Niemals könnte eine einzelne Person so viel Macht über andere haben. Das war einfach unmöglich.
Ich legte meinen Kopf in den Nacken und blinzelte gegen den Regen an, der mir den Schweiß aus dem Gesicht wusch. Blitze schlugen auf die Erde ein und ich konzentrierte mich nur auf das Chaos der Natur. Bis ich das Gefühl hatte, wieder klar denken zu können. Sofern das in dieser Situation möglich war.
Ich legte meinen Kopf auf Nathans Brust und suchte nach einem Herzschlag.
Nichts.
Dann legte ich meine Finger an seinen Hals, um nach einem Puls zu suchen.
Nichts.
Ich versuchte erneut, das Messer aus seiner Wunde zu ziehen.
Nichts.
»Warum versuchst du, Dinge zu beeinflussen, die du nicht ändern kannst?«, fragte der Donner höhnisch. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass es diesem Teufel Spaß machte, uns leiden zu sehen. Dass es ihm gefiel, die Jungs mit Albträumen zu quälen, ihnen dabei zuzusehen, auf dem Weg zur Schlachtbank langsam den Verstand zu verlieren. Ich befand mich am Boden meiner Verletzlichkeit, der Dämon hatte die Kontrolle, meine Schwachpunkte gefunden. Ich hatte bereits jetzt verloren. Bevor es richtig angefangen hatte.
»Weil ich nicht so leicht aufgeben werde!«, schrie ich den Himmel an. Der Griff des Dolches war silbern. An seinem Ende prangte ein Löwenkopf, der eine Rose zwischen den schneidenden Zähnen hielt. Ihre Dornen waren vergoldet und die rote Blüte mit glitzernden Rubinen bedeckt. Rosenranken schlängelten sich bis zur silbernen Klinge, die sich nach kurzer Zeit blutrot verfärbte. Dann kräuselte sich Haut um die Schneide. Nathans Haut.
»Vielleicht hättest du aufgeben sollen«, meinte ein Blitz. »Nun steckst du schon zu tief drin, Melissia«, flüsterte ein anderer neckend. Erneut blickte ich in den dunklen Himmel und spürte den prasselnden Regen in meinem Gesicht.
»Zeige dich!«, schrie ich mit letzter Kraft. »Du bist nicht so mutig, wie du glaubst«, fügte ich leiser hinzu.
Ich spürte, wie meine Kräfte versagten und ich neben Nathan auf den Boden fiel. »Du hast es so gewollt«, hörte ich den Himmel sagen, bevor mir schwarz vor Augen wurde.
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