14. Kapitel - Lass es einfach.
Ich war erst vor wenigen Minuten am Grunde der Schlucht gelandet und hatte mich sofort hinter einem Felsen versteckt. Ausgelaugt hatte ich mich zurück verwandelt, um mich nicht wie ein gejagtes Beutetiere hinter dem Stein verstecken zu müssen, sondern um zumindest ansatzweise gemütlich etwas Kraft zu sammeln. Ich hatte mein rechtes Bein zu mir gezogen und das linke einfach nur ausgestreckt, zu viel Angst hatte ich nachzuschauen, wie schlimm meine Wunde ist. Meine Stirn hatte ich auf dem angewinkelten Knie abgelegt und konnte mir nur vorstellen wie bequem es wäre, wenn ich meinen Rücken an den Fels hinter mir lehnen könnte. Allerdings hatten meine Schultern zu sehr gebrannt, als ich es zu Beginn probiert hatte.
Nun da ich langsam wieder etwas mehr zur Ruhe kam, fingen meine Gedanken an sich zu überschlagen. Mit weit aufgerissenen Augen starrte ich auf den durch die Nähe unscharfen Stoff und blinzelte verzweifelt meine Tränen hinunter. Mit tiefen Atemzügen versuchte ich nicht nur die körperlichen Schmerzen wegzuätzen, sondern auch mein seelisches Pein, welches sich erst jetzt langsam aufzubauen wagte. Ich konnte nicht einmal einen klaren Gedanken fassen, ich wusste nur, dass ich am Ende war.
Ein lauter Schrei riss mich aus der Sintflut an Gedanken, bevor ich die erste Träne vergießen konnte.
Perplex drehte sich die Drachendame zu der Geräuschquelle und erblickte zu ihrem Entsetzen, wie ein einzelner Elf wirbelnd die Schlucht hinab stürzte. Ermüdet durch die Anstrengungen des Tages, sprang sie auf und ließ die Schwärze über ihre Haut fließen. Zum Glück des Elfen war die Schlucht tief genug, damit er nicht direkt auf dem Boden aufprallte und Nyra sich noch rechtzeitig abstoßen konnte und ihn durch wenige kräftige Flügelschläge Nähe am Grund der Schlucht erreichen konnte.
Schützend krallte sie ihre Vorderpfoten um seinen Körper. Sein Eigengeruch kam ihr bekannt vor, doch bevor sie sich weiter darum kümmern konnte, legte sich ihr Fokus wieder auf ihre Flugkünste. In hoher Geschwindigkeit schoss sie auf die hohen steinharten Wände zu, an welcher der Elf entlang gefallen war. Ruckartig zog sie einen ihrer Flügel an, sodass sie eine Kehrtwende machte. Dennoch befanden sie sich zu nahe an den Mauern. Eine ihrer Krallen von dem Fallenden nehmend drückte sie sich mit der Vorder- und Hinterpfote ihrer linken Seite kräftig von dem Fels ab und übte so eine noch stärkere Kurve aus. Schnell und ohne Umwege ließ sie sich zu Boden gleiten. Dort ließ sie zuerst einen ziemlich verkrampften und zusammengekauerten Elf auf dem Boden gleiten bevor sie sich selbst fallen ließ.
Funken sprühten beinahe schon aus ihrem zornigen Blick, als sie den Elf identifizierte. Die Flügel angelegt und den Rücken zu einem Buckel durchgedrückt starrte sie ihn mit misstrauischem Ausdruck an. Gleichzeitig versucht sie ihre Wunden zu schonen und entlastete langsam ihr linkes Bein. Es dauerte einige Sekunden bis er sich regte. Als er es letzten Endes tat, entwich ihr ein höhnisches Schnauben. Anscheinend hatte er sich erschrocken. Durch das leise Geräusch, welches Nyra ausgestoßen hatte zuckte er erneut zusammen und genervt drängte das Elfenmädchen die Schuppen zurück, bis sie mit verschränkten Armen vor dem Elf stand, den sie absolut nicht leiden konnte.
„Steh auf!", fauchte sie laut, was ihn dazu bewegte sich aufzurappeln. Ungeduldig taktierte Nyra ihn dabei mit funkelnden Blicken. Unsicher richtete sich der Elf auf und blickte mehrfach blinzelnd und mit gehobenen Augenbrauen zu ihr und ließ seinen Blick dann zu der Kante der Schlucht wandern, welche hoch über ihnen lag.
