Nur Einen Moment Lang
Kanan schaute ihr oft bei dem zu, was sie tat, wenn er glaubte, sie würde es nicht bemerken, und gerade selbst nichts zu tun hatte. Und es gab etwas, das ihm besonders auffiel, wenn er Hera in solchen Momenten betrachtete.
Sie wollte nach außen hin stark wirken, aber wenn man tiefer ging, wenn man genauer hinsah, dann bemerkte man schnell, dass sie nicht so unverwundbar war, wie sie auf den ersten Blick zu sein schien. Unter ihrer Fassade glaubte er, den Blick eines verzweifelten, kleinen Mädchens zu sehen, das man im Stich gelassen hatte, als es die Hilfe am meisten gebraucht hätte, und deshalb beschlossen hatte, keine Hilfe mehr zu brauchen.
Wenn er sie fragte, was los war, dann winkte sie ab, sagte, sie sei müde, oder jetzt wäre nicht der richtige Zeitpunkt, um darüber zu sprechen. Aber würde es einen solchen Zeitpunkt jemals geben?
Eines Abends, nach einer anstrengenden Mission, fand er sie allein im Cockpit, und traute seinen Augen nicht, als er bemerkte, dass Tränen über ihre Wangen liefen. Hera weinte nicht. Das hatte er noch nie erlebt. Und sie auf einmal so zerbrechlich zu sehen... es machte ihm unglaubliche Angst.
„Hey... was hast du denn?"
Er streckte seine Hand nach ihrer aus, aber sie strich sie weg. Die Art, wie sie ihn anschaute, als sie aufsah, gefiel ihm gar nicht. Sie schaute... betreten. Wie ein kleines Kind, das man bei etwas Verbotenem ertappt hatte. Die Twi'lek wischte sich die Tränen sofort aus dem Gesicht.
„Brauchst du Hilfe? Ist irgendetwas mit dem Schiff nicht in Ordnung?"
Er schaute sie streng an, aber seine Stimme war voller Liebe und Besorgnis.
„Hera, bitte fang nicht so an, okay? Ich... du schlägst in der Macht Wellen, wenn du unruhig bist. Wenn es dir nicht gut geht. Ganz egal, wie unberührt du nach außen hin zu wirken versuchst. Ich spüre das."
„Wirklich? Auch als nicht-mehr-Jedi?"
Sie klang weniger überrascht als... verletzt. Im ersten Moment verwirrte ihn diese Erkenntnis, aber je länger er darüber nachdachte, desto klarer wurde ihm, warum es so war. Der Gedanke, dass er sie auf diese Art lesen konnte, gefiel ihr nicht, denn dadurch lagen die Ängste und Schmerzen der Pilotin plötzlich offen. Sie waren sichtbar. Und das machte sie angreifbar und verletzlich.
„Hera, ich..." Ihm war klar, dass er jetzt unglaublich vorsichtig sein musste, bei allem, was er sagte, um ihr Vertrauen nicht zu verlieren. Ganz egal, wie lange man sich schon kannte... die plötzliche Erkenntnis, dass der jeweils andere einen Zugriff auf die geheimsten Gefühle und Gedanken hatte, machte jedem Angst, besonders dann, wenn man so viel dafür tat, dass niemand je herausfand, was man wirklich fühlte. Zunächst spielte es dabei kaum eine Rolle, wie sehr man der entsprechenden Person eigentlich vertraute. „Ich mache das nicht bewusst. Ich würde auch nicht in deine Gedanken eindringen, das verspreche ich dir. Nur, wenn du aufgewühlt bist, kannst du deine Gefühle nicht so gut vor deinem Herzen verbergen wie vor den Augen anderer. Das ist alles. Vertraust du mir soweit, dass du mir das glaubst?"
Sie schaute weg.
„Ich..." Die Twi'lek stieß einen Seufzer aus. „Kanan... natürlich vertraue ich dir, aber..."
Er hob beschwichtigend die Hände.
„Ich weiß, dass das im ersten Moment vermutlich erschreckend wirkt. Es gibt schon gute Gründe, warum nicht viele den Jedi nachtrauern. Unsere Fähigkeiten haben den meisten Leuten Angst gemacht. Schon immer."
Hera biss sich auf die Lippe.
„Das... du machst mir keine Angst, Kanan. Das ist es nicht. Ich... ich hasse es einfach nur, wenn mich Andere so sehen. Ich will nicht hilflos oder verzweifelt wirken. Diese Gefühle sind hier völlig fehl am Platz."
Die Hände der Pilotin wanderten hinauf zu ihrem Kopf, um die Kopfbedeckung, die sie trug, ein wenig gerade zu rücken. Sie war nicht wirklich verrutscht gewesen, aber wenn ihre Hände etwas zu tun hatten, fühlte sich die Twi'lek immer besser. Deshalb hatte Kanan sie oft, wenn er gespürt hatte, dass es ihr schlecht ging, irgendwo an der Ghost arbeitend gefunden.
