61. Abrechnung

Der Wieselsatyr zitterte, als Dain ihn immer weiter auf das dunkle Loch zu schob. »Ist es nicht schade, dass sich deine Passage verspätet hat? Beinahe hättest du es geschafft.«

»Ihr versteht da etwas falsch. Ganz falsch. Ich war doch nur der Bote!«

Dain drängte ihn weiter zurück. »Sehe ich aus, als ob du mir Dung erzählen könntest?«

»Nein! Nein, nein. Bitte!« Das Wieselherz kniff seine Augen zusammen, atmete fiepend ein und umklammerte Dains Hand. »Ich wollte das so nicht!«

»Du wolltest mich nicht betrügen? Oder du wolltest nicht, dass ein junger Satyr zu schaden kommt?« Dain beugte sich vor und entblößte seine spitzen Zähne. »Oder wolltest du nur nicht erwischt werden?«

Der Wiesel wimmerte.

»Ich bin wirklich sehr geduldig, aber du treibst mich an meine Grenzen.«

Hinter ihm kicherte jemand. »Ich glaube nicht, dass dich irgendjemand in ganz Area wirklich geduldig nennen würde.«

EIn warmer Geruch hüllte ihn ein. Vanille und Veilchen. »Nymphchen. Du hast uns gefunden.«

»Hilfe«, keuchte das Wiesel, aber Dain packte ihn am Genick.

»Was mich zu der Frage bringt - wie hast du uns gefunden?«

Sumse trat hinter ihn und legte ihre Hand auf seine Schulter. »Alipe hat mir einen Tipp gegeben.«

»Wie schön«, log Dain. Wahrscheinlich sollte er mit seiner Mutter ein Gespräch über Sicherheiten im Unterschlupf führen. Es gehörte sich einfach nicht, den Standort seiner kleine Folterkammer an Nicht-Rebellen weiterzugeben. Eigentlich sollte ihn auch sonst niemand kennen. Schon gar nicht seine Mutter. »Aber würdest du mich bitte entschuldigen? Das kleine Wiesel hier und ich möchten noch etwas besprechen.«

Die Kristalladern schimmerten im Licht der Fackel, die Dain mitgebracht hatte. Hauptsächlich, damit sein früherer Auftraggeber sich in Ruhe umsehen konnte. Der schmale Gang öffnete sich zu einem dunklen Loch. Alles glänzte und glitzerte. Ein schöne, wenn auch tödlicher Ort. Wer das Gleichgewicht verlor und in die Tiefe stürzte, würde den Aufprall nicht überleben. Zumindest, wenn man keine Flügel besaß.

»Nun, ich möchte nicht aufdringlich sein, aber ich hätte auch ein paar Fragen.« Sumse hatte sich nicht bewegt.

»So, hast du die?«

»Ja.«

»Und was willst du mir damit sagen?« Sein linker Flügellappen zuckte. Die Waldnymphe zerrte an seinen Nerven.

Ein Hauch berührte sein Ohr. Sumse war ihm so nahe, dass er die Wärme spüren konnte, die ihr Körper absonderte. »Wir wollen ihn lebend«, flüsterte sie.

Zischend stieß Dain die Luft aus seinen Lungen. »So, wollt ihr das?«

»Wir würden uns aber bereit erklären, dir den Vortritt zu lassen.«

Ihre Dreistigkeit war beeindruckend, selbst für Dains Verhältnisse. Mit Schwung zog er den Wiesel zurück vom Abgrund, drückte ihn in eine Nische und drehte sich endlich um. »Asche und Staub, du hast Nerven. Du kommst hierher, in mein Zuhause und hast die Glut, mir meinen Gefangenen abspenstig machen zu wollen?«

Langsam schob sich das Wieselherz an der Wand entlang. Dain trat ihm gegen das Kniegelenk und mit einem Aufschrei rutschte er auf den Boden.

»Nun gut. Unter Freunden. Du sollst ihn kriegen.« Erneut zog er den Satyr hoch, diesmal drückte er ihn aber neben sich an die Wand. »Wenn ich mit ihm fertig bin.«

»Einverstanden.«

Die Zeit der Spielchen war vorbei. Dain entzündete seinen inneren Funken und richtete die Feensprech auf das zitternde Wiesel. »Wiederhole: Ich werde fragen und du wirst antworten. Verschweige nichts.«

Die Augen des Speichelleckers verdrehten sich, bis nur noch das Weiße zu erkennen war. Dain gab sich keine Mühe, vorsichtig zu sein. Der Satyr tat, was ihm befohlen wurde. Die Wärme floß aus ihm heraus, aber Dain ließ nicht locker. »Was war dein Ziel?«

»Ich wollte die Häuser destabilisieren.«

»Warum?«, zischte Dain.

