Und große Schlagzeilen

Er starrte sie einen Moment lang schweigend an, während er sich mit der Hand durch die Haare fuhr. Lucy versuchte zu durchschauen, was er dachte, aber sie kam nicht hinter die Fassade aus strahlend blauen Augen. Das einzige, was sie feststellte, war die Verletzlichkeit, die in seinem Blick lag.

Er holte Luft und setzte zum Sprechen an, als es an der Tür klingelte.
Lucy wandte iriitiert den Kopf in Richtung Flur.

Ein weiteres drängelndes Klingeln erklang.

Sie drehte sich zurück zu dem Mann, der vor ihr stand.

„Hast du noch jemanden mitgebracht?“, fragte sie.

Er runzelte die Stirn und schüttelte den Kopf.

„Nicht, dass ich wüsste“

Es klingelte noch einmal.

Lucy ließ den Sänger mitten in ihrem Wohnzimmer stehen und ging zu ihrer Haustür. Gedanken darüber, ob sie ihm mit ihrer Frage etwas Falsches unterstellte, schossen ihr durch den Kopf. Was ist, wenn sie einen riesigen Fehler machte, indem sie ihn falsch verdächtigte?

Andererseits wusste sie eigentlich nichts über ihn. Wer konnte schon wissen, was in dem Kopf eines Weltstars vor sich ging? Welche kranken Spiele sich in dieser Branche ereigneten...

Ohne durch ihren Türspion zu schauen, riss sie die Tür auf und unterbrach damit ein erneutes Klingeln. Ein Fehler, wie sich nun herausstellte.

Eine grimmig blickende Frau stand vor ihr. Die Journalistin von der Pressekonferenz, die Lucy nicht leiden konnte.

Woher in aller Welt wusste diese Frau, wo sie wohnte?

„Frau Fuchs, ich habe ein paar Fragen an sie“, sagte die Journalistin.

„Jetzt? Mitten in der Nacht?“, fragte Lucy perplex.

„Der Journalismus schläft nie“, antwortete die Frau. „Es dauert auch nicht lange“

Lucy verzog das Gesicht und schlug die Tür zu. Das durfte doch nicht wahr sein!

Es klingelte wieder an der Tür und ein lautes Klopfen ertönte.

„Ich kann Sie auch die ganze Nacht lang nerven. So schnell gebe ich nicht auf“, hörte man die schneidende Stimme durch das Holz.

Lucy stöhnte genervt auf.

„Das ist Nötigung“, rief sie zurück.

Schritte erklangen hinter ihr und sie sah, dass der Sänger mit fragendem Blick aus dem Wohnzimmer kam. Mit einem Finger auf den Lippen bedeutete sie ihm leise zu sein.

„Eine Journalistin“, wisperte Lucy ihm zu. „Bist du sicher, dass dir niemand gefolgt ist?“

„Ganz sicher. Das hat niemand bemerkt“, flüsterte er zurück.

Es klingelte schon wieder.

„Ich weiß, dass sie mich hören! Es bringt nichts mich zu ignorieren. Wenn Sie jetzt nicht mit mir reden, komme ich jeden Tag zu Ihnen. Ich werde Ihnen so lange auf die Nerven gehen, bis ich meine Story habe“

Lucy hatte den Drang der Frau etwas ins Gesicht zu werfen. Vorzugsweise etwas Schweres.

„Ich kenne diese Reporterin. Die lässt nicht locker“, sagte Samu leise zu ihr.

„Und was soll ich jetzt machen?“, entgegnete Lucy genauso leise.

„Du musst mit ihr reden. Sonst lässt sie dich nie in Ruhe“

Lucy warf frustriert die Hände in die Luft. Diese Reporterin hatte ihr jetzt gerade noch gefehlt.

„Ich kann doch nicht mit ihr reden, wenn du hier bist. Dann sind wir morgen die nächste Schlagzeile“,wisperte sie eindringlich.

„Dann verstecke ich mich“

Er ging zurück ins Wohnzimmer und Lucy bewunderte für einen kurzen Moment seine Rückenmuskulatur, die sich durch sein T-Shirt abzeichnete, bevor sie ihm folgte.

Das weitere Klingeln ignorierte sie.

Ohne zu Zögern ging er zu ihrer Schlafzimmertür, die vom Wohnzimmer abzweigte, und betrat es. Lucy lief ein Schauer über den Rücken, als sie sich der Situation bewusst wurde. Dieser gutaussehende Mann stand nun in ihrem Schlafzimmer und sie waren alleine. Mal abgesehen von der Journalistin vor ihrer Tür.

