Und kein Stoß von der Bettkante

Den restlichen Tag über stürzte sie sich in die Organisationsarbeit für die Benefizgala. Wenn sie ganz leise war und genau hinhörte, konnte sie die Klänge des Konzerts hören, das einige Gebäude weiter stattfand. Zu ihrer eigenen Sicherheit hatte sie entschieden, dass sie im Hotel arbeiten würde und nicht wie sonst, sich auch zur Konzertlocation begeben würde. Mal abgesehen von Brian und einer jungen Frau vom Zimmerservice, die ihr zwischendurch Sandwiches gebracht hatte, hatte sie heute noch mit niemandem persönlich gesprochen.
Umso überraschter war sie, als es an ihrer Tür klopfte. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es bereits nach 22 Uhr war.

Als sie sich von ihrem Stuhl erhob, spürte sie, wie sich die Muskeln in ihrem Rücken zusammenzogen und ihre Gelenke knackten. Sie hatte viel zu lange in derselben Position gesessen und gearbeitet. Leise ächzend streckte sie sich bevor sie zu ihrer Zimmertür ging und diese öffnete.

Ein warmes Gefühl rauschte durch ihren Körper, als sie sah, wer vor ihr stand.

„Hey", sagte sie und streckte den Kopf kurz auf den Flur, um zu überprüfen, dass niemand sah, dass er vor ihrer Tür stand. Als sie sich sicher war, dass der Gang leer war, trat sie einen Schritt zur Seite und ließ ihn rein.

Als er in ihrem Zimmer stand, schloss sie hinter ihm die Tür und lehnte sich mit dem Rücken dagegen.
Für einen kurzen Moment beobachtete sie einfach nur, wie er sich umsah. Seine Haare glänzten feucht, als hätte es gerade geduscht. Das Konzert konnte noch nicht lange vorbei sein, denn bis vor kurzem hatte sie noch die Musik mit dumpfen Klängen hören können. Was machte er nun also hier? Er musste doch erschöpft sein. Schließlich drehte er sich zu ihr um und sein Blick war so einnehmend, dass sie zu Boden sah.

„Was machst du hier?", fragte sie und warf ihm durch ihre Wimpern einen vorsichtigen Blick zu.

Er kratzte sich leicht am Nacken. Auf einmal wirkte er so verunsichert, wie sie ihn noch nie erlebt hatte.

„Das weiß ich auch nicht so genau. Ich habe vorhin den Artikel gelesen und ich dachte, ich sehe mal nach, wie es dir geht", meinte er.
„Und hier bin ich jetzt"
Er lächelte und hob die Arme in einer allumfassenden Geste.

Lucy suchte Halt an der Tür in ihren Rücken. Wenn sie allein waren, kribbelte es in ihren Fingern, ihn zu berühren und durch seine seidig weichen Haare zu fahren. Sie ballte die Hand zur Faust.

,,Danke", erwiderte sie. ,,Aber du hättest nicht kommen müssen. Mir geht es gut"

Er legte den Kopf leicht schief, als würde er versuchen, sie zu verstehen. Ein aussichtloses Unterfangen, dachte Lucy. Sie verstand sich selbst ja oft genug nicht.

,,Brian hat mir da etwas anderes erzählt", meinte er und blickte hinter sich, bevor er sich auf ihrer Bettkante niederließ. Lucy schluckte bei dem Gedanken, dass dieser Mann gerade in ihrem Zimmer, auf ihrem Bett mit ihr allein war.

Stirnrunzelnd sah sie ihn an.
„Du hast mit Brian über mich geredet?", fragte sie und stieß sich von der Tür ab.

Für einen Moment schien er sich anzuspannen. Sein Blick ruhte auf ihr und schien jeden ihrer Schritte zu beobachten.

,,Er macht sich Gedanken über dich", erwiderte er nur und ließ Lucy damit im Unklaren darüber, welcher Art diese Gedanken waren.

Geschäftig klappte sie ihren Laptop zu und räumte die Unterlagen zusammen, die sie im Laufe des Tages über dem gesamten Schreibtisch verteilt hatte. Die ganze Zeit über spürte sie seinen Blick in ihrem Nacken brennen.

,,Er sollte sich keine Gedanken um mich machen. Er hat genug eigene Sorgen, um die er sich kümmern muss, da sollte ich keine weitere für ihn sein."

Sie legte den Stapel Papier fein säuberlich auf ihren Laptop und sah sich suchend auf dem Tisch nach einer weiteren Beschäftigung für ihre Hände um.

„Lucy", hörte sie ihn sagen und beinahe zuckte sie zusammen, als sie ihren Namen hörte.
„Bitte sieh mich an"

Schwer schluckend drehte sie sich langsam um. Ihr Blick wanderte von seinen ineinandern verschränkten Händen über seine Schulter, die ihr zugeneigt waren wie der Rest seiner Oberkörpers, über seinen Hals bis hin zu seinen Augen, die ihre festzuhalten schienen.

,,Du musst nicht so tun, als würde dich diese Sache nicht beschäftigen. Ich weiß, dass das alles beängstigend sein kann, aber du musst das nicht allein durchstehen", sagte er.
,,Und vor allem musst du dich nicht verstecken. Damit tust du nur dir selbst weh"

,,Ich verstecke mich nicht", erwiderte sie nur.

,,Ach nein? Wo warst du dann den ganzen Tag lang?", wollte er wissen und zog eine Augenbraue hoch.

,,Ich habe in Ruhe gearbeitet", antwortete Lucy und versuchte dabei ihr verräterisch schnell pochendes Herz zu ignorieren, das Gefallen daran gefunden hatte, dass er ihr heutiges Fehlen bemerkt hatte. Dass er Ausschau nach ihr gehalten hatte, obwohl sie sich von ihm und vor allem von Gefühlen für ihn fernzuhalten versuchte.

