Und ein verhängnisvolles Interview
Am nächsten Morgen fühlte sie sich wie gerädert. Sie hatte die halbe Nacht lang nicht geschlafen. Ihre Gedanken hatten sie wach gehalten. Gedanken an Samus Worte.
Du hast getanzt als würde die Welt dir gehören und nichts und niemand könnte dich aufhalten.
Lucy goss sich eine große Tasse Kaffee ein. Er hatte recht. In Momenten wie diesen konnte sie frei sein. Wenn sie ihre Gedanken ausschaltete. Aber das funktionierte nicht immer.
Maurice sprang auf die Theke neben ihr und stupste sie an. Lucy strich ihm über den Kopf und schaute auf die Uhr.
7:30 Uhr. Um 8 Uhr wollte sie sich mit Sam treffen.
Lucy stellte ihre Tasse in die Spüle und ging gefolgt von Maurice in ihr Schlafzimmer. Während sie sich Klamotten heraussuchte, die für ein gemeinsames Frühstück, aber auch für einen Arbeitstag passend waren, wurde sie von ihrem Kater kritisch beäugt.
Sie fragte sich schon lange, was in diesem kleinen Kopf so vor sich ging.
Maurice sprang aufs Bett und legte sich auf die Bluse, die Lucy sich gerade herausgesucht hatte.
„Katerchen, die wollte ich jetzt anziehen", sagte sie vorwurfsvoll und zog an dem Kleidungszipfel, der noch unter dem dicken Kater herauslugte.
Maurice stieß ein leises Knurren aus, rollte sich aber so auf die Seite, dass Lucy ihre Bluse herausziehen konnte.
„Danke, eure Hoheit", meinte sie lachend und wuschelte dem Kater durch sein dickes Fell.
Maurice schlug träge mit seiner Pfote nach Lucys Hand, aber Lucy war schon aus der Tür.
„Bis nachher, Maurice", rief sie, bevor sie ihre Wohnung verließ.
~~~
Sam winkte ihr schon von Weitem zu.
Das kleine Café in der Innenstadt war perfekt zum Frühstücken. Lucy und Sam hatten es vor einem Jahr kurz nach dessen Eröffnung gefunden und sofort ins Herz geschlossen.
Da es draußen zu kalt war und heftige Windböen einen neuen Herbststurm ankündigten, setzten sie sich nach drinnen direkt an die Fensterscheibe.
Der Kellner stellte ihnen frische Croissants, Marmelade und Honig auf den Tisch.
Sam wartete bis er weg war, bevor sie sich mit einem verschwörerischen Lächeln zu ihr wandte.
„Also", fing sie an. „Erzähl, was war gestern los?"
Lucy griff sich eins der Gebäcke und tunkte es in den Marmeladentopf. Sie zögerte.
„Versprich mir, dass du es nicht weitererzählst", bat sie und biss von dem Croissant ab.
Sam hob zwei gekreuzte Finger.
„Versprochen"
Lucy holte tief Luft.
Dann erzählte sie alles, was seit dem Abend bei der Party passiert war. Von der Verwechslung, über die Geschehnisse der Nacht, an die sie sich aber nicht mehr erinnerte, bis hin zu ihren gestrigen Begegnungen mit den beiden so unterschiedlichen Männern. Als Lucy erklärte, dass es sich bei ihren One Night Stand um den Leadsänger von Sunrise Avenue handelte, schnappte Sam nach Luft.
„Wirklich der Samu Haber?", fragte sie etwas zu laut.
Lucy sah sich besorgt im Café um, bevor sie nickte.
„Scheiße", sagte Sam. Gleichzeitig grinste sie. „Magst du ihn?", wollte sie wissen.
Lucy nippte an ihrer heißen Schokolade, die der Kellner in der Zwischenzeit gebracht hatte.
„Keine Ahnung", meinte sie schließlich. „Er ist ein Weltstar. Da habe ich doch sowieso keine Chance"
Sam schüttelte den Kopf.
„Sag das nicht. Ich sehe doch, dass dich das beschäftigt. Versuch es doch einfach. Gib nicht schon vorher auf"
Lucy starrte in ihre Tasse.
„Ich kann nicht", sagte sie leise.
Sam legte ihre Hand auf Lucys Unterarm.