Er drehte sich zu ihr um, nachdem sein Blick einmal ihre Einrichtung überflogen hatte. In ihrem Magen kribbelte es, als er sie nun ansah.

„Ich warte einfach hier, bis ihr fertig seid, okay?“, fragte er.

Lucy war nicht wohl bei dem Gedanken ihn allein in ihrem Allerheiligsten zu lassen, aber sie hatte wohl keine andere Wahl. Sie nickte und schloss dann die Tür hinter sich.

Sich selbst Mut zusprechend ging sie wieder in den Flur und atmete tief durch. Sie würde das schaffen. Nur ein paar Fragen beantworten und dann war sie die Frau los. Und hoffentlich würde sie sie dann auch nie wieder sehen.

Als sie die Tür öffnete, war die Reporterin wieder drauf und dran zu klingeln.

„Ein paar Fragen und dann gehen Sie wieder“, sagte Lucy bestimmt.

Die Frau kniff die Augen zusammen, nickte aber.

Widerwillig machte Lucy Platz und ließ sie in ihren Flur. In ihr sträubte sich alles, als sie bemerkte, wie missbilligend die Journalistin ihre Wohnung betrachtete.

„Wo können wir uns hinsetzen?“, fragte die Frau nun.

Nirgendwo, hätte Lucy am liebsten geantwortet, aber sie verkniff sich ihren Kommentar.

„Im Wohnzimmer. Wir können uns auf meine Couch setzen“, antwortete sie stattdessen mit einem Lächeln, das falscher nicht hätte sein können.

Die Frau stöckelte auf ihren hohen Absätzen ins Wohnzimmer und Lucy schickte ein Stoßgebet ab, dass der Mann in ihrem Schlafzimmer unbemerkt blieb.

Die Journalistin setzte sich auf den vordersten Rand ihres Sofas und legte gleich ein Aufnahmegerät auf dem Tisch ab.

„Ich darf doch?“, fragte sie und deutete auf das Gerät.

„Wenn das dafür sorgt, dass Sie schneller wieder weg sind, dann ja“, antwortete Lucy. Der spitze Unterton war nicht zu überhören, aber die Journalistin sah darüber hinweg.

Lucy zog sich einen Stuhl heran und setzte sich ihr gegenüber. Sie wollte dieser Frau nicht so nahe sein. Die Journalistin drückte auf den Power-Knopf des Gerätes und sah Lucy dann mit überlegenem Blick an.

„Also Frau Fuchs, kommen wir gleich zum Punkt. Ich habe Sie sofort erkannt, als Sie bei der Pressekonferenz die Mikrofone angereicht haben“ Sie kramte für einen Moment in ihrer Tasche und holte einen Zettel heraus, den sie daraufhin vor Lucy auf den Tisch knallte.

Lucy beugte sich vor und las die Überschrift des, wie sie nun erkannte, ein paar Tage alten Zeitungsartikels.

Samu Habers neue Freundin? Wer ist die geheimnisvolle Frau?

Darunter war ein großes Bild zu sehen.

Lucys Herzschlag verdoppelte sich und sie krallte ihre Fingernägel in ihre Oberschenkel.

Auf dem Bild war der Mann zu sehen, der sich gerade in ihren Schlafzimmer aufhielt. Samu Haber.

Und sie selbst. In ihrem roten Kleid, lachend und kurz davor in eine schwarze Limousine zu springen.
Durch den strömenden Regen in der Nacht war das Foto leicht verschwommen, aber sie war trotzdem gut zu erkennen.

Es war eigentlich ein Wunder, dass sie bisher noch niemand auf das Bild angesprochen hatte. Ihr war bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst gewesen, dass sie schon so präsent für die Medien war. Nach nur einer Nacht. Sie wollte gar nicht wissen, wie  weitläufig die Spekualtionen über sie schon waren.

„Sie beide wurden an diesem Abend mehrfach zusammen gesehen. Laut einem Insider haben sie sogar die ganze Nacht miteinander verbracht, stimmt das?“

Die Frau musterte sie mit einem Blick, bei dem sich Lucy regelrecht nackt vorkam.

Kontrolliert schüttelte Lucy mit dem Kopf.

„Nein, das stimmt nicht“

Die Journalistin verzog spöttisch den Mund.

„Wie kommt es dann, dass sie gemeinsam im Grande-Hotel gesehen wurden?“

Lucy verkrampfte nervös die Hände, bevor sie sich dazu zwang ihre Finger glatt auf ihre Knie zu legen. Sie wollte sich nicht anmerken lassen, wie sehr sie diese Situation innerlich aufwühlte.

