Und ein Versteckspiel
Lucy verbrachte den restlichen Abend damit Dekorationen und Merchandiseprodukte in den Meet&Greet Raum zu bringen.
Sir Elton John hatte sie inzwischen mit einem Nagel an die Wand gehängt. Sie hatte festgestellt, dass er doch ganz dekorativ war, wie er so am Klavier saß.
Sie stützte die Arme in die Hüfte und blickte sich zufrieden im Raum um. Blumen standen nun auf dem Sofatisch und sie hatte es sogar geschafft ein paar gemütliche Kissen in der Requisite aufzutreiben.
Autogrammkarten lagen stapelweise überall verteilt und Stifte lagen auch bereit. Lucy blickte auf die große Uhr, die an der Wand hing.
Um 22 Uhr sollte das Meet&Greet starten, eine halbe Stunde Zeit hatte sie also noch, um etwas essbares aus der Kantine aufzutreiben. Die Kantine kannte sie inzwischen schon, da sie sich vorhin dort bereits belegte Brötchen als Mittag- und Abendessen besorgt hatte.
Lucy verließ den nun schon angenehmer aussehenden Raum und machte sich auf den Weg zur Kantine. Die Wege im Backstagebereich konnte sie sich inzwischen recht gut merken.
Was aber daran lag, dass sie sich die Plakate merkte.
Bei Michael Jackson links, dann an Bon Jovi vorbei und bei Bryan Adams nochmal links.
Lucy war sich sicher, dass sie nicht die Einzige war, die sich nach diesem Prinzip hier zurechtfand. Anders konnte man sich die Wege hier wirklich nicht merken.
Die Kantinentür, direkt neben Lady Gaga, stand einen Spalt breit auf und Lucy konnte schon den Geruch von frisch gekochter Soljanka riechen.
Der Duft weckte Erinnerungen an ihre Kinderzeit, als ihre Oma ihr jedes Wochenende Soljanka gekocht hatte.
Sie betrat die Kantine, die sehr viel wärmer als die Flure und gut gefüllt war. Die meisten Leute aßen jetzt scheinbar Abendessen bevor der Stress nach dem Konzert kommen würde.
Lucy ging zur Theke und begrüßte die Küchenfrau. Radiomusik spielte im Hintergrund.
„Könnten Sie mir vielleicht ein paar Snacks und belegte Brote zusammenstellen für das Meet&Greet nachher?“, fragte Lucy.
Die Frau, die sie sogar ein wenig an ihre Oma erinnerte, lächelte und nickte.
„Natürlich. Das wird nur einen Augenblick dauern. Ich muss erst ins Lager dafür“, sagte die Frau.
„Klar kein Problem, ich kann warten“, meinte Lucy, entschied sich dann aber um.
„Ach wissen Sie, die Suppe riecht so gut, ich würde in der Zwischenzeit einmal Soljanka nehmen“, sagte sie.
Ich ältere Frau lächelte noch strahlender als zuvor.
„Gerne“
„Wie viel kostet das?“, fragte Lucy und kramte bereits in ihrer Hosentasche.
„Geht aufs Haus“, flüsterte die Dame verschwörerisch.
Lucy bedankte sich schmunzelnd.
Sie nahm die Schale mit der dampfenden und gut duftenden Soljanka entgegen und suchte sich einen Tisch. Gerade als sie einen freien Platz entdeckte rief jemand ihren Namen.
Sie drehte sich um und sah Brian an einem der Tische sitzen.
„Du kannst dich zu mir setzen“, sagte er.
Lucy setzte ihre Schale auf seinem Tisch ab und setzte sich auf den freien Stuhl.
„Danke“, sagte sie.
Brian hatte auch eine Soljanka vor sich stehen. Er deutete mit dem Löffel auf Lucys Suppe.
„Das ist das Beste, was dieser Laden zu bieten hat. Lass es dir schmecken“
Lucy dippte ihren Löffel in die Soljanka und probierte vorsichtig.
Unwillkürlich breitete sich ein Lächeln auf ihren Lippen aus. Es roch nicht nur so wie früher bei ihrer Oma, es schmeckte auch so.
„Das ist richtig gut“, bestätigte sie und nahm gleich noch einen großen Löffel voll bei dem sie sich prompt den Mund verbrannte.
Brian lachte leise als er ihr Malheur bemerkte.
Lucy blickte auf und musterte Brian für einen Moment, als dieser mit seinem eigenen Essen beschäftigt war.
Wie konnte sie ihn nur mit dem Frontman von Sunrise Avenue verwechseln? Sie sahen sich, mal abgesehen von den blonden Haaren, gar nicht ähnlich.
