26. Kapitel - Überfall
„Nyra! Was sollte das?!".
Der Ruf des Elfen hallte laut über die Lichtung und verflog in allen Himmelsrichtungen.
Die erschöpfte Gestalt, welche die Decke bis zu ihrem Kinn hochgezogen hatte und sich in einem leichten Halbschlaf befand schreckte auf.
Ihr Herzschlag verschnellerte sich binnen weniger Sekunden auf das Doppelte und jeder Muskel spannte sich an. Sorge und Schreck schossen gemeinsam mit dem Adrenalin durch ihren Körper. Schneller als sie es selbst hatte merken können, stand sie aufrecht dort, die Arme zu einer Abwehrhaltung erhoben. Ihre Augen benötigten nur wenige Sekunden, bis sie sich an die rötlichen Strahlen der Morgensonne gewöhnten. Ihre Sinne spannten sich über die Lichtung, bereit alles und jeden abzuwehren.
Doch die Befolgung ihres Instinkts änderte nichts an ihrer Verwirrung und Orientierungslosigkeit. Denn der erwartete Angriff kam nicht. Stattdessen starrte sie mit gerunzelter Stirn in Conans verzerrten Gesichtsausdruck.
„Was?", fragte sie schließlich dümmlich, zu sehr war sie aus ihrer eigenen Planung herausgerissen worden.
„Das ist nicht dein Ernst, oder?!". Die Stimme des Elfen bebte und zitterte vor Zorn und es fiel ihm schwer sich verständlich auszudrücken. „Es hätte sonst was passieren können! Wir sind nicht mehr hinter dem Schutz der Elfenwaldgrenzen! Hier könnte alles und jeder auf uns treffen!". Von seinem lauten Wortschwall etwas überrumpelt, stolperte sie einige Schritte zurück. Doch Conan war noch nicht fertig. Zu viel Entsetzen schoss immer noch durch seinen Körper. Mit einer schwungvollen Bewegung fuhr er sich durch sein langes Haar, machte es unordentlich und atmete tief ein, damit auch sein Körper die Entwarnung mitbekam.
Mit einem etwas ruhigeren Blick sah er nun wieder in ihre Augen.
„Weißt du, ich habe verstanden, dass du es nicht immer leicht hattest. Das Leben war nicht fair zu dir. Aber das heißt nicht, dass du einfach so verantwortungslos sein kannst?! Ich weiß, ich war nicht immer nett zu dir! Offenbar oftmals auch unbegründet! Aber in gewissen Sachen, müssen wir uns aufeinander verlassen können!".
Nur langsam und verzögert erkannte Nyra das Problem ihres Gegenübers. Nur langsam und verzögert verstand sie seinen Zorn.
„Wir sind nicht mehr in Sicherheit! Wenn wir diese Reise überleben wollen, müssen wir aufeinander aufpassen! Wie soll ich in der Nacht schlafen können, wenn ich mir nicht einmal sicher sein kann, ob uns nicht auf einmal fremde Menschen angreifen, die darauf erpicht sind uns zu ermorden!".
Doch bald lauschte sie nicht mehr seiner Predigt. Stattdessen richtete sie, wie auch im Halbschlaf ihre Ohren auf die Umgebung. Denn sein lautes Gebrüll übertönte beinahe die Schritte, welche sich bereits aus weiter Nähe anschlichen. Zu weit waren sie fort, als dass sie sie sehen könnten. Zu nah waren sie, als dass sie seine Schreie nicht hören würden.
„Bist du wirklich so bescheuert?! Denkst du nicht, dass hier überall Gefahren lauern?! Das kann doch nicht wahr sein! Ich sollte ohne dich weiterziehen! Wahrscheinlich könnte ich schlafend besser auf mich aufpassen!!".
Mit ausfallenden Bewegungen schrie und schrie er, fuchtelte wild mit seinen Armen und wandte sich in seinem Zorn von ihr ab, versucht sich zu beruhigen. Doch sein lauter Herzschlag übertönte immer noch die Geräusche der lauernden Gefahr.
Denn für Nyra wurden die Schritte immer lauter. Ihrem Verdacht nachgehend, riss sie sich das Hemd von ihren Schultern, damit sie nur noch in ihrem alles nötige verdeckenden Unterhemd dort stand. Conan war dabei zu sehr in seinen Zorn vertieft, als dass er überhaupt bemerken könnte, wie Nyra ihre Hände gleich darauf in die harte Erde grub und sich den Dreck unregelmäßig auf die Haut schmierte. Stattdessen fluchte er, als gäbe es kein Morgen mehr. Als er sich ihr endlich zuwandte, kniete sie kleinlich vor ihm, mit zerzaustem Haar und dreckigem Körper. Trotz der Tarnung hatte sie leider nicht ihren drahtigen Körper verdecken können und hoffte einfach, ihr Aussehen könnte darüber hinwegtäuschen.
