27. Kapitel - Das Lichtermeer im Tal

„Sag...", ich schnappte immer noch außer Atem nach Luft. „Sag nichts!". Keuchend drängte ich die Verwandlung zurück und beugte mich mit immer noch schmerzhaft verknoteten Händen vor, um wieder zu Atem zu kommen.

Die Wunde an meinem Arm brannte mittlerweile wieder schmerzhaft.
„Ich spreche, wenn mir danach ist! Und mir ist gerade sehr stark danach, mit dir zu sprechen!", schnaubte er sarkastisch und kam mit großen Schritten auf mich zu. Schnell erlangte ich meine alte Körperhaltung zurück und stierte ihm entgegen. Entschlossen blickte ich in seine Augen, was ihn jedoch nicht zu beruhigen schien.

„Du kannst gleich weiter rumbrüllen! Aber zuerst müssen wir die Männer verschnüren und unsere Sachen wieder einpacken! Wenn wir dieses Schlachtfeld nicht bald verlassen, werden die ersten wieder aufwachen!".

Unzufrieden mit der Situation zögerte Conan kurz, willigte dann jedoch mit einem kaum sichtbaren Nicken ein und trat weiter auf mich zu. Bevor ich protestieren konnte, war er bei mir und schnitt meine Fesseln mit groben und ruppigen Bewegungen auf.

Mit einem erleichterten Stöhnen fiel ich auf die Knie und presste meine wunden Handgelenke an meine Brust. Dafür schien Conan nur ein abfälliges Schnauben übrig zu haben, denn gleich darauf wandte er sich der zerstörten Lichtung zu.

Während ich noch einige Sekunden brauchte, bis ich mich wieder beisammen hatte, sammelte Conan bereits die ersten Überbleibsel unserer Taschen zusammen.

Dennoch dauerte es nur wenige Augenblicke, bevor ich mich ihm anschloss und die fremden Männer an die Bäume platzierte und sie schließlich mit den Fesseln, welche sie selbst dabei hatten, zusammen band. Wenn dabei Teile unseres Eigentums zum Vorschein kamen, brachte ich diese Conan, welcher immer noch mit ruckartigen Bewegungen die Taschen vollstopfte.
Nur wenige Minuten später war alles bereit und bevor ich noch etwas sagen konnte, schritt Conan mit einem kurzen Blick in den Himmel gezielt in eine Richtung davon.

Darum bemüht zu ihm aufzuschließen, eilte ich ihm mit großen Schritten hinter her. Mittlerweile hatte ich mir auch mein Hemd wieder übergezogen.

...

„Ich kann es einfach nicht fassen!", knurrte Conan einige Stunden später, als wir bereits einen ordentlichen Abstand zu den Räubern aufgebaut hatten und schon recht nah zur Grenze des Waldes waren. Dafür war ich umso erschöpfter und wollte mich auf den Boden sinken lassen, doch Conan schien andere Pläne zu haben.

Grob packte er mich an meiner Schulter. Mit einem leisen Jaulen, schlug ich so heftig nach seinem Arm, dass er erschrocken zurückwich. Keuchend presste ich meine Hand auf die Wunde in meiner Schulter, welche er soeben unangenehm gepackt hatte.

„Hör auf mit dem Unsinn!", fauchte ich ihn an, sobald ich mich wieder gefasst hatte. „Sei wütend auf mich, wenn es dir hilft, aber hab dich unter Kontrolle!".
Ein sarkastisches Lachen entfloh seinem Mund.

„So wie du immer?!", wollte er wissen. Den Ton den er dabei anschlug, konnte ich überhaupt nicht leiden. Dennoch drehte ich meinen Kopf einfach fort und ignorierte ihn.
„Hör auf!", knurrte Conan. Herausfordernd grinste ich zu ihm hoch, da ich dabei war neue Verbände zu finden, um meine Wunde neu zu versorgen. „Hör auf damit mich jetzt zu ignorieren!", warnte er mich, weshalb ich aufstand und mich direkt vor ihn stellte.

„Wenn du endlich aufhörst, so zu tun, als wäre es meine Schuld!", fauchte ich zurück und verschränkte erbost die Arme. Im entwicht ein boshaftes überraschtes Lachen.
„Nicht deine Schuld, sagst du?! Es war deine Aufgabe in der zweiten Hälfte der Nacht Wache zu halten! Es war deine Aufgabe mich frühzeitig zu wecken, damit wir weiterziehen können! Also war es auch deine Schuld, dass wir überfallen wurden!".

Ich schnaubte laut.

„Hast du jemals daran gedacht, dass die Männer uns nur gefunden haben, weil du wie der allerletzte Idiot durch die Gegend brüllen musstest?!"
Ihm entwich ein weiteres hysterisches Lachen.

„Natürlich! Nur weil du verschlafen und dementsprechend nicht gemerkt hast, wie die sich an uns geschlichen haben, bin ich es schuld!"