Sie konnten einander lediglich deutlich sehen, da sie Sonne noch hoch am Himmel stand und ihr Licht vollkommen in den Erdspalt ragte.
Zögerlich strich er sich sein teils in dünne Strähnen geflochtenes Haar aus dem Gesicht. Ungeduldig schnaubte Nyra laut auf und wollte bedrohlich einen Schritt auf ihn zu gehen, als ihr bis dahin wieder unbelastetes Bein erneut zu brennen begann, als sie es für den Schritt belastete. Sie schluckte den Schmerz hinunter und blieb doch auf einem Bein stehen.
„Was willst du?!", fauchte sie stattdessen in seine Richtung, blickte aber ebenso wie er auf, als sie die Schritte der Elfenkrieger durch den Fels hallen hörte. Höhnisch lachte sie auf, bevor er überhaupt antworten konnte.
„Super Idee, Conan, wirklich! Brauchtest du diesen Ruhm auch noch? Dass du der jenige bist, der die Bestie gefunden hat und die Elfenkrieger dadurch anlockt?!"
Zittrig atmete sie ein und aus und versuchte vergeblich die Tränen zu verdrängen, die nun ihre Sicht unscharf werden ließen. Es reichte ihr langsam. Sie wollte einfach nur noch weg, wünschte sich nichts sehnlicher als Ruhe, damit sie endlich verarbeiten konnte, was in den letzten Stunden geschehen war. Doch immer wieder kam etwas Neues hinzu, als hätte das Schicksal darauf gezielt, sie vollkommen zu zerstören. Frustriert wollte sie aufschreien, wurde jedoch durch die mittlerweile viel zu nahen Schritte aus ihren Gedanken gezogen.
„He!", beklagte sich Conan in diesem Augenblick über ihre Worte und hob seine Arme als sei er unschuldig. Nyra taxierte ihn erneut mit ihrem verschleierten Blick.
„Ich verspreche dir, ich wollte dir wirklich nur helfen! Ich meine es ernst! Du brauchst Hilfe, wenn du hier lebend raus kommen...".
Der Elf verstummte und blickte unzufrieden zum Klippenrand. Nyras Blick folgte dem seinen, nicht ohne das Fokussieren ihrer anderen Sinne auf Conan, damit dieser sie nicht überraschen könnte.
Unter dem Elfen, die dort oben standen erkannte sie Lya die erbost, verzweifelt und ungewöhnlich laut auf die Soldaten einsprach, während sie mit wilden Gesten ihre eindringlichen Worte unterstrich.
„Nyra!", rief Conan leise, im Versuch ihre Aufmerksamkeit wiederzuerlangen. „Wir müssen uns verstecken! Du bist gerade offen im Feld!".
Mit angespannten Kiefer wandte sie sich dem Elf blitzartig zu und konnte nicht verhindern, dass sich die Schuppen auf ihrer Haut verbreiteten und sie sie immer wieder von neuem zurück drängen musste. Heiße Wut brodelte in ihr auf und leise tigerte sie um den Elf herum. Unterbewusst schob sie sich dabei aus dem Schusswinkel der Elfen, da nun Conan als Schutzschild zwischen ihnen stand.
„Der einzige Grund, warum ich gerade von ihnen gesehen werde, ist weil du... argh", sie schrie leise frustriert auf, bevor sie weiter sprechen konnte. Ihr Körper war ein weiteres Mal zu zerreißen angespannt. „Weil du idiotischer Elf wie der letzte Trottel die Schlucht hinunter gefallen bist! Also was stehst du hier noch herum?! Verschwinde endlich! Du hast es geschafft! Du hast das Heer zu mir geführt! Nun kannst du gehen, immerhin stehst du gerade neben der ach so gefährlichen BESTIE!".
Ihr von Wut versehener Schrei hallte schrill bis zu den Elfenkriegern hinauf. Und während Nyra funkelnd Conan in den Boden schimpfte, löste sich ein einzelner Pfeil aus den Reihen.
Orima öffnete vorsichtig die Tür zu ihrem Haus und erblickte zwei kleinere Kinder, welche einander ähnlich sahen. Es brauchte nicht lange, bis sie die beiden als die Zwilling von Arcane erkannte. Es bereits einen Angelegenheit zu einem Fest, wenn ein Kind im Elfenwald geboren wurde. Die Geburt von gesunden Zwillingen war eine solche Seltenheit gewesen, dass die beiden in Foralys bereits berühmt waren, bevor sie überhaupt laufen konnten.