Der Grund ihres Handelns waren die seltenen Besuche in der nah liegenden Stadt, in denen sie etwas von der Außenwelt hatte mitbekommen können.
„Am liebsten würde ich dir für diese bodenlose Dummheit eine Runter hauen!". Der Satz erklang gleichzeitig mit den nun unüberhörbaren Schritten. Dreckiges Lachen hallte durch die Stämme und tiefe Männerstimmen grölten zustimmend.
Hätten diese Geräusche den Elfen nicht bereits innehalten lassen, hätte es der folgende Satz definitiv getan. „Vielleicht solltet Ihr es einmal ausprobieren, werter Fremder!".
Das Lachen des Unbekannten bohrte sich rumpelnd und wie eine laute Warnsirene unter die Haut der beiden Elfen. Mit Gänsehaut am Körper, betrachteten sie ihren unangenehmen Besucher. Dabei schoss die Hand des Elfen direkt zu seinem Schwert. Nyra hingegen, so schwer es ihr auch fiel, senkte den Blick wieder auf den Boden. Wenn ihre spontane Idee gelingen sollte, musste sie sich so verhalten.
„Wer seid ihr?", wollte Conan fauchend wissen. Ein amüsiertes Glucksen ertönte.
„Ganz ruhig! Ich bin niemand weiteres. Ich reise mit meinen Freunden hier durch die gegen und helfe Fremden wie dir ihre Beute unter Kontrolle zu bekommen!".
Conan war schlau genug keine weiteren Fragen zu stellen. Aber das brauchte er auch nicht. Der Mann sprach ganz von alleine weiter. Dabei trat er langsam auf die einzige Frau auf der Lichtung zu. Seine Schuhe schoben sich dabei langsam in deren Sichtfeld. Doch Nyra brauchte einige Sekunden, bevor sie die klobigen und unförmigen Klötze an seinen Füßen, als Schuhe erkannte. Denn die Elfen nutzen derartige Dinge nicht und so kannte sie diese Klumpen nur entfernt aus Büchern, welche über die Menschen handelten.
Je näher der Fremde kam, desto stärker spannte sich die Elfenfrau an und es kostete sie viel an Beherrschung sich nicht gegen ihn aufzubäumen, als er mit einer kräftigen braungebrannten Hand fest nach ihrem verdreckten Kiefer griff und diesen auf seine Augenhöhe zerrte. Nun musste sie in seine kalten leeren Augen starren, während sein Speichel auf ihr Gesicht flog, sobald er seinen Mund öffnete.
„Weißt du, Biester wie dieses hier, kriegt man ganz schnell unter Kontrolle!". Er grinste widerwärtig, sodass sie das hasserfüllte Glitzern in ihren Augen nicht unterdrücken konnte. Trotzig hob sie ihr Kinn noch höher und starrte ihn nieder.
„Lasst Sie los, Fremder! Sie gehört zu mir!", knurrte Conan warnend und trat auf ihren Gegenüber zu. Dieser ließ mit einem schmierigen Grinsen ihr Kinn los und entfernte sich ein paar Schritte. Doch ihr Blick senkte sich nicht.
Stattdessen starrte sie eine Gruppe von schwerbewaffneten Männern entgegen. Stumm rechnete sie ihre Chancen aus, diese zu besiegen, während ihr Begleiter versuchte den Unbekannten zu analysieren.
„Ganz ruhig, Kleiner! Sie gehört dir! Voll und ganz! Nun sag mir doch, in welcher Beziehung steht die Kleine zu dir?". Hinterlist strahlte von seiner Frage aus. Misstrauisch starrte Conan zurück.
Nyra hingegen bekam Angst, er würde nun etwas Falsches sagen. Denn sie hatte bereits einen leisen Verdacht, wem sie dort gegenüberstand. Wenn ihr Begleiter also die Wahrheit sagen würde, schwebten sie schneller in Lebensgefahr, als es ihr lieb wäre. Doch das Problem des Mischwesens lag im Lügen.
Denn wenn sie etwas in all den Jahren der Geheimhaltung über sich gelernt hatte, dann war es, dass sie eine miserable Lügnerin war.