Brian war um einiges kleiner und vermutlich auch jünger, Lucy schätzte ihn auf Mitte zwanzig. Und er war glatt rasiert, was eigentlich so gar nicht Lucys Geschmack war, aber es stand ihm.
Brian sah von seinem Essen auf.
„Alles okay?“, fragte er, als er ihren Blick bemerkte.
„Ich habe nur gerade über gestern nachgedacht. Und wer der andere Mann wohl war“, sagte sie mehr oder weniger wahrheitsgemäß.
„Ein Idiot war das. Sich als jemand anders auszugeben, das ist echt unmöglich“, antwortete er mit gerunzelter Stirn.
Ein Flackern schräg hinter Brians Kopf lenkte Lucy ab. Sie stimmte Brian abwesend zu und konzentrierte sich auf das Flackern. Ein Bildschirm hing an der Wand.
Und darauf war eine Live-Übertragung des Konzerts zu sehen.
Lucy versteifte sich und ihr Herz schlug schneller als sie die Band auf der Bühne sah. Und mitten drin ihr gestriges Date, das Brian gerade so charmant als 'Idiot' bezeichnet hatte.
Erst jetzt bemerkte Lucy, dass die Musik, die sie vorhin für eine Radioübertragung gehalten hatte, eigentlich der Ton des Konzerts war.
„Apropos“ Brian stockte für einen Moment und Lucy schenkte ihm wieder ihre volle Aufmerksamkeit.
„Hast du Lust auf ein neues erstes Date?“, fragte er nun und Lucy sah leichte Unsicherheit in seinem Blick.
Für einen Moment schweifte ihre Aufmerksamkeit wieder zu dem Bildschirm. Die Kamera wurde herangezoomt und der Leadsänger füllte nun den gesamten Monitor aus.
Er hatte ein Mikro in der Hand, wirkte leicht verschwitzt, strahlte aber in die jubelnde Menge.
Lucy schüttelte die Gedanken an ihn ab.
„Gern“, erwiderte sie und sah wie die Anspannung von Brian abfiel.
Sie verabredeten sich zu morgen Abend. Lucy hatte ein mulmiges Gefühl im Magen.
Sie verabredete und datete momentan eigentlich nicht. Nur One Night Stands. Nicht mehr. Dass sie Brian jetzt zusagte, hatte mehrere Gründe.
Zum einen fand sie ihn einfach sympathisch. Er war höflich und zuvorkommend und er gefiel Lucy. Zum anderen hatte sie das Gefühl ihm etwas schuldig zu sein. Dass das Date gestern für ihn ausgefallen war, tat ihr leid, vor allem, da er sie wahrscheinlich gesucht hatte.
Und der dritte Grund war, dass sie dringend Ablenkung brauchte. Sie wusste, dass das Brian gegenüber nicht fair war, aber sie hoffte so von ihren Gedanken über den Bandfrontman loszukommen.
„Wir sehen uns dann nach dem Meet&Greet“, sagte Brian und verabschiedete sich.
Lucy hatte beim Vertragsabschluss von Jessi erfahren, dass ihre Aufgabe auch sein würde, das Meet&Greet zu betreuen. Und das hieß anwesend sein. Zusammen mit der Band.
Sie wusste noch nicht, wie sie das auf die Reihe bekommen sollte ohne dem Leadsänger zu begegnen.
~~~
Noch fünf Minuten bis die Band den Raum betreten würde. Lucy kontrollierte zum dritten Mal, ob auch wirklich alle Autogrammkarten und CDs an ihren Plätzen waren.
Sie hatte kalte, schwitzige Hände und war so nervös, dass ihr Magen sich zu drehen schien. Vielleicht lag das aber auch noch an dem Kater, mit dem sie seit heute Morgen kämpfte.
Nur allzu deutlich hörte sie das Ticken der Uhr. Lucy schob die Blumen, die sie besorgt hatte ein paar Zentimeter weiter über den Tisch, nur um sie dann wieder dahin zu stellen, wo sie vorher standen.
Ein Klopfen ließ Lucy zusammenzucken.
Es war soweit, sie würde der Band und ihrem gestrigen Date gegenüberstehen. Ihr Herz pochte bis zum Hals als sie zur Tür ging und sie öffnete.
Lucy stieß die Luft aus. Vor der Tür stand Jessi.
Als sie Lucys Anspannung bemerkte, lachte sie.
„Bleib ganz entspannt, es wird schon nichts schief gehen“, sagte Jessi.
„Ist mit dem Raum alles in Ordnung?“, erkundigte sie sich.
Lucy trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf den Meet&Greet Bereich frei. Jessi sah sich alles genau an. Ihr Blick blieb an Elton John hängen.