Aber heute war nichts zu tun gewesen, denn die Mission war ausnahmsweise mal vollkommen glatt gelaufen – zumindest, wenn man nur betrachtete, dass das Schiff nichts abbekommen und die Bewohner kaum Schaden genommen hatten, obwohl kaum etwas auch Plan gelaufen war.
„Warum bist du so?"
„Hm?" Ein wenig irritiert schaute Hera ihr Crewmitglied an. Dann hob sie eine Braue und verschränkte die Arme. „Wieso bin ich wie?"
„Warum willst du unverwundbar wirken? Und warum redest du mit niemandem, wenn es dir nicht gut geht? Deinen Schmerz zu unterdrücken wird dir letzten Endes nur schaden."
„Musst du gerade sagen. Ich meine, Jedi sind doch immerhin Meister im Gefühle unterdrücken, oder nicht?", gab sie zurück, und er unterdrückte ein Seufzen.
„Viele waren das, ja. Aber ich fürchte, das war einer unserer größten Fehler. Und nur, weil ich so erzogen wurde, heißt das nicht, dass es bei mir funktioniert hat."
„Stimmt. Statt mit der Macht betäubst du deine Gefühle lieber mit alkoholischen Getränken.", kommentierte sie schnippisch, und für den Moment schien sie ihre Fassade nach außen wieder aufrechterhalten zu können.
Kanan verdrehte daraufhin bloß die Augen.
„Das ist gerade nicht der Punkt. Momentan sind wir bei dir.", erklärte er und versuchte, dabei selbstsicherer zu wirken als er eigentlich war. Hera zu widersprechen war nie eine sonderlich gute Idee, und er hatte in letzter Zeit genug Mist gebaut, damit sie ihn vielleicht endgültig rauswerfen würde, wenn er sich einen weiteren Fehltritt erlaubte – zumindest was den Alkohol anging. Aber er weigerte sich, einfach nur weiter dabei zuzusehen, wie sie sich selbst mit ihrem Verhalten kaputt machte. Zugegebenermaßen war er selbst auch nicht gerade das beste Vorbild, und daran würde er arbeiten müssen... Allerdings war es momentan sie, die seine Hilfe brauchte, und nicht umgekehrt. „Würdest du bitte mit mir darüber reden, was eigentlich los ist? Du brauchst auch nicht ins Detail zu gehen, aber... lass es einfach ein bisschen raus, okay? Ich verspreche dir, ich verrate auch niemandem, dass du Emotionen hast."
Er grinste, und sie versetzte ihm als Reaktion auf diesen Satz einen Schlag gegen den Arm.
„Idiot.", murmelte die Pilotin, halb ärgerlich, halb amüsiert, aber dann begann sie tatsächlich zu reden. Jetzt wäre es auch einem nicht-Jedi klar geworden, dass die äußere Fassung der Twi'lek nichts mit der Gefühlslage in ihrem Inneren zu tun hatte. „Ich... sagen wir einfach, ich habe kein besonders gutes Verhältnis zu meinen Eltern. Als ich klein war, habe ich oft allein geweint. Und seitdem... ich habe es mir angewöhnt, nur zu weinen, nur schwach zu sein, wenn ich allein bin, weil sowieso niemand da war, der mir zugehört hat. Ich glaube auch nicht, dass sich daran jemals wieder etwas ändern wird. Ich kannte es einfach nie anders."
Ihre Stimme zitterte. Kanan schloss die Arme um sie.
„Das ist keine gute Lebenseinstellung, in Ordnung? Ich habe kein Problem damit, dass es Dinge gibt, die du mir nicht sagst, und die du mir nie sagen wirst. Über meine Vergangenheit zu reden fällt mir auch nicht gerade leicht. Aber... bitte hör auf damit. Bitte hör auf, alleine zu weinen."
„Ich..."
„Du brauchst mir nicht mal zu sagen, was los ist, wenn du das nicht willst. Das ist in Ordnung. Aber du sollst wissen, dass ich da bin, wenn du jemanden brauchst, der für dich da ist."
Sie nickte stumm, dann ließ sie den Kopf gegen seine Brust sinken und schmiegte sich an seinen Hals. Und die Pilotin war froh, dass er nicht mehr nach dem Grund für ihre Tränen fragte, sondern sie einfach nur hielt, während sie leise vor sich hin weinte.
»Du wärst heute zweiundzwanzig geworden... ob du mich wohl sehen kannst?«
Noch waren Grenzen zwischen Hera und Kanan, und die Twi'lek war sich nicht sicher, ob sie bestimmte Schilde jemals würde herunterfahren können... aber es war schön, nicht mehr allein zu sein, wenn auch nur einen Moment lang.
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