Als Conan jedoch immer noch nicht antwortete, hakte der Unbekannte mit einem herausfordernden Nicken und einer erhobenen Augenbraue nach. Dabei entwich ihm ein leises fragendes Geräusch. Als Nyra bemerkte, wie Conan bereits vorsichtig zu einer Antwort ansetzen wollte, tat sie das, was sie bereits oftmals probiert hatte. Obwohl ihr Körper sich dabei vollkommen anspannte, spuckte sie die Worte vor die Füße des Fremden.
„Ich bin seine verzogene nervige Begleitung!". Anders als sie es erwartet hatte, reagierte der Mann kaum auf ihre Provokation.
„Eine Sklavin also! Dann Ihr solltet sie besser im Zaum halten, werter Herr! Immerhin zeugt ihr Verhalten von Ihrer schlechten Erziehung!", bemerkte der Anführer der Gruppe. Conan schnaubte belustigt auf.
„Dieses Biest ist nicht zu zähmen! Glaubt mir, wenn ich sage, ich hätte alles versucht!".
Ein belustigtes Grinsen entstand auf dem Gesicht des Mannes.
„Fesselt sie. Beide!".
Der harsche Befehl überraschte die Beiden genug, sodass sie sich nicht wehrten, bis es zu spät war. Nebeneinander knieten sie nun, die Hände auf den Rücken verbunden und ihre überforderten Blicke verschränkt.
„Durchsucht ihre Sachen!", rief der Anführer gleich darauf und bestätigte zu Gleich Nyras Verdacht. Wütend auf sich selbst und ihre Unachtsamkeit stierte sie den Hünen an. Dieser wandte sich ihnen wieder zu und grinste hämisch vor sich hin.
Als das Mischwesen sich etwas bewegte, spürte sie jedoch etwas Scharfes an ihrem Bein entlang schleifen, Schnell erinnerte sie sich an den Dolch, welchen sie dort genau auf ihrem Schlafplatz hatte liegen lassen.
Um den Anschein von Erschöpfung zu mimen, sank sie etwas in sich zusammen und ließ ihr Haar vor ihr Gesicht gleiten. Es war gerade genug Bewegung, damit sie mit ihren Händen nach dem kleinen Messer greifen konnte. Geschickt versteckte sie ihn entlang ihres Arms und rappelte sich wieder auf.
In der Zwischenzeit sprach der Fremde auf Conan ein, welcher mit wütendem Blick beobachtete, wie ihre Eigentümer durchwühlt wurden.
„Wisst Ihr, Fremder? Falls ich mich dazu entscheiden sollte, Euch nach diesem Überfall noch am Leben zu lassen, solltet Ihr euch für die Zukunft merken, dass man Fremden nicht so einfach vertraut!". Sein hämisches Grinsen wandelte sich in schallendes Gelächter, wobei er sich sogar den Bauch halten muss.
Der Elf wollte bereits wütend auf fauchen, als er zu seiner Überraschung bemerkte, wie Nyra direkt vor die Füße des Hünen spuckte. Dieser richtete sich zu seiner vollen Größe auf und starrte sie finster an.
Conan selbst war verwirrt, warum diese Tat derartig viel für den Räuber bedeutete. Umso schockierte war er, als dieser ausholte und Nyra mit solcher Wucht auf die Wange schlug, dass ihr ganzer Körper in seine Richtung geschubst wurde. Schnell hatte er sich gefasst und fing Nyras Körper mit seiner linken Schulter auf.
Zu seiner Überraschung berührte jedoch etwas kaltes Scharfes seine Hand.
Beinahe lautlos hauchte Nyra ihm dabei, wieder in ihrer Muttersprache, eine Aufforderung zu.
Schnell nahm er das Messer zur Hand, bevor seine Begleitung wieder von ihm fortgerissen wurde.
Gleichzeitig fauchte der Fremde ihn mit lautem Gebrüll an.
„Zügle deine Sklavin, Fremder! Oder wir werden Probleme bekommen!".
Bevor Conan jedoch eine schnippische Antwort darauf geben konnte, machte Nyra dort weiter wo sie begonnen hatte. Schnell verstand der Elf dabei, dass sie die Aufmerksamkeit des Diebs auf sich zog, um ihm Zeit zu verschaffen.
Doch viel musste der Drache nicht tun, damit der Anführer sie fokussierte.
„Falls ihr Beiden nichts Brauchbares dabeihabt, werden wir sicher gut mit dir verdienen! Aber dafür müssen wir dir noch ein paar Manieren beibringen. Wie gerne ich das doch machen werde! Solange bis du darum bettelst, auf dem Sklavenmarkt verkauft zu werden!". Sein breites Grinsen war von ungesunden gelben Zähnen geschmückt.