Es reichte mir langsam. Mit einem kleinen Schritt trat ich noch näher an ihn heran. Unsere Nasenspitzen berührten sich fast und meine blauen Augen stierten tief in seine bräunlichen.
„Ich weiß, dass du im Elfenwald der erfolgreichste Lehrling warst, aber glaube nicht für eine Sekunde, ich wüsste nicht wie man auf einer Reise überlebt! Mein ganzes Leben war ein Überlebenskampf, also kannst du mir ruhig glauben, wenn ich sage, dass ich bereits gestern Abend von dieser Bande Bescheid wusste!"

Unglaube schrie mir nur allzu deutlich aus seinem breiten Lächeln und den hochgezogenen Augenbrauen entgegen.

„Du, meine Liebe, hast absolut keine Ahnung von dieser Welt außerhalb der Grenzen! Anstatt also einen auf Unbesiegbar zu machen, kannst du auch endlich einsehen, dass du von mir abhängig bist!".

Mir entwich ein lautes Schnauben und mit zwei großen Schritten trennte ich mich von ihm, sodass ich ihn nicht so schnell verletzen konnte, falls ich meine Kontrolle verlieren sollte.
„Ich bin nicht im Geringsten von dir abhängig!", knurrte ich wütend, während ich ihm in seine Augen stierte. „Genaugenommen bin ich die einzige Garantie für dich, aus so gut wie jeder Situation lebendig heraus zu kommen. Egal wie sehr wir in Schwierigkeiten sind, wenn es um Leben und Tod geht, kann ich mich binnen weniger Sekunden in ein gewaltiges Monster verwandeln und eine ganze Armee auslöschen! Vergiss nicht, warum ich verbannt wurde!".
Wider meiner Erwartung schüchterten diese Worte Conan nicht ein. Nein. Stattdessen lachte er ein weiteres Mal auf.

„Denkst du wirklich, das wäre so einfach?!", fragte er mich mit erhobener Stimme. „Denkst du wirklich, du könntest dich jedes Mal in dieses Monster verwandeln, wenn dir danach ist?! Dann kannst du dich auch direkt dem Übeltäter anschließen, der unsere Heimat verbrennen wollte! Du könntest dich vor seine Truppen stellen und mit brennenden Armen rufen, dass du die nützlichste Waffe in der Eroberung des Elfenwaldes bist! Du kannst nicht einfach jedes Mal, wenn du es für nötig hältst dein wahres Ich nutzen! Oder unsere Wege trennen sich ab hier, denn ich habe nicht vor der gegnerischen Armee beizutreten.

Wenn wir wirklich wissen wollen, wer uns angegriffen hat, müssen wir uns unauffällig verhalten! Und das klappt nicht, wenn du dich verwandelst sobald wir in Gefahr schweben! Das vorhin war absolut verantwortungslos gewesen! Der Mann konnte sehen, wie sich Schuppen auf deiner Haut gebildet haben! Du hast leicht sinnig gehandelt und unsere ganze Mission gefährdet!".
Während seines Monologs unterstrich Conan sein Gesagtes durch wilde Gesten und einen stechenden Blick. Doch wieder blieb mir nur ein Schnauben übrig.

„Tja, Schade nur, dass dieser Mann zu einer Gruppe von Räubern gehört, die seit Jahren die Bürger von Silfan ausnutzen. Dementsprechend wird ihm auch niemand ein Wort glauben!". Mit einer groben Drehung wandte ich mich wieder der Tasche voller Medizin zu.
„Wenn du mich jetzt entschuldigst, ich muss meinen Arm neu verbinden, bevor du mich morgen früh aus einem Fiebertraum wecken musst".

Ein weiteres Mal hatte Conan nichts als ein abfälliges Schnauben für mich übrig und wandte sich mit den Worten: „Dieses Gespräch ist noch nicht beendet", von mir ab. Den lauten nach zu beurteilen, richtete er das Abendessen her.

...

Eine schweigsame Nacht später schritten die beiden Elfen durch den Wald. Lautlos traten sie auf die Blätter zu ihren Füßen, schlichen zwischen den Stämmen hindurch und folgten einem unsichtbaren Pfad. Unterwegs sammelten sie essbare Pflanzen ein, im Wissen, dass ihre Vorräte langsam knapp wurden. Seit dem Überfall trugen beide ihre Waffen bei sich. Auch hielten beide ohne weitere Vorfälle über die Nacht wache. Und so kam es, als die Sonne bereits untergegangen war, dass der Elf, welcher die ganze Zeit voran lief, schweigend am Ende des Waldes stehen blieb und zu den Lichtflecken in der Ferne starrte. Nyra, welche merkte, wie er inne hielt, lehnte sich etwas weiter hinter ihm mit ihrer gesunden Schulter und vor der Brust verschränkten Armen an einem Baum an.

Stumm betrachteten die Reisenden ihr erstes Ziel.