„Ich war betrunken und kam nicht mehr allein nach Hause. Herr Haber hat mir ein Zimmer gegeben“, antwortete sie so selbstbewusst wie möglich. Sie nannte ihn bewusst nicht beim Vornamen, um kein Gefühl der Vertrautheit zu vermitteln.

„Und Sie haben sicher nicht mit ihm in einem Zimmer übernachtet?“

„Nein“

Die Journalistin beugte sich leicht nach vorn und lächelte.

„Und jetzt arbeiten sie zufällig mit ihm zusammen“, sagte sie. Ihre Stimme triefte vor Ironie.

„Ich arbeite im Tourmarketing. Mit der Band selbst habe ich dabei ziemlich wenig zu tun“,meinte Lucy, in der Hoffnung das Thema damit irgendwie abwiegeln zu können.

„Aber Sie sehen Samu Haber trotzdem?“

Lucy bemerkte, dass diese Frau wohl unbedingt ihre Story haben wollte. Und dass sie vermutlich auch sagen konnte, was sie wollte, am Ende würde es sowieso wieder eine Schlagzeile geben.

„Hören Sie, ich habe weder mit Samu Haber noch mit einem der anderen Bandmitglieder etwas zu tun. Wir arbeiten im weitesten Sinne zusammen, haben aber ansonsten keine Verbindungen“,sagte Lucy, in einem Ton, der eigentlich klar machen sollte, dass sie dieses Interview so langsam als beendet ansah.

Die Journalistin ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen.

„Wie erklären Sie sich dann seine Worte von der letzten Pressekonferenz? Seine Antworten klangen sehr...“
Sie tippte sich gespielt nachdenklich an ihr Kinn. Lucy wollte ihr am liebsten den Hals umdrehen.
„...gekränkt und verletzt“, schloss die Reporterin und lächelte sie nun wie eine Schlange an.

Lucy geriet ins Schwitzen. Auf diese Frage wusste sie keine gute Antwort, die nicht einen von ihnen in ein schlechtes Licht rücken würde. Gerade als sie zu einer Antwort ansetzte, wurde sie unterbrochen.

Ein lautes Poltern erklang. Und es kam aus dem Schlafzimmer.

Die Journalistin drehte sich überrascht um.
„Sind Sie nicht allein hier?“, fragte sie.

Lucy verkrampfte sich und suchte fieberhaft nach einer Antwort.

„Meine Katze“, brachte sie schließlich hervor.
„Das war meine Katze. Sie springt gern von meinem Bett“

Die Frau drehte sich wieder zu ihr um und hob dann eine Braue.

„Ihre Katze sitzt neben Ihnen“, sagte sie trocken.

Tatsächlich hatte Maurice sich, von Lucy unbemerkt, zu ihren Füßen gesetzt und putzte sich gerade mit Hingabe die Pfoten.

„Ich habe zwei Katzen“, warf Lucy ein, als sie von ihrem verräterischen Kater aufblickte. „Genau, die zweite sitzt gern im Schlafzimmer“

„... und springt gern vom Bett“, fügte die Reporterin hinzu. Es war offensichtlich, dass sie Lucy nicht glaubte.

Schneller als sie reagieren konnte, war die Frau aufgestanden und drückte die Klinke der Schlafzimmertür herunter. Lucy hastete ihr hinterher und machte sich darauf gefasst, gleich in große Erklärungsnot zu kommen, wenn statt einer Katze, ein fast zwei Meter großer Mann in ihrem Schlafzimmer stand und charmant lächelte.

Die Tür schwang langsam auf.

Und schon wieder ein Cliffhanger.
Ich weiß, dass ihr die wahrscheinlich hasst, aber ich liebe sie. Cliffhanger sind für mich wie Sweet-Chili-Sauce. Am Anfang ganz süß, aber sie geben einer Geschichte nach und nach eine gewisse Schärfe und Spannung.
Komischer Vergleich, I know, aber ich habs irgendwie mit merkwürdigen Metaphern.
So meine Lieben, dieses Kapitel ist sozusagen euer Weihnachtsgeschenk von mir. Ich habe mir extra Mühe gegeben, dass es noch fertig werden konnte vor den Feiertagen.
Ich wünsche euch frohe und hoffentlich Coronafreie Weihnachten 2020. Genießt die Zeit und macht das Beste draus.
Ich freue mich wieder sehr auf eure Votes und Kommentare.
Bis zum nächsten Mal
Eure Luisa

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