„Immernoch die alte Geschichte?"
Lucy nickte und trank einen Schluck. Der süße, schokoladige Geschmack breitete sich in ihrem Mund aus.
„Süße, du musst das endlich vergessen. Du kannst dir doch nicht dein ganzes Leben von diesem Arsch versauen lassen"
Sam hatte sie durch diese schwere Zeit begleitet und dafür war Lucy ihr unendlich dankbar. Sie wusste nicht, wie sie das sonst hätte überstehen sollen.
„Du meinst also, ich soll es probieren?", fragte Lucy.
„Ich kann dir nichts vorschreiben, aber ich will nicht, dass du am Ende bereust, es nicht versucht zu haben",sagte Sam.
„Hör auf dein Herz. Wenn du dich in seiner Nähe gut fühlst, dann geh zu ihm"
Lucy sah aus dem Fenster. Passanten gingen mit gesenkten Köpfen am Café vorbei. Leichter Nieselregen war zu dem starken Wind hinzugekommen.
„Aber Luce", fügte Sam noch hinzu.
Lucy sah sie an.
„Bring dich bitte nicht in Schwierigkeiten. Wenn dir irgendetwas komisch vorkommt, sag mir Bescheid"
Lucy lächelte.
„Danke"
„Für dich immer Süße"
Sam holte ihr Handy raus und schaute auf die Uhrzeit.
„Meine Schicht beginnt in 20 Minuten, ich muss langsam los", sagte Sam und stand auf. Sie rief den Kellner heran und bezahlte.
Lucy tat es ihr gleich und zog sich ihren Regenmantel an.
Sie umarmte ihre Freundin und wünschte ihr eine stressfreie Schicht. Sam arbeitete als Krankenschwester und Lucy wusste, dass ein stressfreier Tag für Sam ein guter Tag war.
„Ruf mich heute Abend an, wenn du Zuhause bist", sagte Sam und ging die Treppen des Cafés hinunter.
„Mach ich"
Lucy folgte ihr aus dem Café.
„Tschüss Luce", sagte Sam winkend.
„Bis heute Abend, Sammy", erwiderte Lucy und winkte ihrer Freundin zum Abschied.
~~~
Eine Stunde später stand Lucy voll beladen mit Mikrofonen und Namensschildchen in Jessis Büro.
Jessi legte ihr noch ein paar Kabel auf den Stapel, sodass Lucy nur noch bedingt sehen konnte, was sich vor ihr befand.
„Bekommst du das getragen?", fragte ihre Chefin nun.
„Ich versuchs", antwortete Lucy.
Sie machte sich auf den Weg zum Konferenzraum und versuchte dabei verzweifelt nicht alles fallenzulassen, was sie in den Armen trug.
Leider war ein Kabel da anderer Meinung und rollte sich so weit aus dem Stapel, dass es bis auf den Boden hing. Lucy trat postwendend auf das Kabelende, stolperte und fiel dann mit einem lauten Poltern der Länge nach hin.
Na, klasse.
Mikrofone rollten quer durch den Flur und die Namensschildchen hatten sich auf dem Boden verteilt.
Lucy rieb sich fluchend das Kinn. Sie war auf einem der Mikros gelandet und nun schmerzte ihr gesamter Kiefer.
Ächzend sortierte sie alle ihre Körperteile und stand wieder auf.
„Hey, alles in Ordnung bei dir? ", fragte jemand.
Lucy blickte auf und sah Brian vor sich stehen.
„Geht schon", antwortete sie.
„Das war wohl doch ein bisschen zu viel"
Brian bückte sich und sammelte die ersten Mikrofone auf.
„Ich helf dir schnell. Das soll sicherlich in den Presseraum?", meinte er.
„Genau, für die Konferenz nachher", bestätigte Lucy und machte sich nun auch daran die Kabel und den Rest einzusammeln.
„Steht unser Date nachher noch?", fragte Brian beiläufig.
Lucy erstarrte in ihrer Bewegung.
Das Date mit Brian. Das hatte sie total vergessen.
Trotzdem nickte sie, als wäre nichts gewesen.
Brian lächelte.
„Ich hatte schon Angst, dass du es vergessen hast", meinte er.
Lucy lachte nervös.
