25. Kapitel - ... und dem Drachen reicht es
Ich unterbrach ihn. Etwas was ich zuvor erst ein oder zweimal getan hatte.
Und trotzdem war es diesmal anders. Ich spürte und hörte wie meine Stimme beim Sprechen bebte.
Mit seinen letzten Worten hatte er das Fass zum Überlaufen gebracht.
Der Gedanke, dass ich eine Enttäuschung für meine Mutter sein könnte, zerrte an mir seit ich mich das erste Mal in einen Drachen verwandelte und realisierte, dass ich ein Mischling von zwei untereinander zum Tode verhasster Arten war.
Der Fakt, dass sie es nun wusste, genauso wie Lya und alle anderen Elfen, zerriss mein Herz. Der Schmerz wurde nicht verbessert, da ich sie womöglich nie wieder sehen würde.
„Halt den Mund, Conan!", murrte ich warnend. Meine Gefühle brauchten ein Ventil. Und entweder war dieses, dass ich auf der Lichtung als riesige Feuerspeiende Echse in einem blauen Flammenmeer aufgehen würde und dabei den Wald gefährden könnte; oder ich geigte dem Elfenjungen ausnahmsweise mal meine Meinung.
Auch wenn es mir missfiel, stand ein möglicher Waldbrand nicht in Frage.
„Was?", fragte er überrascht. Er war es nicht gewohnt in seinen Späßen aufgehalten zu werden, da er es ja meist entweder selbst tat, oder sich sicher sein konnte, niemanden zu verletzen.
„Hör einfach auf! Es reicht!", rief ich, während ich auf den Boden starrte, um meinen emotionsgeladenen Blick vor ihm zu verstecken.
Sein überraschtes Schweigen, forderte mich dazu auf weiterzusprechen, obwohl er vermutlich auch so gestoppt hätte.
„Du hast keine Ahnung, warum ich nicht zum Unterricht gekommen bin! Ich hatte doch keine Wahl!". Die Frustration ließ mich aufspringen, sodass ich mich mit meinem gesunden Arm am nächsten Baum abstützen musste, da mir kurz schwindelig wurde.
„Ich wäre verdammt nochmal so unglaublich gerne zu den Stunden gekommen! Aber während du das Geschenk genießen konntest, jeden Tag zum Unterricht zu gehen, einer der besten Schwertkämpfer in der Elfenstadt zu werden und deine Zeit mit so vielen Elfen zu verbringen, wie es irgendwie möglich war...". Ich unterbrach mich kurz um durchzuatmen, damit meine Stimme nicht noch mehr meiner Emotionen verriet.
„Währenddessen stand mein ganzes Leben auf der selben wackeligen Stütze, die immer drohte weg zu brechen. Darum musste ich ja meine ganze Zeit darein investieren, dass sie das eben nicht tut!"
Ich beruhigte mich erneut. Nach dem ich so oft und viel meditierte, gelang mir das auch ziemlich schnell. Ich wusste, dass mein Blick nun keine Emotionen mehr zeigte. Dennoch wollte ich mich weiter vor ihm rechtfertigen, um Conan zu zeigen, dass er zu weit gegangen war. Ich starrte ihm in die Augen. Seine Gesichtszüge waren von Überraschung und Reue geprägt und als ich ihn anblickte, rappelte er sich ebenfalls auf. Bevor er jedoch irgendetwas sagen konnte unterbrach ich ihn.
„Was ihr in der Ausbildung lerntet, ist Wissen, dass sich tausende von Elfen vor euch schon angeeignet haben. Wissen, dass seit Jahrtausenden zusammen getragen wird, welches ihr euch nur noch durchlesen und merken brauchtet. Vielleicht musstet ihr teilweise selbst etwas schreiben; eure eigenen Gedanken einbringen. Aber Grundsätzlich lag euch das meiste in der nächsten Bibliothek vor... ich hatte diesen Luxus nicht, Conan." Unruhig begann ich mit hinter dem Rücken verschränkten Armen vor ihm auf und abzulaufen.
„Ich bin eine im Ganzen unpraktische Vermischung, aus zwei Arten die sich gegenseitig bis auf den Tod nicht ausstehen können. Ein Fehler von mir, hätte eine Hinrichtung bedeuten können, da ich als Feind unter euch lebte. Meine Rechte die ich als Elfe hatte, wären verschwunden, da ich ebenso ein Drache bin. Wenn du die ganze Zeit gedacht hast, dass ich einfach nur nicht am Unterricht interessiert war, dann liegst du falsch". Ich hielt kurz inne und blickte ihm fest ins Gesicht, nur um gleich darauf wieder meine Bahnen zu laufen.
„Die Zeit die ich nicht im Unterricht saß, lag ich nicht nichts-tuend in meinem Zimmer. Während ihr euch durch Lesen neue Sachen angeeignet habt, musste ich alles, mein komplettes eigenes Wesen erforschen.
