Gespräch zwischen Freunden
"Weißt du, wie es ist betrogen zu werden?"
"Nein. Aber weißt du, wie es ist zu betrügen?"
"Nein. Ich war immer ehrlich. Habe nie mit zwei Männern gleichzeitig etwas gehabt. Ich weiß nur, wie sehr es verletzt. Wie sehr man beginnt, an sich selbst zu zweifeln. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich mich nicht frage, warum er mir das angetan hat. Warum er mit dieser kleinen Schlampe ins Bett gegangen ist, anstatt mit mir. Sag mir, bin ich nicht hübsch genug? Bin ich nicht liebenswert genug? Bin ich es nicht wert, das er ehrlich zu mir ist? Warum musste ich ihn erst mit ihr im Bett erwischen? Wenn er sich so sicher ist, das er mich nicht mehr will, warum hat er mich nicht einfach verlassen. Das sag mir mal!"
"Kann ich nicht. Aber ich kann dir sagen, wie ich mich fühle, wenn ich bei dir bin. Ich weiß die ganze Zeit, das ich nicht hier sein sollte. Ich denke immer wieder darüber nach, wie sehr ich meine Frau verletze, wenn sie wüsste, dass ich mit dir hier bin. Und ich frage mich, ob sie wohl Verständnis hätte. Wenn ic h ihr sagen würde, warum ich sie hintergehe. Warum ich bei dir anstatt bei ihr bin. Sie weiß von dir. Ich erzähle ihr alles. Aber es ist, als würde sie es nicht hören. Als würde sie es nicht hören wollen. Sie ist einfach da. Und schweigt."
"Dann weiß sie auch, dass wir nicht miteinander schlafen?"
"Ja. Das weiß sie, aber sie weiß auch, dass ich es mir wünsche. Das ich mir wünsche, dir nahe zu sein. Deinen Körper zu spüren, deine weiche Haut. Sie weiß, wie sehr ich mir wünsche, das nicht nur unsere Seelen miteinander verschmelzen, sondern auch unsere Körper. Ich bin ein Mann. Was glaubst du, wie lange kommen wir ohne Zärtlichkeit aus?"
"Sag du es mir? Wie lange schläfst du schon nicht mehr mit deiner Frau?"
"Ich zähle die Jahre nicht mehr. Und wenn ich sie nicht so lieben würde, würde ich sie wohl schon längst mit dir betrogen haben."
"Aber ich dachte, du hast sie schon betrogen?"
"Das habe ich. In dem Moment, als ich mich dazu entschlossen habe, diese Anzeige aufzugeben. In dem Moment war es, als würde ich sie Hintergehen, auch wenn es nur die Gespräche sind, die ich mit dir führe. Die Gedanken, die wir tauschen. Die Worte, die mein Herz wieder zum Schlagen bringen und mich gleichzeitig in eine Tiefe reißen, aus der nur sie mich wieder befreien kann. Nur sie vermag mir zu vergeben, sobald sie meine Worte, die ich ihr sage, versteht. Sobald sie bei ihr ankommen und sie mir sagt, was ich tun soll. Ich hoffe, sie wird mich verstehen. Hoffe, sie wird mir vergeben, das ich schwach war, das ich mich nach einem Menschen gesehnt habe, der nicht sie ist. Dass ich mich nach jemandem gesehnt habe, der mir gibt, was sie mir einst gegeben hat."
"Ich wünschte, jemand würde mich so sehr lieben, wie du deine Frau. Doch eines würde mich mal interessieren. Wenn du sie so sehr liebst, warum bist du dann hier? Wieso hintergehst du sie? Warum tust du ihr das an, auch wenn du ihr davon erzählst. Wenn sie deine Worte versteht, werden sie sie dann nicht verletzen? Ich war am Boden zerstört, als ich diesen Hurensohn dort mit ihr im Bett erwischt habe. Als ich gesehen habe, wie er sich in ihr vergnügte. In unserem Bett! Ich hasse ihn so sehr dafür! Und wenn ich könnte, ich würde ihm seinen beschissenen Schwanz abreißen und ihn in einen Reißwolf stecken!"
"Du bist erstaunlich. Weißt du das?"
"Warum? Was ist daran so erstaunlich, dass ich sauer auf ihn bin?"
"Erstaunlich ist nicht, das du sauer bist. Erstaunlich ist, das du, obwohl du selbst hintergangen wurdest, mir dabei hilfst, jemand anderen zu hintergehen. Hast du kein schlechtes Gewissen dabei?"
"Doch. Ein sehr schlechtes. Deine Frau hat es nicht verdient so schlecht behandelt zu werden."
"Aber warum tust du es dann?"
"Ich kann nicht anders."
"Warum?"
"Was sollen die Fragen. Sag du mir doch, warum du deine Frau betrügst."