„Quatsch, soetwas vergesse ich nicht so schnell"
Zu ihrer Verteidigung musste gesagt werden, dass sie mit den Gedanken den gestrigen Abend und auch den heutigen Morgen bei einem ganz anderen Mann gewesen war.
Bei näherer Überlegung war das nichts, was man als Verteidigung auslegen konnte.
„Dann ist ja gut", lachte Brian.
Sie hatten inzwischen alle runtergefallenen Teile wieder aufgesammelt und waren auf dem Weg zum Konferenzraum.
Cat Stevens, Amy Winehouse und Madonna beobachteten sie dabei.
Lucy hatte fast das Gefühl, als würden sich die Augen auf den Plakaten bewegen. Gruselig.
„Ich hol dich dann gegen 20 Uhr vor Jessis Büro ab, in Ordnung?", sagte Brian während er die Tür des Konferenzraums öffnete.
„Wie sieht unser Date dann aus?", fragte Lucy.
Brian legte seinen Teil der Mirkofone auf den Tischen an der Stirnseite des Raumes ab. Hier würden die Band und ihre Manager sitzen. Zu denen auch Brian gehörte.
Er warf ihr einen verschwörerischen Blick zu.
„Lass dich überraschen", sagte er nur.
Lucy hasste Überraschungen. Vor allem, wenn es um Dates ging, wollte sie genau wissen, was sie erwartete.
Doch auch nach mehrmaligem Nachfragen ließ er sich nicht erweichen und so blieb sie im Ungewissen, wie ihr Date aussehen würde.
Er verabschiedete sich von ihr und ließ sie allein mit den vielen Kabeln und Mikros.
Lucy brauchte über eine Stunde um alles fertig aufzustellen und zu sortieren. Gerade als sie das letzte Namensschild verteilte, kamen die ersten Journalisten in den Raum.
Sie war so beschäftigt damit alle auf ihre Plätze zu weisen, dass sie gar nicht mitbekam, dass die Band schon den Raum betreten hatte.
Erst ein „Test, Test" aus einem der Lautsprecher sorgte dafür, dass sie sich umdrehte.
Die Band nahm gerade auf ihren Stühlen Platz. Lucy hatte nur Augen für den blonden Frontman, der sich gerade lachend mit dem Drummer unterhielt.
Sein Lachen hinterließ ein wohliges Gefühl in ihrem Bauch.
Sie wies schnell die letzten Fotografen und Journalisten auf ihre Plätze, bevor sie neben den Securitys an der Tür Stellung bezog. Chris nickte ihr zu.
Brian als Tourmanager hatte sich auch einen Platz gesucht und blickte die wartenden Journalisten an.
Die Pressekonferenz begann und Lucy hatte alle Hände voll zu tun damit, die Getränke nachzufüllen und Mikrofone an die redenden Pressereferenten zu verteilen.
Die Band sprach über ihre noch bevorstehenden Konzerte und über ihr neuestes Album.
Jedes Mal wenn der Leadsänger von Sunrise Avenue das Wort ergriff, jagte ein Schauder über Lucys Rücken, aber sie versuchte dieses Gefühl zu ignorieren.
Gerade als die Konferenz dem Ende nahe schien, ergriff einer der weiter hinten sitzenden Journalisten das Wort. Lucy ging zu ihm und gab ihm ein Mikro.
„Samu Haber, was sagen Sie zu den Gerüchten über ihre neue Freundin?"
Lucy versteifte sich und drehte sich langsam in Richtung des Sängers.
Er schwieg für einen Moment. Sein Blick blieb an Lucy hängen.
Und sie spürte wie sich ihr Herz zusammenzog.
I know, I know,
mieser Cliffhanger, aber ich hatte heute mal Lust dazu.
Das Kapitel ist Svenja_Marsulis gewidmet, da sie mit ihren netten Kommentaren und Hinweisen wirklich tolle Kritik geübt hat und ich ihr dafür sehr dankbar bin.
Vielen Dank Svenja, ich hoffe du liest weiterhin so aufmerksam meine Geschichte. Nimms mir nicht übel, dass ich die Fehler erst nach Beendigung des Buches ausbessern und überarbeiten werde.
Bis zum nächsten Kapitel.
Viel Spaß weiterhin wünscht
Luisa
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