,,Du arbeitest nie allein. Du hältst dich immer da auf, wo andere Menschen sind"
Der Sprung, den Lucys Herz bei seinen Worten machte, war beinahe schmerzhaft.

,,Glaub nicht, dass mir nicht auffällt, wenn du nicht da bist. Du bedeutest mir etwas und ich will nicht, dass es dir schlecht geht. Vor allem nicht, wenn ich zum Teil ein Grund dafür bin"

Es war unmöglich seinem Blick standzuhalten, deswegen sah Lucy auf den Boden zwischen ihnen beiden.
,,Du bist kein Grund. Nichts davon ist deine Schuld", sagte sie, auch wenn ihre Stimme mehr zitterte als sie es sollte.

Er stieß ein leises Schnauben aus, das Lucy wieder aufblicken ließ. Ein schiefes Grinsen zierte sein Gesicht.
,,Gäbe es mich nicht, hättest du jetzt keine Dreiecksbeziehung, also ich es schon teilweise meine Schuld"

,,Ich habe aber keine Dreiecksbeziehung, weder mit dir, noch mit Riku", meinte sie und kniff leicht die Augen zusammen.

,,Was nicht ist, kann ja noch werden", erwiderte er und das Lächeln auf seinen Lippen wurde noch ein Stück breiter.

Ungläubig über seine Worte, riss sie die Augen auf und trat einen Schritt auf ihn zu.
,,Du kannst jetzt doch keine Scherze darüber machen, während unser aller Ruf gerade den Bach herunter geht"

Ihre Worte schienen sein Grinsen nur noch strahlender werden zu lassen.
,,Hier wird kein Ruf den Bach runtergehen. Dazu braucht es weitaus mehr als einen Artikel in der Tagespresse"

Sie runzelte die Stirn.
,,Zum Beispiel?"

Er blinzelte, als hätte er mit ihrer Nachfrage nicht gerechnet. Dann verzog er für einen Moment nachdenklich die Lippen, bevor er sich rückwärts auf ihr Bett fallen ließ.
,,Ein Striptease auf der Bühne bei laufender Kamera wäre da schonmal ein Anfang"

,,Was?", stieß Lucy aus und konnte ein ungläubiges Lachen nicht unterdrücken. Um ihn weiterhin ansehen zu können, trat sie noch ein Stück näher an ihn heran.

,,Bevor es wirklich rufschädigend werden kann, braucht man einen richtigen Skandal. Und Fotos, am besten sogar Videos von dem Skandal. Alles andere glauben die Leute da draußen doch nicht" Während er sprach fuchtelte er für einen Moment mit dem Arm in der Luft umher.

,,Und Lucy...", fügte er noch hinzu, was dafür sorgte, dass Lucy noch näher an ihn herantrat.

,,Ja?"

,,Es muss der Wahrheit entsprechen und das tut es bei unserer Geschichte nicht, richtig?"
Er stützte sich mit den Ellenbogen auf ihrer Bettdecke ab und betrachtete sie, als würde er überprüfen wollen, ob seine Aussage stimmte.

Bedächtig nickte Lucy.
,,Richtig", bestätigte sie.

,,Und es wird auch nie der Wahrheit entsprechen, richtig?", fragte er weiter nach und erhob sich so weit, dass er wieder vor ihr auf der Bettkante saß. Er war ihr so nah, dass er den Kopf in den Nacken legen musste, um ihr ins Gesicht sehen zu können.

Lucy zögerte. Natürlich würde sie niemals eine Dreiecksbeziehung mit ihm und Riku führen, aber etwas in ihr sträubte sich dagegen, auch diese zweite Frage einfach mit "Ja" zu beantworten.

Sie wusste nicht, warum sie das tat oder was sie sich davon erhoffte, als sie einen weiteren kleinen Schritt auf ihn und das Bett zu trat. Sie dachte auch nicht über die Konsequenzen nach, als sie ihre Knie rechts und links neben ihm auf das Bett schob und sich langsam auf seinen Oberschenkeln niederließ. Erst als sie die Wärme seiner Beine durch ihre Hose spürte, schien auch ihr Herz zu realisieren, was sie gerade tat. Für einen Moment schien es zu stolpern, bevor es so schnell weiter klopfte, dass sie Angst hatte, es würde herausspringen.

Wie vom Donner gerührt starrte er sie an. Er bewegte sich nicht, als hätte er Angst, sie mit nur einer einzigen Bewegung zu verschrecken.

Seine Augen schienen in ihre einzutauchen. Sie fragte sich, wie sie ihn jemals verwechseln hatte können. Wie sie dieses wunderschöne Gesicht nicht erkennen konnte. Inzwischen würde sie ihn immer und überall wiedererkennen. Er hatte sich in ihr Leben gestürzt und blieb nun dort, da konnte sie machen, was sie wollte.

Meine Lieben,
es ist lange her. Ich wünsche euch erstmal ein frohes neues Jahr 2023. Meine Aktivitäten hier auf Wattpad sind ein wenig eingeschlafen und das tut mir für alle leid, die meine Geschichten gern lesen. Meine Bücher hier auf Wattpad sind noch nicht beendet und ich werde weiterhin daran schreiben. Wie schnell das letztlich geht, kann ich nicht sagen. In meinem Privatleben passiert viel und dieses Jahr wird vermutlich das bisher aufregenste meines Lebens. Deswegen kann ich nur sagen, dass ich mich auf jeden von euch freue und hoffe, dass ihr trotzdem noch bei Lucys Geschichte mitfiebert. Ich wünsche euch nur das Beste.

Luisa

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