Bevor Nyra jedoch eine zornige Antwort liefern konnte, wurden sie vom Gesindel des Anführers unterbrochen.
„Wir haben nur Proviant und Kleidung gefunden. Sie haben keine Waffen dabei, außer...". Der blasse Untertan stockte, während andere zum Beweis die sonderbaren Klingen brachten. „Nur zwei Schwerter und einige weitere Dolche!"
„Aus welchem Material ist das Schwarze?!", wollte der Anführer direkt misstrauisch wissen. Der schmächtigere Diener äußerte sein Unwissen. Schnell wandte sich der Fremdling dem offensichtlichen Besitzer zu. Verkrampf hielt dieser in seinem Werk inne.
„Es ist meines!", rief Nyra wütend. Wie ein schwarzes Loch sog sie die Aufmerksamkeit auf sich.
„Also nimm deine Hände davon weg!", fügte sie noch an, damit sie sich auch vollkommen sicher sein konnte, dass sich alle ihr zuwandten.
Mit zwei großen Schritten war der Mann bei ihrer schmächtigen Gestalt angelangt. Fest schnappte er direkt unter ihrem Kiefer nach dem Hals und zog sie ein wenig zu sich hoch, bis sie keuchend und würgend von der Kraft in seinen Pranken vor ihm schwebte; zwischen einem festen Stand oder einer knienden Position.
„Schweig du nerviges Gör! Ein Nichts wie du, besitzt Nichts!", spuckte er ihr ins langsam blasser werdende Gesicht.
Doch in diesem Moment hörte sie das Reißen von Conans Seilen.
Mit einem leisen keuchenden Lachen, stemmte sie mit wilder Entschlossenheit ihren Fuß in die Erde. Es fiel ihr erstaunlich leicht, da der Fremde sie soweit angehoben hatte.
Mit einem breiten Grinsen und Hass in den Augen, holte sie weit mit dem anderen aus und trat mit voller Wucht zwischen seine Beine.
In den Augen des Hünen trat ein Ausdruck des Schocks, während er wie gelähmt jegliche Kontrolle verlor und in sich zusammensackte. Nach Luft schnappend taumelte der Drache einen Schritt zurück, blieb jedoch standhaft. Mit einer schwungvollen Drehung und einem gezielten Tritt gegen die Schläfe räumte sie den einst bedrohlichen Hünen aus dem Weg.
Diesen Augenblick des Schocks unter den Untertanen nutzte Conan aus, um sich sein Schwert zu greifen und direkt einige weitere Männer in einen tiefen Schlaf zu versetzen. Mit eleganten aber präzisen Bewegungen huschte er über die Lichtung und hinterließ eine Spur fallender Körper.
Auch als die Truppe erkannte, dass sie kämpfen sollten, half ihnen dies nicht mehr viel.
Conan war in seinem Element angekommen und tat, wofür er sein Leben lang trainiert hatte. Auch als die Schusswaffen mit lautem Knallen zum Einsatz kamen, wich er den Kugeln durch übermenschlich schnelle Schritte aus und brachte ihre Besitzer ebenso schnell zum Schweigen. In dieser Zeit achtete das Mischwesen geflissentlich darauf, dass niemand die Lichtung verließ. Wer es versuchte wurde schnell mittels eines kräftigen Tritts gestoppt.
Als jedoch ein Mann mit Gewehr auf sie zu trat, hielt sie wehrlos und mit flachem Atem inne. Ihr Schweiß hatte sich mit dem Dreck auf ihrer Haut vermischt und ließ sie in einem erdigen Ton schimmern.
Mit einem breiten siegessicheren Grinsen, richtete er den Lauf auf ihre Brust. Mit zuckenden Augen starrte sie den kalten, aber vor allem ängstlichen Augen des Mannes entgegen. Durch die gefesselten Arme war sie trotz ihrer Gene nicht schnell und beweglich genug, um der Kugel auszuweichen. Bevor sie weiter darüber nachdenken konnte, zogen sich die dunklen Schuppen von ihrem Brustkorb ausgehend über ihren Körper. Ihr Gegenüber schien diese Veränderung zu bemerken denn entsetzt zuckte sein Finger zu dem Abzug.
Als ein dumpfer Schlag ertönte, zuckte sie zwar zusammen, öffnete jedoch sofort verwirrt die Augen.
Sie sah grade noch wie der schlaffe Körper ihres Gegenübers zur Seite sackte und hinter ihm mit tiefen Atemzügen ihr Begleiter aufragte.
Der zornige Ausdruck in seinen Augen und die Stille auf der Lichtung sagte genug über die folgenden Minuten aus.
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