Ich bin ein Mischwesen, Conan. Ein Mischwesen, dass wahrscheinlich noch nie zuvor, in der ganzen Geschichte dieses Landes, aufgetreten ist. Mich sollte es im Bereich des Möglichen eigentlich nicht einmal geben! Und dennoch musste ich meine Zeit in vergangenen Jahren damit verbringen, nicht nur zu verstehen, was ich bin, sondern auch wie ich es unter Kontrolle halten soll, damit ich eben nicht am Ende getötet werde, weil ich mich ungewollt in einen Drachen verwandelt habe".
Ein Blick in seine Richtung offenbarte mir Schock und gleichzeitig Neugierde. Da ich nicht mehr den Drang hatte zulaufen, setzte ich mich wieder zu ihm, winkelte meine Beine an und legte meine Arme überkreuzt auf diese, nur um mein Kinn darauf abzustützen. Er tat es mir perplex etwas verspätet gleich, wobei er mich die ganze Zeit beobachtete. Mein Blick hingegen wanderte zum Feuer, während ich weiter erzählte.
„Das Ganze wäre auch nicht so schlimm geworden, wenn sich durch die Mischung der beiden Arten, nicht etwas vollkommen Neues entwickelt hätte.
Es gibt zwar viel in den Bibliotheken der Elfenstädte, aber Drachen sind dort meist kein beliebtes Thema. Es gab wenig über sie, was ich herausfinden konnte. Und vor allem nicht das was ich brauchte. Mir brachte es nichts zu erfahren, wie ich einen töten konnte, was für abartigen Kulturen sie folgen würden und wie der Streit zwischen Elfen und Drachen entstanden sei. Wohl bemerkt, dass das sowieso nur aus der Sicht der Elfen geschrieben wurde.
Was ich wissen musste, war in mehreren Büchern verteilt. Es waren immer nur kleine Randinformationen, die man beim schnellen lesen überflogen hätte.
Ähnliches galt für die Elfen. Was ich nicht über Drachen in Erfahrung bringen konnte, musste ich über die Elfen lernen.
Sachen die du in deinem Denken vielleicht als normal ansiehst, musste ich von neuem ergründen, mir erklären und die Elfen in ihrem Wesen verstehen.
Da es ziemlich viele Bücher darüber gab, kannst du dir vielleicht vorstellen, dass auch das an meiner Zeit gefressen hat.
Hinzu kommt, dass die Informationen nicht alle auf meinen Körper zutreffen.
Durch die Vermischung der Arten haben sich Eigenschaften von der Einen auf die Andere übertragen.
Wie du vielleicht bei meinen Wunden schon bemerkt hast, sind manche der Kräuter, die bei Elfen eine heilende Wirkung entfalten, giftig für mich, da sie giftig für einen Drachen wären. Das gleiche gilt anders herum. Und das ist in noch mehr Bereichen so.
All die Jahre, in denen ihr mir vorgeworfen habt, nicht am Unterricht interessiert zu sein, saß ich also an teils sehr riskanten Selbstexperimenten. Und ich hatte niemanden, der mich unterstützt hat, oder der mir als Meister gedient hat.
Das Zeit intensivste allerdings war, mir beibringen zu müssen, was ich als Drache kann".
Ich streckte meinen Arm etwas aus, meine Finger locker in die Richtung des Himmels gerichtet. Langsam begannen sich meine Finger zu Krallen zu wandeln, meine Haut wurde zu einem dicken ledrigen Schuppengebilde und meine Hand nahm immer mehr die Form einer Klaue an. Als sich die schwarzen Muster bis zu meinem Ellenbogen vorgekämpft hatten, stoppte ich die Verwandlung. Stattdessen ließ ich die mir so bekannten blauen Flammen auf meiner nun geschützten Haut tanzen. Ich hatte mich spontan dazu entschlossen, es ihm doch zu zeigen. Ob ich es später bereuen würde, wusste ich noch nicht, doch in diesem Augenblick fühlte es sich richtig an. Conans Blick wechselte dabei stetig zwischen Ekel und Verwunderung hin und her.
Für einige kurze Augenblicke spielte ich etwas mit meinen Fingern, nein Klauen, bevor ich das Feuer löschte und die Schuppen wieder verschwinden ließ, bis nur noch meine Hand da war, die ich dann wieder auf meinen Knien ablegte.
Ich ignorierte Conans Reaktion und blickte stattdessen wieder zu den tanzenden Flammen von unserem Lagerfeuer.
„Es hat Jahre gedauert, bis ich überhaupt wusste, dass ich sowas kann. Dann hat es wieder Jahre gebraucht, bis ich es so sehr unter Kontrolle hatte, dass ich nicht Gefahr lief, mich selbst oder den Wald erneut in Brand zu stecken.
Das gleiche gilt für das Fliegen. Es hat dauert bis ich mich sicher in der Luft halten konnte. Ganz zu schweigen von irgendwelchen Flugmanövern.
Ich meine, kein Elf hat ein Buch darüber geschrieben, wie man mit Flügeln fliegen kann. Wen überrascht es". Ich schnaubte ironisch auf und starrte nun wieder still ins Feuer.