Ein wenig irritiert trat Orima einen Schritt beiseite um Arcane die Sicht auf ihre Schützlinge freizugeben, die gemeinsam eine große Tasche trugen, die ähnlich vollgepackt war, wie Nyras.
„Was ist dort drinnen?", wollte sie von der Mutter der beiden Elflinge wissen. Während diese ihr den restlichen Plan erklärte wurde sie immer überraschter und misstrauischer.
„Warum solltet ihr das tun?".
Arcane lächelte müde und kniete sich zu ihren Kindern. Liebevoll streichelte sie den beiden durch das seidige weiche Haar, welches in der gleichen dunkelblonden Farbe schimmerte wie das ihres Vaters. Sanft küsste sie die Scheitel der beiden und zog sie in eine starke Umarmung, die die beiden nach dem Ereignissen ihres Tages dringend benötigten. Nur langsam fielen Orima die kleinen Wunden am Körper der Elfe auf. Irritiert schaute sie in die blau glänzenden Augen der Mutter, welche müde und traurig zu ihr aufschaute.
„Ich möchte nicht wissen, was passiert wäre, wenn sie nicht da gewesen wäre", flüsterte sie mit zittriger Stimme.
Besorgt blickte Nyras Mutter zu den kleinen Kindern, die sich eng an Arcanes Körper schmiegten. Verunsichert hakte sie nach, was passiert war. Leise begann ihr Gegenüber zu erzählen was geschehen war.
„Nyra! Pass auf!!".
Ich wollte gerade meine Wut weiter an Conan auslassen, als Lyas Schrei die Luft in der Schlucht zerriss. Abgelenkt blitzte mein Blick zu ihr, entdeckte auf dem Weg die Pfeilspitze, die rasend schnell auf mich zu schoss, nur um Lys vor Schreck geweiteten Augen für wenige Sekunden zu sehen. Eine Bewegung aus meinem Augenwinkel ließ ließ mich erschrocken zurück zu Conan schauen, der in diesem Moment ebenso nach oben schaute.
Verdammt, verdammt, verdammt!
Fluchend realisierte ich, dass er zwischen der Pfeilspitze und ihrem eigentlichen Ziel stand. Ich spürte das Kribbeln durch meinen Körper fließen, als die Magie die Geschwindigkeit des Pfeils drosselte, da ich meine Bewegungen einen unmenschliche Geschwindigkeit annahmen. Grob packte ich seinen Arm, riss ihn zu mir, bevor ich ihn in die entgegengesetzte Richtung fortstieß. Das Geschoss nicht mehr beachtend ließ ich so schnell wie möglich die Schuppen über meine Haut gleiten, sobald ich Conan losgelassen hatte und mir so sicher sein konnte, dass ich ihn nicht aus Versehen verletzen würde.
Ich kauerte mich bereits zusammen, als ich noch nicht gänzlich verwandelt war und löste mein Feuer dort aus, wo ich bereits die schützende Dicke der Platten meiner Schuppen spürte.
...
Das dunkle Kleid erstreckte sich schnell über ihren Körper, verbreitete sich von ihrem linken Bein über ihre Hüfte und verbreitete sich dort in zwei Richtungen. Der dunkle Vorhang zog sich über ihr anderes Bein und zugleich über ihren Bauch und über ihre Schultern. Als er dort ankamen, brachen die mächtigen Schwingen ein weiteres Mal aus ihrem Skelett hervor. Das im Kontrast blau leuchtende Feuer, folgte dicht auf die Verwandlung, teils so knapp, dass sie befürchtete, ihre eigene Haut zu verbrennen.
Doch die Dunkelheit war nicht schnell genug. Nyra, welche durch das Wegstoßen des Elfs seitlich zu den Truppen stand, die sie einst hatten beschützen sollen, spürte wie höllischer Schmerz ihre rechte Schulter durchdrang, Millisekunden bevor die schützende Schichten ihre verwundbares Fleisch abschirmte und die heißen Flammen den Pfeil verbrennen konnten. Trotz des Leids, zog sie ihre Flügel um ihren Körper, um eine weitere schützende Schicht zwischen sich und einem möglichen Pfeilehagel entgegenzusetzen. Zusammengerollt lag sie dort, wie ein brennender Stein und hielt still.
