𝟎𝟔.𝟏┃𝐀𝐜𝐞 𝐚𝐮𝐬 𝐀𝐭𝐫𝐚𝐤𝐥𝐢𝐧
[EZEKIEL]
Sie roch fremd, aber nicht unangenehm.
Sein Besitz hatte zuvor nicht nur den Dreck des Sklavenmarktes auf sich haften gehabt, sondern auch dessen Geruch. Nun war ihre Haut sauber und blass, und sie verströmte einen frischen Duft, nach Winter und Kälte, den er sich vermutlich einbildete.
Er legte den Waschlappen weg und fuhr mit den Fingern Wirbel für Wirbel an ihrer Rückseite entlang. Sie zitterte und drehte sich von ihm weg. Ihr war nicht wohl bei seinen Berührungen, verständlich, doch sie musste lernen, alles ohne Proteste mit sich machen zu lassen. Für eine wilde Barbarin hatte sie sich bereits besser benommen, als Ezekiel angenommen hatte. Er hatte schon von Gerüchten gehört, dass die Sklaven aus Atraklin wasserscheu waren und sich mit Krallen und Zähnen gegen jedes Stück Seife zur Wehr setzten.
»Komm aus der Wanne«, wies er sie an.
Ihre Bewegungen waren langsam vor Erschöpfung und der Brandwunde, und sofort legte sie ihre Arme schützend vor ihren Oberkörper. Das Wasser perlte an ihrem Haar hinab, rann über ihre Haut und bildete kleine Lachen am Boden. »Näher.«
Sie versuchte, ohne ihre Furcht zu zeigen, an ihn heranzutreten, doch Ezekiel blickte hinter ihre starre Miene. Es war richtig und gut für eine Sklavin, ihren Meister zu fürchten. Er hatte absolute Macht über sie. Das durfte sie das niemals vergessen.
»Was soll das? Habe ich ein altes Krüppelweib vor mir, oder ein junges Mädchen?«, herrschte er sie an, woraufhin sie die Augen aufriss und ihr Kinn nach oben reckte. Sie öffnete ihren Mund, doch die Antwort konnte sie sich sparen. Er hatte kein Interesse daran, sich weiterhin unüberlegte Ausreden wie zuvor anzuhören. Sie musste lernen, und zwar schnell.
Es war die schwierigste Aufgabe seines Plans, eine Herausforderung, an der er bereits viele Gedanken verschwendet und sich vorbereitet hatte. Die Ausbildung einer Vergnügungssklavin war lang und beschwerlich. In seinem Kopf rechnete er mit einem halben Jahr, wenn sie sich bemühte, oder sogar mehr. Von exotischen Gerichten, die Kunst des Gehens und Stehens, die Pflege männlicher Ausrüstung, die Liebestänze von Ephis, bis hin zu der Art, einen Raum zu betreten. Am wichtigsten waren jedoch die Möglichkeiten, einen Mann - nein, einen gewissen Mann - zu erfreuen, physisch, emotional, und intellektuell.
»Verschränke deine Hände hinter deinem Rücken«, befahl er. Sie beeilte sich nicht, es zu tun, doch er blieb ruhig.
Für die Naraener war Sklaventraining vor allem eine psychologische Angelegenheit. Für sie bestand der Großteil daraus, einer Person klarzumachen, dass sie von nun an nur noch anderen diente. Diese Belehrung bildete angeblich den Rahmen für alles Weitere, doch Ezekiel war sich ungewiss, ob damit nicht etwas Wesentliches verloren ging. Eine Barbarin, die im Geist und im Herzen vollständig zur Sklavin geworden war, war keine Barbarin mehr.
»Ich setze große Hoffnungen in dich«, ließ er sie wissen, doch sie blieb still, bis seine Hand eine ihrer Brüste umschloss, die fest und prall seine Handfläche ausfüllte. Sofort zuckte sie zusammen, stolperte drei Schritte zurück und wäre beinahe wieder in die Wanne gefallen, wenn sie sich nicht gefangen hätte.