Ich hatte zu Ende erzählt, was ich ihm sagen wollte. Er konnte nun selbst darüber nachdenken.
Das tat er scheinbar auch. Denn nach einer kurzen Stille, erhob er das erste Mal seit ein paar Minuten das Wort.
„Du meintest, dass du Angst haben müsstest den Wald erneut in Brand zu stecken. Wann hast du ihn den schonmal verbrannt?". Es schwang Neugierde in seiner Stimme mit.
Ich verspannte mich bei dieser Frage. Meine Kiefer malmten aufeinander, so fest biss ich zu, um die mitunter schlimmsten Erinnerungen meines Leben zu unterdrücken.
Ich atmete tief durch um mich zu beruhigen.
„Die Lichtung, auf der deine Familie um ihr Leben kämpfen musste, weil sie dort ungeschützt der Armee ausgesetzt war... Du erinnerst dich vielleicht an den Waldbrand der sie verursacht hat. Niemand konnte sich erklären, wie das hatte geschehen können."
Ich stand ruckartig auf und lief zum Rand der Lichtung.
„Sagen wir so...", rief ich ihm entgegen. „Ich habe jene Selbstkontrolle verloren, auf die ich so versessen war sie bei zu behalten. Vielleicht erkennst du jetzt warum mir das so wichtig ist. Warum ich lieber alles Mögliche über mich versucht habe herauszufinden, anstatt dem Unterricht zu folgen...". Mein Blick schien ihm deutlich genug zu machen, wie sehr ich das bereute. Bevor er etwas dazu sagen konnte, murmelte ich noch, dass ich kurz eine Runde laufen würde und verschwand im Wald. Ich brauchte kurz Zeit für mich.
...
Als ich wieder zurückkehrte, saß er immer noch auf demselben Fleck und starrte in die Leere, schaute aber auf, sobald ich die Lichtung betrat.
Auf dem Weg hatte ich noch ein paar Beeren gesammelt, die ich nun eigentlich ein wenig kochen wollte, um sicher zu gehen, dass wir von ihnen nicht krank wurden.
Conan, der mich sonst immer in irgendeiner Form amüsiert begrüßt hatte, blieb ausnahmsweise still.
Als ich die Beeren grade in das Wasser getan hatte, meldete er sich doch zu Wort.
„Es tut mir leid, dass ich so dumme Witze über dein Fehlen im Unterricht gemacht habe. Ich wusste nicht, dass du in der Zeit unter so vielen Problemen gelitten hast. Es war dumm und unüberlegt dir so etwas vorzuwerfen und das, obwohl ich es hätte besser wissen können. Es ist offensichtlich, dass du es in einer Kultur wie unserer nicht leicht gehabt haben konntest, wenn du zur Hälfte unser meist verhasster Fein warst... es tut mir wirklich leid". Seine Worte waren leise und klangen bedrückt, wodurch ich merkte, dass er wirklich von sich selbst enttäuscht war mich so verletzt zu haben.
Ich beobachtete noch kurz die Beeren die im Wasser schwammen bevor ich mich mit einem lauten Seufzen umdrehte.
Er hatte mich erneut beobachtet, als stünde ich, seit der Erklärung eines meiner Probleme, für ihn in neuem Licht dar. Meine folgenden Worte selbst nicht fassend, da ich nie geglaubt hätte, jemals so ehrlich zu ihm zu sein, sprach ich aus was ich zuvor schon einmal erkannt hatte.
„Weißt du... manchmal habe ich das Gefühl, du hättest einen sechsten Sinn, wenn du mit anderen redest. Dir scheint immer klar zu werden, wann du mit deinen Späßen, die du so gerne über andere Leute machst, zu weit gehst und ob die Person diese Späße noch lustig findet. Ist dem nicht der Fall, hörst du auf sie zu ärgern".
Als ich zwischendurch aufblickte, sah ich einen verblüfften Conan vor mir sitzen.
„Nur habe ich das Gefühl, dieser sechste Sinn fällt bei dir aus, sobald du mit mir sprichst. Du merkst nicht wann du mich verletzt. Das hast du noch nie." Ich wandte mich wieder den Beeren zu, als mir auffiel, dass ich ihm damit grade nur noch ein schlechteres Gewissen gemacht hatte. Also drehte ich mich nochmal kurz um.
„Ich wollte dich damit wirklich nicht noch schlechter fühlen lassen. Was geschehen ist, ist geschehen. Ich nehme es dir nicht einmal übel. Ich weiß nicht einmal warum ich dir das erzählt habe, es macht nicht mal wirklich...".
Erst nachdem er mich unterbrach, fiel mir auf was ich für wirres Zeug geredet hatte.
Doch scheinbar hatte er mich verstanden, denn er unterbrach mich mit dem Satz:
„Ich habe verstanden, was du mir damit sagen wolltest, danke Nyra".
Verunsichert nickte ich nur kurz und tat dann die gekochten Beeren in unsere jeweiligen Schüsseln, um ihm seine zu geben. Er bedankte sich leise und schweigend aßen wir unseren Nachtisch.
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