Doch der Hagel kam nicht. Abgesehen von den knisternden Flammen ihres Körpers blieb es ruhig.
...
„Nyra?". Conans Stimme drang gedämpft durch meine selbst gebaute Schutzhülle. Seine Worte klangen zaghaft. Immer noch zusammengekauert und von den blauen Flammen gewärmt, wartete ich auf seine nächsten Sätze.
Scheinbar verunsichert von meiner nicht vorhandenen Reaktion, fuhr er kleinlaut fort. „Lya hat die Elfen dazu bewegt, nicht zu schießen. Du kannst denke ich, wieder aufstehen...?". Misstrauisch hob ich langsam einen meiner Flügel an und lugte darunter hervor. Gebannt blickten sie von oben auf mich herab. Doch ihre Waffen waren gesenkt. Immer noch vorsichtig wandte ich meinen Blick zu Conan, der durch meinen Stoß immer noch auf dem Boden saß, doch unversehrt war. Langsam zog ich meine Schwingen zurück, mich immer nach paranoid umblickend. Als ich mich langsam wieder etwas aufrichten wollte, ließ ich mich mit der Belastung meines rechten Vorderbeins wieder zurück sinken.
Überrascht blickte ich zu der offenen Wunde an meiner Schulter, die tiefer und größer war, als ich sie sonst gewöhnt war. Ich leckte kurz vorsichtshalber drüber und wunderte mich, wie genau diese Wunde zu Stande gekommen war. Sie musste von dem Pfeil gekommen sein, doch die kleinen Rußpartikel zu meinen Füßen deuteten darauf hin, dass dieser verbrannt sein musste.
Der mir bereits sehr bekannte Geschmack nach Blut riss mich wieder in die Realität. Mit zusammen gebissenen Zähnen humpelte ich aus der Reichweite von der Elfenarmee, ohne mich ein weiteres Mal um zusehen. Der Drang alleine sein zu wollen, vergrößerte sich mit jeder Sekunde immer mehr und daher entwich mir ein Knurren, als Conan mit besorgtem Gesichtsausdruck auf mich zu schreiten wollte.
„Lass es einfach", raunte ich erschöpft und schleppte mich am Rand der Schlucht weiter. Leise Schritte ließen mich jedoch schnell wieder innehaltend zu dem Elfen umdrehen der mir gefolgt war.
„Ich sagte lass es. Verschwinde einfach wieder. Ihr habt mir schon genug angetan, obwohl ich euch nur helfen wollte. Und egal wie müde ich bin, bevor du auch nur ‚Angriff' sagen kannst, hat mein Feuer dich zu einem kleinen Aschehaufen verbrannt. Als lass mich einfach in Ruhe, bevor ich mir den Wahrheitsgehalt dieser Drohung nocheinmal überlege".
Ich hatte nicht vor ihn zu töten oder gar zu verletzen, doch meine Geduld neigte sich dem Ende zu. Mein Körper war müde, erschöpft und ausgelaugt, nicht zu vergessen, dass mich die Schmerzen bald umbrachten. Ich hoffte einfach, dass meine Worte ihn etwas abgeschreckt hatten und wanderte meinen Weg entlang . Zu müde um meine Flügel auszubreiten, humpelte ich weiter die Schlucht hinunter. Es dauerte einige Minuten, da fielen mir kleine dunkle Löcher in den steinernen Wänden auf. Als ich in die erste hinein sah fiel mir auf, dass es sich um sich um kleine Höhle handelte. Einige Meter weiter erblickte ich eine besonders große, die auch etwas höher lag als die anderen. Mit zwei kräftigen Flügelschlägen konnte ich auf den schmalen Felssims landen, dessen bräunliches Gestein ich auch in Elfenform hätte hinaufklettern können.
Somit war die Höhle womöglich nicht das Sicherste, was ich mir hätte suchen können, doch jeder Muskel in mir schrie nach einer Pause und mit einem Blick ins Innere, bestätigte sich meine anfängliche Vermutung über die Größe der Höhle. Ich würde ohne Probleme dort hinein passen, selbst in meiner Drachenform. Müde kugelten ich mich zusammen und bevor ich überhaupt noch einen weiteren Gedanken an meine derzeitige Situation oder die Schmerzen verschwenden konnte, versank ich in der friedlich Dunkelheit des Schlafs.
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