Das Dorf Silfan ersteckte sich breit, aber mit wenigen simplen Häusern über die Ebene. Die Straßen lagen verlassen dort. Tiere weideten an den äußersten Flächen. Nichts als Schatten waren sie in der dunklen Nacht. Ein schmaler Flusslauf schimmerte abseits des Dorfes im Licht der schmalen Mondsichel. Der einzige Grund, warum sich die wenigen Menschen dort niedergelassen hatten. Am äußersten Rande des ersten Menschenreiches auf ihrer Reise.
Letztendlich war es Nyra, die starr in ihrer Haltung die Stille durchbrach.

„Die Männer, die uns überfielen...", leise kaum hörbar hauchte sie die Worte in den Wind. Doch der Elf hörte sie mit seinen feinen Ohren. Obwohl er sich nicht ihr zu wandte, hob er interessiert sein Kinn an und verschränkte seine muskulösen Arme vor seiner Brust, während er sich breitbeinig hinstellte.

Leise schluckte das Mischwesen, als sie sich an die Erzählungen der Männer des Dorfes erinnerte. Starr blickte sie zum Dorf, doch die Leere ihrer Augen verdeutlichte, dass sie die Häuser nicht mehr sah. 

„Die Männer, die uns überfielen waren die gleichen Gestalten, welche dieses Dorf seit Jahrzehnten tyrannisieren. Sie sind der Grund, warum sich ein ganzes Land vor den Grenzen des Waldes fürchtet".

Als sie keine Anstalten machte weiter zu sprechen, drehte der junge Mann seinen Kopf zu ihr, nur um auf ihr markantes Profil zu blicken, welches sich nicht im Geringsten bewegte. Tiefe ruhige Atemzüge machten sich durch die Bewegung ihres Oberkörpers bemerkbar.

„Wovon sprichst du?".

„Die Menschen des Dorfes sprachen von dunklen starken Gestalten. Sie sollten auf wilden Rössern umhergeritten sein. Sie seien größer, stärker, schneller als Pferde, haben sie gesagt. Ich weiß nicht was sie wollen. Aber sie kommen am frühen Morgen, wenn noch alle schlafen. Wer Pech hat und früh aufstehen muss, der wird als Druckmittel eingeholt. Sie haben bereits Geliebte verloren". Wieder schwieg sie, hing ihren Gedanken nach. Doch nun hatte sie Conans Neugierde geweckt. Sein Unglaube allerdings hielt ihn zurück, während er sich wieder von ihr abwandte.

„Du sprichst so, als wärst du bereits dort gewesen! Das kann nicht sein! Du kanntest den Weg nicht einmal ansatzweise! Denkst du dir das aus?! Damit ich dir glaube, dass du bereits von den Männern wusstest?".

Ruhig und mit elfischer Eleganz stieß sich das Monster von dem Stamm ab. Mit nutzlos herunterfallenden Armen schritt sie vor, bis sie seitlich vor Conan stand. Den Abstand zu ihm bewahrend, löste sie ihren Blick nicht einen Moment von dem schimmernden Lichtermeer, welches dunkel seine verzerrten Schatten warf.

„Ich kenne den Weg. Doch zu Boden habe ich ihn nie beschritten. Letzten Endes kann ich mich nun mal am besten Orientieren, wenn mein Körper von den Winden getragen wird".
Wie um ihre Worte zu verdeutlichen, wehte ihnen ein kühler Luftstrom aus dem Tal entgegen, welcher ihrer beider Haar aufwirbelte.

„Das alles stand nicht in den Büchern über die Menschen", widersprach Conan ein weiteres Mal. Die Elfe nickte leicht, bevor sie sich zu ihrem Begleiter wandte.
„Dann schau selbst. Frag die Menschen".

Nyra hatte die Unterhaltung, die sie selbst begonnen hatte, satt. Zur Antwort nickte der Elf. Sie wollte bereits zurück in die schützende Barriere des Waldes gehen, als er noch etwas hinzufügte.
„Wir gehen morgen früh in die Stadt", bestimmte er mit festem Ton. Er wollte prüfen, ob das Monster die Wahrheit sprach. Denn wenn es das tat, waren sie der Ursache des Angriffs womöglich schon näher als er gedacht hatte.

Das Mischwesen jedoch machte ihm einen Strich durch seinen Plan.
„Nein". Ihre Tonlage übertraf seine Worte. Bevor er ihr widersprechen konnte, wandte sie ihren Kopf zurück zu ihm. „Ich zeige dir morgen warum. Bevor die Sonne aufgeht. Wir müssen das Dorf erreichen, wenn es dunkel ist. Dann weißt du, warum ich dich aufhalte. Vertrau mit. Ich war dort".

Mit einem letzten warnenden Blick an ihn und das Lichtermeer im Tal verschwand sie im Wald, um ein Lager aufzuschlagen.

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