Ezekiel lachte auf. »Das sollte dich nicht dermaßen unter Druck setzen. Ich werde dafür sorgen, dass dir alles beigebracht wird.« Er drehte seine Hand, und streckte sie einladend nach ihr aus. »Wenn nötig mit der Peitsche«, fügte er hinzu, als sie sich nicht rührte.
»Ihr wollt doch bestimmt keine verletzte Sklavin!«, schnappte das Mädchen wie ein verängstigter Hund, den man in die Ecke gedrängt hatte.
»Niemand möchte eine verletzte Sklavin. Eine naraenische Sklavenpeitsche wird dich nicht zeichnen, sie dient aber dennoch der Disziplinierung. Darüber hinaus gibt es mehr als genug, weit mehr als genug, was dir angetan werden kann, das versichere ich dir. Also komm wieder her, ansonsten muss ich dich anketten.«
Unglücklich fixierte sie die Hand, die er immer noch nach ihr ausstreckte. Er erlaubte ihr die Zeit, die sie brauchte, um sich der Realität ihrer Möglichkeiten bewusst zu werden, denn er sah, wie es in ihrem Kopf ratterte. Nach einer halben Minute schloss sich seine Hand erneut um ihre kalte Brust. Er hob sie an und schmiegte sie in seiner Hand, dann rollte er die Brustwarze zwischen seinen Fingern und hielt sie dabei im Auge.
»Das nächste Mal schneller«, mahnte er sie.
Seine Sklavin schien innerlich zu kochen. Sie presste die Zähne aufeinander und ihre Lippen zuckten, aber sie sagte nichts. Bestimmt war sie immer ein braves Mädchen gewesen, ganz wie es die Gesellschaft es verlangte. Mit drei Fingern strich er über ihren Bauch, hinab bis zu ihrer Mitte, verursachte damit jedoch nur ein Zusammenzucken ihrerseits und versteifte, angespannte Muskeln.
Doch das war nicht das, wonach er suchte.
Er hatte es schon auf dem Sklavenmarkt bemerkt, als er ihren Preis heruntergehandelt hatte. Ihr gekränkter Stolz in ihrem Blick, weil sie wusste, dass sie mehr wert war. In Wahrheit waren alle Frauen eitel, daran hatte Ezekiel nie gezweifelt, es war ebenfalls eines seiner Lieblings-Charakteristika des anderen Geschlechts. Sie war wunderschön, und sich dessen durchaus bewusst. Ihre Hände ... Sie wusste mit ihnen zu arbeiten, hatte aber noch nie auf einem Feld gestanden. Jetzt nach dem Bad schimmerte ihre Haut auch so klar und rein. Und ihre Füße – nicht eine Schwiele bedeckte ihre Sohlen.
Doch am meisten verriet sie die Art, wie sie ihn ansah. Nicht wie die anderen Sklaven, die er begutachtet hatte, die versucht hatten, bei ihm vorbeizusehen, durch ihn hindurch. Mit den Gedanken ganz woanders, außerhalb ihres Körpers, damit sie den unweigerlichen Schläge und Peitschenhiebe entgingen, die Sklaven täglich zu erwarten hatten.
Aber seine Sklavin verbarg etwas vor ihm.
Ezekiel hatte nie eine Schule besucht, hatte nie höhere Bildung genießen dürfen, doch seine Intelligenz und seine Auffassungsgabe durfte das Mädchen nicht unterschätzen. In seinem Berufsfeld war es verflucht wichtig, sich auch die kleinsten Details nicht entgehen zu lassen.
»Wer warst du?«, hakte er nach.
»Ich ... Ich war niemand ... Ich bin nur Ware, die Ihr gekauft habt«, antwortete das Mädchen ruhig. Je mehr er sie sprechen hörte, desto deutlicher hörte er den nordischen Akzent heraus. Atraki sprachen dieselbe Sprache wie ihre südlichen Nachbarn, doch ihr Naraenisch war verunreinigt durch falsche, knurrende Betonungen. Manche würden sogar soweit gehen und sagen, ihre Aussprache war hässlich und etwas, dass man ihr schnell abtrainieren sollte. Niemand in Tel'Narae würde sich nach diesem Mädchen die Finger lecken, doch für Ezekiel war es ihr Gewicht in Gold wert.