"Ich betrüge sie nicht. Nicht körperlich. Ich sehne mich nur nach einem Menschen, der auf meine Worte antwortet, aber du. Du verbindest dich mit einem Menschen, von dem du weißt, das er verheiratet ist. Du trifft dich mit mir, obwohl du weißt, das ich nicht mit dir schlafen werde. Auch wenn ich zugeben muss, dass das wohl meine Schuld ist. Doch könntest du mich jederzeit verlassen, wenn du es willst."
"Aber ich will nicht."
"Warum?"
"Ich liebe die Gespräche mit dir. Ich liebe es, wenn du mir zusiehst, wie ich koche oder Putze. Ich liebe es zu wissen, dass du mich beobachtest, wenn ich lese. Ich liebe es auf dem Boden zu sitzen, du über mir auf dem Sofa, deine Hand in meinen Haaren, so wie jetzt. Ich liebe das Gefühl, das du mir gibst. Deshalb bin ich hier. Deshalb kann ich nicht gehen. Und nur deshalb komme ich immer wieder hier her. Zu dir."
"Liebe ist ein ziemlich starkes Wort."
"Ich weiß."
"Dann weißt du auch, dass ich dieses Gefühl niemals erwidern werde?"
"Ja."
"Und trotzdem wirst du wiederkommen?"
"Ja."
"Warum?"
"Weil ich weiß, das auch du immer wiederkommen wirst. Es ist nicht wichtig, das du mich nicht liebst. Denn auch ich liebe dich nicht. Ich liebe nur das Gefühl, dass du in mir auslöst. Die Sicherheit, das du immer wieder kommen wirst."
"Aber es wird vielleicht eines Tages der Tag kommen, an dem ich nicht wiederkommen werde. Hast du mal daran gedacht?"
"Ja."
"Und?"
"Ich hoffe, das du mir dann die Wahrheit sagen wirst. Ich hoffe, das du mir erklären wirst, warum du all diese Zeit mit mir verbracht hast, in der Gewissheit deine Frau zu betrügen und warum du jetzt den Entschluss gefasst hast, unsere Vereinbarung zu brechen."
"Eine Vereinbarung nennst du das, was wir haben?"
"Wie sollte ich es sonst nennen?"
"Beziehung."
"Wir führen keine Beziehung. Wir sehen uns nur zwei Tage die Woche. Wir schlafen nicht miteinander. Wir verbringen nur Zeit zusammen. Eine sehr schöne Zeit. Ich möchte sie nicht missen, aber mehr als eine innige Freundschaft ist das nicht. Deshalb nenne ich es eine Vereinbarung, weil es im Grunde genommen das ist, was wir haben. Freundschaft auf Zeit. Und diese kam durch eine Anzeige zustande, auf die ich dir geantwortet habe."
"Warum?"
"Du bist sehr neugierig heute."
"Ich bin immer neugierig. Ich will wissen, was du denkst. Ich will wissen, wie du tickst. Ich will alles wissen, was mit dir zu tun hat. Ich habe doch geschrieben, dass ich vorhabe, deinen Kopf zu ficken."
"Stimmt, aber dort stand auch, dass du danach etwas anderes tun wirst. Was genau hast du damit gemeint?"
Schweigen erfüllt den Raum. Seine Hand fährt sanft durch meine Haare. Meine Finger liegen bewegungslos auf seinem Bauch. Ich rühre mich nicht. Genieße einfach nur sein leichtes Streicheln und hoffe, wie so oft vergeblich, das er mir diese eine Frage beantwortet, doch das tut er wie immer nicht. Zeit verrinnt. Still unseren Gedanken nachhängend. Sein Atem geht ruhig, wie meiner. Er liegt auf dem Sofa, vor dem ich sitze. Auf einem weichen Bodenkissen und das komische ist, dass ich wohl nie auf seine Anzeige geantwortet hätte, wenn es diesen kleinen Zusatz, diesen kleinen Anreiz nicht gegeben hätte.
Diese kleinen, verheißungsvollen Worte, von denen ich mir wünsche, dass er sie auspicht. Dass er sie in die Tat umsetzt und mich endlich berührt. Und ebenso sehr hoffe ich, das er genau das nicht tut. Das er seiner Frau auch weiterhin so treu bleibt, wie er es bis jetzt gewesen ist. Von der kleinen Tatsache einmal abgesehen, das wir die Wochenenden miteinander verbringen.
Redend. Lachend. Scherzend. In Gedanken vereint. Vielleicht auch im Herzen, doch ist mir klar, dass ich für ihn immer nur die zweite Geige spielen werde und das den ersten Platz, den, den ich niemals erreichen werde, seine Frau einnimmt.
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1320 Worte
20.08.17
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