„Interessante Dekoration“, kommentierte sie, nickte aber zufrieden.
„Sehr schön, dann können die Fans ja kommen. Du weißt, was du zu tun hast?“
„Die Fans zum Raum begleiten und das ganze Meet&Greet beobachten. Und wenn was ist, soll ich mich bei dir oder Brian melden“, sagte Lucy.
„Ganz genau“, bestätigte Jessi. „Es werden auch noch einige Securitys dabei sein, also keine Angst, du musst bei einem Notfall nicht eingreifen“
Lucy hoffte, dass es gar nicht erst zu irgendeiner Notfallsituation kam.
„Gut, dann holen wir mal die Fans ab“, schloss Jessi und bugsierte Lucy dabei aus dem Meet&Greet Bereich.
Lucy ging ziemlich die Pumpe. Sie war unglaublich aufgeregt. Würde sie Samu Haber treffen? Und würde er sie wiedererkennen?
Sie kam sich fast selbst vor wie ein Fan, obwohl sie vor 24 Stunden noch nichtmal wusste, wie der Frontman von Sunrise Avenue hieß, geschweige denn aussah.
Aufgeregtes Geplapper war am anderen Ende des Ganges zu hören. Eine Gruppe junger Mädchen stand dort und redete auf einen Sicherheitsmann ein.
„Warum dauert das so lange? Wir wollen Samu nicht verpassen!“, diskutierte gerade ein nach Lucys Einschätzung 14-Jähriges Mädchen.
„Ihr werdet abgeholt“, sagte der Securitymann nur.
Lucy sah den verzweifelten Blick, den er nun in den Flur warf und die Erleichterung, als er sie und Jessi erblickte. Sein Blick schrie schon fast 'Hilfe' .
Sie musste sich ein Grinsen bei dem Anblick verkneifen. Das war derselbe Sicherheitsmann, der ihr vorhin den Weg versperrt hatte.
„Hallo Leute“, begrüßte Jessi die Gruppe. „Schön, dass ihr alle hergefunden habt. Bevor es zum Meet&Greet mit Sunrise Avenue kommt-“
Aufgeregtes Getuschel unterbrach sie bei der Erwähnung der Band. Jessi hob die Stimme.
„-müssen wir noch einmal eure Tickets kontrollieren. Das wird meine Assistentin Lucy übernehmen“
Lucy nickte und machte sich daran die Tickets anzuschauen. Einige Mädchen waren so aufgeregt, dass ihre Hände mit den Tickets zitterten. Lucy konnte es ihnen nicht verdenken, wo sie doch selbst so nervös war.
Jessi erklärte den Fans nochmal die Verhaltensregeln, bevor sich alle zusammen auf den Weg zum Raum begaben.
Als sie ankamen war die Band noch nicht da. Aufgeregt flüsternd setzen sich die Mädchen auf die Sofas während Lucy versuchte möglichst mit den Schatten in einer Ecke zu verschmelzen.
Jessi kam lächelnd auf sie zu.
„So, ich würde dich dann mal allein lassen. Chris bleibt hier und wenn was ist, ruf mich einfach an, meine Nummer hast du ja“
Sie drehte sich um und wollte gehen, als sie sich nochmal an Lucy wandte.
„Falls das Gespräch ins Stocken kommt, kannst du gern ein paar Fragen einwerfen, die die Atmosphäre auflockern können. Aber die Jungs kennen das auch schon, da muss man sich eigentlich keine Sorgen machen“
„Alles klar“, sagte Lucy. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Stimme leicht zittrig klang.
Jessi verließ den Raum und ließ Lucy allein mit der Gruppe von Fans und einem grimmig dreinblickenden Chris.
„Gibts hier einen Flaschenöffner?“, fragte jetzt eins der Mädchen.
„Natürlich, kleinen Moment“, sagte Lucy, griff in das Regal hinter sich und holte einen Flaschenöffner heraus.
Sie ging damit zum Sofatisch und öffnete eine der Wasserflaschen. Das Mädchen bedankte sich lächelnd.
Lucy hörte hinter sich die Tür aufgehen. Ihr Herz setzte einen Schlag aus, bevor es doppelt so schnell weiterschlug.
Mit dem Flaschenöffner in der Hand drehte sie sich um.
Alle Hoffnung, dass er sie nicht erkennen würde, schwand dahin.
Er stand direkt vor ihr. Und starrte sie mit seinen strahlend blauen Augen durchdringend an.
Lucy hatte einen Kloß im Hals und brachte kein Wort hervor.
Er hatte sie nicht vergessen. Ganz und gar nicht.
Kleiner Schreibflash meine Lieben, ich hoffe ihr habt Spaß ^^
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