»Du willst mir also einreden, dass du nur eine Kriegsgefangene aus einem Dorf im Nirgendwo bist?«
»Aus Atraklin«, beharrte sie. Ihre Augen funkelten stolz. Wie seltene Juwelen aus den tausendundeinen Schatzkammern des Kaisers, wie er sie bisher nur in seinen Träumen gesehen hatte. Die Überheblichkeit in ihrem Blick bewies mehr als alles, was sie ihm hätte vorlügen können. Ihr Land war ihr wichtig.
»Wo war dein Platz in Atraklin?« Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Du bist nicht aus dem niederen Volk. Auch keine Tochter eines Gelehrten. Vielleicht war dein Vater ein hoher Feldherr? Solch eine Stellung hätte dir auf jeden Fall die Annehmlichkeiten geboten, deine Arroganz ausleben zu können.«
»Arroganz?«, murmelte sie fast ein wenig aufgebracht oder nervös.
Das war es. Ihre Art, die er nicht zu beschreiben vermochte, da sie überhaupt nicht zu ihrer äußeren Erscheinung passte. Doch nun sah er es direkt vor sich. Sie hielt sich für besser als andere. Die direkten Blicke, die sie ihm bereits auf dem Sklavenmarkt schenkte – das war kein Aufbegehren, sondern Arroganz. Als ob er ja nicht glauben durfte, dass sie gewöhnlich oder billig war. Seine Vermutungen mussten ins Schwarze getroffen haben, dennoch wollte Ezekiel gar nicht, dass sie sich an die Vergangenheit klammerte.
Ein undefinierbares Lächeln schlich sich auf seine Lippen. »Was oder wer auch immer du warst, spielt ab jetzt keine Rolle mehr. Es ist nicht wichtig, und nicht ausschlaggebend für dein neues Leben. Vielleicht warst du niemand, aber jetzt bist du eine Sklavin, und deine einzige Pflicht ist absolute Gehorsamkeit. Du warst bisher ganz brav, also erlaube ich dir, selbst deinen neuen Namen auszusuchen. Wer bist du von nun an, Schneemädchen?«
Sie zögerte. Ließ ihren Blick über seinen Oberkörper wandern und wirkte nachdenklich. Für Ezekiel und jeden anderen Naraener gehörte der Verlust des eigenen Namens zu den schrecklichsten Dingen der Sklaverei. Dieser Name, den man von Geburt an trägt, mit dem man sein Leben lang gerufen wurde und einen so großen Teil der eigenen Identität darstellte, war plötzlich verloren. Doch er wollte nicht den ganzen Abend hier stehen.
»Entscheide dich schnell, oder ich mach es.«
»Ace«, kroch ihr über die Lippen.
»Was ist das, ein Jungenname?« Seine Ungeduld belohnte ihn nun doch, ein trockenes, belustigtes Lachen entglitt seiner Kehle. »Ace aus Atraklin? Damit bin ich zufrieden.« Er drehte sich um und öffnete die oberste Schublade einer Kommode, um ein Handtuch hervorzuholen, welches er ihr überreichte. Dankend nahm sie es entgegen und fing an, ihren Körper abzutrocknen. Mit seinen Augen folgte er kurz ihren geschmeidigen Bewegungen, ehe er sich umdrehte. »Komm mit, Sklavin. Ich werde dir zu essen geben.«
Wenn er sich absolut sicher gewesen wäre, dass seine neue Sklavin ihn anlog, hätte er ihr Abendbrot ausfallen lassen, doch das war er nicht. Er hatte Zweifel, die er ihr nicht offenbaren wollte, doch im Moment konnte er nichts beweisen. Er musste sie die nächste Zeit einfach genauer ins Visier nehmen und ihre Worte hinterfragen. Wenn sie log, dann war sie nämlich gar nicht mal so schlecht darin.
Bạn đang đọc truyện trên: AzTruyen.Top