»Wenn sich die Häuser selbst zerfleischt hätten, wäre ein Machtvakuum entstanden, in das auch ein Satyr gepasst hätte. Vor allem, wenn er die Steingarde kontrolliert.«

»Also wolltest du Macht? Mehr nicht?«

»Ja«, bestätigte der Satyr.

Sumse stupste ihn in die Seite. »Frag ihn, wie er das bezahlen konnte.«

Das Feuer fraß sich in ihn hinein, aber Dain hielt an der Feensprech fest. Er wiederholte die Frage.

»Die Blutnymphen haben alte Münzen gezahlt, für jeden Satyr, den wir aufgreifen konnten. Ein Vermögen.«

Ein einfacher Plan, aber dennoch brillant. »Also hast du dein eigenes Volk verkauft.«

»Ja.«

Mit einem Fauchen entließ er die Feensprech. Im Inneren fühlt er nur Kälte. Der Satyr sackte zu Boden. »Ich hoffe, du hast erfahren, was du wissen wolltest.«

Sumse stieß das Wiesel mit dem Fuß an. »Ist er tot?«

»Nein.« Dain wischte sich den Schweiß von der Stirn und unterdrückte ein Zittern. So sehr er auch fror, gleichzeitig plagte ihn eine sengende Hitze. »Aber du wirst ihn tragen müssen.«

»Nun, nicht wirklich.« Sumse drehte sich zur Seite. »Crispein?«

Ein Satyr betrat den Gang, offenbar eine Wache. Dain nickte grüßend, zu mehr hatte er keine Kraft mehr. »Du hast noch jemanden mitgebracht?«

»Natürlich. Ich gehe nirgendwohin ohne Wachen. Das hat sich bewährt.« Sie nickte dem Eulensatyr zu. »Bring ihn zu Nurise Eisfeder.«

Der blinzelte sie an. »Wen, von den Beiden?«

»Witzig«, flüsterte Dain.

Der Wächter zuckte mit den Achseln und griff sich das Wiesel. Die Beine des Gefangenen hingen am Rücken des Wächters hinab, dann verschwand er im Gang.

Eine kühle Hand berührte Dains Stirn. »Du dampfst ja. Dain, hast du deine Kräfte überschätzt.«

Dain musste Husten. »Ich überschätze mich nie.« Bevor er umfallen konnte, setzte er sich neben die Tür.

»Jetzt bist du übrigens alleine«, stellte Dain fest.

Auch wenn sie ihn nur sanft anstupste, musste er sich festhalten, um nicht umzufallen. »Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Immerhin weißt du nicht, wer noch draußen wartet.«

»Stimmt.« Langsam spürte er wieder Funken in seiner Mitte. Seine Kraft würde noch mehrere Kerzen brauchen, aber er war nicht ausgebrannt. »Was wird jetzt passieren?«

Sumse lehnte sich neben ihn an die Wand. »Wieselherz wird einen Prozess bekommen. Über ihn wird das Aristeanische Gesetz richten.«

Mit Mühe unterdrückte er ein Schnauben. Das Recht. Es gehörte immer nur dem, der es ausübte und dieses Vertrauen würde er nicht vielen in der herrschenden Kaste schenken.

Aber Sumse sprach weiter. »Die Königin hat die Eisfeder und mich vorgeladen.«

»Eine weitere Medaille?«

»Was soll das heißen? Ich habe immerhin noch keine.«

Ihr Tonfall brachte ihn zum Grinsen. »Falls deine Königin mir auch eine geben möchte, lehne bitte in meinem Namen ab.«

»Das werde ich«, kicherte Sumse. »Und jetzt, wo ich schon einmal hier bin - zeigst du mir den berüchtigten Rebellenunterschlupf? Natürlich nur, wenn du wieder gehen kannst.«

Dains Finger umschlossen einen kleinen Vorsprung und er zog sich in eine stehende Position. Das Gefühl kehrte in seine Beine zurück. »Selbstverständlich.«

Mit einer Verbeugung reichte er Sumse die Hand.

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